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Bauhandwerkersicherung Bauvorhaben – Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung /Zweifamilienhaus

Oberlandesgericht  Sachsen-Anhalt – Az.: 2 U 13/18 – Urteil vom 28.02.2019

I. Auf die Berufung I der Klägerin wird unter Zurückweisung dieses Rechtsmittels im Übrigen und unter Zurückweisung der Berufung II der Beklagten das am 22. Dezember 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin eine Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. (2009) in Höhe von 67.096,00 € zu stellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu 62 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 38 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages (Wert der Sicherheit und des Kostenausgleichsbetrages) abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherung für ihre Werklohnansprüche aus einem Bauvertrag über ein Kompletthaus.

Die Beklagten schlossen als Bauherren mit der O. Bauträger GmbH & Co. KG mit Sitz in H. als Generalunternehmerin (künftig: Auftragnehmerin) am 02.06.2015 einen Bauvertrag über die Errichtung eines zweigeschossigen Wohngebäudes (EG und OG) auf dem Grundstück L. Straße 4 in H. -D.. Die Auftragnehmerin verpflichtete sich, das Gebäude für 302.441,00 € zu errichten. Das zu errichtende Gebäude sollte zur Wohnnutzung durch zwei Familien dienen, einerseits durch die beklagten Eheleute und andererseits durch die Eltern des Beklagten zu 2). Bestandteil des Bauvertrages waren als Anlage C/1 ein Lageplan des Erdgeschosses mit 101,55 m2 Gesamtfläche und als Anlage C/2 ein Lageplan des Obergeschosses mit 103,24 m2 Gesamtfläche und einem 10,01 m2 großen Balkon. Im Bauvertrag waren Abschlagszahlungen nach dem Baufortschritt vorgesehen. Die Beklagten finanzierten das Bauvorhaben jedenfalls überwiegend über ein Darlehen der D. Bank.

Als Termin des Beginns der Bauarbeiten wurde gegenüber der Stadt H. der 04.11.2015 angegeben.

Die Auftragnehmerin hat mehrere Vertragserweiterungen mit einem Volumen von insgesamt 16.694,53 € behauptet, so dass sich eine vereinbarte Gesamtvergütung i.H.v. 319.135,53 € ergeben habe.

Die Beklagten zahlten bisher im Wege der Abschlagszahlungen insgesamt 157.481,89 € an die Klägerin. Die während der Bauausführung von der Auftragnehmerin an die Beklagten gestellte 5. Abschlagsrechnung vom 08.06.2016 i.H.v. 45.366,15 € und die 6. Abschlagsrechnung vom 01.07.2016 i.H.v. 60.488,20 € beglichen die Beklagten jeweils nicht, auch nicht anteilig.

Die Auftragnehmerin forderte die Beklagten daraufhin mit Schriftsatz vom 12.08.2016 auf, binnen 10 Kalendertagen eine Bauhandwerkersicherheit i.S.v. § 648a BGB a.F. über einen Betrag i.H.v. 176.959,00 € zu stellen. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs drohte sie die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts an. Die Beklagten vertraten in ihrem Schriftsatz vom 15.08.2016 die Auffassung, dass sie hierzu rechtlich nicht verpflichtet seien, sich aber bemühen wollten, eine entsprechende Sicherheit binnen eines angemessenen Zeitraums von mindestens 20 Kalendertagen beizubringen. Nachdem eine vereinbarte Zahlung von 50 % der 6. Abschlagsrechnung nicht eingegangen war und auch eine Sicherheit nicht gestellt wurde, erklärte die Auftragnehmerin mit Schriftsatz vom 25.08.2016 die Einstellung ihrer Leistungserbringung.

Im Zeitraum Ende August bis Ende September 2016 verhandelten die Vertragsparteien darüber, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Abtretung des Auszahlungsanspruchs der Beklagten gegen die D. Bank aus der Baufinanzierung an die Stelle einer Bausicherheit i.S.v. § 648a BGB a.F. treten könne; diese Verhandlungen scheiterten letztlich.

Mit Schriftsatz vom 08.11.2016 erklärten die Beklagten die Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund und beriefen sich z.T. auf eine mangelhafte, z.T. auf eine unzuverlässige Bauausführung und insgesamt auf eine erhebliche Zerstörung der Vertrauensgrundlage wegen mehrfacher Verletzungen der bauvertraglichen Kooperationspflicht.

Die Auftragnehmerin hat mit ihrer am 31.01.2017 rechtshängig gewordenen Klage zunächst eine unbezifferte Bauhandwerkersicherheit begehrt. Diesen Antrag hat sie mit Schriftsatz vom 29.03.2017 dahingehend konkretisiert, dass sie eine Sicherheit in Höhe von 67.096,00 € beanspruche. Sie hat unter Berufung auf eine Leistungsfeststellung vom 29.03.2017 (Anlage 10) erbrachte Bauleistungen im Umfang von 218.447,51 € behauptet, so dass nach Abzug der Abschlagszahlungen ein offener Betrag hierfür i.H.v. 60.996,00 € verbleibe. Hierauf habe sie den gesetzlich vorgesehenen Zuschlag von 10 % für etwaige Nebenforderungen, d.h. 6.100,00 €, addiert. Für nicht erbrachte Leistungen hat die Klägerin keinen Teilbetrag der zu sichernden Forderung in Ansatz gebracht. Mit Schriftsatz vom 21.06.2017 hat sie eine „aktualisierte Fassung“ der Leistungsfeststellung vom 20.06.2017 (Anlage K 21) sowie Kalkulationsunterlagen zu den nicht erbrachten Leistungen (Anlage K 22) vorgelegt. Sie hat sich auf erbrachte Leistungen im Wert von 173.379,00 € berufen, so dass abzüglich der unstreitigen Abschlagszahlungen ein Restbetrag von 15.898,00 € verblieben sei. Hinzuzusetzen sei eine Gewinnmarge für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen von insgesamt 48.186,55 €, so dass sich eine zu sichernde Forderung i.H.v. 64.084,00 € ergebe.

Die Beklagten haben sich gegen den geltend gemachten Anspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach verteidigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat in seinem am 22.12.2017 verkündeten Urteil den Anspruch dem Grunde nach für gegeben erachtet und die zu sichernde Forderung auf 24.817,18 € beschränkt. Dabei ist das Gericht mit einer Ausnahme (Abzug der Fremdkosten für das Baugrundgutachten i.H.v. 595,00 €) vom selben offenen Betrag der Vergütung für erbrachte Leistungen ausgegangen (15.302,11 €), hat für den rechnerischen Vergütungsbetrag für nicht erbrachte Leistungen jedoch nur insgesamt 5 % Gewinnmarge in Ansatz gebracht.

Die Auftragnehmerin hat gegen das ihr am 15.01.2018 zugestellte Urteil mit einem am 12.02.2018 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (künftig: Berufung I) und diese Berufung mit einem am 12.03.2018 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagten haben gegen das ihnen am 17.01.2018 zugestellte Urteil mit einem am 16.02.2018 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (künftig: Berufung II) und diese Berufung innerhalb der ihnen bis zum 14.04.2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Auftragnehmerin beanstandet, dass das Landgericht bei der Ermittlung der Vergütung für die erbrachten Leistungen den Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten (AGK) nicht berücksichtigt habe. Sie meint, dass die in der Kalkulation ausgewiesene Marge zu berücksichtigen sei. Die Auftragnehmerin begehrt weiterhin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten als Verzögerungsschaden, weil eine angebliche Zuvielforderung spätestens seit dem Schriftsatz vom 29.03.2017 nicht mehr erhoben worden sei.

Im Termin der mündlichen Verhandlung hat die Auftragnehmerin eine Änderung des Rubrums beantragt und hierzu vorgetragen, dass die Auftragnehmerin, die bisherige Klägerin, auf die O. Bau GmbH & Co. KG mit Sitz in L., die nunmehrige Klägerin, verschmolzen sei. Sie hat sich auf Ablichtungen von Auszügen aus den betroffenen Handelsregistern gestützt.

Die (nunmehrige) Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihr eine Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB in Höhe von 67.096,00 € zu stellen,

2. die Beklagten ferner gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie weitere 1.752,90 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, die auf die von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) anfallenden Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen, sowie die Berufung II zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung I zurückzuweisen sowie unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagten meinen, dass die Vorschrift des Absatzes 1 in § 648a BGB a.F. im Hinblick auf dessen Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 nicht anwendbar sei, weil es sich bei dem Bauvorhaben nicht um ein Zweifamilienhaus, sondern um ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung handele. Hierfür gelte zugunsten des Verbrauchers eine Vermutungswirkung. Die Beklagten meinen insbesondere, dass das Landgericht im Hinblick auf die Bewertung des Inhalts des Bauvertrags ihr Vorbringen übergangen habe, wonach die Auftragnehmerin das Kreuz im Bauvertrag bei „Zweifamilienhaus“ bereits selbst eingetragen gehabt habe, bevor der Vertrag ihnen, den Beklagten, vorgelegt worden sei. Sie machen geltend, dass sie bei Unterzeichnung des Bauvertrags keine Kenntnis über die Rechtsfolgen dieser Erklärung gehabt hätten. Jedenfalls handele es sich insoweit um eine nach § 305c BGB (wegen der Überraschung durch die Rechtsfolgen der Auswahl) bzw. nach § 307 BGB (wegen der bewirkten unangemessenen Benachteiligung) unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung der Auftragnehmerin. Im Hinblick auf die Bewertung der Anlage B 29 bekräftigen sie die durch individuelle Zuordnung ermittelten Größenverhältnisse (Wohnung EG 74,37 qm, Wohnung OG 140,25 qm) und meinen, das Argument des Landgerichts, dass zwei voll funktionstüchtige Wohnungen vorlägen und dies für den Charakter als Zweifamilienhaus spreche, sei vollkommen unvertretbar. Hinsichtlich des Inhalts des Bauantrags sei ihr Vorbringen übergangen worden, wonach der Bauantrag von der Klägerin gefertigt und von den Beklagten lediglich unterschrieben worden sei. Der Bauantrag nehme an verschiedenen Stellen (Deckblatt der Mappe, S. 17, 18, 47 sowie Schallschutznachweis, Brandschutznachweis, Lageplan …) auf ein „BV Einfamilienhaus“ bzw. „EFH“ Bezug. Gleiches gelte für diverse Korrespondenzen zum Bauvorhaben, insbesondere habe sich auch die Klägerin wiederholt auf Bauanforderungen für Einfamilienhäuser berufen. Die Bezugnahmen des Landgerichts auf § 11 des II. WohnungsbauG bzw. § 75 Abs. 6 BewG seien rechtstechnisch unzulässig. Gegen die Annahme eines Zweifamilienhauses spreche die einheitliche Finanzierung des Bauvorhabens. Mit der Neuregelung in § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F., welcher u.a. alle Verbraucherverträge nach § 650i BGB n.F. erfasst, habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift trotz der Kritik erweitert und bekräftigt, dass er bei Bauvorhaben der Verbraucher von einem geringen Ausfallrisiko für den Unternehmer ausgehe, weil die Finanzierung regelmäßig solide sei und der private Bauherr lebenslang persönlich hafte.

Hilfsweise vertreten die Beklagten die Auffassung, dass die Forderung einer Bauhandwerkersicherheit hier rechtsmissbräuchlich gewesen sei, weil nach dem Bauvertrag die Sicherheit bereits dadurch bestanden habe, dass die von den Beklagten gewählte finanzierende Bank (D. Bank) die Zahlungen nach Zahlungsfreigabe durch die Beklagten ausschließlich auf ein von der Klägerin benanntes Konto geleistet habe. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass die Beklagten daneben keine weitere Sicherheit hätten stellen können.

Darüber hinaus hätten die Beklagten die Abtretung des Auszahlungsanspruchs gegen die D. Bank angeboten, zuletzt auch unter Bereitstellung einer zusätzlichen Bürgschaft für 10 % Nebenforderungen, was von der Klägerin treuwidrig abgelehnt worden sei (Schriftwechsel Anlagen B 23 bis B 30).

Äußerst hilfsweise habe das Landgericht rechtsfehlerhaft offen gelassen, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt gewesen sei, weil dies Einfluss auf die Art und den Umfang des Vergütungsanspruchs habe. Hier habe ein wichtiger Grund aufgrund einer Vielzahl von Verletzungen des Kooperationsgedankens des Bauvertrags vorgelegen (vgl. Anlage B 28) – Abschlagsrechnungen für einen Leistungsstand von 85 % bei maximaler Erreichung von 60 %, irreführende Angaben über den Baubeginn, Versuch der Verschleierung von gravierenden Mängeln am Wärmeverbundsystem und ähnliche Auseinandersetzungen um Mängelrügen der Beklagten, unberechtigte Einstellung der Arbeiten. Für den Fall einer wirksamen fristlosen Kündigung fehlte es an einer schlüssigen Schlussabrechnung.

Selbst bei Annahme einer freien Kündigung sei die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen nicht schlüssig dargelegt, weil die Klägerin eine Urkalkulation nicht vorgelegt habe. Die in Ansatz gebrachten Kosten der Klägerin seien nicht hinreichend belegt und enthielten z.T. unzulässige Positionen, z.B. Vertragsstrafen. Die Beklagten meinen, dass Einzelpositionen abzuziehen gewesen wären, so z.B. die Vergütung für den 3. Heizkreisverteiler, welcher nicht beauftragt worden sei, oder die offenkundig mangelhafte Türöffnung in der Wohnung im OG; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten, dort auf Seiten 28 bis 38, Bezug genommen.

Der Senat hat am 06.02.2019 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage (vgl. GA Bd. III Bl. 85 f.) Bezug genommen. Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 5 OH 18/16 Landgericht Halle sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

B.

Die Berufungen I und II sind jeweils zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Die Berufung I hat hinsichtlich der Hauptforderung vollen Erfolg und ist hinsichtlich beider Nebenforderungen unbegründet. Die Berufung II der Beklagten ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Auftragnehmerin gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. hat. Der Anspruch besteht – insoweit abweichend vom erstinstanzlichen Urteil – für eine zu sichernde Forderung in Höhe von 67.096,00 €. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die weiteren Klageforderungen abgewiesen.

I. Die nunmehrige Klägerin ist Prozesspartei und als Rechtsträgerin der vermeintlichen Klageforderungen auch aktiv legitimiert, weil das Vermögen der Auftragnehmerin und bisherigen Klägerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf sie übergegangen ist. Die nunmehrige Klägerin hat durch Vorlage von Auszügen aus dem Handelsregister A des Amtsgerichts Lüneburg zu HRA 201646 (Stand 26.11.2018) sowie aus dem Handelsregister A des Amtsgerichts Stendal zu HRA 1982 (Stand: 26.11.2018) nachgewiesen, dass die vormalige Klägerin und Auftragnehmerin nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrages mit der nunmehrigen Klägerin vom 09.11.2018 sowie der Zustimmungsbeschlüsse ihrer beider Gesellschafterversammlungen jeweils vom selben Tage verschmolzen ist; die Verschmelzung ist am 22.11.2018 im Handelsregister A des Amtsgerichts Lüneburg und am 23.11.2018 im Handelsregister A des Amtsgerichts Stendal eingetragen worden.

II. Die nunmehrige Klägerin (künftig ohne Differenzierung: die Klägerin) hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach einen Anspruch auf das Stellen einer Bauhandwerkersicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB a.F..

1. Nach Art. 229 §§ 19 Abs. 1 und 39 EGBGB findet die Vorschrift des § 648a BGB in ihrer in der Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (künftig: § 648a BGB 2009) Anwendung, weil der Bauvertrag am 02.06.2015 geschlossen wurde. Hiervon gehen auch die Prozessparteien übereinstimmend aus.

2. Die Voraussetzungen des § 648a Abs. 1 BGB sind – insoweit besteht zwischen den Prozessparteien kein Streit – erfüllt: Zwischen den Prozessparteien bestand ein Bauvertrag, in dem die Klägerin – unabhängig von dem Umfang der von ihr selbst ausgeführten Leistungen – die Unternehmerin und die Beklagten – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am Grundstück – Besteller waren. Die Klägerin verlangte von den Beklagten am 12.08.2016 das Stellen einer Bauhandwerkersicherheit und berief sich hinsichtlich der Höhe auf die Differenz zwischen der im Hauptvertrag sowie in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung und dem Gesamtbetrag der bislang geleisteten Abschlagszahlungen.

3. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 648a Abs. 1 BGB 2009 ist nicht nach § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB 2009 ausgeschlossen, weil der durch den Bauvertrag konkretisierte Gegenstand des Bauvorhabens seinem objektiven Charakter nach ein Zweifamilienhaus war.

a) Nach Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 sind die Absätze 1 bis 5 von § 648a BGB 2009 dann nicht anzuwenden, wenn der Besteller eine natürliche Person ist – was nach einhelliger Auffassung auch den hier vorliegenden Fall erfasst, dass zwei natürliche Personen gemeinsam als Besteller auftreten – und die Bauarbeiten „zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen lässt“. Dieses zweite Tatbestandsmerkmal bedarf der Gesetzesauslegung.

aa) Bereits der Wortlaut des Ausschlusstatbestandes spricht dafür, dass es nicht auf die subjektive Vorstellung entweder des Bestellers oder des Unternehmers ankommt, ob der Gegenstand des Bauvorhabens ein Ein-, ein Zwei- oder ein sonstiges Mehrfamilienhaus sein soll, sondern darauf, ob die in Auftrag gegebenen Bauarbeiten nach dem für die Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Herstellung (bzw. Instandsetzung) eines Einfamilienhauses (mit oder ohne Einliegerwohnung) dienen oder nicht.

Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist ein Einfamilienhaus ein Wohngebäude für eine Gruppe von Menschen, welche einen gemeinsamen Haushalt führen, also typischerweise ein Gebäude mit einer Wohneinheit (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.2016, VII ZR 214/15, BauR 2016, 1022, in juris Tz. 16). Als Einfamilienhaus wird auch ein Gebäude verstanden, in dem sich zwei Wohneinheiten befinden, sobald eine davon eine sog. Einliegerwohnung ist. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist das nur dann der Fall, wenn eine der beiden Wohneinheiten als Hauptwohnung und die andere als Wohneinheit mit untergeordneter Bedeutung anzusehen ist (nach https://de.wikipedia.org/wiki/Einfamilienhaus – Stand: 12.09.2018).

Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass der allgemeine Sprachgebrauch u.a. davon geprägt worden ist, dass in der Zeit von 1956 bis 2001 eine Legaldefinition des Begriffs der Einliegerwohnung in § 11 des II. Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes vom 27.06.1956 (BGBl. I S. 523) existierte, wonach als eine Einliegerwohnung eine abgeschlossene oder nicht abgeschlossene zweite Wohnung in einem Familienheim bezeichnet wurde, welche gegenüber der Hauptwohnung von untergeordneter Bedeutung war. Der Einfluss dieser wohnungsbaurechtlichen Legaldefinition auf das semantische Begriffsverständnis ist durch den ersatzlosen Wegfall der Vorschrift nicht beseitigt worden.

Er ist zu unterscheiden von dem – anderen Zwecken dienenden – Wohnungsbegriff im bewertungsrechtlichen Sinne des § 75 Abs. 6 BewG (vgl. nur BFH, Urteil v. 25.04.1986, III R 181/84, zitiert nach juris), für den es insbesondere auf die Abgeschlossenheit der Einliegerwohnung als Voraussetzung für eine steuerliche Privilegierung ankommt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die steuerliche Privilegierung nicht zwingend auf die Gesamtheit aller Einliegerwohnungen erstrecken muss, sondern sie auf eine aus seiner Sicht besonders förderungswürdige Teilmenge beschränken kann.

Unter Beachtung des im Zusammenhang mit der wohnungsbaurechtlichen Regelung entwickelten Sprachverständnisses ist es für die im vorliegenden Fall maßgebliche Abgrenzung zwischen einer Einliegerwohnung und einer zweiten Hauptwohnung innerhalb eines Familienhauses nicht maßgeblich, ob die zweite Wohnung ebenfalls eine Kochgelegenheit, eine Trinkwasser-, Elektrizitäts- und Heizwärmeversorgung und eine Toilette hat, weil auch die Einliegerwohnung eine Wohnung ist und deswegen zur Führung eines selbständigen Haushalts geeignet sein muss (vgl. nur BVerwG, Urteil v. 26.08.1971, VIII C 44.70, BVerwGE 38, 290, in juris Tz. 12).

Ein Zweifamilienhaus ist nach allgemeinem Sprachverständnis ein Gebäude, welches eine Eignung dafür aufweist, dass darin zwei im Wesentlichen gleichberechtigte Haushalte geführt werden können (nach https://de.wikipedia.org/wiki/Mehrfamilienhaus – Stand: 12.09.2018). Maßgeblich ist deswegen nach dem Sprachgebrauch, ob die beiden Wohnungen in einem Familienhaus entweder gleichrangig zueinander stehen oder eine der beiden Wohnungen eine eindeutig untergeordnete Bedeutung besitzt.

bb) Die Regelung des § 648a BGB 2009 verfolgte in ihrer Gesamtheit das Ziel, den Unternehmerschutz zu verbessern (vgl. nur Busche in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, Bd. 4, § 648a Rn. 3 m.w.N.).

Hierfür sollte nicht das Grundstück selbst als Sicherheit dienen, sondern der Unternehmer sollte das Recht erhalten, andere Sicherheiten für sich zu mobilisieren, insbesondere die für den Bau bestimmten Finanzmittel des Bestellers. Hinsichtlich der privilegierten Besteller nach Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 ging der Gesetzgeber davon aus, dass ein Projekt des privaten Einfamilienhausbaus regelmäßig solide finanziert ist und dem Unternehmer für 30 Jahre ein Schuldner zur Verfügung steht (vgl. Busche, a.a.O., § 648a Rn. 10; BT-Drs. 12/4526, S. 11 f.). Diese u.U. sehr optimistische Vorstellung ist bereits im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drs. 12/4526, S. 11 f.) und nachfolgend in der Literatur (vgl. nur Busche, a.a.O., § 648a Rn. 11; Siebert in: Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl. 2015, § 13 Rn. 7, jeweils m.w.N.) stark kritisiert worden und ist im Hinblick auf die objektiv bestehende Möglichkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens auch unzutreffend gewesen.

Ungeachtet dieser Kritik weist die Gesetzesbegründung damit aber aus, dass der Zweck des Ausschlusstatbestandes nicht etwa ein allgemeiner Schutz des Verbrauchers war, wie er etwa der Neufassung der Regelung mit Wirkung seit dem 01.01.2018 zugrunde liegt und worauf sich die Beklagten für die anzuwendende Norm zu Unrecht berufen, sondern dass die sachliche Rechtfertigung für die Schlechterstellung des Bauunternehmens in dieser Fallkonstellation allein daraus gezogen wurde, dass der Unternehmer wegen seines geringen Ausfallrisikos regelmäßig kein bzw. nur ein sehr geringes Sicherungsbedürfnis habe (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.2016, VII ZR 214/15, a.a.O., in juris Tz. 18; Busche, a.a.O., § 648a Rn. 11 a.E.; ebenso Sprau in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 648a Rn. 2).

Gerade im Hinblick auf diesen Schutzzweck hat die Rechtsprechung weitere Bauvorhaben privater Besteller als nach Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 privilegierte Bauvorhaben angesehen: ein zweigeschossiges (eigengenutztes) Einfamilienhaus mit einem im Souterrainbereich des Hauses belegenen (eigengenutzten) Anwaltsbüro (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.2016, VII 214/15, BauR 2016, 1022, in juris Tz. 17 ff.; insbes. Tz. 21: „Für die Einstufung eines Hauses als Einfamilienhaus ist es danach unerheblich, ob bestimmten Räumlichkeiten der Charakter einer Einliegerwohnung zukommt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Haus insgesamt als Einfamilienhaus anzusehen ist.“); die Errichtung einer Doppelhaushälfte (vgl. OLG Oldenburg, Urteil v. 18.11.2014, 2 U 31/14, BauR 2016, 532, in juris Tz. 24) sowie die Errichtung einer Eigentumswohnung in einer mehrgeschossigen Gebäudeanlage (vgl. OLG München, Urteil v. 15.01.2008, 13 U 4378/07, BauR 2008, 1163, in juris Tz. 28 ff., insbes. Tz. 29: „Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es für die Nichtanwendbarkeit des § 648a BGB entscheidend auf die persönliche und lebenslange Haftung der Privatperson und damit auf die tatsächlichen Haftungsverhältnisse an.“; zum Streitstand auch Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 10. Teil, Rn. 120; Wagner, ZfBR 2014, 425).

Schon nach diesem Gesetzeszweck ist eine erweiternde Auslegung, der auch die Wortlautgrenze entgegensteht, oder eine analoge Anwendung des o.g. Ausschlusstatbestandes auf ein Zweifamilienhaus abzulehnen. Privilegiert werden sollte die Errichtung bzw. die Instandsetzung eines Einfamilienhauses als regelmäßig überschaubares Investitionsobjekt mit einem geringen Ausfallrisiko. Mit einem Hinzutreten weiterer selbständiger Wohneinheiten steigt regelmäßig das Investitionsvolumen und treten typischerweise zusätzliche Risiken, z.B. im Hinblick auf das unternehmerische Geschick des Bauherren bei der wirtschaftlichen Verwertung der weiteren Wohneinheiten zur Refinanzierung des Bauvorhabens, hinzu.

cc) Diese, durch den Gesetzeszweck des Ausschlusstatbestandes veranlasste Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des Ausschlussgrundes nach Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 bestätigt.

Ursprünglich, d.h. nach dem Gesetzesentwurf, sollten solche Bauvorhaben von der Anwendung der Vorschrift des § 648a BGB 2009 ausgenommen werden, die ganz oder jedenfalls überwiegend „zur Deckung des eigenen Wohnbedarfs des Bauherren“ dienen (vgl. BT-Drs. 12/1836, S. 4, 11). Der Gesetzgeber selbst hat zur Änderung in der Formulierung ausgeführt, dass hiermit keine inhaltliche Änderung beabsichtigt sei, sondern dass die neue Formulierung mit dem Zusatz „mit oder ohne Einliegerwohnung“ lediglich eine klarere Abgrenzung der erfassten Sachverhalte erlauben sollte (vgl. BT-Drs. 12/4526, S. 12 – für alles auch BGH, Urteil v. 10.03.2016, VII ZR 214/15, BauR 2016, 1022, in juris Tz. 19). Unabhängig davon, ob diese Zielstellung tatsächlich erreicht wurde, lässt die Gesetzesgenese erkennen, dass die Privilegierung demjenigen Bauherren zugutekommen sollte, der als natürliche (und damit nicht haftungsbeschränkte) Person auf eigenes finanzielles Risiko und nicht gewerbsmäßig baut und dessen Ausfallrisiko nicht dadurch erhöht ist, dass er für die Refinanzierung seiner Investition auf eine erhebliche Renditeerwirtschaftung angewiesen ist.

dd) Schließlich wird die vom Senat nach Maßgabe der Ausführungen zur Auslegung nach dem Wortlaut vertretene Auffassung auch durch die Systematik der Norm bestätigt.

Rechtstechnisch betrachtet ist der Ausschlusstatbestand des Absatzes 6 Satz 1 Nr. 2 eine Ausnahmevorschrift. Die Ausnahmen sind in Absatz 6 enumerativ geregelt, was einer analogen Anwendung der Vorschrift auf ein Zweifamilienhaus ebenfalls entgegensteht. Die in Absatz 6 Satz 1 Nr. 1 enthaltene Ausnahme bezieht sich – ebenso wie die Privilegierung des privaten Bauherren eines Einfamilienhauses – auf eine besondere Teilgruppe von Bauherren, die öffentlichen Auftraggeber, deren zur Privilegierung führendes gemeinsames Merkmal der Umstand ist, dass bei ihnen ein Zahlungsausfall wegen Insolvenz typischerweise nicht eintreten kann. Auch insoweit liegt der Privilegierung die Erwägung zugrunde, dass das Ausfallrisiko des Bauunternehmens regelmäßig relativ gering ist. Die in Absatz 6 Satz 2 enthaltene Rückausnahme bezieht sich auf private Bauherren i.S. von Satz 1 Nr. 2, die einen Baubetreuer einschalten, der frei über die Baufinanzierungsmittel des Bauherren verfügen kann. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass durch die Einschaltung eines treuhänderisch tätigen Dritten das Ausfallrisiko des Unternehmers steigt, weil ein zusätzliches Risiko, das Risiko von Veruntreuungen/nicht zweckentsprechenden Verwendungen des Baugelds, hinzutritt.

b) Nach diesen Maßstäben ist das von den Beklagten verfolgte Bauvorhaben als die Errichtung eines Zweifamilienhauses zu bewerten.

aa) (1) Entgegen der Auffassung der Klägerin und – ihr folgend – des Landgerichts kommt es nach dem Vorausgeführten grundsätzlich nicht auf die subjektive Einschätzung der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. während der Bauausführung an, ob das Bauvorhaben als Einfamilienhaus oder als Zweifamilienhaus einzustufen ist. Deswegen kann die Bezeichnung des Bauvorhabens im Bauvertrag zwar ein Indiz für diese Einordnung darstellen. Maßgeblich ist jedoch, wie das im Bauvertrag und den zugehörigen Unterlagen dargestellte Bauvorhaben und die nach dem Bauvertrag zu schaffenden objektiven Verhältnisse nach einem objektiven Empfängerhorizont zu bewerten und einzustufen sind. Es kann nicht darauf ankommen, ob die Vertragsparteien zu einem Zeitpunkt, zu dem es auf die Frage der Qualifikation des Gebäudes als EFH oder MFH nicht ankam und zu dem jedenfalls der Bauherr noch kein Problembewusstsein hatte, von einem EFH oder von einem ZFH gesprochen bzw. geschrieben haben. Selbst eine durchgängige Falschbezeichnung kann hierfür nicht den Ausschlag geben.

(2) Dem steht die Auffassung des 9. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Naumburg nicht entgegen, wonach der Bauherr nicht nur die objektiven Umstände darlegen und beweisen muss, die für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB 2009 vorausgesetzt werden, sondern auch, dass dem Unternehmer diese Umstände beim Vertragsschluss bekannt gewesen seien (vgl. Urteil v. 16.04.2015, 9 U 18/11, in juris Tz. 46 ff., insbes. Tz. 47: „Maßgeblich dafür, ob ein Bauvorhaben ein Einfamilienhaus betrifft oder nicht, ist der Bauvertrag.“). Im dort entschiedenen Einzelfall war das deswegen nachvollziehbar, weil es sich um die Sanierung einer in DDR-Zeiten als Mehrfamilienhaus genutzten Villa handelte und aus dem Bauvertrag nach Ansicht des Gerichts nicht erkennbar war, dass nach der Sanierung eine ausschließliche Eigennutzung als Einfamilienhaus beabsichtigt war.

(3) Soweit der Senat in den Vorausführungen der Bezeichnung des Bauvorhabens in Bauunterlagen nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen hat, trifft das in besonderem Maße für diejenigen Unterlagen zu, in denen nicht die Vertragsparteien, sondern Dritte die Bezeichnung „Einfamilienhaus“ verwendet haben. Insoweit kann der Bezeichnung selbst allenfalls dann eine Indizwirkung zukommen, wenn sie von den Dritten aus objektiven Umständen hergeleitet wurde, welche einen Schluss auf den objektiven Charakter des Bauvorhabens zulassen. Das trifft auf den Verfasser der Anlagen B 1 bis B 6 und B 9 (Bauantragsunterlagen), Dipl.-Ing. T. B., zu. Dieser hat sich in dem als Anlage K 11 vorgelegten Schreiben eindeutig zu den Widersprüchen zwischen den Überschriften (jeweils „Bauvorhaben Zweifamilienhaus“) und den Textstellen („für EFH“) erklärt. Er hat angegeben, dass er von den Bauherren mit der Aufgabenstellung der Planung eines Zweifamilienhauses mit zwei getrennten Wohneinheiten mit in etwa gleichen Wohnflächen und einem gemeinsamen Eingangsbereich beauftragt und dieser Auftrag in seiner Leistungszeit vom 02.02.2015 bis zum 23.06.2015 nicht geändert worden sei. Soweit die Bezeichnung „für EFH“ verwendet worden sei, müsse es sich um Kopierfehler handeln. Die weiteren von den Beklagten angeführten Dokumente sind hinsichtlich der darin verwendeten Bezeichnung „Einfamilienhaus“ ohne besondere Beweiskraft. Eindeutig ergibt sich dies hinsichtlich der Vermessungsunterlagen. Der Vermessungsingenieur Dipl.-Ing. C. B. hat in seinem Schreiben vom 15.03.2017 (Anlage K 12) angegeben, dass es aus vermessungstechnischer Sicht ohne Belang gewesen sei, ob das Bauvorhaben ein Ein- oder ein Zweifamilienhaus betroffen habe; in den Bauplänen sei das Objekt als Zweifamilienhaus bezeichnet gewesen. Er selbst habe in seinen Lageplänen routinemäßig und ohne dem eine Bedeutung beizumessen das Kürzel „EFH“ verwendet. Gleiches kann für die Bezeichnung des Objektes als „EFH“ durch Versorgungsunternehmen (vgl. Anlage B 7 Energieversorgung H. mbH, Anlage B 8 Stadtwerke Halle mbH) oder Registerbehörden (vgl. Anlage B 10 Liegenschaftskataster) oder Vertragspartner der Klägerin (vgl. Anlagen B 12 bis B 15) angenommen werden. Für diese Dritten war die Unterscheidung zwischen einem Ein- und einem Zweifamilienhaus bedeutungslos.

(4) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass in der auf vertragliche Aspekte bezogenen Korrespondenz zwischen den Vertragsparteien die Klägerin konsequent jeweils den Begriff des Zweifamilienhauses verwendet hat, was – ohne entscheidend zu sein – jedenfalls darauf hindeutet, dass die Klägerin den ihr erteilten Auftrag als einen Bauvertrag zur Errichtung eines Zweifamilienhauses verstanden hat und deswegen auch davon ausgegangen ist, sich der Sicherungsmöglichkeit des § 648a Abs. 1 BGB 2009 bedienen zu können. Dem steht nicht entgegen, dass sich Mitarbeiter der Klägerin in ihrer Korrespondenz mit den Beklagten zu baufachlichen Fragen z.T. auch auf das Kürzel „EFH“ bezogen haben (vgl. Anlagen B 16 bis B 20). Insbesondere lässt dieses Verhalten nicht den Schluss zu, dass hierdurch die im Bauvertrag angelegte Zielstellung verändert werden sollte.

bb) Ziel der Bauleistungen der Klägerin war die Errichtung eines Gebäudes mit zwei getrennten Wohneinheiten für zwei vollständige und autonom geführte Haushalte bei grundsätzlich jeweils geschossweiser Nutzung des Gebäudes. Ungeachtet des Umstandes, dass es im Verlaufe der Bauarbeiten zu Änderungen in der Ausführungsplanung des Projektes kam, was nicht ungewöhnlich, sondern eher typisch ist, sind die Grundstrukturen des zu errichtenden Gebäudes gleich geblieben. Danach waren zwei voneinander getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheiten zu errichten, eine 4-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung mit Balkon im Obergeschoss und eine 3-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung im Erdgeschoss. Bereits nach dem ersten Anschein war nicht davon auszugehen, dass die für die Eltern des Beklagten zu 2) bestimmte zweite Wohneinheit von absolut untergeordneter Bedeutung gegenüber der für die Bauherren selbst bestimmten Wohneinheit war. Es liegt auch eher fern, eine vollwertige 3 Zimmer-Wohnung als eine bloße Einliegerwohnung anzusehen. Dem steht der optische Eindruck vom Äußeren des fertiggestellten Gebäudes, wie ihn die Beklagten mit den im Termin überreichten Lichtbildern dokumentiert haben, nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat, was im Hinblick auf die Unterstellung einer soliden Finanzierung durchaus denkbar gewesen wäre, nicht etwa nach der Größe der Objekte (umbauter Raum, Gesamtnutzfläche etc.) differenziert, sondern auf eine im Wesentlichen private Nutzung durch lediglich eine Familie abgestellt.

cc) (1) Als Indizien für die Beantwortung der Frage, ob zwei Wohnungen in einem Gebäude zueinander in einem Subordinationsverhältnis stehen oder als gleichrangige Wohneinheiten anzusehen sind, werden regelmäßig insbesondere die Wohnflächenverhältnisse herangezogen; davon gehen auch die Prozessparteien übereinstimmend aus. Dabei spricht ein Anteil von weniger als 20 % an der Gesamtwohnfläche regelmäßig für eine untergeordnete Wohneinheit, also für eine bloße Einliegerwohnung. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist einer im Souterrain eines Gebäudes liegenden Nutzfläche eine solche untergeordnete Bedeutung gegenüber dem im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss liegenden Wohnraum beigemessen worden, ohne dass die Relation der beiden Flächen beziffert worden wäre (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.2016, VII ZR 214/15, a.a.O., in juris Tz. 2, 20).

(2) Im vorliegenden Fall sind angesichts der grundsätzlichen Entscheidung der Bauherren, einen gemeinsamen Eingangs- und Flurbereich für beide Wohneinheiten zu schaffen, die beiden Treppenhausflächen im Obergeschoss (8,11 m2) und im Erdgeschoss (9,27 m2) für die wertende Betrachtung „gleichbedeutend“ oder „über-/untergeordnete Bedeutung“ keiner der beiden Wohneinheiten zuzuordnen. Sie liegen jeweils außerhalb der in sich geschlossenen Wohneinheiten. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten, dass die Flurbereiche nach Fertigstellung des Gebäudes und nach dem Einzug nunmehr überwiegend oder vollständig von den Beklagten genutzt werden. Ebenso ist der Hauswirtschaftsraum im Erdgeschoss (7,62 m2) ein Gemeinschaftsraum. Denn trotz des Vorbringens der Beklagten zur heutigen Nutzung war dieser Raum ausweislich der Planungsunterlagen und des im Bauvertrag zum Ausdruck kommenden Bauziels bei objektiver Betrachtung nicht eindeutig einer der beiden Wohneinheiten zuzuordnen. Er ist vom Treppenhaus aus durch eine separate Tür erschlossen und könnte je nachdem, wer die Schlüssel innehat, von jeder der beiden Wohneinheiten ausschließlich oder sogar von beiden Wohneinheiten gemeinsam bzw. anteilig genutzt werden.

(3) Bezogen auf die jeweiligen Wohnflächen beider Wohneinheiten, die hinter der jeweiligen Wohnungseingangstür liegen, hat die 4 Zimmer-Wohnung im Obergeschoss eine Fläche von 94,77 m2 und die 3 Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss eine Fläche von 74,37 m2. Soweit man zugunsten der Wohnung im Obergeschoss die Balkonfläche überhaupt in Ansatz bringt, ist sie allenfalls zu 50 % zu berücksichtigen, so dass sich die Fläche der 4 Zimmer-Wohnung auf 99,77 m2 erhöhte. Aus diesen Größenverhältnissen ergibt sich kein Subordinationsverhältnis in dem Sinne, dass die Wohneinheit im Erdgeschoss lediglich eine „dienende“ bzw. für die Art der Gebäudenutzung zu vernachlässigende Funktion hätte und gegenüber der anderen Wohnung nicht „gleichwertig“ wäre. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass es auch in einem Mehrfamilienhaus Wohneinheiten mit unterschiedlichen Größen für unterschiedliche Wohnbedarfe geben kann.

(4) An dieser Bewertung anhand der Flächenverhältnisse ändert sich nichts durch die Zuordnung des Büro-/WC-Bereichs im Erdgeschoss (gesamt 10,29 m2). Zwar sind diese beiden Räume – ebenso, wie der Hauswirtschaftsraum – separat vom Treppenhaus erschlossen und liegen jeweils außerhalb der beiden Wohneinheiten, was dafür sprechen könnte, sie keiner der beiden Wohnungen zuzuordnen. Sie sind ihrer Funktion nach auch keine Wohnflächen. Es ist jedoch unstreitig, dass die Nutzung von Anfang an durch die Beklagten selbst erfolgen sollte und dass diese Büroeinheit hinsichtlich der Medien Strom und Trinkwasser über die Zähler der Wohneinheit des Obergeschosses versorgt wird. Selbst wenn man deswegen diese Flächen der 4 Zimmer-Wohnung im Obergeschoss zuordnete, ließe das die 3 Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss nicht als eine Gebäudefläche von untergeordneter Bedeutung erscheinen. Ihr Anteil an der Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes betrüge immer noch mehr als 40 %.

dd) (1) Aussagekräftig für die Abgrenzung zwischen einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung und einem Zweifamilienhaus kann auch ein Vergleich der jeweiligen Ausstattungen der Wohneinheiten sein, falls sich hieraus ergibt, dass eine Wohnung eine erheblich minderwertigere Qualität (Anschlusssituation, Wertigkeit der Materialien, Sicherheitsniveau) oder erheblich geringere Nutzungsmöglichkeiten aufweist (vgl. OLG Stuttgart, Beschlüsse v. 20.10.2014 und v. 01.12.2014, jeweils 5 U 156/13, zitiert nach juris, Tz. 32 bzw. Tz. 8, nachfolgend: BGH, VII ZR 306/14, Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Nach diesen Maßstäben sind markante Unterschiede zwischen den beiden Wohneinheiten nicht festzustellen. Beide Wohnungen sind geeignet, einen selbständigen Haushalt darin zu führen; sie verfügen jeweils über eine vollausgestattete Küche, ein Badezimmer, eine eigenständige Versorgung mit Trinkwasser und Strom u.s.w.. Die Nutzer der Wohnung im Erdgeschoss waren nach den baulichen Verhältnissen nicht auf die Mitnutzung von Einrichtungen der Wohnung im Obergeschoss angewiesen. Beide Wohneinheiten waren im Ausbauniveau und in der technischen Ausstattung gleichwertig angelegt.

c) Im Rahmen der vom Senat als Tatgericht vorzunehmenden Gesamtbewertung aller vorgenannten Umstände handelte es sich bei dem Bauvorhaben der Beklagten, in dessen Rahmen die Klägerin als Bauunternehmerin beauftragt wurde, um die Errichtung eines Zweifamilienhauses mit zwei grundsätzlich gleichwertigen Wohneinheiten für zwei Familien mit separat und autonom zu führenden Haushalten.

4. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherheit durch die Klägerin am 12.08.2016 war nicht treuwidrig oder gar rechtsmissbräuchlich.

a) Die Ausübung eines redlich erworbenen Anspruchs kann den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB ausnahmsweise dann widersprechen, wenn sie sich als eine missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 242 Rn. 49) oder als ein widersprüchliches Verhalten (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rn. 55) erweist.

b) Es war nicht missbräuchlich, dass die Klägerin ihren Sicherungsanspruch geltend machte, obwohl die von den Beklagten gewählte finanzierende Bank, die D. Bank, die Abschlagszahlungen jeweils nach der Zahlungsfreigabe durch die Beklagten direkt und ausschließlich auf ein Konto der Klägerin überwiesen hatte. Diese Direktzahlung beruhte auf einer jederzeit widerruflichen Zahlungsanweisung der Darlehensnehmer, d.h. der Beklagten. Sie war ausschließlich abhängig von der Zahlungsfreigabe durch die Beklagten, so dass die Klägerin nicht in gleicher Weise, wie durch eine Sicherheit i.S. von § 648a BGB 2009 vor Zahlungsausfällen geschützt war. Zwar sah § 648a Abs. 2 Satz 2 BGB 2009 auch für die zu stellende Bauhandwerkersicherheit vor, dass die Leistung des Sicherungsgebers einer entsprechenden Beschränkung unterlag, nach dem Gesetz konnte die Freigabe aber nicht nur durch ein Anerkenntnis durch die Bauherren bewirkt werden, sondern auch durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil auf Zahlung der Vergütung.

c) Eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Sicherungsverlangens ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin – angeblich – hätte erkennen können, dass die Beklagten eine Sicherheit nicht zu stellen vermochten. Es verstieße gegen den Grundsatz, dass Verträge zu erfüllen sind, wenn eine mangelnde Leistungsfähigkeit des Vertragspartners jeweils zur Treuwidrigkeit der Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs durch den anderen Vertragspartner führte.

d) Soweit die Beklagten schließlich auf ihr Angebot verweisen, der Klägerin ihren Auszahlungsanspruch gegen die D. Bank abzutreten – zuletzt verbunden mit dem Angebot, für die pauschal 10 %-igen Nebenforderungen eine zusätzliche Bürgschaft zu stellen -, ist dieses Angebot im Vergleich zu einer Bauhandwerkersicherheit i.S. von § 648a BGB 2009 nicht gleichwertig. Die Auszahlungen aus dem Darlehen waren nach dem beigefügten, im Übrigen noch nicht ausgefüllten Vertragsformular der D. Bank nicht nur von der Zustimmung der Darlehensnehmer zu dem jeweiligen Zahlungsabruf abhängig, sondern auch von einem – durch die Bauherren zu bewertenden – vollständigen Nachweis des entsprechenden Bautenstandes; dies barg die Gefahr einer erheblichen Verzögerung der Auszahlung der Sicherheitsleistung in sich. Die Auszahlungen waren weiter davon abhängig, dass die Auszahlung „für die ordnungsgemäße Fertigstellung … erforderlich“ sei (wohl nach Einschätzung der Bank) und bezog sich auf die „vereinbarten Auszahlungsbedingungen“, deren Kenntnis die Klägerin bestritten hat und die Beklagten nicht unter Beweis gestellt haben. Die Abtretungsvereinbarung stand unter dem Vorbehalt, dass Auszahlungen auch an die Beklagten oder an Dritte geleistet werden können, wenn das Bauvorhaben nicht bis zum 31.12.2016 vertragsgemäß fertiggestellt sei, was wiederum durch die Beklagten beeinflusst werden konnte und zusätzliches Streitpotenzial in sich barg. Schließlich beschränkte die Abtretungsvereinbarung das Recht der Beklagten zur Aufrechnung nicht auf unstreitige und rechtskräftig festgestellte Gegenansprüche, sondern erweiterte es auf alle nach der subjektiven Einschätzung der Beklagten „berechtigten“ Gegenansprüche; auch hierin lag eine erhebliche Entwertung des Sicherungscharakters der Abtretung. Auf eine solche Alternative zur geforderten Bauhandwerkersicherheit musste sich die Klägerin nicht einlassen.

III. Die Klägerin hat gegen die Beklagten nach § 648a BGB 2009 einen Anspruch auf das Stellen einer Bauhandwerkersicherheit über 67.096,00 €.

1. Für die Ermittlung der Höhe der zu sichernden Forderung durfte das Landgericht entgegen der Auffassung der Beklagten die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Bauvertrag von den Beklagten frei (i.S. von § 649 BGB) oder aus wichtigem Grund gekündigt worden ist, offen lassen. Zwar haben die Beklagten zu Recht darauf verwiesen, dass die zu sichernde Forderung je nach Kündigungsart unterschiedlich zu ermitteln ist (vgl. u.a. BGH, Urteil v. 06.03.2014, VII ZR 349/12, BGHZ 200, 274, in juris Tz. 21 und 22). Den Regelungen des § 648a BGB 2009 ist aber der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, das Verlangen nach Sicherheit nicht mit einem Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch zu belasten, wenn dieser Streit die Durchsetzung des Sicherungsverlangens verzögern würde (ebenda, in juris Tz. 29). Deswegen können die Bauherren in diesem Rechtsstreit nicht mit der Einwendung gehört werden, dass die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde vorgelegen hätten. Das Gericht hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 648a BGB 2009 die Sicherheit in der schlüssig dargelegten Höhe des möglichen Vergütungsanspruchs zuzuerkennen (ebenda, in juris Tz. 31).

2. Die rechtlichen Maßstäbe für die Ermittlung der zu sichernden Forderung ergeben sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

a) Nach § 648a Abs. 1 BGB a.F. kann der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die im Hauptvertrag und in Zusatzaufträgen vereinbarte und bisher nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenkosten (welche pauschal mit 10 % des zu sichernden Hauptanspruchs anzusetzen sind) verlangen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner o.a. Grundsatzentscheidung einerseits festgehalten, dass kein Grund bestehe, den Unternehmer aus seiner Verpflichtung zu entlassen, die Höhe der ihm nach der Kündigung auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung zustehenden Vergütung schlüssig darzulegen (BGH, a.a.O., Tz. 19). Deswegen muss sich der Unternehmer nach einer – von ihm selbst vorgetragenen – sog. freien Kündigung auf seine Vergütung dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Vertragsbeendigung an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (ebenda, Tz. 21). Auf die nicht erbrachten Leistungen darf der Unternehmer keine Umsatzsteuer berechnen. Die vereinbarte Vergütung darf aber andererseits nicht um Sicherheitseinbehalte wegen bereits bekannter oder angeblicher Mängel vermindert werden. Lediglich Minderungen oder die Aufrechnung mit unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen dürfen berücksichtigt werden.

b) Wird ein Pauschalpreisvertrag, dessen Leistungen – wie hier – zumindest zu einem erheblichen Teil bereits erbracht worden sind, vorzeitig gekündigt, so hat die Abrechnung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil v. 14.01.1999, VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263) in mehreren Schritten zu erfolgen: Zunächst ist die erbrachte Leistung festzustellen und von den nicht erbrachten Leistungen abzugrenzen. Da der Unternehmer im Falle einer freien Kündigung einen Anspruch auf die volle vereinbarte Vergütung nur abzüglich der ersparten Aufwendungen und des (realisierten oder versäumten) anderweitigen Erwerbs hat, ist – anders als bei einer vorzeitigen Kündigung aus wichtigem Grund – eine Ermittlung des anteiligen Werklohns für die erbrachten Leistungen nicht erforderlich, sondern es sind die durch die Nichtausführung von Leistungen ersparten Aufwendungen zu ermitteln und abzuziehen (vgl. BGH, a.a.O., in juris Tz. 11, 13).

3. Nach diesen Maßstäben ergibt sich Folgendes:

a) Die Klägerin hat eine vereinbarte Vergütung in Höhe von 319.135,53 € brutto schlüssig dargelegt, welche sich aus dem ursprünglichen Hauptvertrag (302.441,00 € Brutto-Festpreis) als auch aus dem Auftrag lt. Angebot v. 05.03.2015 (850,00 €) als auch aus den – schlüssig dargelegten – Zusatzaufträgen Nr. 1 bis 7 (14.764,02 €, vgl. Deckblatt zu Anlage K 21) als auch von der – streitigen – Beauftragung mit der Errichtung eines dritten Heizkreisverteilers (1.080,51 €, jeweils brutto) ergibt. Soweit die Beklagte die Erteilung des zuletzt genannten Einzelauftrags bestritten hat, genügt die schlüssige Darlegung dieses Auftrags durch die Klägerin; eine Beweisaufnahme ist jedenfalls in diesem Rechtsstreit nicht geboten.

b) Die Klägerin hat auch die erbrachten Teilleistungen vereinzelt und in Anlage K 21, dort jeweils in der linken Spalte der Tabelle, schlüssig dargelegt.

aa) Zu den erbrachten Leistungen gehört auch das Bodengutachten; soweit inzwischen unstreitig ist, dass die Beklagten dieses Bodengutachten gesondert bezahlt haben, führt das lediglich zu einer Berücksichtigung bei den bereits erbrachten Teilzahlungen.

bb) Für die Abgrenzung zwischen den erbrachten und den nicht erbrachten Leistungen sind Mängelrügen und angeblich ausstehende Mängelbeseitigungsmaßnahmen grundsätzlich und so auch hier nicht zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat bewusst in Kauf genommen, dass hierdurch die gesicherte Forderung höher ist als die zum Zeitpunkt des Sicherungsverlangens bereits endgültig begründete und fällige Forderung.

cc) Soweit die Beklagten das Fehlen von Rechnungen für bereits erbrachte Nachauftragnehmer-Leistungen beanstanden bzw. einwenden, dass die Klägerin u.U. selbst von Minderungen profitiert oder Vertragsstrafenzahlungen vereinnahmt hat, hat das keinen Einfluss auf die hier maßgebliche vereinbarte Vergütung für erbrachte Leistungen im Verhältnis der Prozessparteien zueinander.

c) In der Abgrenzung hierzu hat die Klägerin auch den Umfang der nicht erbrachten Leistungen verbal schlüssig dargelegt (vgl. Anlage K 21, linke Spalte). Insoweit erheben die Beklagten auch nahezu keine konkreten Einwendungen.

d) Weiter hat die Klägerin (ebenfalls in Anlage K 21, äußerst linke Spalte) ihre Selbstkosten für die nicht erbrachten Leistungen einschließlich Deckungsbeitrag aufgeführt und die zugehörige Kostenkalkulation im Anlagenkonvolut K 22 dargestellt. Diese Selbstkosten gehören auf alle Fälle zu den durch die Nichtausführung ersparten Aufwendungen. Insoweit hat sie einen Betrag in Höhe von 97.569,14 € brutto ermittelt und zu ihren Lasten von der vereinbarten Vergütung abgezogen.

aa) Soweit die Beklagten zu einzelnen Positionen geltend machen, dass statt der ersparten Kosten die – betragsmäßig wesentlich höheren – Minderungsbeträge anzusetzen seien, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Maßgeblich sind die ersparten Aufwendungen aus Sicht der Klägerin und nicht die erhofften ersparten Aufwendungen der Beklagten für die Vergütung.

bb) Hinsichtlich einzelner Positionen haben die Beklagten zu geringe Selbstkostenangaben gerügt, d.h. sie haben höhere ersparte Aufwendungen behauptet. Insgesamt sind diese Einwendungen nicht geeignet, die Schlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin zu beseitigen. Zum Teil handelt es sich um kleine Beträge (z.B. Blower-Door-Test, Baustrom- und Bauwasserkosten; Abnahme des Schornsteins durch den Bezirksschornsteinfeger), bei denen es sich – auch aus Sicht der Beklagten – nur um Schätzwerte handelt, denen eine gewisse Unsicherheit ohnehin eigen ist. Zum Teil handelt es sich um Mangelbeseitigungsmaßnahmen, welche zu – derzeit streitigen – Gegenansprüchen der Beklagten führen könnten (z.B. Dämmung der unplanmäßig verlegten zusätzlichen Ausgänge für Abwasser; Beiputzarbeiten); diese sind im Rahmen der zu sichernden Forderung aus den o.g. Gründen nicht zu berücksichtigen. Schließlich fehlt es dem Bestreiten der Beklagten auch an Substanz, soweit sie die von der Klägerin jeweils vorgelegten Nachauftragnehmer-Angebote als „Gefälligkeitsangebote“ bewerten, um die ersparten Aufwendungen „kleinzurechnen“. Im Hinblick darauf war die Klägerin zur schlüssigen Darlegung der Höhe der zu sichernden Forderung nicht gehalten, weiter vorzutragen. Soweit die Beklagten schließlich noch ersparte Aufwendungen bezüglich der Malerarbeiten vermissen, ist darauf zu verweisen, dass Malerarbeiten im Pauschalpreisvertrag mit der Klägerin nicht enthalten waren, sondern von der Klägerin nur zusätzlich für den Fall angeboten wurden, dass insoweit keine Eigenleistungen durch die Beklagten erbracht werden.

e) Der Sachvortrag der Klägerin ist dahin zu verstehen, dass die von ihr neben den geplanten Selbstkosten in Höhe von insgesamt 270.948,48 € brutto als Differenz zum Verkaufspreis der Gesamtleistungen in Höhe von 319.135,53 € ausgewiesene Marge in Höhe von 48.186,55 € (rechnerisch: 48.187,05 €) keine ausführungsabhängigen Aufwendungen beinhaltet; diese Marge ist deswegen bei der weiteren Berechnung nicht zu berücksichtigen.

4. Hieraus ergibt sich folgende Berechnung:

Brutto-Gesamtvergütung 319.135,53 €

abzgl. ersparte Aufwendungen  97.569,14 €

Vergütungsanspruch 221.566,39 €

abzgl. Teilzahlungen 157.481,89 €

abzgl. Zahlung f. Bodengutachten  595,00 €

offener Vergütungsanspruch 63.489,50 €

zzgl. pauschale Nebenkosten 10 % 6.348,95 €

zu sichernde Forderung 69.838,45 €

5. Da der Antrag der Klägerin auf eine zu sichernde Forderung in Höhe von 67.096,00 € beschränkt ist, ist nach § 308 ZPO auch der Urteilsausspruch des Senats auf diesen Betrag zu begrenzen.

IV. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachten Nebenforderungen.

1. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch auf Erstattung (anteiliger) vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten versagt. Als Anspruchsgrundlage käme allenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen Verzuges hinsichtlich des Stellens der Sicherheit nach §§ 280, 281, 286 BGB in Betracht. Ein Verzug setzt jedoch eine ordnungsgemäße Mahnung voraus. Hieran fehlt es. Denn das vorgerichtlich geltend gemachte Sicherungsverlangen der Klägerin bezog sich auf eine zu sichernde Forderung in Höhe von 176.959,00 €. Zwar kann auch die Forderung eines zu hohen Betrages eine wirksame Mahnung darstellen, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Einzelfalls als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen musste (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 286 Rn. 20 m.w.N.). Voraussetzung ist aber, dass der Schuldner in der Lage ist, die tatsächlich geschuldete Leistung zuverlässig zu ermitteln. Das war hier vor Rechtshängigkeit für die Beklagten nicht möglich und ist auch im Verlaufe des Prozesses, wie die Klägerin einräumt, erst zu einem späteren Zeitpunkt überhaupt möglich geworden. Zudem kann der Gläubiger aus einer Mahnung keine Rechte herleiten, wenn er eine weit übersetzte Forderung geltend macht (vgl. Grüneberg, ebenda). Hier lag der Betrag der geforderten Sicherheit bei mehr als dem 2,5-fachen der tatsächlich berechtigten Forderung. Der im Rechtsstreit eingereichte Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2017 konnte einen die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verursachenden Verzug nicht auslösen.

2. Aus demselben Grunde ist der Feststellungsantrag der Klägerin unbegründet. Zwar ist ein Feststellungsinteresse gegeben, ein Anspruch auf Ersatz der Vermögensschäden durch die Gerichtskostenvorschüsse zur Rechtsverfolgung könnte sich jedoch ebenfalls nur aus dem Gesichtspunkt des – vor Anhängigkeit eingetretenen – Schuldnerverzuges ergeben, woran es hier fehlt.

C.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 sowie 543, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

 

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