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Ehewohnungseigenschaft bei Trennung vor Einzug

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 UF 203/19 – Beschluss vom 12.05.2020

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 7.11.2019 abgeändert und der Hauptantrag als unzulässig verworfen, im übrigen werden die Hilfsanträge abgetrennt und zur Entscheidung im Ehewohnungsverfahren an das Amtsgericht Hamburg – Familiengericht – zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Antragsteller zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Herausgabe, hilfsweise Mitbenutzung einer dem Antragsteller gehörenden Wohnung in Hamburg.

Die Beteiligten sind miteinander verheiratet. Sie leben seit August 2017 getrennt voneinander. Ein Ehescheidungsverfahren ist vor dem Amtsgericht Hamburg anhängig. Aus der Ehe ist eine gemeinsame noch minderjährige Tochter hervorgegangen, die bei der Antragsgegnerin lebt.

Die Beteiligten lebten ursprünglich gemeinsam in einer Wohnung in Braunschweig. Seit August 2017 wohnt die Antragsgegnerin mit der gemeinsamen Tochter in der verfahrensgegenständlichen Wohnung in Hamburg. Der Antragsteller erwarb diese Wohnung zuvor zum Alleineigentum und renovierte sie umfangreich bis Mitte 2017. Es war zwischen den Beteiligten zunächst geplant, diese Wohnung in Hamburg nach der Renovierung als gemeinsame Wohnung zu nutzen. Zu einem tatsächlichen dauerhaften Einzug des Antragstellers in die Wohnung ist es allerdings nie gekommen. Vielmehr trennten sich die Beteiligten zuvor, wobei die Einzelheiten hierzu zwischen den Beteiligten streitig sind. Jedenfalls besuchte der Antragsteller die gemeinsame Tochter zwischen August 2017 und Dezember 2017 an einzelnen Tagen und hielt sich dabei in der Wohnung in Hamburg auf. Seit Dezember 2017 verwehrt ihm die Antragsgegnerin den Zutritt zur verfahrensgegenständlichen Wohnung, in dem sie ihm dem Schlüssel zur Wohnung abnahm.

Die Beteiligten stritten vor dem Amtsgericht Hamburg bereits in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die weitere Nutzung der Wohnung. Im Rahmen dieses Verfahrens widerrief der Antragsteller die Duldung der weiteren Nutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin und forderte von ihr die Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin in jenem Verfahren mit Beschluss vom 13.4.2018 verpflichtet, dem Antragsteller den Mitbesitz an der verfahrensgegenständlichen Wohnung einzuräumen. Der Beschluss wurde bislang nicht umgesetzt. Vollstreckungsversuche des Antragstellers blieben bislang erfolglos.

Der Antragsteller meint, ihm stehe gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Herausgabe der Wohnung nach § 985 BGB zu. Ein Recht zum Besitz stehe der Antragsgegnerin nicht zu. Er, der Antragsteller, habe die Nutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin nur bis März 2018 geduldet. Der Antragsgegnerin stehe auch aus Treu und Glauben in Verbindung mit der ehelichen Solidarität kein weitergehendes Besitzrecht an der Wohnung mehr zu, sie habe ausreichend Zeit gehabt, sich eine neue Wohnung zu suchen. Zudem stehe ihm ein Anspruch aus § 861 BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes zu, weil die Antragsgegnerin ihm den Schlüssel zur Wohnung im Dezember 2017 widerrechtlich entwendet habe und damit verbotene Eigenmacht angewandt habe. Mindestens sei ihm ein Recht auf Mitbenutzung zuzubilligen.

Bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung handele es sich nicht um eine Ehewohnung. Da die Ehegatten unstreitig nie zusammen in der Wohnung gelebt hätten sondern sich die Absicht der gemeinsamen Nutzung der Wohnung mit der Trennung zerschlagen habe, sei die Wohnung jedenfalls seit der Trennung keine Ehewohnung mehr. Die Trennung sei zudem vor dem Umzug der Antragsgegnerin in die Wohnung erfolgt.

Selbst wenn es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine Ehewohnung handeln würde, stehe ihm jedenfalls ein Anspruch auf Mitbenutzung der Wohnung nach § 1361b BGB zu. Er sei dringend auf die Mitnutzung der Wohnung angewiesen, weil er einkommenslos und verschuldet sei. Er könne auch nicht in das ebenfalls in seinem Alleineigentum stehende ehemalige Haus seiner Eltern ziehen. Dieses Haus werde von seinen Eltern weiterhin bewohnt und stünde zum Verkauf. Auch die Nutzung des sich auf dem Grundstück befindlichen Saunahauses sei nicht möglich, weil dieses Saunahaus für die Nutzung zu Wohnzwecken behördlich nicht zugelassen sei. Derzeit bewohne er zwar eine Wohnung in Hamburg-Blankenese. Hierbei handele es sich aber um die Wohnung einer anderen Familie, die die Wohnung selbst durch eine Fremdvermietung oder einen Verkauf nutzen wolle, so dass er dort nicht dauerhaft bleiben könne.

Eine Mitbenutzung der verfahrensgegenständlichen Wohnung sei möglich. Die Wohnung verfüge über ein Gästezimmer. Die Beteiligten würden zudem ein im Wesentlichen friedliches Verhältnis miteinander pflegen, so dass auch Gründe des Kindeswohls der Mitbenutzung nicht entgegenstehen würden.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Wohnung im A… W…, … Hamburg einschließlich des zur Wohnung gehörenden Garagenstellplatzes geräumt an den Antragsteller herauszugeben und ihm die Schlüssel für die Haustür, die Wohnungstür sowie für das Garagentor auszuhändigen, hilfsweise,

1. die Ehewohnung im A… W…, … Hamburg, einschließlich des zur Wohnung gehörenden Garagenstellplatzes dem Antragsteller zur Mitbenutzung zuzuweisen und

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die Schlüssel für die Haustür, die Wohnungstür sowie für das Garagentor auszuhändigen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin meint, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine Ehewohnung handele. § 985 BGB sei daher nicht anwendbar und der Hauptantrag schon deswegen zurückzuweisen. Der Ehewohnungscharakter folge daraus, dass die Beteiligten ursprünglich vorhatten, die Wohnung gemeinsam zu bewohnen. Zutreffend sei allein, dass die Beteiligten dort nie zusammengelebt hätten. Sie habe dem Antragsteller auch den Schlüssel nicht widerrechtlich entwendet, sondern sei hierzu zum Schutz der gemeinsamen Tochter berechtigt gewesen. Dem Antragsteller stehe auch kein Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes gem. § 1361b BGB zu. Sie, die Antragsgegnerin, sei nämlich dringend auf die Nutzung der Wohnung angewiesen. Sie verfüge über kein Erwerbseinkommen und erhalte vom Antragsteller – unstreitig – keinen Betreuungsunterhalt. Eine gemeinsame Nutzung scheide auch aus Kindeswohlgründen aus. Während der Besuche des Antragsstellers in der Wohnung sei es Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten gekommen, unter denen die Tochter sehr gelitten habe. Auch handele es sich bei dem vom Antragsteller angeführten Gästezimmer um das Schlafzimmer der Tochter. Der Antragsteller verfüge entgegen seinen Ausführungen über Einkommen und Vermögen, was durch seinen aufwendigen Lebensstil belegt werde. Der Antragsteller könne zudem weiter in der von ihm aktuell bewohnten Wohnung wohnen. Er könne auch das Saunahaus in Braunschweig bewohnen. Es sei nicht glaubhaft, dass das Haus veräußert werden solle. Auch sei die 6-Monatsfrist des § 1361b Abs. 4 BGB abgelaufen, weil der Widerruf der Nutzungserlaubnis erst im März 2018 und damit länger als 6 Monate nach der Trennung erfolgt sei.

Das Familiengericht hat das Verfahren als Familienstreitsache behandelt und mit Beschluss vom 7.11.2019 die Antragsgegnerin verpflichtet, die Wohnung nebst Schlüssel und Garagenstellplatz an den Antragsteller herauszugeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der Wohnung um keine Ehewohnung handele, weil die Wohnung den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt tatsächlich als gemeinsame Wohnung gedient habe. Zwar sei dies ursprünglich beabsichtigt gewesen, diese Absicht sei aber bis zur Trennung nicht umgesetzt worden. Eine Wohnung, die erst nach der Trennung bezogen werde, sei aber keine Ehewohnung. Es bedürfe in Bezug auf diese Wohnung gerade keines Schutzes des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe. Der sich an die Trennung anschließende tageweise Aufenthalt des Antragstellers in der verfahrensgegenständlichen Wohnung begründe nicht ihren Charakter als Ehewohnung. Der Herausgabeanspruch des Antragstellers ergebe sich daher aus § 985 BGB. Der Antragsgegnerin stehe auch kein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB zu. Selbst wenn zwischen den Beteiligten anlässlich der Trennung zunächst ein Leihvertrag begründet worden sei, sei dieser Leihvertrag mit dem Herausgabeverlangen des Antragstellers beendet worden. Auch sonst sei ein Recht zum Besitz nicht zu erkennen.

Gegen diesen, der Antragsgegnerin am 12.11.2019 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit beim Familiengericht am 12.12.2019 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 7.2.2020 begründet.

Die Antragsgegnerin meint, es handele sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine Ehewohnung i.S.d. § 1361b BGB. § 985 BGB sei daher nicht anwendbar. Sie wiederholt und vertieft insoweit ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend führt sie aus, der Antragsteller habe sich erst am Tage des Umzuges, aber nachdem der Umzug bereits vollzogen war, von der Antragstellerin getrennt in dem er ihr mitgeteilt habe, dass er „keinen Bock“ darauf habe, mit der Antragsgegnerin in der verfahrensgegenständlichen Wohnung zu leben. Jedenfalls habe die Antragsgegnerin ein Recht zum Besitz, weil sich der Antragsteller mit der Nutzung der Wohnung durch sie einverstanden erklärt habe. Zudem gebiete auch die eheliche Solidarität eine Weiternutzung der Wohnung. Sie hätten die gemeinsame Tochter übereinstimmend an einer nahegelegenen Grundschule angemeldet, damit sie kurze Wege habe. Dies dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Antragsgegnerin zusammen mit der Tochter die Wohnung nunmehr räumen müsse.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 7.11.2019 abzuändern und die Anträge abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller meint, das Familiengericht habe zu Recht angenommen, dass die verfahrensgegenständliche Wohnung keine Ehewohnung i.S.d. § 1361b BGB sei. Die Beteiligten hätten sich entgegen dem neuen Vortrag der Antragsgegnerin bereits vor dem Umzug getrennt. Sie hätten nach der Trennung beschlossen, dass die Antragsgegnerin mit der gemeinsamen Tochter allein nach Hamburg in die Wohnung ziehe. Der Antragsgegner sollte zunächst in Braunschweig verbleiben. Durch die Trennung der Beteiligten sei die Widmung der Wohnung als Ehewohnung entfallen. Nach dem Umzug habe sich der Antragsteller nur besuchsweise in der Wohnung aufgehalten. Es greife damit § 985 BGB. Es bestehe auch kein Recht zum Besitz für die Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Verwerfung des Hauptsacheantrages als unzulässig (1.) und zur Abtrennung des Hilfsantrages (2.).

1.

Der Hauptsacheantrag auf Herausgabe der Wohnung ist als unzulässig zu verwerfen, weil es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine Ehewohnung handelt.

a)

Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Antrag auf Herausgabe einer Wohnung auf Basis des § 985 BGB unzulässig, wenn es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um eine Ehewohnung i.S.d. § 1361b BGB handelt (BGH, FamRZ 2017, 22 Rn. 10).

b)

Gleiches muss auch für den Anspruch nach § 861 BGB gelten. Auch er kann im Anwendungsbereich des § 1361b BGB nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (OLG Frankfurt, NJW-RR 2019, 1220OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 760; OLG Köln FamRZ 1987, 77 Palandt/Brudermüller, § 1361b Rn. 18 MüKo/Schäfer, § 861 Rn. 15). Zwar wird insbesondere in der Literatur teilweise eine freie Anspruchskonkurrenz zwischen dem Anspruch auf Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB und der Wiedereinräumung des Besitzes nach § 861 BGB angenommen (BeckOGK/Erbarth, § 1361b BGB Rn. 172 ff.; Staudinger/Voppel, § 1361b BGB Rn. 54; MüKo/Weber-Monecke, § 1361b Rn. 2). Das Beschwerdegericht folgt dieser Auffassung aber nicht. Sie würde der Konzentrationswirkung des § 1361b BGB entgegenstehen und die Gefahr widersprechender Entscheidungen mit sich bringen. Zwar führt die Gegenauffassung aus, dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen durch eine Verbindung der Anträge nach § 861 BGB und § 1361b BGB verhindert werden könne (BeckOGK/Erbarth, § 1361b BGB Rn. 175). Dem vermag sich das Beschwerdegericht aber ebenfalls nicht anzuschließen. Zutreffend ist zwar die Erwägung, dass weder das FamFG noch die über § 113 FamFG zur Anwendung gelangende ZPO ein ausdrückliches Verbindungsverbot für Familiensachen (nur) nach dem FamFG einerseits und Familienstreitsachen nach § 113 FamFG andererseits kennt. Die im FamFG enthaltenen Verbindungsverbote wie z.B. § 179 FamFG für Abstammungssachen oder § 196 FamFG für Adoptionssachen betreffen jeweils nur spezielle Verfahrensarten. Aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Verbindungsverbotes kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass alle anderen Verfahren ohne weiteres miteinander verbunden werden könnten. Eine Verbindung nach § 20 FamFG bzw. § 113 FamFG i.V.m. § 145 ZPO kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich die Verfahrensordnungen beider zu verbindender Verfahren wesentlich voneinander unterscheiden. Dies ist bei einer reinen FamFG-Familiensache und einer Familienstreitsache aber der Fall. So gilt für Familienstreitsachen z.B. der Beibringungsgrundsatz, es herrscht grundsätzlich Anwaltszwang und die Formalien des Beschwerdeverfahrens sind wesentlich strenger ausgestaltet als im Rahmen einer reinen FamFG-Familiensache. Dort herrscht der Grundsatz der Amtsermittlung, die Beteiligten können sich selbst vertreten und auch das Beschwerdeverfahren ist weit weniger formal ausgestaltet. Würden Anträge beider Verfahren miteinander verbunden werden, könnten aus diesen verfahrensrechtlichen Unterschiedlichkeiten eine Vielzahl von Problemen folgen, die maßgeblich einer Verbindung entgegenstehen (so auch Keidel/Sternal, FamFG, § 20 Rn. 4, BeckOK/Burschel, § 20 FamFG Rn. 3; Haußleiter/Gomille, FamFG, § 20 Rn. 3; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, § 20 Rn. 8 A.A. MüKo/Pabst, § 20 FamFG Rn. 7). Scheidet eine Verbindung aus, bleibt aber die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestehen. Alle Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung der Ehewohnung nach der Trennung im Rahmen des Ehewohnungsverfahrens über § 1361b BGB (i.V.m. § 209 FamFG) zu behandeln mit der Folge der Unzulässigkeit eines Antrages auf Basis sowohl des § 985 BGB als auch des § 861 BGB.

c)

Vorliegend handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung um auch um eine Ehewohnung.

Der Begriff der Ehewohnung ist weit auszulegen und erfasst nach dem BGH alle Räume, die die Ehegatten zum Wohnen benutzen oder gemeinsam bewohnt haben oder die dafür nach den Umständen bestimmt waren (BGH, FamRZ 1990, 987, 988). Vorliegend haben die Ehegatten die verfahrensgegenständliche Wohnung zu keinem Zeitpunkt im Rahmen ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzt. Dies gilt selbst dann, wenn man den – insoweit gegenüber ihrem erstinstanzlichen Vortrag abweichenden – Vortrag der Antragsgegnerin als wahr unterstellt und davon ausgeht, dass der Antragsteller sich erst unmittelbar nach dem Umzug von der Antragsgegnerin trennte. Denn selbst dann haben die Ehegatten die Wohnung zu keinem Zeitpunkt gemeinsam bewohnt. Der Ehewohnungscharakter ergibt sich vorliegend aber daraus, dass die Wohnung ursprünglich für die gemeinsame Nutzung bestimmt war, wozu es nur trennungsbedingt nicht mehr gekommen ist. Die vom BGH anerkannte Fallgruppe der „dafür nach den Umständen bestimmten“ Wohnung erfordert dabei allerdings mehr als eine reine Willensübereinkunft der Ehegatten hinsichtlich der Nutzung der Wohnung. Die Entstehung der Ehewohnungseigenschaft setzt zusätzlich auch ein hier allerdings vorliegendes objektives Element voraus. Die speziellen Regelungen zur Ehewohnung dienen – wie das Familiengericht zu Recht ausgeführt hat – dem Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe. Davon erfasst werden aber nur diejenigen Räumlichkeiten, zu denen die Ehegatten neben einem gemeinsamen Nutzungswillen auch in einer nach Außen erkennbaren Nutzungsbeziehung stehen. Weil der Begriff der Ehewohnung weit auszulegen ist, ist dazu zwar nicht erforderlich, dass die Ehegatten die Wohnung auch tatsächlich in ehelicher Lebensgemeinschaft genutzt haben. Zu fordern ist aber, dass zumindest der für die gemeinsame Nutzung notwendige Grundvertrag in Form eines Miet- bzw. sonst schuldrechtlichen Überlassungsvertrages oder Kaufvertrag bereits wirksam zustande gekommen ist (zutreffend BeckOGK/Erbarth, § 1361b BGB Rn. 40). Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn die Ehegatten sich nur für die gemeinsame Nutzung einer bestimmten Wohnung entschlossen haben, ohne dass sie die Wohnung jemals gemeinsam genutzt haben oder zumindest den entsprechenden Grundvertrag für die Nutzung abgeschlossen haben. Vorliegend haben die Beteiligten aber mit dem Abschluss des Kaufvertrages durch den Antragsteller die notwendige Nutzungsbeziehung begründet.

Die Ehewohnungseigenschaft der Wohnung in Hamburg hindert nicht, dass (auch) die Wohnung in Braunschweig parallel als Ehewohnung genutzt wurde. Das Gesetz fordert nicht, dass es jeweils nur eine Ehewohnung gibt. Zwar spricht der Wortlaut des Gesetzes nur im Singular von einer Ehewohnung. Dies bedeutet aber nicht, dass die Ehegatten nicht über zwei Ehewohnungen verfügen könnten, sondern lediglich, dass nicht mehr als eine von mehreren Ehewohnungen zugewiesen werden darf (BeckOGK/Erbarth, § 1361b BGB Rn. 45 ff. m.w.N. zur Gegenansicht). Es sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, warum Ehegatten aus Rechtsgründen nicht über mehrere Ehewohnungen verfügen könnten. Daher hat der BGH folgerichtig auch anerkannt, dass grundsätzlich auch ein Wochenendhaus eine Ehewohnung sein kann (BGH, FamRZ 1990, 987).

Ihre Eigenschaft als Ehewohnung hat die verfahrensgegenständliche Wohnung auch später nicht wieder verloren. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass eine Wohnung ihren Charakter als Ehewohnung wieder verlieren kann. Typischerweise ist dies der Fall, wenn die Ehegatten gemeinsam von einer Wohnung in eine andere ziehen. Demgegenüber führt die Trennung als solche und der damit verbundene Auszug eines Ehegattens aus der Ehewohnung nicht dazu, dass diese ihren Charakter als Ehewohnung verliert. Anderenfalls wären die Regelungen der §§ 1361b, 1568a BGB sinnentleert, da sie eine Zuweisung der Ehewohnung auch nach der Trennung ermöglichen (BGH, FamRZ 2017, 22 Rn. 13 ff.). Die Wohnung verliert im Zuge der Trennung allerdings dann ihren Charakter als Ehewohnung, wenn sie von den Ehegatten als solche entwidmet wird. Dies setzt aber voraus, dass sie von keinem Ehegatten mehr bewohnt wird und zugleich das Nutzungsverhältnis zu ihr beendet wird, indem z.B. der Mietvertrag gekündigt oder die Wohnung veräußern wird (zutreffend BeckOGK/Erbarth, § 1361b BGB Rn. 59). Vorliegend wird die Ehewohnung aber weiterhin von der Antragsgegnerin bewohnt und der Antragsteller ist auch weiterhin Eigentümer der Wohnung. Der Umstand allein, dass die Ehegatten anlässlich ihrer Trennung die Übereinkunft gefunden haben, dass die Wohnung von der Antragsgegnerin mit der gemeinsamen Tochter allein weiter genutzt wird und der Antragssteller nicht mit in die Wohnung einzieht, stellt demgegenüber keine wirksame Entwidmung der Wohnung dar. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine schlichte Absprache zur Durchführung der Trennung. Wäre dies anders, würde jede einvernehmliche Regelung über die Nutzung der Ehewohnung durch einen Ehegatten anlässlich der Trennung zugleich zu einer Entwidmung der Ehewohnung führen. Dies stünde aber im Widerspruch dazu, dass die Trennung gerade nicht zu einem Verlust der Eigenschaft als Ehewohnung führt (BGH, FamRZ 2017, 22 Rn. 13 ff.).

2.

Der Antragsteller hat seinen Herausgabeantrag in der Hauptsache auf §§ 985, 861 BGB gestützt, wie er ausdrücklich in der Antragsschrift auf S. 3 ausgeführt hat. Zu Recht hat das Familiengericht das Verfahren daher als Familienstreitsache nach § 266 FamFG und nicht als Ehewohnungssache mach § 200 FamFG behandelt. Daran ändert nichts, dass das Herausgabebegehren nach den §§ 985, 861 BGB keinen Erfolg hat, weil es sich vorliegend um eine Ehewohnung handelt, dessen Nutzung und Herausgabe sich nach § 1361b BGB richtet. Denn bei dem Herausgabeantrag nach §§ 985, 861 BGB und dem Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung und Herausgabe nach § 1361b BGB i.V.m. § 209 FamFG handelt es sich um Anträge, die in zwei unterschiedlichen Verfahren geltend zu machen sind, die auch nicht miteinander verbunden werden können (siehe oben Ziff. 1.). Ein Antrag nach § 985 BGB kann daher nicht in einen Antrag nach § 1361b BGB umgedeutet werden (BGH, FamRZ 2017, 22 Rn. 28), weshalb es dem Gericht auch verwehrt ist, in einem einheitlichen Verfahren den unterbreiteten Sachverhalt auf Grundlage beider Normen rechtlich zu würdigen. Der Grundsatz, dass das Gericht den ihm unterbreiteten Sacherhalt eigenständig und in rechtlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen hat (Zöller/Feskorn, ZPO, § 308 Rn. 5), gilt nur im Rahmen der eigenen verfahrensrechtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Begehrt ein Ehegatte daher die Herausgabe einer Wohnung von dem anderen Ehegatten, hat er sich zu entscheiden, ob er den Antrag als Familienstreitsache nach § 266 FamFG auf Grundlage des § 985 BGB (oder § 861 BGB) stellt oder als Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 FamFG auf Grundlage des § 1361b BGB. Eine Kombination beider materiell-rechtlicher Regelungen innerhalb eines prozessualen Antrages ist demgegenüber nicht möglich.

Soll das Gericht daher über die Herausgabe der Wohnung sowohl auf Basis des § 985 BGB als auch auf Basis des § 1361b BGB entscheiden, setzt dies die Stellung zweier Anträge voraus. Geschieht dies innerhalb eines Verfahrens, hat das Gericht beide Anträge voneinander zu trennen, weil sie nicht verbindungsfähig sind (siehe oben Ziff. 1.). Eine solche Kombination zweier Anträge kann sowohl in Form zweier Hauptanträge als auch in Kombination als Haupt- und Hilfsantrag erfolgen. Zwar führt die Abtrennung eines Hilfsantrages (zunächst) zur Unzulässigkeit des Antrages in dem abgetrennten Verfahren führt, weil Gegenstand dieses Verfahrens nach der Abtrennung ein bedingter Antrag ist. Der Antragsteller kann in dem abgetrennten Verfahren durch Erklärung gegenüber dem Gericht die Bedingung aber fallen lassen und damit die Zulässigkeit des Antrages herbeiführen, so dass auch ein Hilfsantrag abzutrennen ist (BGH, FamRZ 2007, 368 Rn. 28). Hier ist der Antragsteller im Wege des Haupt- und zweier Hilfsanträge vorgegangen, weil er hilfsweise die Zuweisung der Wohnung zur Mitbenutzung nach § 1361b BGB begehrt. Die Hilfsanträge sind daher abzutrennen und der Entscheidung in einem Ehewohnungsverfahren zuzuführen.

Die abgetrennten Hilfsanträge sind sodann – anders als im Verfahren BGH, FamRZ 2007, 368 – an das Familiengericht gem. § 69 Abs. 2 S. 2 FamFG zurückzuverweisen, weil über diese Anträge bislang noch keine Sachentscheidung ergangen ist und es nicht angezeigt erscheint, dass das Beschwerdegericht selbst sofort in der Sache auf Basis des § 1361b BGB entscheidet und damit beiden Beteiligten eine Instanz nimmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist.

Die Verfahrenswertfestsetzung beruht auf § 42 Abs. 3 FamGKG. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist der Auffangwert anzusetzen. § 48 FamGKG greift nicht, weil es sich nicht um eine Ehewohnungssache handelt.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

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