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Einwilligungsersetzung Kindsvaters zur Einbenennung des Kindes

Einwilligungsersatz bei Namensänderung des Kindes: Ein Dilemma zwischen Kindeswohl und elterlichem Recht

Ein aktueller Fall, der vor dem OLG Frankfurt verhandelt wurde, wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Thematik der Namensänderung von Kindern nach einer Scheidung. Im Kern geht es darum, ob und unter welchen Umständen die Einwilligung eines Elternteils zur Namensänderung seines Kindes ersetzt werden kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 WF 51/21 >>>

Die Hintergründe des Falles

Die Mutter des Kindes heiratete 2018 und nahm den Namen ihres neuen Ehemanns an. Ihre Tochter, die im selben Jahr geboren wurde, erhielt ebenfalls diesen Nachnamen. Der leibliche Vater des Kindes, von dem die Mutter getrennt lebt, hat seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Kind und hat sich auch nicht an relevanten gerichtlichen Verfahren beteiligt. Die Mutter argumentierte, dass die Namensdifferenz zwischen ihr, ihrer Tochter und dem leiblichenVater eine erhebliche Belastung für das Kind darstelle.

Die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht wies den Antrag der Mutter auf Namensänderung zurück. Es argumentierte, dass eine Namensänderung nur in Ausnahmefällen und nach sorgfältiger Abwägung der Interessen aller Beteiligten vorgenommen werden sollte. Die Trennung des Namensbandes sollte nur dann erfolgen, wenn sie aus Gründen des Kindeswohls unbedingt erforderlich ist.

Die Beschwerde und die Argumente der Mutter

Die Mutter legte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde ein und strebte weiterhin die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters an. Sie argumentierte, dass der Wunsch des Kindes nach einer Namensänderung nicht ignoriert werden sollte. Bei seiner gerichtlichen Anhörung äußerte das Kind den Wunsch, den gleichen Nachnamen wie seine Mutter und sein jüngeres Geschwisterkind zu tragen.

Die Rolle des Kindeswohls

In der juristischen Debatte spielt das Kindeswohl eine zentrale Rolle. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit betont, dass die Kontinuität der Namensführung für das Kindeswohl von Bedeutung ist. Allerdings hat sich die gesellschaftliche Bedeutung von Nachnamen im Laufe der Zeit gewandelt. Heute sind andere Faktoren, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht und natürlich das Kindeswohl, entscheidend.


Das vorliegende Urteil

Das Urteil des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt entschied, dass die Einwilligung des Kindesvaters zur Namensänderung ersetzt wird. Es berücksichtigte dabei den fehlenden Kontakt des Vaters zum Kind, seine mangelnde Beteiligung an gerichtlichen Verfahren und die Tatsache, dass das Kind den Wunsch nach einer Namensänderung geäußert hat. Das Gericht betonte, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt der Entscheidung stand und dass die Namenskontinuität in diesem speziellen Fall nicht das übergeordnete Interesse darstellte.

OLG Frankfurt – Az.: 4 WF 51/21 – Beschluss vom 14.07.2021

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Einwilligung des Kindesvaters, dem betroffenen Kind den Ehenamen A zu erteilen, wird ersetzt.

Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren und des Beschwerdeverfahrens werden den Kindeseltern jeweils zur Hälfte auferlegt; von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten wird abgesehen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Einwilligungsersetzung Kindsvaters zur Einbenennung des Kindes
Namensänderung bei Kindern nach Scheidung: Ein Balanceakt zwischen elterlichen Rechten, Kindeswohl und gesellschaftlichem Wandel. (Symbolfoto: ANDRANIK HAKOBYAN /Shutterstock.com)

Aus der nichtehelichen Beziehung der getrenntlebenden Eltern ging 2014 ihr Sohn B hervor, der bei seiner alleine sorgeberechtigten Mutter lebt. Die Kindesmutter heiratete 2018 und nahm den Namen ihres Ehemanns „A“ an. Am XX.XX.2018 kam ihre Tochter C zur Welt, die ebenfalls diesen Nachnamen trägt.

Zwischen Vater und Sohn gibt es seit drei Jahren keinerlei persönlichen Kontakt mehr, der Vater hat sich zu den beiden B betreffenden gerichtlichen Sorgerechtsverfahren nicht gemeldet und ist auch unentschuldigt nicht zu den dort anberaumten Anhörungsterminen erschienen.

Die Kindesmutter trägt vor, B werde durch die Namensdifferenz außerordentlich belastet. Dritten gegenüber reagiere er deshalb empfindlich, er sei geknickt oder aggressiv. Zu seinem leiblichen Vater habe er keinerlei Bindung. Eine Teilnahme des Vaters am Leben des Kindes finde nicht statt.

Mit an das Amtsgericht gerichtetem Schreiben vom 18.06.2021 beantragte die Kindesmutter die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters zur Einbenennung. Der Kindesvater hat sich in erster Instanz nicht gemeldet und sich zur Sache auch sonst nicht geäußert.

Der Rechtspfleger bei dem Amtsgericht hat B und die Kindesmutter persönlich angehört. Das Jugendamt befürwortete mit schriftlicher Stellungnahme vom 10.02.2021 angesichts des auffälligen Desinteresses des Kindesvaters an B und des Bedürfnisses des Kindes nach einer Integration in seine familiäre Bezugsgruppe im Interesse seiner Identitätsfindung und damit des Kindeswohls den Antrag auf Einbenennung. Auch die vom Amtsgericht bestellte Verfahrensbeiständin empfahl, dem Begehren der Kindesmutter zu entsprechen.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Kindesmutter mit Beschluss vom 02.03.2021 zurückgewiesen. Eine Ersetzung, die eine umfassende Abwägung der Beteiligteninteressen voraussetze, sei nur in hierzu verneinenden Ausnahmefällen vorzunehmen. Sie habe zu unterbleiben, wenn die Trennung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls nicht unabdingbar notwendig sei. Daran fehle es hier, denn allein der Wunsch des Kindes oder Irritationen, die auch andere Ursachen haben könnten, reichten nicht aus. Die altersgerechte Aufarbeitung der Biografie des Jungen sei die Klärung seiner Herkunft von einem anderen leiblichen Vater als Herrn A sei hier vorrangig.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 04.03.2021 zugestellten Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 29.03.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie weiter die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters anstrebt. Der Kindesvater hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in zweiter Instanz vor dem dazu mit Senatsbeschluss vom 17.05.2021 beauftragten Berichterstatter, zu der er nach Androhung von Zwangsmitteln erschienen ist, erklärt, dem Jungen sei es doch in Wirklichkeit egal, wie er mit Nachnamen heiße; sein Wunsch sei von seiner Mutter beeinflusst worden. Er, der Vater, jedenfalls sei hundertprozentig gegen die Einbenennung.

Die Verfahrensbeiständin hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Stellung genommen und befürwortet die Namensänderung weiterhin.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Kindesmutter hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Ersetzung der fehlenden Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung Bs sind erfüllt, weil die Namensänderung nach Überzeugung des Senats zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1618 S. 4 BGB. Dabei geht der Senat (ebenso OLG Frankfurt FamRZ 2020, 591; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 570; a. A. OLG Hamm FamRZ 2020, 1918) davon aus, dass es keiner Kindeswohlgefährdung bedarf, damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ersetzung erfüllt sind. Vielmehr ist die (niedrigere) Schwelle der Erforderlichkeit ausreichend. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 1618 S. 4 BGB, „zum Wohl des Kindes erforderlich“. Der Gesetzgeber differenziert im materiellen Kindschaftsrecht zwischen den verschiedenen Kindeswohlmaßstäben („dient“ – § 1685 Abs. 1 BGB, „nicht widerspricht“ – § 1626 a Abs. 2 S. 2 BGB, „am besten entspricht“ – § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, „erforderlich“ – §§ 1631 b Abs. 1 S. 2, 1684 Abs. 1 S. 1 BGB, „gefährdet“ – §§ 1666 Abs. 1, 1684 Abs. 1 S. 4 BGB; vgl. OLG Frankfurt aaO.). Dass sich der Maßstab der Erforderlichkeit dabei von dem der Gefährdung wesentlich unterscheidet, ergibt sich nicht zuletzt aus der in § 1684 Abs. 4 BGB vorgenommenen Differenzierung. Dort genügt für eine Einschränkung des Umgangs die bloße Erforderlichkeit, es müssen also – entsprechend dem Maßstab des § 1696 Abs. 1 – lediglich triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe vorliegen, die besorgen lassen, dass ohne die Einschränkung eine ungünstige Entwicklung des Kindes eintreten wird (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1106; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 184; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake,Familienrecht, § 1684 BGB, Rn. 57). Für eine länger währende Einschränkung des Umgangsrechts oder seinen gänzlichen Ausschluss dagegen bedarf es dagegen einer Kindeswohlgefährdung (vgl. BGH FamRZ 1988, 711), also einer in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Schädigung des Kindes zu rechnen ist (BGH FamRZ 2019, 598 Rn. 18; FamRZ 2017, 212 Rn. 13). Damit wird eine Differenzierung zwischen zwei unterschiedlichen Eingriffsschwellen vorgenommen, die nach Auffassung des Senats auch bei der Frage der Einbenennung zu berücksichtigen ist (vgl. dazu Staudinger/Dürbeck, BGB, § 1684 Rn. 280ff.; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake, Familienrecht, § 1684 BGB, Rn. 54).

Soweit der Bundesgerichtshof demgegenüber in ständiger Rechtsprechung als Voraussetzung für eine Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils konkrete Umstände fordert, die das Kindeswohl gefährden und die Einbenennung daher unerlässlich machen, um Schäden von dem Kind abzuwenden (vgl. BGH FamRZ 2002, 1330; 2002, 1331; 2005, 889), steht dies zumindest im vorliegenden Fall der Anlegung eines niedrigeren Maßstabes nicht entgegen. Der BGH bezieht sich in den vorgenannten Entscheidungen im Wesentlichen auf die Erwägung, dass die Bedeutung der Kontinuität der Namensführung weit über das Kindesalter hinausreiche und daher nicht allein aus der Perspektive der aktuellen familiären Situation beurteilt werden dürfe. Auch sei die Beibehaltung des mit dem anderen Elternteil gemeinsamen Namens ein äußeres Zeichen der für das Wohl des Kindes gleichfalls wichtigen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu diesem Elternteil. Dies gelte auch und insbesondere dann, wenn der Kontakt zu diesem Elternteil bereits eingeschränkt oder gar gefährdet sei und diese Situation durch die Einbenennung als einer nach außen sichtbaren endgültigen Ablösung von ihm verfestigt würde (BGH FamRZ 2005, 889; zur Kritik vgl. die Nachweise bei OLG Frankfurt aaO.). Zum einen stellt sich aber die Frage, ob diese Argumentation vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung des Namens- und Einbenennungsrechts im europäischen Rahmen Bestand haben kann (vgl. dazu Gaaz StAZ 2008, 365). Dort ergibt sich bereits jetzt das Problem des anwendbaren Rechts oder der Vereinbarkeit deutscher namensrechtlicher Vorschriften mit Europarecht (Kienemund NZFam 2017, 1073). Ursprüngliche Funktion der Namensgebung waren zwar Individualisierung und Klassifizierung des Namensträgers (Dutta ZRP 2017, 47); insoweit ist es auch konsequent, auf das Namensband als Zeichen der Aufrechterhaltung der Beziehung zum anderen Elternteil abzustellen. Diese namensrechtliche Individualisierungs- und Klassifizierungsfunktion unterliegt aber einer zunehmenden Relativierung; relevante Faktoren für die Namensgebung sind heute die Selbstdarstellungsfunktion des Namens (Dutta aaO.), aber auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und vorliegend natürlich – gesetzlich vorgegeben – Kindeswohlbelange. Wenn damit insgesamt aber die gesellschaftliche Relevanz der Nachnamenswahl und -kontinuität gesunken ist, besteht auch nicht mehr in gleichem Maße wie früher Veranlassung, die Namensidentität von Kind und getrenntlebendem Elternteil als äußeres Zeichen der für das Wohl des Kindes wichtigen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu diesem Elternteil zu qualifizieren. Dafür sprechen auch die in jüngerer Zeit unternommenen, aber noch nicht zum Abschluss geführten Versuche einer Reform des Namensrechts (vgl. BMJV: Eckpunkte zur Reform des Namensrechts, Stand 11.02.2020, StAZ 2020, 136). Ähnlich gestaltet sich im Übrigen die Situation im Verfahren der Kindesannahme; auch dort werden erheblich geringere Voraussetzungen für eine Adoption angenommen, als der einer andernfalls drohenden Gefährdung des Wohls des anzunehmenden Kindes (vgl. vor allem § 1748 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB); Rechtsfolge ist aber bei erfolgter Minderjährigenadoption die Anpassung des Nachnamens an den des Annehmenden, § 1757 BGB (vgl. zur Namensänderung bei der schwachen Volljährigenadoption Vorlagebeschluss des BGH vom 13. Mai 2020 – XII ZB 427/19 -, FamRZ 2020, 1275).

Zum anderen kommt vorliegend entscheidend hinzu, dass das Namensband bereits deshalb nicht schützenswert ist, weil der Kindesvater ersichtlich auch nicht das persönliche Band zu seinem Sohn aufrechterhalten möchte. Er hat seit drei Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr zu B; die von ihm vorgebrachte Entschuldigung trägt nicht und rechtfertigt sicherlich nicht den Abbruch jeglichen Kontakts zu dem Jungen. Soweit der Kindesvater im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in zweiter Instanz angegeben hat, diesen wiederherstellen zu wollen, ergeben sich angesichts der Vorgeschichte keine objektiven Anhaltspunkte auf eine Belastbarkeit und Nachhaltigkeit seines Wunschs über den Anhörungstermin hinaus. Aus Sicht des Senats besteht keine Veranlassung, das Namensband bei nicht mehr bestehender und absehbar auch nicht wiederauflebender persönlicher Beziehung zwischen Elternteil und Kind als bloße (leere) Hülle aufrechtzuerhalten.

Zwar reichen bloße Gründe der Zweckmäßigkeit oder Förderlichkeit für die Einbenennung alleine nicht aus (OLG Frankfurt aaO; OLG Hamm FamRZ 2008, 2148 mwN). Nach Auffassung des Senats ist eine Einbenennung aber jedenfalls bei einer außerordentlichen Belastung des Kindes durch Beibehaltung des Nachnamens des anderen Elternteils im Einzelfall gerechtfertigt (vgl. Staudinger/Hilbig-Lugani, BGB § 1618 Rn. 27), d. h. auch dann, wenn die Namensänderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringt, dass die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint (vgl. BGH MDR 2017, 92).

Nach diesen Maßstäben ergibt eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Einbenennung des Kindes, dass die Erforderlichkeitsschwelle im oben genannten Sinne vorliegend erreicht ist. Bei einer Gesamtwürdigung überwiegen die Gründe für eine Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters so deutlich, dass ein vernünftiger Elternteil nicht auf die Erhaltung des Namensbandes bestehen würde (vgl. OLG Frankfurt aaO.). Zwar ist der entgegenstehende Wunsch des Vaters zu berücksichtigen, mit dem er zum Ausdruck gebracht hat, dass die gemeinsame Namensführung mit dem Kind für ihn ein wesentliches Band darstellt. In diesem Zusammenhang ist aber auch der bereits erwähnte Umstand in die Abwägung einzubeziehen, dass er sich in den vergangenen drei Jahren nicht um seinen Sohn gekümmert hat, keinen persönlichen Kontakt zu ihm hatte und sich in den vor dem Familiengericht geführten Kindschaftsverfahren ebenso wie vorliegend noch in erster Instanz noch nicht einmal zur Akte gemeldet, geschweige denn Stellung genommen oder in sonstiger Weise Interesse an seinem Sohn bekundet hat. In zweiter Instanz hat er auf konkrete Nachfrage zur Erklärung für dieses Desinteresse angegeben, seine von ihm schwangere Freundin habe ihre Kinder verloren. Jetzt habe er damit aber kein Problem mehr, weil er sich inzwischen von dieser Freundin getrennt habe. Vor diesem Hintergrund relativiert sich sein im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigungsfähiges schützenswertes Interesse deutlich. Jedenfalls kann hier von einer Schutzwürdigkeit des Erhalts des mit dem Kindesvater gemeinsamen Nachnamens als äußeres Zeichen der für das Wohl des Kindes wichtigen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu diesem Elternteil nicht gesprochen werden.

Im Übrigen entspricht die Einbenennung auch dem Willen des Kindes, wobei es nach Überzeugung des Senats auf die näheren Umstände dieser Willensbildung im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich ankommt, da auch der fehlerhaft gebildete oder unter Einfluss entstandene Wille des Kindes für dieses derzeit jedenfalls seine psychische Realität darstellt (vgl. OLG Frankfurt aaO.).

Im Rahmen der Kindeswohlprüfung wiegen hingegen die Belastungen Bs durch die Namensverschiedenheit schwer. Diese gehen nach Überzeugung des Senats über bloße Unannehmlichkeiten hinaus. Nach der Stellungnahme der Verfahrensbeiständin vom 15.11.2020 ist B wegen seines abweichenden Nachnamens wütend; er habe im Sorgerechtsverfahren deshalb einen regelrechten Wutanfall gehabt. Eine Erzieherin Bs hat den Wunsch des Jungen auf Nachfrage der Verfahrensbeiständin bestätigt und angegeben, ihn auf den Nachnamen „D“ gar nicht mehr anzusprechen, weil dies bei ihm ein hochsensibles Thema sei. Bei seiner gerichtlichen Anhörung durch den Rechtspfleger hat B erklärt, er heiße zwar D, aber energisch ergänzt „Ich will A sein“ und seinem Wunsch auch gestisch Ausdruck verliehen. Daneben ist auch die mit der angestrebten Namensänderung hergestellte Namensgleichheit mit dem jüngeren, in der Familie lebenden, Geschwisterkind von B ein beachtlicher und für die Kindeswohlerforderlichkeit sprechender Gesichtspunkt (vgl. auch OLG Nürnberg FamRZ 1999, 1379; OLG Köln FamRZ 1999, 734 und OLG Dresden FamRZ 1999, 1738). Auch bei der anstehenden Geburt des weiteren Halbgeschwisters von B wird sich das Problem erneut stellen.

Da der Name eines Kindes auch eine persönlichkeitsrechtliche Komponente hat, ist im Rahmen der Abwägung auch dem Kindeswillen Rechnung zu tragen (vgl. Staudinger/Hilbig-Lugani, BGB, § 1618 Rn. 34), der vorliegend ebenfalls für eine Ersetzung der Einwilligung spricht. So hat B mit einem Alter von knapp 7 Jahren einen Entwicklungsstand erreicht, bei dem der Kindeswille bzw. der Wunsch des Kindes nach einer Namensänderung zwar einerseits nicht ausschlaggebend ist, andererseits aber auch nicht gänzlich außer Betracht bleiben kann. Die Verfahrensbeiständin hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 27.04.2021 wörtlich ausgeführt: „Der verständliche Wunsch des Kindes nach namentlicher Zugehörigkeit sollte mehr Gewicht als das Desinteresse des Kindesvaters an den Nöten seines Sohnes haben.“

Nach alledem führt der – grundsätzlich bedeutsame – Gesichtspunkt der Namenskontinuität (vgl. BGH MDR 2017, 92) nicht zu einer anderen Betrachtung.

Wenn der Kindesvater, wie er in seiner Anhörung erklärt hat, wirklich ein nachhaltiges Interesse an seinem Sohn hat, bleibt es ihm unbenommen, den Kontakt zu diesem behutsam und unter Einbeziehung der Beratung und Hilfestellung des Jugendamtes wieder anzubahnen. Unabhängig hiervon sollten sich alle Beteiligten darüber im Klaren sein, dass es mit Blick auf die langfristige weitere Entwicklung von B von großer Bedeutung für ihn ist, jedenfalls mittelfristig wieder Kontakt zu seinem leiblichen Vater zu erlangen und auch eine Pflicht der Kindesmutter besteht, dies zu unterstützen.

Eine hinreichende Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung ist vorhanden. Weiterer Ermittlungen bedurfte es im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht. Auch von einer erneuten Anhörung des Kindes hat der Senat gem. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen. Diese wird mit Blick auf dessen Alter, den Verfahrensgegenstand sowie die erstinstanzlich bereits erfolgte Anhörung nicht mehr für erforderlich erachtet, da entscheidungserhebliche neue Erkenntnisse von dieser nicht zu erwarten sind und das Kind durch das Verfahren ohnehin erheblich belastet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Sie entspricht billigem Ermessen. Zwar hatte die Beschwerde der Antragstellerin Erfolg. Mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls entspricht es jedoch billigem Ermessen, sie ebenfalls an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen. Mit diesen Erwägungen war auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung entsprechend abzuändern.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 42. Abs. 2 FamGKG. Es handelt sich bei dem Verfahren der Einbenennung um eine nicht von §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 46 Abs. 1 und 3 FamGKG erfasste Angelegenheit des Kindes nichtvermögensrechtlicher Art. Der Wert bemisst sich nach § 42 Abs. 2 FamGKG, entsprechend dem Wert einer Sorgeentscheidung (vgl. BeckOG/Dürbeck -Streitwert -Familienrecht -Kindschaftsverfahren (übrige) Rn. 3). Hierbei handelt es sich nicht um den zu zahlenden Betrag, sondern um denjenigen, aus welchem die Gerichtsgebühren errechnet werden.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen vor (§ 70 Abs. 2 FamFG). Im Hinblick auf den vom BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2005 zu Grunde gelegten Maßstab, von welchem der Senat abweicht, war die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten.

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