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Ehewohnung nach Scheidung – Anspruch auf nachehezeitliche Überlassung

AG Lemgo – Az.: 9 F 120/18 – Beschluss vom 21.02.2019

Die Antragsgegnerin hat bis spätestens zum 31.05.2019 die Wohnung im Haus H.straße  in B. geräumt und besenrein an den Antragsteller herauszugeben und ihm sämtliche zur Wohnung bzw. zum Haus gehörenden Schlüssel auszuhändigen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gegenstandswert: 3840,00 EUR

Gründe

I.

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin die während der Ehe und auch jetzt noch von der Antragsgegnerin genutzte Wohnung heraus, nachdem die Beteiligten seit Dezember 2015 rechtskräftig geschieden sind.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass für das Verfahren auf Räumung der Wohnung als Anspruchsgrundlage § 985 BGB in Verbindung mit § 266 FamFG anzuwenden ist. Im Verfahren 9 F 282/16 hat das Gericht auf den entsprechenden Antrag den Antrag als unzulässig zurückgewiesen und im nachfolgenden (zunächst unzulässig als Hilfsantrag geltend gemachten) Verfahren auf Wohnungszuweisung die Herausgabe der Wohnung nach einer Übergangsfrist angeordnet. In dem Beschwerdeverfahren hat das OLG Hamm den Beschluss aufgehoben und den Antrag als unzulässig in dieser Verfahrensart zurückgewiesen (OLG Hamm in dem Verfahren 9 UF 211/17 nachfolgend zu AG Lemgo 9 F 73/17).

Die geschiedenen Eheleute streiten weiterhin vor dem Amtsgericht G. über den Unterhalt und den Zugewinnausgleich.

Der Antragsteller behauptet, er habe seine Frau mehrfach aufgefordert, eine angemessene Miete/Nutzungsentschädigung nebst den verbrauchsabhängigen Nebenkosten zu zahlen oder die Wohnung zu räumen. Dies verweigere die Antragsgegnerin.

Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die von ihr genutzte Wohnung im Haus H.straße in B. geräumt und besenrein an ihn herauszugeben und ihm sämtliche zur Wohnung bzw. zum Haus gehörenden Schlüssel auszuhändigen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen, hilfsweise ihr Räumungsschutz zu gewähren.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass das Verfahren unzulässig sei wegen der rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren 9 F 282/16. Die Herausgabe sei auch unbillig, da der Antragsteller in den Verfahren vor dem Amtsgericht G. eine Klärung des Unterhalts und des Zugewinns verhindere, indem er nicht komplett und korrekt Auskunft zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erteile. Sie selbst sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ihren Unterhalt zu erwirtschaften. Der Antragsteller habe zudem eine weitere Immobilie in G., die er bewohne. Auf die Ehewohnung sei er nicht angewiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

1.

Für dieses Verfahren schließt sich das Familiengericht der Rechtssauffassung des OLG Hamm in dem Verfahren 9 UF 211/17 (nachfolgend zu AG Lemgo 9 F 73/17) zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen an, auch wenn gewichtige Gründe gegen diese Auffassung sprechen (vgl. Ralph Neumann, Anmerkung zu der Entscheidung OLG Hamm 9 UF 211/17, FamRB 2019, 52).

Das Gericht geht zudem davon aus, dass die Rechtskraft der früheren Entscheidung über die Zulässigkeit einem neuen Verfahren nicht entgegensteht. Für weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen hat der BGH klargestellt, dass ein erneuter Antrag (eine erneute Klage) nach Beseitigung des Zulässigkeitshindernisses erfolgen kann (BGH, Beschluss vom 21.08.2018 – VIII ZB 1/18 -, Rn. 26). Dieser Grundsatz muss ansprechend angewendet werden, wenn -wie hier – nur eine von 2 unterschiedlichen Verfahrensarten in Betracht kommt und in dem Verfahren die 2. Instanz die Rechtslage anders behandelt als die 1. Instanz, zumal sich der Antragsteller hierbei der Auffassung des Gerichtes angeschlossen hat.

2.

Der Antrag ist begründet.

Der auch in dieser Sache zuständige Senat hat in der Entscheidung zum Wohnungszuweisungsverfahren deutlich gemacht, dass er nach Ablauf der Jahresfrist in § 1568 a Abs. 6 BGB die Wohnung nicht mehr als Ehewohnung ansieht und daher Abs. 1 der Vorschrift nicht mehr anwendbar sein soll. In der Konsequenz müsste der Senat – auch wenn dies zweifelhaft erscheint (vgl. Ralph Neumann, Anmerkung zu der Entscheidung OLG Hamm 9 UF 211/17, FamRB 2019, 52) damit Abs. 6 der Vorschrift entsprechend auf Abs. 2 anwenden. Einwendungen gegen den Herausgabeanspruch aus der früheren Ehe dürften dann nicht mehr in Betracht kommen. Es verblieben dann nur die Vorschriften über den Räumungsschutz.

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da in der Sache auf die Gründe der Entscheidung im Wohnungszuweisungsverfahren 9 F 73/17 verwiesen werden kann.

In der Entscheidung 9 F 73/17 ist hierzu wörtlich Folgendes ausgeführt:

Ehewohnung nach Scheidung – Anspruch auf nachehezeitliche Überlassung
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

„Die Wohnung steht im Alleineigentum des Antragstellers. Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung und Entflechtung kann nicht in dem vorliegenden Verfahren betreffend die Ehewohnung erreicht werden. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Folgesachen zu einer Entflechtung der ehelichen Lebensverhältnisse und nicht zu einer weiteren Verflechtung der Vermögensverhältnisse zwischen den (geschiedenen) Ehegatten führen sollen. Hier ist bereits eine rechtskräftige Scheidung erfolgt. Auch die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen der Antragsgegnerin stehen einem Herausgabeanspruch aus Billigkeit nicht entgegen. In dem vorliegenden ärztlichen Bericht der behandelnden Diplom-Psychologin C. vom 25.11.2016 (Parallelverfahren 9 F 282/16, Bl. 36 der Akte) hat die Therapeutin der Antragsgegnerin selbst ausgeführt, dass eine Klärung bezüglich der Wohnung und der Unterhaltsfrage erfolgen muss, damit eine angemessene Therapie der Antragsgegnerin erfolgen kann. Eine zeitnahe Klärung würde erschwert würde bei einer weiteren Zuweisung der Ehewohnung an die Antragsgegnerin, denn eine unbefristete weitere (entschädigungslose) Überlassung der im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Wohnung entspricht in jedem Fall nicht der Billigkeit. Es wäre nur eine weitere zeitliche Verzögerung der Entflechtung der ehelichen Lebensverhältnisse. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin eine in ihrem Eigentum stehende Wohnung auf den Sohn übertragen hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass durch das Gericht eine Entschädigungszahlung nicht mehr angeordnet werden kann. Die Regelungen der §§ 1568a Abs. 3 bis Abs. 5 BGB sind nicht mehr anzuwenden, da die Frist von § 1568a Abs. 6 BGB bereits bei Einleitung des Verfahrens abgelaufen war.“

Diese Gründe gelten auch weiterhin, auch wenn die Anspruchsgrundlage eine andere ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 91 Abs. 1 ZPO.

Die sofortige Wirksamkeit wird nicht angeordnet (§ 116 Abs. 2 FamFG). Es dürfte in diesem Verfahren angemessen sein, wenn die Rechtslage in dieser Sache durch den Senat geklärt wird, bevor Vollstreckungen erfolgen.

 

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