AG Saarbrücken, Az.: 54 F 294/12 AB
Beschluss vom 30.10.2014
I.
Die Weigerung der Zeugin H, zu dem mit Beschluss vom 22.05.2014 bestimmten Beweisthema auszusagen, ist rechtmäßig.
II.
Die Kostenentscheidung folgt derjenigen in der Hauptsacheentscheidung.
III.
Der Verfahrenswert für das Zwischenstreitverfahren wird auf 2.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
In der Hauptsache hat der aufgrund Vaterschaftsanerkennung vom 21.12.2004 als Vater des betroffenen Kindes D, geboren am 13.11.2004, geltende K § 1592 Nr. 2 BGB, unter dem 16.07.2012 beantragt festzustellen, dass er nicht der leibliche Vater des betroffenen Kindes ist.
Er trägt vor, erst im September 2011 erfahren zu haben, dass er möglicherweise nicht der Vater des Kindes D sei. Er habe im Frühjahr 2004 mit der Kindesmutter intime Kontakte gehabt und sei daher von seiner Vaterschaft ausgegangen. Nach der Geburt des Kindes habe er die Vaterschaft vor dem Standesamt Hagenow/Mecklenburg-Vorpommern anerkannt. Man habe auch kurze Zeit zusammen gewohnt.
Nach dem Abbruch der Beziehung habe kein Kontakt mehr bestanden.
Erst im September 2011 habe der Bruder seiner geschiedenen Frau, J, ihm anlässlich eines Familientreffens berichtet, dass er mit der Kindesmutter einen Sohn habe und das D nicht vom Antragsteller H stamme.
Das betroffene Kind und die beteiligte Kindesmutter behaupten, es habe nie einen intimen Kontakt zwischen der Kindesmutter und K gegeben. Das Kind D stamme von J, was dem K auch bekannt gewesen sei. Er habe 1.000,- Euro für die Vaterschaftsanerkennung erhalten.
Zum Beweis der Tatsache, dass die Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt der Antragstellung im Juli 2012 bereits verstrichen war, benennt das darlegungs- und beweisbelastete betroffene Kind die Zeugin H., Mitarbeiterin des Jugendamtes des Regionalverbandes Saarbrücken – Unterhaltsvorschusskasse. Die Zeugin könne bekunden, dass der K anlässlich eines Telefonats betreffend die für das Kind D zu erbringenden Zahlungen nach dem UVG im Januar 2012 geäußert habe, dass nie ein Zweifel daran bestanden habe, dass er nicht der Vater des betroffenen Kindes sei.
Im Termin zur Beweisaufnahme am 22.05.2014 wurde die Zeugin gemäß § 384 Nr. 2 ZPO belehrt und machte von dem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Die Beweisführer bestreiten, dass der Zeugin tatsächlich ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Die Beteiligten wurden im Zwischenstreitverfahren im Termin zur mündlichen Erörterung am 09.10.2014 persönlich angehört.
Für die Einzelheiten des Streit- und Sachstandes wird auf den Akteninhalt sowie insbesondere das Erörterungsprotokoll vom 09.10.2014 Bezug genommen.
Die Zeugin H hat zu Recht von ihrem Aussageverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Danach kann ein Zeuge das Zeugnis verweigern über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Vorliegend besteht das Zeugnisverweigerungsrecht, der in der öffentlichen Jugendhilfe tätigen Zeugin, aufgrund des bestehenden Sozialdatenschutzes, § 61 Abs. 1 SGB VIII.
Gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB X handelt derjenige ordnungswidrig und wird mit einem Bußgeld belegt, der vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt Sozialdaten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet.
Grundlage des Sozialdatenschutzes ist das Sozialgeheimnis gemäß § 35 SGB I. Danach hat jeder Einzelne einen Anspruch gegenüber den Sozialleistungsträgern, hier also der Unterhaltsvorschusskasse, dass die ihn betreffenden Sozialdaten nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit kommt es dabei nicht an.
Gemäß § 35 Abs. 2 SGB X ist eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig, §§ 67 – 85 a SGB X, ergänzt, durch die bereichsspezifischen Datenschutzbedingungen.
Bei den vorliegend in Rede stehenden Gesprächsinhalten, die Gegenstand der Vernehmung der Zeugin H hätten sein sollen, handelt es sich um Sozialdaten im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB I i. V. m. § 67 SGB X. Dort heißt es: „Sozialdaten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.“
Aufgabe der Unterhaltsvorschusskasse ist es, Kindern, die von ihren Unterhaltsschuldnern keinen Kindesunterhalt erhalten bei Hinzutreten bestimmter weiterer Voraussetzungen, Leistungen nach dem UVG zu gewähren. Dabei gehen die Ansprüche der Leistungsempfänger gemäß § 7 UVG auf den Leistungsträger über. Der Leistungsträger kann sodann seine Ansprüche gegenüber dem Unterhaltspflichtigen geltend machen.
Die Unterhaltsvorschusskasse hat als jugendhilferechtliche Sozialleistung eigener Art, Leistungen an das Kind D erbracht. Der K ist nach Vaterschaftsanerkennung der gesetzliche Vater des Kindes und mithin grundsätzlich zu Unterhaltszahlungen verpflichtet.
Die Kontaktaufnahme zwischen der Zeugin H und dem Kindesvater K erfolgte daher im Rahmen der Erledigung einer originären Aufgabe der Unterhaltsvorschusskasse. Die dabei möglicherweise erworbenen Erkenntnisse zur leiblichen Vaterschaft für das Kind sind Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des K und mithin Sozialdaten im Sinne des Gesetztes.
Verarbeiten ist gemäß § 67 Abs. 6 Nr. 3 b SGB X das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen von Sozialdaten, wobei Übermitteln im Sinne dieses Gesetzbuches auch das Bekanntgeben nicht gespeicherter Sozialdaten ist.
Darunter fällt mithin auch eine Aussage im familiengerichtlichen Verfahren über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse des an dem sozialrechtlichen Vorgang der Unterhaltsvorschussgewährung Beteiligten H-G, die der Zeugin aufgrund eines Telefonats bekannt geworden sind.
Eine Nutzung bzw. Übermittlung der Daten durch die Zeugin im Rahmen des hiesigen Abstammungsverfahrens ist gemäß § 67 d SGB X auch nicht zulässig und mithin unbefugt, weil sich eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis weder aus §§ 68 ff SGB X noch aus § 64 SGB VIII oder aus einer anderen Vorschrift ergibt.
Eine solche ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X, da das hiesige Abstammungsverfahren nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung einer sozialrechtlichen Aufgabe steht. Es geht hier gerade nicht um Fragen des Unterhalts, die den Aufgabenbereich der Unterhaltsvorschusskasse berühren würden, sondern vielmehr um eine Statusfrage.
Es war daher festzustellen, dass die Weigerung der Zeugin rechtmäßig ist.