OLG Koblenz, Az.: 7 UF 758/15, Beschluss vom 23.02.2016
Die Beschwerde der Annehmenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Montabaur vom 26.11.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Annehmende zu tragen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Das anzunehmende Kind ist das Enkelkind der Annehmenden. Die Annehmende hat mit einem am 17.11.2014 bei Gericht eingegangenen notariell beurkundeten Antrag die Annahme ihres Enkelkindes beantragt. Die Kindeseltern haben in gleicher Urkunde die Einwilligung in die Annahme erklärt.
Die Annehmende ist Vormund des anzunehmenden Kindes (Az. 21 F 112/12 Amtsgericht Montabaur). Das Kind lebt seit seiner Geburt mit Einverständnis der Kindeseltern in deren Haushalt. Für die Kindesmutter ist eine Betreuung eingerichtet (Az. 11A XVII 388/13 Amtsgericht Montabaur).
Durch Beschluss des Amtsgerichts Montabaur vom 16.12.2014 (Az. 16a F 109/14) wurde für das anzunehmende Kind Frau …[A] als Ergänzungspflegerin zur Wahrnehmung der Rechte des Kindes im Adoptionsverfahren bestellt (Bl. 9, 10 d.A.). Mit schriftlicher Stellungnahme vom 13.4.2015 hat die Ergänzungspflegerin die Einwilligung in die Adoption abgelehnt. Im Anhörungstermin vom 23.11.2015 hat sie an ihrer Ablehnung festgehalten. Die Adoption zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei sowohl für die Kindeseltern als auch für das Kind zu früh. Die emotionale Verflechtung der Kindesmutter zu ihrer Mutter sei erheblich. Diese Verflechtung behindere sowohl den Aufbau einer festen Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind als auch zwischen dem Kind und der Annehmenden. Einer rechtlichen Absicherung der Annehmenden bedürfe es nicht, da sie Vormund des Kindes sei.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Ersetzung der von der Ergänzungspflegerin versagten Einwilligung in die Adoption abgelehnt. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass die an eine Verwandtenadoption zu stellenden hohen Anforderungen nicht gegeben seien. Es gelte, ein konfliktträchtiges und damit dem Kindeswohl schädliches Nebeneinander von rechtlichen Eltern und leiblichen Eltern, denen keine Befugnisse mehr an dem Kind zustünden, zu vermeiden. Bei einer Adoption durch die Annehmende würde die verwandtschaftliche Beziehung zum leiblichen Vater völlig erlöschen, während die Kindesmutter als Schwester der Anzunehmenden weiter mit ihr verwandtschaftlich verbunden wäre. Dadurch seien weitere Streitigkeiten zu erwarten, die dem Kindeswohl nicht dienlich seien.
Gegen die Entscheidung wendet sich die Annehmende mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung beruft sie sich darauf, dass sie nicht beabsichtige, ihrer Tochter das Kind zu entziehen. Unberücksichtigt geblieben sei der Umstand, dass die Kindeseltern auf absehbare Zeit zur Erziehung und Betreuung der Anzunehmenden nicht in der Lage seien. Die Beziehung ihrer Tochter zu dem Kind sei nicht die einer Mutter sondern einer Schwester. Zudem mische sie sich ständig in die Erziehung ein, was zu fortwährenden Streitigkeiten zwischen ihr und der Kindesmutter führe. Durch eine Adoption werde sowohl ihr als auch dem Kind rechtliche Sicherheit gegeben, was dem Kindeswohl diene.
Emotionale Auswirkungen aufgrund einer Adoption und Entfremdungen zu den Eltern seien durch die Adoption, die am tatsächlichen Lebensumfeld des Kindes nichts ändere, nicht zu befürchten.
Die Annehmende beantragt daher, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die versagte Einwilligung der Ergänzungspflegerin in die Adoption zu ersetzen.
Die Kindeseltern beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die amtsgerichtliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Nach einer Adoption sei ein vollständiger Kontaktabbruch zwischen der Anzunehmenden und den Kindeseltern zu befürchten. Die Annehmende verweigere bereits heute regelmäßig den Umgang der Kindeseltern mit der Anzunehmenden. Die Schwierigkeiten im Verhältnis der Kindesmutter zu ihrer Mutter würden zudem durch die Adoption nicht verringert, sondern eher vergrößert. Dieser Umstand werde sich nachteilig auf das Kindeswohl auswirken. Diesbezüglich habe das Amtsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine Änderung der Verwandtschaftsverhältnisse zu erheblichen Auseinandersetzungen führen werde, die nicht kindeswohldienlich seien und eine spätere Identitätsfindung des Kindes deutlich erschwerten.
Die Verfahrensbeiständin und die Vertreterin des Jugendamtes halten demgegenüber eine Adoption für kindeswohldienlich und regen daher eine Ersetzung der erforderlichen Einwilligung in die Adoption durch den Senat an, nachdem die Ergänzungspflegerin auch vor dem Senat einer Adoption nicht zugestimmt hat.
Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch ansonsten in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Ersetzung der erforderlichen Einwilligung der Ergänzungspflegerin in die Adoption abgelehnt. Weder das Beschwerdevorbringen noch die durch den Senat gewonnenen Erkenntnisse aus der umfassenden Anhörung aller Beteiligten im Termin vom 18.2.2016 rechtfertigen eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Nach § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Annahme als Kind dann zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Die Eltern des Kindes müssen nach § 1747 BGB ebenso die Einwilligung in die Adoption erteilen wie das anzunehmende Kind nach § 1746 BGB selbst. Sofern das Kind die Einwilligung aufgrund seines Alters nicht selbst erteilen kann, ist – wie hier – ein Vormund bzw. Ergänzungspfleger zu bestellen.
Verweigert dieser die erforderliche Einwilligung, kann diese nach § 1746 Abs. 3 BGB durch das Familiengericht ersetzt werden, sofern die Zustimmung ohne triftigen Grund verweigert wurde.
Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Zustimmung durch das Familiengericht nicht gegeben. Die Ergänzungspflegerin hat die Zustimmung zur Adoption nicht ohne triftigen Grund verweigert, da die Adoption vorliegend aufgrund des zwischen der Kindesmutter und der Annehmenden bestehenden verwandtschaftlichen Verhältnisses nicht kindeswohldienlich erscheint.
Ob allein der Umstand, dass ein Vormund oder Pfleger die Zustimmung nicht ohne triftigen und damit verständlichen und nachvollziehbaren Grund verweigert, das Gericht an einer Ersetzung der versagten Zustimmung hindert, wird in der Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich behandelt. Nach einer Ansicht gilt die Einwilligung immer schon dann als ohne triftigen Grund abgelehnt, wenn die Annahme als solche nach § 1741 BGB zulässig ist. Nach dieser Ansicht hat der Pfleger keinen eigenen Beurteilungsspielraum (MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 1746, Rn 14 m.w.N.). Nach anderer Ansicht, der nach Auffassung des Senats eher zu folgen sein dürfte, müssen vernünftige, im Rahmen des § 1741 BGB vertretbare und nachvollziehbare Gründe des Vormunds oder Pflegers anerkannt werden, auch wenn sie von der Einschätzung anderer am Verfahren Beteiligter abweichen (Staudinger, Kommentar zum BGB, Bearbeitung 2007, § 1746 Rn 20 m.w.N.).
Welcher Auffassung letztlich zu folgen ist, bedarf vorliegend jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn hier kommt eine Ersetzung der von der Ergänzungspflegerin verweigerten Zustimmung durch den Senat bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Adoption nicht dem Kindeswohl dienlich ist.
Die familiengerichtliche Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn die Adoption dem Wohl des Kindes dient und die begründete Erwartung besteht, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entsteht.
Kindeswohldienlich ist die Annahme dann, wenn sich die Lebensbedingungen des Kindes so nachhaltig ändern, dass eine merklich bessere Entwicklung seiner Persönlichkeit zu erwarten ist (MünchKomm-BGB, a.a.O., § 1741, Rn 15).
Die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ist dann anzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass der Annehmende tatsächlich die Elternrolle ohne Einschränkungen übernimmt.
Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Dabei bestehen gegen eine – wie hier erstrebte – Großeltern-Enkel-Adoption von vorn herein durchgreifende Bedenken. Denn die Verwandtenadoption begründet notwendigerweise künstliche Verwandtschaftsverhältnisse anstelle von natürlichen. Dadurch entstehen zwangsläufig Konfliktpotentiale, insbesondere wegen der regelmäßig völlig offenen Entwicklungen in den Verhältnissen und Befindlichkeiten aller Beteiligten, die nur ausnahmsweise mit dem Kindeswohl zu vereinbaren sein werden und eine positive Prognose der Entstehung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses erlauben (OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 895; Staudinger, a.a.O., § 1741, Rn. 22 ff; MünchKomm-BGB a.a.O., Rn. 27).
Zwischen der Kindesmutter und der Annehmenden bestehen gegenwärtig bereits erhebliche Streitigkeiten in Bezug auf die Erziehung des Kindes. Die Spannungen zwischen den Kindeseltern, insbesondere der Kindesmutter zu ihrer Mutter, der Annehmenden, werden durch eine Adoption nach Ansicht des Senats nicht geringer. Vielmehr ist zu befürchten, dass sich diese durch den vollständigen Abbruch der rechtlichen Beziehung zum Kindesvater und den Fortbestand der verwandtschaftlichen Beziehung des Kindes zu seiner leiblichen Mutter noch verstärken. Dadurch aber tritt keine Verbesserung der Lebenssituation für das Kind ein, sondern eher eine Verschlechterung.
Anders als in den Fällen einer nicht verwandtschaftlichen Beziehung zwischen den Kindeseltern und der Annehmenden wird die Kindesmutter immer wieder aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zu der Annehmenden und dem Kind mit der erfolgten Adoption konfrontiert, ein Umstand, der ein immanentes Konfliktpotential birgt. Dieser Umstand wird auch dadurch verstärkt, dass insbesondere die Kindesmutter weiterhin die räumliche Nähe zu ihrem Kind sucht und auch ernsthaft beabsichtigt, in die Nähe ihrer Mutter umziehen.
Die Annehmende hat zudem versichert, auch weiterhin einen regelmäßigen Umgang ihrer Tochter mit …[B] zuzulassen und die Kindesmutter nicht vollständig von der Erziehung des Kindes auszuschließen.
Die Beteiligten haben weiter übereinstimmend angegeben, dass das anzunehmende Kind die Annehmende als Oma bezeichnet und dies auch so bleiben soll. Auch der Kindergarten sieht in der Annehmenden die Oma des anzunehmenden Kindes und nicht deren Mutter.
Dadurch wird die Entstehung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses nicht gefördert, zumal die Annehmende erklärt hat, dies solle auch in Zukunft so bleiben.
Eine rechtliche Absicherung gebietet nicht den Ausspruch einer Adoption. Zum Schutz der Lebensstellung des anzunehmenden Kindes und der Annehmenden reichen die gegenwärtig bestehenden vormundschaftlichen Regelungen aus.
Nach alledem war die Beschwerde mit der sich aus § 84 FamFG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 Abs. 3 FamFG.