Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Versorgungsausgleich im Fokus: Ein Fall zeigt komplexe Regelungen auf
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ab welcher Trennungszeit kann ein Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden?
- Welche Rolle spielt das Verhältnis zwischen Zusammenlebens- und Trennungszeit für den Versorgungsausgleich?
- Wie wirken sich unterschiedliche berufliche Entwicklungen während der Trennungszeit auf den Versorgungsausgleich aus?
- Welche Bedeutung haben zusätzliche Rentenansprüche wie Betriebsrenten für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs?
- Was bedeutet Grobe Unbilligkeit beim Versorgungsausgleich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Sigmaringen
- Datum: 12.03.2024
- Aktenzeichen: 2 F 308/20
- Verfahrensart: Scheidungsverfahren
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Versorgungsausgleich
- Beteiligte Parteien:
- Antragstellerin: Ehepartnerin, die den Scheidungsantrag eingereicht hat.
- Antragsgegner: Anderer Ehepartner, dem der Scheidungsantrag zugestellt wurde.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die am Jahr 2007 geschlossene Ehe der Parteien wird aufgrund des Scheiterns der Beziehung geschieden. Die Ehegatten leben seit mindestens April 2012 getrennt, sodass das Scheitern der Ehe als unwiderlegbar vermutet wird.
- Kern des Rechtsstreits: Prüfung des Scheidungsgrundes anhand der Trennung seit mindestens drei Jahren sowie die Frage, ob ein Versorgungsausgleich erfolgen soll.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Ehe wird geschieden, es findet kein Versorgungsausgleich statt, die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben und der Verfahrenswert wird auf 13.000,00 € festgelegt.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Ehegatten seit April 2012 getrennt leben und somit das Scheitern der Ehe gem. den gesetzlichen Vorschriften unwiderlegbar vermutet werden kann. Außerdem wird der Versorgungsausgleich als grob unbillig angesehen, weshalb von der Halbierung abgewichen wird.
- Folgen: Die Scheidung wird rechtskräftig, ein Versorgungsausgleich erfolgt nicht und die Prozesskosten werden neutral verteilt, was die praktische Handhabung solcher Fälle in ähnlichen Konstellationen verdeutlicht.
Versorgungsausgleich im Fokus: Ein Fall zeigt komplexe Regelungen auf
Die Regelungen zum Versorgungsausgleich beeinflussen Scheidungen maßgeblich und betreffen nicht nur den Ehegattenunterhalt und die Vermögensaufteilung, sondern auch spezielle Aspekte des Anwartschaftsausgleichs. Besonders im Fall grober Unbilligkeit können Ausschlussgründe eine Rolle spielen, sodass ein Ausschluss Versorgungsausgleich möglich wird – etwa im Kontext eines klar formulierten Ehevertrags nach dem Trennungsjahr.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese komplexe Materie verdeutlicht.
Der Fall vor Gericht
Gericht schließt Versorgungsausgleich nach 12-jähriger Trennung aus

Das Amtsgericht Sigmaringen hat in einem wegweisenden Beschluss vom 12. März 2024 die Scheidung eines Ehepaares ausgesprochen und dabei einen Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Die im Jahr 2007 geschlossene Ehe wurde nach einer außergewöhnlich langen Trennungszeit von zwölf Jahren geschieden.
Deutliches Missverhältnis zwischen Ehe- und Trennungszeit
Die Besonderheit des Falls liegt in der Verteilung der gemeinsamen und getrennten Zeiten. Von der gesamten Ehezeit von 13 Jahren und 2 Monaten lebte das Paar lediglich 4 Jahre und 6 Monate zusammen. Die anschließende Trennungsphase bis zum Ende der Ehezeit erstreckte sich über 8 Jahre und 8 Monate – ein Zeitraum, der etwa zwei Drittel der gesamten Ehezeit ausmacht. Die Trennung erfolgte bereits im April 2012, der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 31. Dezember 2020 zugestellt.
Versorgungsgemeinschaft durch lange Trennung aufgehoben
In seiner rechtlichen Würdigung stützte sich das Gericht auf die Bestimmungen des Versorgungsausgleichsgesetzes. Nach Paragraph 27 VersAusglG kann ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise ausgeschlossen werden, wenn er grob unbillig wäre. Das Gericht sah diese Voraussetzung als erfüllt an, da die Versorgungsgemeinschaft durch die lange Trennungszeit faktisch aufgehoben war.
Unterschiedliche berufliche Entwicklungen nach der Trennung
Ein weiterer entscheidender Aspekt war die berufliche Situation der Ehepartner. Der Antragsgegner bezieht seit November 2018 Rente und baut keine weiteren Anwartschaften mehr auf, während die Antragstellerin bis zum Ende der Ehezeit weiterhin Rentenanwartschaften erwirbt. Die Einkommensentwicklung zeigt interessante Verschiebungen: Während der Antragsgegner in den ersten Ehejahren 2008 und 2009 deutlich mehr verdiente, änderte sich dies ab 2012 – dem Trennungsjahr – grundlegend. Ab diesem Zeitpunkt lag sein Einkommen deutlich unter dem der Antragstellerin.
Zusätzliche Versorgungsansprüche durch öffentlichen Dienst
Die Antragstellerin verfügt zudem über eine Betriebsrente beim Versorgungsverband, da sie bei einem öffentlichen oder kirchlichen Arbeitgeber beschäftigt war. Das Gericht betonte, dass diese zusätzlichen Rentenanwartschaften nicht auf einer besonderen Leistungsfähigkeit beruhen, sondern allein auf der Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Der Antragsgegner hatte als Beschäftigter außerhalb des öffentlichen Dienstes keine Möglichkeit, vergleichbare Ansprüche zu erwerben.
Das Gericht setzte den Verfahrenswert auf 13.000 Euro fest, basierend auf dem Nettoeinkommen der Antragstellerin von 1.583 Euro und der monatlichen Rente des Antragsgegners von 1.162,74 Euro. Die Verfahrenskosten wurden zwischen den Parteien aufgehoben.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei sehr langer Trennungszeit vor der eigentlichen Scheidung der Versorgungsausgleich ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann. Entscheidend ist dabei das Verhältnis zwischen Trennungs- und tatsächlicher Zusammenlebenszeit der Ehepartner. Das Gericht bestätigt, dass eine unwiderlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe besteht, wenn die Ehegatten mindestens drei Jahre getrennt leben. Bei der Bewertung des Versorgungsausgleichs wird besonders berücksichtigt, ob durch die lange Trennung die ursprüngliche Versorgungsgemeinschaft praktisch nicht mehr bestand.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie sich in einer langjährigen Trennung befinden, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf Ihre Rentenansprüche im Scheidungsfall haben. Bei einer außergewöhnlich langen Trennungszeit im Verhältnis zur gemeinsamen Ehezeit können Sie möglicherweise einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs beantragen. Dies bedeutet, dass jeder Partner seine während der Ehe erworbenen Rentenansprüche behält. Besonders relevant ist dies für Paare, die nach kurzer Ehe sehr lange getrennt leben, bevor sie sich scheiden lassen.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Perspektiven bei komplexen Versorgungsausgleichsfragen
In Fällen, in denen lange Trennungszeiten und Verteilungen innerhalb der Ehe Fragen zum Versorgungsausgleich aufwerfen, können sich Betroffene oft in einem komplexen Spannungsfeld zwischen individuellen Lebensverläufen und gesetzlichen Bestimmungen wiederfinden. Dieses Zusammenspiel von persönlichen Umständen und juristischen Regelungen verlangt eine differenzierte Betrachtung und Prüfung der maßgeblichen Elemente.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Situation präzise zu analysieren und Ihnen transparente Einblicke in die jeweils relevanten rechtlichen Aspekte zu geben. So können Sie die zukünftigen Schritte besonnen planen und fundierte Entscheidungen treffen, die Ihren persönlichen Bedürfnissen gerecht werden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ab welcher Trennungszeit kann ein Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden?
Eine lange Trennungszeit allein führt nicht automatisch zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Allerdings kann bei einer außergewöhnlich langen Trennungszeit eine Beschränkung oder ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Betracht kommen.
Grundsätzliche Regelung
Wenn die Trennungszeit etwa ein Drittel der Ehezeit beträgt, sieht die Rechtsprechung dies grundsätzlich als ausreichend für einen möglichen Ausschluss an. Bei einer 30-jährigen Ehe müsste die Trennungszeit also mindestens 10 Jahre betragen.
Weitere Voraussetzungen
Die Trennungsdauer allein genügt jedoch nicht. Das Gericht prüft zusätzlich:
- Die wirtschaftliche Situation beider Partner
- Das Alter der Beteiligten
- Die Möglichkeiten zur eigenständigen Altersvorsorge
Besondere Schutzregelungen
Selbst bei einer sehr langen Trennungszeit bleibt der Versorgungsausgleich bestehen, wenn gemeinsame minderjährige Kinder betreut wurden. In diesem Fall dient der Versorgungsausgleich nicht der gemeinsamen Alterssicherung, sondern dem Ausgleich für die Kindererziehung.
Gerichtliche Praxis
Die Gerichte legen strenge Maßstäbe an. Eine Trennungszeit von 13 Jahren bei einer mehr als 30-jährigen Ehe führt beispielsweise nicht automatisch zu einer Herabsetzung des Ausgleichs. Auch bei einer elfjährigen Trennungszeit kann der Versorgungsausgleich durchgeführt werden, wenn die Ehegatten etwa durch gemeinsame steuerliche Veranlagung noch wirtschaftlich verbunden waren.
Welche Rolle spielt das Verhältnis zwischen Zusammenlebens- und Trennungszeit für den Versorgungsausgleich?
Das Verhältnis zwischen Zusammenlebens- und Trennungszeit ist ein entscheidendes Kriterium für die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Bei einer außergewöhnlich langen Trennungszeit kann eine Beschränkung oder ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Betracht kommen.
Grundsätzliche Bewertung der Trennungszeit
Zwei-Drittel-Regel: Wenn die Trennungszeit etwa zwei Drittel der gesamten Ehezeit ausmacht, kann nicht mehr von einer Versorgungsgemeinschaft der Ehepartner ausgegangen werden. In einem solchen Fall prüft das Gericht, ob die während der Trennungszeit erworbenen Anwartschaften vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden sollten.
Weitere Einflussfaktoren
Eine lange Trennungszeit allein führt nicht automatisch zu einer Beschränkung des Versorgungsausgleichs. Das Gericht berücksichtigt zusätzliche Faktoren:
Betreuung gemeinsamer Kinder: Zeiten, in denen ein Ehepartner gemeinsame minderjährige Kinder betreut hat, werden grundsätzlich nicht vom Versorgungsausgleich ausgenommen. Die Kinderbetreuung legitimiert den Versorgungsausgleich auch während der Trennungszeit.
Wirtschaftliche Verselbstständigung: Eine vollständige wirtschaftliche Trennung der Ehepartner während der Trennungszeit kann für eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs sprechen.
Besondere Konstellationen
Lange Ehe mit kurzer Trennungszeit: Bei einer sehr langen Ehezeit führt selbst eine mehrjährige Trennungszeit nicht zwangsläufig zu einer Herabsetzung des Ausgleichs. Eine Trennungszeit von einem Viertel der Ehezeit rechtfertigt bei langer Ehezeit noch keine Kürzung des Versorgungsausgleichs.
Steuerliche Aspekte: Wenn Ehepartner trotz Trennung weiterhin eine gemeinsame steuerliche Veranlagung wählen, kann dies gegen eine vollständige Aufhebung der Versorgungsgemeinschaft sprechen.
Wie wirken sich unterschiedliche berufliche Entwicklungen während der Trennungszeit auf den Versorgungsausgleich aus?
Grundsätzliche Berücksichtigung der Trennungszeit
Die berufliche Entwicklung während der Trennungszeit fließt grundsätzlich in den Versorgungsausgleich ein, da die Ehezeit erst mit dem Ende des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags endet. Sämtliche in dieser Zeit erworbenen Versorgungsanrechte unterliegen damit zunächst der hälftigen Teilung.
Möglichkeiten der zeitlichen Begrenzung
Bei einer besonders langen Trennungszeit kann eine Begrenzung des Versorgungsausgleichs auf den Zeitraum bis zur tatsächlichen Trennung in Betracht kommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Ehepartner wirtschaftlich vollständig verselbstständigt haben.
Bewertung der beruflichen Entwicklung
Karrieresprünge oder berufliche Rückschläge während der Trennungszeit können bei der Beurteilung der Angemessenheit des Versorgungsausgleichs eine wichtige Rolle spielen. Wenn sich die Versorgungsanrechte nach der Trennung stark unterschiedlich entwickelt haben, kann dies ein Grund sein, den Versorgungsausgleich zeitlich zu begrenzen.
Gerichtliche Prüfung der Unbilligkeit
Die Familiengerichte prüfen bei langer Trennungszeit besonders sorgfältig:
Die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Ehepartner nach der Trennung ist ein wichtiges Kriterium. Haben beide Partner nach der Trennung eigenständige berufliche Wege eingeschlagen und eigene Altersvorsorge aufgebaut, kann dies für eine Begrenzung des Versorgungsausgleichs sprechen.
Die Dauer der Trennungszeit spielt eine wesentliche Rolle. Bei einer Trennungszeit von etwa einem Drittel der Ehezeit sieht die Rechtsprechung dies grundsätzlich als ausreichend für einen möglichen Ausschluss an.
Die steuerliche Behandlung kann ebenfalls relevant sein. Wurde trotz Trennung eine gemeinsame steuerliche Veranlagung fortgeführt, spricht dies gegen eine vollständige wirtschaftliche Verselbstständigung und damit gegen eine Begrenzung des Versorgungsausgleichs.
Welche Bedeutung haben zusätzliche Rentenansprüche wie Betriebsrenten für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs?
Zusätzliche Rentenansprüche wie Betriebsrenten sind grundsätzlich Teil des Versorgungsausgleichs und werden bei der Prüfung eines möglichen Ausschlusses umfassend berücksichtigt.
Grundsätzliche Einbeziehung aller Ansprüche
In den Versorgungsausgleich werden sämtliche während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche einbezogen. Dies umfasst neben der gesetzlichen Rentenversicherung auch:
- Betriebliche Altersversorgung
- Beamtenversorgung
- Berufsständische Versorgung
- Private Alters- und Invaliditätsversorgung
Besonderheiten bei Betriebsrenten
Bei Betriebsrenten gelten besondere Regelungen für die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass bei der Übertragung von Betriebsrentenansprüchen ein Wertverlust von maximal 10 Prozent zulässig ist.
Prüfung der Unbilligkeit
Wenn Sie einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs anstreben, prüft das Gericht alle Umstände des Einzelfalls. Dabei spielen folgende Faktoren eine wichtige Rolle:
- Das Alter der Beteiligten
- Die Möglichkeiten zur Aufbau einer ausreichenden Altersvorsorge
- Die gegenwärtige und künftige wirtschaftliche Situation
Eine lange Trennungsdauer allein reicht für einen Ausschluss nicht aus. Beträgt die Trennungszeit allerdings ein Drittel der Ehezeit, sieht die Rechtsprechung dies grundsätzlich als ausreichenden Grund für einen Ausschluss an.
Steuerliche Aspekte
Die gemeinsame steuerliche Veranlagung spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung. Wenn trotz Trennung eine gemeinsame Steuererklärung eingereicht wird, kann dies gegen einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs sprechen, da die eheliche Versorgungsgemeinschaft dann als nicht vollständig aufgehoben gilt.
Was bedeutet Grobe Unbilligkeit beim Versorgungsausgleich?
Der Begriff der groben Unbilligkeit ist in § 27 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geregelt. Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, wenn seine Durchführung grob unbillig wäre.
Voraussetzungen für grobe Unbilligkeit
Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken der gleichmäßigen Teilhabe beider Ehegatten an den Versorgungsanrechten in unerträglicher Weise widerspricht. Dies kann sich aus wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnissen ergeben.
Typische Fallgruppen
Wirtschaftliche Unbilligkeit kann vorliegen, wenn:
- Der ausgleichsberechtigte Ehegatte über ein so hohes Einkommen oder Vermögen verfügt, dass seine Altersversorgung bereits vollständig gesichert ist
- Der ausgleichspflichtige Ehegatte gleichzeitig dringend auf seine Versorgungsanrechte zur Sicherung des Unterhalts angewiesen ist
Persönliches Fehlverhalten kann eine grobe Unbilligkeit begründen bei:
- Schweren Straftaten gegen den anderen Ehegatten oder dessen nahe Angehörige
- Besonders schwerwiegenden Verstößen gegen eheliche Pflichten
Strenge Anforderungen
Die Rechtsprechung legt einen sehr strengen Maßstab an. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist der Regelfall. Ein Ausschluss kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Dabei genügt es nicht, wenn der Ausgleich nur als hart oder ungerecht empfunden wird.
Wenn Sie eine lange Trennungszeit vor der Scheidung hatten, bedeutet dies nicht automatisch eine grobe Unbilligkeit. Selbst bei einer Trennungszeit von 16 Jahren kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände gerechtfertigt sein.
Die bloße Tatsache, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte durch den Versorgungsausgleich möglicherweise auf Sozialleistungen angewiesen sein wird, begründet für sich genommen noch keine grobe Unbilligkeit.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Versorgungsausgleich
Eine gesetzlich geregelte Aufteilung der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche zwischen den Ehepartnern bei einer Scheidung. Beide Partner haben grundsätzlich Anspruch auf die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften des anderen. Dies betrifft gesetzliche, betriebliche und private Rentenversicherungen. Geregelt im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG).
Beispiel: Hat der Ehemann während der Ehe monatliche Rentenansprüche von 1000€ und die Ehefrau von 400€ erworben, werden die Differenz von 600€ hälftig geteilt. Der Mann gibt 300€ an die Frau ab.
Grobe Unbilligkeit
Ein Rechtsbegriff, der beschreibt, dass die Anwendung einer an sich rechtmäßigen Regelung im Einzelfall zu einem unangemessen harten und nicht zu rechtfertigenden Ergebnis führen würde. Dies kann einen Ausschluss oder eine Modifikation der Regelung rechtfertigen. Im Versorgungsausgleich geregelt in § 27 VersAusglG.
Beispiel: Eine extrem lange Trennungszeit von 12 Jahren bei nur 4 Jahren Zusammenleben kann eine grobe Unbilligkeit darstellen.
Anwartschaftsausgleich
Der konkrete Vorgang der Übertragung von Rentenansprüchen zwischen den geschiedenen Ehepartnern im Rahmen des Versorgungsausgleichs. Dabei werden die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften erfasst, bewertet und hälftig zwischen den Ehepartnern aufgeteilt. Basiert auf §§ 1 ff. VersAusglG.
Beispiel: Betriebsrentenansprüche eines Partners werden zur Hälfte auf das Rentenkonto des anderen Partners übertragen.
Versorgungsgemeinschaft
Beschreibt die gegenseitige Verpflichtung der Ehepartner, während der Ehe gemeinsam für ihre Altersversorgung zu sorgen. Diese basiert auf der ehelichen Lebensgemeinschaft und dem Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft nach § 1353 BGB. Bei langer Trennung kann diese Gemeinschaft als faktisch beendet angesehen werden.
Beispiel: Ehepartner erwerben während des Zusammenlebens gemeinsam Rentenansprüche, indem einer arbeitet und der andere die Kinder betreut.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- §§ 1564 Satz 1 und 3, § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB): Diese Vorschriften regeln die Voraussetzungen für die Scheidung einer Ehe. § 1564 BGB ermöglicht die Scheidung, wenn die Ehe als gescheitert gilt, und § 1565 BGB konkretisiert dies, indem die dauerhafte Zerrüttung der Ehe als Scheitern definiert wird. Im vorliegenden Fall wurde die Ehe der Ehegatten gemäß diesen Bestimmungen als gescheitert anerkannt, was die Scheidung rechtlich begründet.
- § 1566 Abs. 2 BGB): Diese Vorschrift sieht vor, dass eine Ehe als unwiderlegbar gescheitert gilt, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben. Im Fall des Beschlusses leben die Ehegatten seit April 2012 getrennt, was die Voraussetzungen von § 1566 Abs. 2 BGB erfüllt und somit die Scheidungsentscheidung stützt.
- § 1567 BGB): § 1567 BGB definiert das Trennungsjahr, welches in der Regel die Voraussetzung für die Einreichung eines Scheidungsantrags ist. Die explizite Feststellung der Trennungszeit seit April 2012 zeigt, dass die Ehegatten diese gesetzliche Anforderung erfüllt haben, was den Scheidungsantrag weiter legitimiert.
- § 27 VersAusglG): Diese Vorschrift ermöglicht es, den Versorgungsausgleich auszusetzen oder zu reduzieren, wenn eine grobe Unbilligkeit vorliegt. Im vorliegenden Fall wurde der Versorgungsausgleich aufgrund einer langen Trennungszeit als grob unbillig eingestuft, was zur Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs führte.
- §§ 1587 BGB): Diese Bestimmungen regeln den Rechtsrahmen für den Versorgungsausgleich im Scheidungsfall. Sie legen fest, wie die Rentenanwartschaften der Ehepartner aufgeteilt werden sollen. Im vorliegenden Fall wurde jedoch aufgrund der Anwendung von § 27 VersAusglG entschieden, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet, da dies als grob unbillig beurteilt wurde.
Das vorliegende Urteil
AG Sigmaringen – Az.: 2 F 308/20 – Beschluss vom 12.03.2024
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