Oberlandesgericht Bremen, Az.: 5 UF 110/16, Beschluss vom 16.12.2016
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht – Bremen vom 20.07.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a BGB. Der Antragsteller ist Vater des am […] 2005 geborenen Kindes X. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet. Die Vaterschaft wurde durch den Antragsteller am 13.04.2005 anerkannt. X. lebt im Haushalt seiner allein sorgeberechtigten Mutter, der Antragsgegnerin.
Nachdem die Kindesmutter einer außergerichtlichen Aufforderung nicht zugestimmt hatte, hat der Antragsteller mit am 14.12.2015 eingegangenem Antrag die gemeinsame Sorge für das Kind begehrt. Zur Begründung hat er sich unter anderem darauf berufen, dass die Kindeseltern gut kooperierten. Das Amtsgericht – Familiengericht – Bremen hat die Beteiligten im Termin vom 19.02.2016 persönlich angehört. Für das ebenfalls persönlich angehörte Kind X. wurde ein Verfahrensbeistand bestellt. Das Ergebnis der Kindesanhörung wurde mit den Beteiligten sodann im Termin vom 27.05.2016 erörtert. Mit Beschluss vom 20.07.2016 hat das Amtsgericht den Antrag des Kindesvaters auf gemeinsame elterliche Sorge zurückgewiesen und es den Eltern gleichzeitig zur Auflage gemacht, Gespräche bei einer Erziehungsberatungsstelle zu führen. Das Amtsgericht hat die Zurückweisung des Antrags damit begründet, dass die Übertragung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspräche. Zur Begründung hat es unter anderem darauf abgestellt, dass der Kindeswille der gemeinsamen Sorge entgegenstehe. So nehme es X. seinem Vater übel, dass dieser versuche, die aktuelle Situation zu verändern. Die Bedürfnisse des Kindes beachte der Vater bei seinem Vorgehen nicht. X.s Bedenken über die Ausgestaltung der Umgangskontakte, besonders die Art der Konfliktlösung zwischen dem Vater und dessen Lebenspartnerin sowie der Umgang des Vaters mit der in seinem Haushalt lebenden Katze, nehme der Vater nicht ernst. Zudem sei deutlich geworden, dass Vater und Mutter unterschiedliche Erziehungsziele verfolgten. Ein Austausch der Eltern hierüber erfolge nicht, was für das Kind nachteilig sei. Zwischen den Kindeseltern bestehe ein tiefgreifender Elternkonflikt. So vermute der Vater, dass die Sorge des Jungen vor einer Veränderung des Lebensmittelpunktes auf eine Einflussnahme der Mutter zurückzuführen sei. Die Mutter wiederum fühle sich durch den Vater nicht unterstützt. Das von dem Vater nach der Anerkennung eingeleitete Vaterschaftsanfechtungsverfahren habe für die Mutter zudem einen Vertrauensbruch dargestellt. Die Auseinandersetzung der Kindeseltern habe im Ergebnis dazu geführt, dass X. den Kontakt zum Vater ablehne und die vormals vorhandene Kommunikation vollständig zum Erliegen gekommen sei.
Gegen die Zurückweisung des Amtsgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Dieser führt im Wesentlichen aus, dass der Widerspruch der Kindesmutter nicht ausreichen könne, um die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen. In der Vergangenheit habe immer ein sehr gutes Einvernehmen über alle Angelegenheiten, die das Kind betrafen, bestanden. Die Kindesmutter habe Elterngespräche abgelehnt. Eine Kontaktaufnahme zu den Großeltern des Kindes habe sie ebenfalls nicht gefördert. Die Störung der Kommunikationsebene beruhe daher ausschließlich auf der Verweigerung der Kindesmutter und auch erst seit Antragstellung. Erst auf die außergerichtliche Bitte der Abgabe einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung sei der Umgang ausgesetzt worden. Die Katzen würden beim Antragsgegner artgerecht gehalten werden. Die diskutierte Auseinandersetzung zwischen der Lebensgefährtin und dem Antragsteller selbst sei nicht geeignet, Rückschlüsse auf den Umgang zu ziehen. Das Kind habe lediglich mitbekommen, dass ein Messer zu Boden gefallen sei. Es gebe auch nicht ständig Streit im Haushalt des Vaters. Ursprünglich habe er sich im November/Dezember 2015 mit X. für einen Kinobesuch verabredet, mutmaßlich die Kindesmutter habe dann aber einen Stimmungswandel bei dem Kind verursacht. X. sei nur deswegen in Hinsicht auf seinen Lebensmittelpunkt verunsichert, weil die Kindesmutter ihn so stark in die Auseinandersetzung einbezogen habe. Die vom Amtsgericht beigezogene Akte des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens sei der Rechtsanwältin des Vaters nicht bekannt, was eine Verletzung rechtlichen Gehörs darstelle.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie führt aus, dass es seit der Geburt des Kindes tiefgreifende Diskrepanzen zwischen den Kindeseltern gegeben habe. Eine Kommunikation zwischen Mutter und Vater sei auch während der Aufnahme der Umgangskontakte, die erst nach Rücknahme des Anfechtungsverfahrens eingeführt worden seien, nicht erfolgt. Gemeinsame Gespräche mit dem Ziel, einen Kontakt des Kindes mit dem Vater zu erzwingen, seien nicht angezeigt. Die Darstellungen des Kindes im Hinblick auf die Katzenhaltung und die Auseinandersetzung seien glaubhaft.
II.
Die statthafte – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – Beschwerde der Antragstellerin (§ 58, 59, 63, 64 FamFG) hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Familiengericht hat zu Recht sowie mit ausführlicher und in jeder Hinsicht zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug nimmt, den Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge zurückgewiesen.
Dabei hat das Amtsgericht zutreffend herausgearbeitet, dass ebenso wie bei § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auch bei der „negativen Kindeswohlprüfung“ nach § 1626a Abs. 2 BGB das Kindeswohl vorrangiger Maßstab für die gerichtliche Entscheidung ist. Der Bundesgerichthof hat klargestellt, dass in beiden Fällen von der gemeinsamen elterlichen Sorge abzuweichen ist, wenn und soweit die Alleinsorge eines Elternteils dem Kindeswohl besser entspricht (BGH, Beschluss vom 15.06.2016 – XII ZB 419/15 –, Rn. 13, juris). Wie bei § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB sind dabei alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, aaO. Rn. 19 – juris, m. H. a. BVerfG, FamRZ 2010, 1403, Rn. 58). Die von dem Amtsgericht vorgenommene Abwägung ist erschöpfend und auch nach Ansicht des Senats zutreffend.
Das Vorbringen in der Beschwerdeinstanz gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung:
Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass es dem Kindeswohl nicht bereits dann widerspricht, wenn ein Elternteil die gemeinsame elterliche Sorge ablehnt (Haberland, jurisPR-BGHZivilR 15/2016, Anm. 1). Das Amtsgericht hat aber zutreffend ausgeführt, dass die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt (BGH, aaO, Rn. 23 m.w.N.; BT-Drucks. 17/11048, S. 17 m.w.N.). Eine solche tragfähige Beziehung ist hier nicht anzunehmen, die Kommunikation erscheint gestört. Eine schwere und nachhaltige Störung liegt vor, wenn Eltern zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen (BGH, aaO, Rn. 25). Der Konflikt der Eltern geht vorliegend über eine Weigerung zu Gesprächen durch die Mutter weit hinaus und hat einen Schweregrad erreicht, der die Besorgnis begründet, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. So ist ersichtlich, dass die geäußerten wechselseitigen Vorwürfe im Zuge des Verfahrens zunehmend an Schärfe gewannen. Der Konflikt zeigte sich auch darin, dass X. nach den Angaben der Verfahrensbeiständin und den Feststellungen des Amtsgerichts jedenfalls subjektiv den Antrag des Vaters verunsichert aufgenommen hatte. Ein konstruktiver Dialog darüber, ob solche Empfindungen von dem Kind geäußert worden sind, was die möglichen Ursachen solcher Äußerungen sind und wie die Eltern jeweils zum Wohle des Kindes am besten damit umgehen sollten, wurde nicht geführt. Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeit gefordert werden muss, gehören zudem auch die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil. Die Art und Weise, wie die Eltern insoweit in der Lage zu gemeinsamen Entscheidungen sind, kann bei der Gesamtabwägung nicht unberücksichtigt bleiben (BGH, aaO, Rn. 29). Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, kam im Laufe des Verfahrens der Umgang zwischen dem Kind und dem Antragsteller vollständig zum Erliegen. Zwischen den Eltern besteht dabei weder Einigkeit über die Ursachen der von dem Kind geäußerten Ablehnung, noch über die Relevanz der Äußerungen oder der erforderlichen weiteren Schritte. Die Entwicklung der Umgangskontakte zeigt dabei, dass sich der Konflikt der Eltern bereits belastend auf X. auswirkt. Auch hierüber tauschen die Eltern sich nicht kindeswohlorientiert aus. Vielmehr bestehen bereits darüber, ob die Angaben des Kindes nachvollziehbar sind, oder nicht, völlig unterschiedliche Ansichten. Während die Mutter angibt, den 11-jährigen Sohn nicht umstimmen zu können, vermutet der Vater eine vorsätzliche Blockadehaltung und eine bewusste Einflussnahme auf das Kind.
Eine vor Einleitung des erstinstanzlichen Sorgerechtsverfahrens bestehenden Kooperationsfähigkeit der Eltern ist weiterhin kaum ersichtlich. Diese Frage ist, ebenso wie die Frage der Ursachen des jetzigen Konfliktes, zwischen den Eltern weiterhin streitig. Im Übrigen rechtfertigte auch eine erst im Zuge des Verfahrens eingetretene Verhärtung des Elternkonfliktes keine andere Entscheidung: denn der dargestellte, das Kind zunehmend belastende Konflikt besteht jedenfalls über die gesamte Dauer des Verfahrens, verschärfte sich zunehmend und weitete sich auch auf den Umgang aus. Der von dem Antragsteller herausgestellte zeitliche Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Umgangskontakte und dem von ihm eingeleiteten Verfahren führt ebenfalls nicht dazu, dass von einer ansonsten funktionierenden Kommunikation der Eltern auszugehen wäre. Die Vermutung des Vaters, dass ausschließlich eine Einflussnahme der Mutter die ablehnende Haltung des Kindes und den von ihm ebenfalls wahrgenommenen Loyalitätskonflikt ausgelöst habe, hat sich nicht bestätigt. Auch der Hinweis des Vaters, er halte seine Katzen artgerecht und die (einmalige) Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin habe sich anders dargestellt, als vom Kind berichtet, ist nicht geeignet, eine anders lautende Entscheidung zu rechtfertigen. Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass es nicht allein um das objektiv feststellbare Geschehen geht, sondern gerade auch darum, wie der Vater auf eine geäußerte Wahrnehmung des Kindes reagiert. Indem er der von X. mehrfach geäußerten Darstellung zunehmend widerspricht, löst er dessen Vorbehalte ihm gegenüber erkennbar nicht auf. Aufgrund der fehlenden Kommunikation der Eltern, aber auch der eingeschränkten Kommunikation zwischen Vater und Sohn, ist zudem eine kindeswohlorientierte Aufklärung dieses Konfliktpunktes derzeit kaum zu erwarten.
Schließlich erging die Entscheidung auch verfahrensfehlerfrei. Ob die Vorgehensweise des Amtsgerichts, die Akte des Anfechtungsverfahrens der Vaterschaft des Antragstellers beizuziehen und in die Entscheidung einzubringen, ohne hierüber die Beteiligten zu informieren, überhaupt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG darstellt, erscheint bereits zweifelhaft. Denn ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f.; BVerfG, NJW 2015, 1867 Rn. 20; BVerfG, Beschluss vom 31.03.2016 2 BvR 1576/13, juris Rn. 69). Das Anfechtungsverfahren war schließlich dem Vater persönlich dem Inhalt und dem Ablauf nach bekannt. In jedem Fall aber ist ein wie hier erfolgtes bloßes Berufen auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs ohne Vortrag zur Erheblichkeit nicht ausreichend. Denn zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers muss der Beteiligte darlegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (BGH, Beschluss vom 28.07.2016 – III ZB 127/15 –, Rn. 11, juris).
Die Anordnung der Teilnahme der Eltern an Beratungsgesprächen (§ 156 Abs. 2 S. 4 FamFG) wurde vom Amtsgericht zutreffend begründet. Die von der Mutter im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erklärte Weigerung steht der Anordnung nicht entgegen; es gilt insoweit lediglich § 156 Abs. 1 S. 5 FamFG.
III.
Die Beschwerde war gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen. Vorliegend hat das Amtsgericht das Kind und die weiteren Beteiligten zeitnah und umfassend angehört (vgl. hierzu: Dürbeck in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 1. Aufl. 2015, § 68, Rn. 7 – juris). Von einer erneuten mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren auf den §§ 40, 45 Nr. 1 FamGKG. Da maßgeblich der Ausspruch über die elterliche Sorge angegriffen wurde, sieht der Senat von einer Erhöhung des Verfahrenswertes in der Beschwerdeinstanz ab.