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Elterliche Sorge – vollständige Übertragung auf die Pflegeeltern

OLG Celle, Az.: 19 UF 95/16, Beschluss vom 12.09.2016

I. Auf die Beschwerde der Pflegeeltern wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Syke vom 19. April 2016 geändert und wie folgt gefasst:

Den Pflegeeltern wird die elterliche Sorge insgesamt für das Kind J. B., geb. am 14. Februar 2010, übertragen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Die Beteiligten tragen die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Aus der Ehe der Kindesmutter und des Kindesvaters ist deren Sohn J. B. hervorgegangen. Dieser befindet sich im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme nach § 33 SGB VIII seit seinem 4. Lebensmonat im Haushalt der Pflegeeltern zur Dauerpflege.

Nach dem Bericht des Jugendamtes des Landkreises D. vom 29. Juli 2015 nahmen die Kindeseltern an den regelmäßig durchgeführten Hilfeplangesprächen (§ 36 SGB VIII) nicht teil, obwohl auf Seiten ihres Sohnes J. in Folge der Suchtproblematik der Kindeseltern seit dessen Geburt ein erhöhter Förderungsbedarf bestand. Nach Einschätzung des Jugendamtes sind die Kindeseltern seit der Unterbringung ihres Sohnes nicht zuverlässig und bei wichtigen Entscheidungen nicht erreichbar.

Elterliche Sorge - vollständige Übertragung auf die Pflegeeltern
Symbolfoto: Von Africa Studio /Shutterstock.com

Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2015 beantragten die Pflegeeltern, ihnen die Ausübung der elterlichen Sorge für J. B. mit Zustimmung der Kindeseltern zu übertragen. Die nach § 1630 Abs. 3 BGB erforderliche Zustimmung haben die Pflegeeltern im erstinstanzlichen Verfahren durch schriftliche Erklärungen der Kindeseltern vom 21. April und 13. Juni 2014 belegt. In diesen heißt es: „Hiermit stimme ich, V. B./R. B., den Übertrag der Ausübung der Elterlichen Sorge insgesamt für J. B., auf die Pflegeeltern S. + S. H. zu“.

Im erstinstanzlichen Verfahren konnte der Kindesmutter die Antragsschrift nicht zugestellt werden. Darüber hinaus erschien sie trotz intensiver Bemühungen der Pflegeeltern zur Anhörung vom 11. Februar 2016 nicht. In dieser Anhörung hat der Kindesvater persönlich erklärt, dass er mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegeeltern einverstanden sei. Seinem Sohn J. gehe es bei den Pflegeeltern gut und dieser solle dort auch weiterhin bleiben.

Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Übertragung der Personensorge mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Zustimmungen beider Kindeseltern von den Antragstellern nicht nachgewiesen worden seien. Hinsichtlich der Zustimmung der Kindesmutter konnte das Amtsgericht durch Vorlage der schriftlichen Erklärung keine ausreichende Überzeugung für den

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, mit der diese ihren Antrag auf Übertrag der elterlichen Sorge weiter verfolgen. Insoweit machen sie geltend, dass die Kindesmutter aus gesundheitlichen Gründen und psychisch nicht in der Lage gewesen sei, zur Anhörung zu erscheinen. Die Kindesmutter kümmere sich nicht um die Belange ihres Sohnes, habe keinen persönlichen Kontakt zu ihrem Sohn und sei für sie praktisch nicht erreichbar.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete, Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Den Pflegeeltern ist gemäß § 1630 Abs. 3 BGB die elterliche Sorge insgesamt für das Kind J. B. als Vormund zu übertragen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson für Angelegenheiten der elterlichen Sorge diese auf die Pflegeperson übertragen werden, wenn die Eltern das Kind für längere Zeit in Familienpflege geben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Das Kind der Beteiligten zu 2 und 3 hält sich seit Mitte 2010 durchgehend bei den Pflegeeltern im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme nach § 33 SGB VIII auf. Eine Änderung des künftigen Aufenthalts ist weder aus Sicht der Kindeseltern oder Pflegeeltern noch nach Auffassung des Jugendamts beabsichtigt. Hiernach sind die Voraussetzungen einer Familienpflege gegeben, die seit längerer Zeit besteht (vgl. BGH FamRZ 2001, 1449, 1451).

2. Die Pflegeeltern sind als Pflegepersonen antragsberechtigt. Dem Antrag haben die Kindeseltern zugestimmt.

Aufgrund des weiteren Vorbringens der Pflegeeltern sowie der weiteren Ermittlungen im Beschwerdeverfahren ist der Senat davon überzeugt, dass beide Kindeseltern mit der Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt auf die Pflegeeltern einverstanden sind und dieser zustimmen.

Die Pflegeeltern haben erstinstanzlich die von den Kindeseltern unterschriebenen Zustimmungserklärungen in Kopie vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren wurde von den Pflegeeltern das Original der Zustimmung der Kindesmutter zur Akte gereicht. Auf Ersuchen des Senats hat das Jugendamt des Landkreises D. die Kindesmutter persönlich aufgesucht. Nach dem Bericht vom 8. August 2016 konnten die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes am 8. August 2016 mit der Kindesmutter ein Gespräch führen, nachdem ein unangekündigter Hausbesuch am 2. August 2016 erfolglos verlaufen war. Die Kindesmutter habe dabei erklärt, dass sie zwar die Nachricht des Jugendamtes erhalten, jedoch keine Zeit gefunden habe, mit den Mitarbeitern Kontakt aufzunehmen. Insoweit habe sie gesundheitliche Probleme angeführt. Die Kindesmutter habe in dem Gespräch ausdrücklich bestätigt, dass sie mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegeeltern einverstanden ist. Zugleich habe sie eine Erklärung über die Übertragung der elterlichen Sorge an die Pflegeeltern unterschrieben. Aus Sicht der Kindesmutter soll J. bei den Pflegeeltern bleiben, weil es ihm dort besser gehe. Durch diese Angaben gegenüber dem Jugendamt hat die Kindesmutter ihre erstinstanzlich vorgelegte schriftliche Erklärung vom 21. April 2015 bestätigt.

Der Kindesvater hat mit Erklärung vom 13. Juni 2015 sowie persönlich in der Anhörung vom 11. Februar 2016 seine Zustimmung zur Übertragung der elterlichen Sorge erklärt.

3. Die Übertragung der elterlichen Sorge in vollem Umfang ist im vorliegenden Einzelfall zum Wohle des Kindes J. geboten.

a) Zwar sieht die Regelung des § 1630 Abs. 3 BGB dem Wortlaut nach nur vor, dass „Angelegenheiten der elterlichen Sorge“ auf die Pflegeperson übertragen werden können. Aus dem Wortlaut könnte geschlossen werden, dass nur einzelne Teilbereiche der elterlichen Sorge bzw. der Personensorge, wie etwa die Gesundheitssorge oder die Sorge für schulische Angelegenheiten, auf die Pflegeperson übertragen werden könnten. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass mehrere Teilbereiche, auch wenn diese Grundentscheidungen des Sorgerechts betreffen, mit Zustimmung der Kindeseltern auf die Pflegeperson übertragen werden können. Daher können sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sein (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit, 2014, § 1630 Rn. 52).

b) Nicht einheitlich wird die Frage beantwortet, ob § 1630 Abs. 3 BGB auch die vollständige Übertragung der elterlichen Sorge bzw. die Übertragung aller Angelegenheiten der elterlichen Sorge eröffnet.

aa) Während eine Auffassung davon ausgeht, dass die elterliche Sorge nicht in vollem Umfang auf die Pflegeperson übertragen werden kann, weil der Wortlaut dem entgegenstehe und die Pflegeperson in diesem Fall nicht zum Pfleger sondern zum Vormund bestellt werden müsste (vgl. OLG Jena FamRZ 2009, 992; Palandt/Götz, 75. Auflage, § 1630 Rn. 11; Erman/Döll, BGB, 14. Aufl., § 1630 Rn. 12; NK-BGB/Rakete-Dombek, 3. Aufl., § 1630, Rn. 19; Windel FamRZ 1997, 713, 721 f.), hält die Gegenansicht auch die Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt für möglich, wenn dies dem Kindeswohl und einer ordnungsgemäßen Betreuung dient (vgl. KG FamRZ 2006, 1291 f.; MünchKommBGB/Huber, 6. Aufl., § 1630 Rn. 26; Bamberger/Roth/Veit, 3. Auf., § 1630 Rn. 11; JurisPK/Hamdan, § 1630 Rn. 21; Eisele FamRZ 2003, 954, 955; wohl auch Gleißl/Suttner FamRZ 1982, 122, 123).

bb) Bereits der Wortlaut schließt eine vollständige Übertragung der elterlichen Sorge nicht aus. Denn wenn mehrere einzelne Teilbereiche des Sorgerechts den Pflegeeltern zugewiesen werden können, führt die Kumulation der Teilbereiche zu einer Übertragung des Sorgerechts insgesamt. Die kumulative Übertragung von Sorgerechtselementen kann sich zeitlich gestaffelt als im Kindeswohl geboten erweisen, wenn die Kindeseltern für das Kleinkind mit der Übertragung der Gesundheitssorge, bei der Einschulung mit der Übertragung der Sorge in schulischen Angelegenheiten und im Fall eines Umzugs der Pflegeeltern mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts einverstanden sind.

Der Senat stellt bei seiner Entscheidung maßgeblich auf den Sinn und Zweck der Kompetenzübertragung ab. Bereits mit der Einführung des § 1630 Abs. 3 BGB durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge von 1979 sollte mit der Übertragungsmöglichkeit von Angelegenheiten der elterlichen Sorge eine ordnungsgemäße Betreuung und Versorgung des in Familienpflege lebenden Kindes durch die Pflegeperson bzw. Pflegeeltern sichergestellt werden (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit, 2014, § 1630 Rn. 35 unter Hinweis auf BT-Drs 8/2788, S. 47). Dadurch sollte die tägliche Betreuung des Kindes erleichtert werden, indem die Pflegeperson etwa über einen kurzfristig erforderlichen Arztbesuch entscheiden konnte, und zugleich die Stellung des Pflegekindes verbessert werden. Mit dem Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von 1998 wurde der Pflegeperson in § 1688 Abs. 1 BGB die Sorgekompetenz und das Vertretungsrecht dahingehend zugewiesen, dass sie in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Pflegekindes entscheidet und insoweit den Inhaber der elterlichen Sorge vertritt. Damit einher ging die Ausweitung des § 1630 Abs. 3 BGB dahingehend, dass auch der Pflegeperson ein Antragsrecht eingeräumt wurde, wenn die Kindeseltern diesem zustimmen (Satz 2). In der Gesetzesbegründung wurde auf ein dahingehendes Bedürfnis der Praxis Bezug genommen (BT-Drs. 13/8511, S. 74). Wesentliche Grundlage für die Einführung des Antragsrechts der Pflegeperson war der Umstand, dass die leiblichen Eltern von ihrem bereits bestehenden Antragsrecht erfahrungsgemäß keinen Gebrauch machen, weil sie daran kein Interesse haben (BT-Drs. 13/4899, S. 152) und selten aktiv an der Betreuung ihres bei der Pflegeperson lebenden Kindes teilhaben. Die fehlende Eigeninitiative der Eltern sollte durch das zustimmungsgebundene Antragsrecht kompensiert werden (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit, 2014, § 1630 Rn. 36 a.E.).

Da für die Betreuung und Versorgung eines Kindes eine Vielzahl von Fragen zu regeln und entscheiden sind, die über die Angelegenheit des täglichen Lebens hinausgehen, kann es ausreichend sein, der Pflegeperson Einzelbereiche der elterlichen Sorge mit Zustimmung der Eltern zu übertragen. Im Einzelfall kann es jedoch abhängig vom Hilfe- und Unterstützungsbedarf des Kindes sowie dem erzieherischen Leistungs- und Einsatzvermögen der Kindeseltern geboten oder erforderlich sein, dass die Pflegeperson weitere Kompetenzen und damit verbunden die Möglichkeit einer umfassenden eigenverantwortlichen Vertretung des Kindes erhält. Die Kindeswohlorientierung einerseits sowie die Ausrichtung an der Zweckmäßigkeit der Übertragung von Bereichen der elterlichen Sorge kann es in diesen Fällen rechtfertigen, das Sorgerecht bzw. alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson zu übertragen. Eine solch weitgehende Regelung kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn die Kindeseltern gemeinsam (oder ein Elternteil allein) sich um die Angelegenheiten ihres Kindes über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend kümmern und für die Pflegeperson nicht erreichbar sind.

Die Besonderheiten des Elternrechts stehen einer solchen umfassenden Übertragung nicht entgegen (vgl. Bamberger/Roth/Veit, 3. Aufl., § 1630 Rn. 11.1). Die Gefahr, dass die Kindeseltern faktisch auf ihr Sorgerecht verzichten oder die Pflegeeltern die Voraussetzungen einer Adoption umgehen könnten, bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Zum einen wird dem bereits dadurch ausreichend vorgebeugt, dass die Kindeseltern ihre Zustimmung jederzeit und ohne nähere Begründung widerrufen können. Dieser Widerruf der Zustimmung – auch nur durch einen Elternteil – hat zur Folge, dass die der Pflegeperson zugewiesenen Angelegenheiten oder die elterliche Sorge insgesamt durch gerichtlichen Beschluss wieder auf die Eltern zurück zu übertragen sind (vgl. OLG Celle [10. Senat] FamRZ 2011, 1664; MünchKommBGB/Huber, 6. Aufl., § 1630 Rn. 30), sofern insoweit nicht Maßnahmen nach § 1666 BGB notwendig werden. Zum anderen ist für einen Antrag nach § 1630 BGB im Verfahren durch das Gericht von Amts wegen festzustellen, dass die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf die Pflegeperson zum Wohl des Kindes geboten ist.

Die Rechtsstellung der Kindeseltern wird daher weder durch eine Übertragung von Teilbereichen noch des Sorgerechts insgesamt beeinträchtigt, zumal sie ihrem ausdrücklich erklärten Willen entspricht. Denn bei einer Jugendhilfemaßnahme durch eine freiwillig veranlasste Dauerpflege (zum Begriff der Familienpflege Staudinger/Peschel-Gutzeit, 2014, § 1630 Rn. 37 ff.), wie sie vorliegend mit Einverständnis der Kindeseltern kurz nach der Geburt ihres Sohnes installiert wurde, beruht die Übertragung auf der Bereitschaft der Pflegeperson zur Übernahme dieser Verantwortung für das Kind einerseits sowie auf dem (widerruflichen) Einverständnis der Kindeseltern andererseits. Rechtlich könnten die Kindeseltern die Handlungsmöglichkeiten auch durch eine rechtsgeschäftliche Vollmacht ermöglichen. Da eine solche Vollmacht wie die gerichtliche Entscheidung im Fall einer Änderung der Einstellung der Kindeseltern rückgängig gemacht werden kann, unterscheiden sich beide Alternativen im wesentlichen nur dadurch, dass im gerichtlichen Verfahren die Kindeswohlaspekte zu prüfen sind.

Können notwendige Maßnahmen zur Förderung des Pflegekindes oder für dessen ärztliche Behandlung mangels Mitwirkung der Kindeseltern nicht zeitnah umgesetzt werden, müsste über das Jugendamt ein Verfahren nach § 1666 BGB eingeleitet werden, um den Kindeseltern für die fraglichen Angelegenheiten das Sorgerecht zu entziehen und in die elterliche Sorge insoweit auf das Jugendamt zu übertragen. Für ein solches Kindesschutzverfahren besteht kein Bedürfnis (mehr), wenn Kindeseltern und Pflegeperson einvernehmlich eine Sorgerechtsübertragung wünschen. Eine Entscheidung nach § 1630 Abs. 3 BGB erweist sich daher als mildere Maßnahme.

Den angeführten Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass im Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit einer vollständigen Übertragung des Sorgerechts in Betracht gezogen worden ist oder ausgeschlossen werden sollte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Stärkung der Pflegeeltern durch eine Teilrechtsübertragung im Focus stand bzw. als Bedürfnis der Praxis geäußert worden war. Die Folge einer Zuweisung einzelner Angelegenheiten besteht darin, dass nach § 1630 Abs. 3 Satz 3 BGB die Pflegeperson im Umfang der Übertragung die Rechte und Pflichte eines Pflegers hat. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass damit die Übertragung des Sorgerechts bzw. aller Angelegenheiten ausgeschlossen ist, weil dies zu der in der Vorschrift nicht vorgesehenen Stellung eines Vormunds führen würde (so aber OLG Jena FamRZ 2009, 992 f.).Vielmehr besteht die zwingende Folge einer umfassenden Übertragung der elterlichen Sorge darin, dass die Pflegeperson dann die Rechte und Pflichten eines Vormunds trifft. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Pflegeperson nach der Regelung nicht die förmliche Stellung eines Pflegers oder Vormunds erhält, sondern deren Rechte und Pflichten hat (zur beschränkten Verweisung auf die Vorschriften des Pflegschaftsrechts MünchKommBGB/Huber, 6. Aufl., § 1630 Rn. 29).

Hält man unter den Aspekten der „Kindeswohlgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit“ die Übertragung der Personensorge insgesamt für möglich (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit, 2014, § 1630 Rn. 52 m.w.Nw.), so erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen Gründen nicht auch die Vermögenssorge und im Ergebnis damit die gesamte elterliche Sorge sollte übertragen werden können, wenn insoweit Einvernehmen zwischen den leiblichen Eltern und der Pflegeperson besteht.

dd) Nach dem im Beschwerdeverfahren vorgelegen kinderärztlichen Attest vom 17. Juni 2016 besteht für J. ein erheblicher Förderungsbedarf. Die Einnahme von Betäubungsmittel durch die Kindesmutter während der Schwangerschaft mit einem „konsekutiven Drogenentzugssyndrom“ hat bei J. zu „multiplen neurologischen Auffälligkeiten“ geführt. Er ist in der Sprachentwicklung deutlich verzögert und hat erhebliche motorische und feinmotorische Defizite. Die Pflegeeltern bemühen sich intensiv darum, dass J. durch Therapien Fortschritte in seiner Entwicklung macht und Rückstände kompensieren kann. Dies gilt auch für die Erkrankung an Neurodermitis und diversen Allergien. Im Hinblick darauf, dass die Kindeseltern in der Vergangenheit für die Pflegeeltern nahezu nicht erreichbar waren bzw. die Kindesmutter keinen Kontakt zu den Pflegeeltern aufgenommen hat, dient es dem Kindeswohl, den Pflegeeltern einen umfassenden Handlungsrahmen zu ermöglichen. Dieser muss sich auf zahlreiche und sehr verschiedene Einzelfragen und Angelegenheiten beziehen, sodass es nicht angebracht erscheint, hiervon einzelne Teilbereiche auszunehmen.

Maßgeblich ist dabei ebenfalls, dass die Kindeseltern übereinstimmend und ausdrücklich mit der Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt auf die Pflegeeltern einverstanden sind, wie dies die erstinstanzliche Anhörung des Kindesvaters beim Amtsgericht sowie die Angaben der Kindesmutter gegenüber den Mitarbeiterinnen des Jugendamtes bestätigt haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

 

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