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Eheaufhebung wegen arglistiger Täuschung

AG Tempelhof-Kreuzberg, Az.: 180 F 2437/17, Beschluss vom 16.03.2018

1. Die am 27.10.2016 vor dem Standesbeamten des Standesamtes in Ærø Kommune, Ærøskøbing, Dänemark zur Eheregister Nummer geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird aufgehoben.

2. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

3. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

4. Der Wert des Verfahrens wird festgesetzt auf bis 50.000,00 Euro.

Gründe

Die am 21.05.1936 geborene deutsche Antragstellerin und der am 04.01.1974 geborene polnische Antragsgegner lernten sich im April 2016 im Rahmen der Vermietung einer im Eigentum der Antragstellerin stehenden Wohnung an den Antragsgegner kennen. Nach mehreren Kurzreisen wurden sie im Juni 2016 ein Paar. Auf den Antrag des Antragsgegners im August 2016 schlossen die Beteiligten am 27.10.2016 in Dänemark miteinander die Ehe. Unmittelbar nach der für sie unerwarteten Verhaftung des Antragsgegners im Januar 2017 in Berlin leitete die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.02.2017 das vorliegende familiengerichtliche Verfahren ein mit dem Antrag, die am 27.10.2016 vor dem Standesbeamten des Standesamtes in Ærø Kommune, Ærøskøbing, Dänemark, aufzuheben, hilfsweise, diese Ehe zu scheiden.

Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Eheaufhebung wegen arglistiger Täuschung
Symbolfoto: FreedomTumZBigstock

Er ist im Januar 2017 in Bremen in Untersuchungshaft genommen worden und inzwischen erstinstanzlich vor dem Landgericht Bremen unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betruges (sog. „Enkelbetrug“) und Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden.

Die Antragstellerin behauptet, sie sei durch den Antragsgegner durch arglistige Täuschung zur Eheschließung veranlasst worden und hätte einer Eheschließung in Kenntnis dieser Tatsache nicht zugestimmt.

Beide Eheleute sind persönlich angehört worden. Auf das Verhandlungsprotokoll vom 12.09.2017 und auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichtes Bremen (62 AR 105/17 AR) vom 01.12.2017 wird Bezug genommen.

Der Aufhebungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist gemäß § 1316 Abs.1 BGB antragsberechtigt, die Antragsfrist des § 1317 BGB ist gewahrt.

Der Aufhebungsantrag ist auch begründet.

Gemäß § 1314 Abs.2 Ziffer 3 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätte. Dieses gilt ausdrücklich nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft (Nr.3, Hs.2). Derjenige Ehegatte, der sich auf das Vorliegen eines Eheaufhebungsgrundes beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast.

Die Täuschungshandlung ist gemäß § 123 Abs.1 BGB das Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums in der Absicht, den Getäuschten zur Eingehung der Ehe zu veranlassen. Sie kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen. Ein bloßes Verschweigen genügt allerdings in der Regel nicht. Vielmehr muss im Einzelfall eine Offenbarungspflicht bestehen, die sich aus einer ausdrücklichen Nachfrage oder aus den Umständen ergeben kann. Der andere Ehegatte muss erkennbaren Wert auf die Mitteilung bestimmter Verhältnisse legen.

Die Antragstellerin behauptet zunächst ohne Erfolg, der Antragsgegner habe sie über seine Vermögensverhältnisse getäuscht, indem er behauptet habe, er sei Eigentümer verschiedener Immobilien in England und Polen. Eine Täuschung über Vermögensverhältnisse allein rechtfertigt schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 1314 Abs.2 Ziffer 3, 2. Halbsatz BGB nicht die begehrte Eheaufhebung.

Ebenso kann vorliegend nicht der vom Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin angegebene Beruf eine Eheaufhebung begründen. Der Antragstellerin gegenüber soll er angegeben haben, als Gutachter für Mercedes Benz in England ein gutes Einkommen zu erzielen, über seinen Verfahrensbevollmächtigten hat er vortragen lassen, er sei als Dolmetscher tätig gewesen. Anlässlich seiner persönlichen Anhörung vor dem ersuchten Richter am Amtsgericht Bremen schließlich hat der Antragsgegner angegeben, in Deutschland keinen Beruf ausgeübt zu haben und zuvor in England als Bauarbeiter tätig gewesen zu sein. Es ist nicht anzunehmen, dass die danach in jedem Fall gegenüber der Antragstellerin falschen Angaben zu seiner Berufstätigkeit diese bei Kenntnis der wahren Sachlage von einer Eheschließung abgehalten hätten. Es ist nicht vorgetragen, dass die Berufstätigkeit des Antragsgegners und seine damit verbundene gesellschaftliche und soziale Position für die Antragstellerin von ausschlaggebender Bedeutung gewesen wäre. Zudem ist die Miete für die vom Antragsgegner bei der Antragstellerin angemieteten Wohnung unstreitig direkt vom JobCenter an die Antragstellerin überwiesen worden. Dieses lässt auch durch einen unbedarften Laien auf ein sehr geringes oder gar kein Einkommen des anderen schließen. Wenn der Antragsgegner nach der Einlassung der Antragstellerin auf der anderen Seite behauptet haben soll, dass er in einer Nacht mehr verdiene, als den Betrag ihrer monatlichen Witwenrente, hätte es der Antragstellerin oblegen, diesen Widerspruch durch Nachfrage zu klären. Da sie eine Aufklärung nicht verlangt hat, war die Einkommenslosigkeit des Antragsgegners für ihre Entscheidung, ihn zu heiraten, offenbar irrelevant. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die sehr vermögende Antragstellerin dem Antragsgegner schon in den Monaten vor der Eheschließung einzelne Geldbeträge in Höhe von insgesamt mehr als 300.000,00 Euro überlassen hat ohne den Verwendungsgrund in irgendeiner Weise zu prüfen. Beispielhaft sei angeführt, dass sie einen notariellen Immobilienkaufvertrag ungelesen unterzeichnet haben will.

Die Einlassung der Antragstellerin, der Antragsgegner sei zum Zeitpunkt der Eheschließung mit einer anderen Frau nach ethnischen Regeln oder religiösen Riten verheiratet gewesen, ist zum einen unsubstantiiert vorgetragen und zum anderen vom Antragsgegner bestritten und nicht unter geeigneten Beweis gestellt worden.

Ein Eheaufhebungsgrund nach § 1314 Abs.2 Nr.3 BGB ist vorliegend einzig ein arglistiges Verschweigen früherer verbrecherischer „Erwerbsquellen“ durch den Antragsgegner in Zusammenschau mit seinem persönlichen Verhalten gegenüber der Antragstellerin. Der Antragsgegner ist im Januar 2017 verhaftet und der Untersuchungshaft in Bremen zugeführt worden. Inzwischen ist eine Verurteilung des Antragsgegners durch das Landgericht Bremen unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betruges und wegen Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz im Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2015 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden. Ob das Urteil rechtskräftig ist und ob der Haftbefehl bis zur Ladung zum Strafantritt außer Vollzug gesetzt worden ist, ist nicht vorgetragen. Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an. Entscheidend ist auch nicht, ob der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der Antragstellerin bereits von den wegen dieser Verbrechen gegen ihn geführten Ermittlungen wusste. Dieses zwar ist anzunehmen, weil ein Mittäter des Antragsgegners laut Anklageschrift vom 10.04.2017 bereits im Juni 2015 verhaftet worden ist. Wesentlich ist indes, dass er eine Ahndung dieser Straftaten und eine Anklage mit einer Verurteilung zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe nicht ausschließen konnte. Dieses rechtfertigt die Annahme einer Offenbarungspflicht gegenüber der heiratswilligen Antragstellerin auch ohne Nachfrage, und zwar umso mehr, als es sich um einen Umstand handelt, der zukünftig für die eheliche Gemeinschaft und das Familienleben von grundlegender Bedeutung ist (vgl. ähnlich AG Kulmbach, Urteil vom 04.02.2002 – 2 F 298/01 – zitiert bei Juris). Die Antragstellerin war – wenn auch für einen emotional unbeteiligten Außenstehenden völlig unverständlich – willens und wegen ihres Vermögens vielfach bereit, dem Antragsgegner jeden finanziellen Wunsch zu erfüllen und seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber Dritten zu übernehmen. In nur wenigen Monaten stellet sie ihm mehr als 300.000,00 Euro zur Verfügung. Die Behauptung des Antragsgegners, mit den einzelnen Beträgen seien überwiegend im Eigentum der Antragstellerin stehende Mietwohnungen renoviert worden, bleibt als unsubstantiierte Schutzbehauptung unberücksichtigt. Der Entschluss zur freigebigen finanziellen Unterstützung und sodann zur Eheschließung bei der zu dem Zeitpunkt 80 Jahre alten Antragstellerin mit dem 38 Jahre jüngeren Antragsgegner resultierte wohl aus dem Wunsch nach liebevoller Zuwendung und ehelicher Zweisamkeit. Wäre ihr jedoch bekannt gewesen, dass der Antragsgegner eine Vielzahl von Betrugsdelikten begangen hat, jeweils unter Ausnutzung der Arglosigkeit und der Überraschung der Opfer, so hätte sie auch ihr eigenes Verhalten dem Antragsgegner gegenüber reflektiert und – nach eigenem Bekunden – von einer Eheschließung abgesehen. Sie hätte erkennen können und erkannt, dass die emotionale Zugewandtheit des Antragsgegners nur vorgeschoben war, um außerordentliche materielle Vorteile zu erlangen. Dass das Verhalten des Antragsgegners arglistig, also von Vorsatz getragen war, lässt sich schon aus seinem personellen Rückzug mit dem Tag der Eheschließung folgern. Auf die Hochzeitsreise nach Dubai hat der Antragsgegner die Antragstellerin nicht begleitet, die Feiertage Ende 2016 wurden nicht zusammen verbracht. Ebenso fand kein Geschlechtsverkehr mehr statt. Jedenfalls auf der Grundlage einer solchen Gesamtbetrachtung ist der Eheaufhebungsgrund nach § 1314 Abs.2 Nr.3 BGB gegeben.

Die antragsgemäß beschlossene Aufhebung der Eheschließung ist nicht nach § 1315 BGB ausgeschlossen. Insbesondere hat die Antragstellerin die Ehe nicht nach Aufdeckung der Täuschung im Sinne des § 1315 Abs.1 Nr.4 BGB bestätigt. Sie hat jeglichen Kontakt zum Antragsgegner ab dem Zeitpunkt seiner Verhaftung im Januar 2017 verbunden mit der Kenntnisnahme von dem gegen ihn gerichteten Strafermittlungsverfahren abgebrochen und alsbald, nämlich mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.02.2017, das vorliegende Verfahren eingeleitet.

Ehescheidung

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Scheidung der zwischen den Beteiligten am 27.10.2016 geschlossenen Ehe nach §§1564 ff BGB bedarf keiner Bescheidung, nachdem dem Hauptantrag stattzugeben war.

Versorgungsaugleich

Ein Versorgungsausgleich ist nicht vorzunehmen, weil die nach § 3 Abs. 1 VersAusglG maßgebliche Ehezeit unter drei Jahren liegt und keiner der Ehegatten den Versorgungsausgleich beantragt hat. Nach § 3 Abs. 3 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren nur auf Antrag eines Ehegatten statt.

Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 132 Abs.1 Satz 2 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsgegner die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil allein das schuldhafte Fehlverhalten des Antragsgegners zur Aufhebung der Ehe der beteiligten Ehegatten geführt hat

Wert

Die Wertfestsetzung bezieht sich auf den Hauptantrag. Dem Hilfsantrag kommt gemäß § 39 Abs.1 Satz 2 FamGKG kein eigener wert zu, da hierüber nicht entschieden worden ist.

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