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Kindes-Einbenennung – Voraussetzungen für Einwilligungsersetzung

Namensänderung im Familiengericht: Kindeswohl und rechtliche Hürden

Die Frage der Namensänderung eines Kindes nach einer Trennung oder Scheidung ist ein komplexes und emotionales Thema. In dem vorliegenden Fall strebt die Kindesmutter eine Namensänderung für ihr Kind an, um einen gemeinsamen Familiennamen mit ihrem neuen Ehemann und dem beteiligten Kind zu tragen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: II-2 WF 14/20  >>>

Hintergrund und Begründung der Kindesmutter

Die Kindesmutter argumentierte, dass der leibliche Vater des Kindes, der sich aufgrund seiner Drogenabhängigkeit in einem Methadonprogramm befindet, ursprünglich zugestimmt hatte, den Namen zu ändern, dies jedoch später verweigerte. Sie betonte, dass die Namensänderung im besten Interesse des Kindes sei, insbesondere aufgrund der Drogenprobleme des Vaters und der daraus resultierenden Trennung.

Familiengerichtliche Entscheidung

Das Familiengericht wies den Antrag der Mutter zurück. Es argumentierte, dass eine Namensänderung nur dann erforderlich sei, wenn konkrete Umstände das Kindeswohl gefährden würden. Die Beweispflicht liegt beim antragstellenden Elternteil. Das Gericht stellte fest, dass die Integration des Kindes in die neue Familie bereits gegeben sei und es daher keiner zusätzlichen Namensänderung bedürfe.

Die Bedeutung des Familiennamens

Ein zentrales Argument der Kindesmutter war, dass das Kind durch die Namensänderung eine stärkere Zugehörigkeit zur neuen Familie empfinden würde. Das Kind verbinde mit dem Namen des leiblichen Vaters negative Erfahrungen. Allerdings betonte das Gericht die Bedeutung der Kontinuität der Namensführung, die über das Kindesalter hinausreicht.

Weitere Überlegungen und Beschwerde

Die Kindesmutter legte gegen den Beschluss Beschwerde ein und verwies auf ein Sachverständigengutachten. Sie betonte, dass das Kind nach der Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses einen schweren Asthmaanfall erlitten habe, was die emotionale Belastung durch die Namensfrageunterstreicht. Das Gericht erkannte jedoch an, dass das Kind bereits gut in die neue Familie integriert sei und es keine konkreten Probleme im Zusammenhang mit der Namensdifferenz gebe.

Schlussgedanken

Die Frage der Namensänderung ist mehr als nur eine formale Angelegenheit. Sie berührt die Identität des Kindes, seine Beziehung zu beiden Elternteilen und seine Integration in eine neue Familie. Das Gericht muss dabei das Kindeswohl stets in den Mittelpunkt stellen und alle Aspekte sorgfältig abwägen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: II-2 WF 14/20 – Beschluss vom 28.04.2020

1.  Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den am 06.11.2019 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen-Borbeck (Az. 11 F 63/19) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2.  Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrem zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts vom 15.04.2019 erklärten Antrag begehrt die Kindesmutter für das betroffene Kind die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters zur Namensänderung in den Familiennamen L .

Es liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Kindes-Einbenennung - Voraussetzungen für Einwilligungsersetzung
Namensänderung im Familiengericht: Emotionen, Identität und das Wohl des Kindes im Zentrum juristischer Entscheidungen. (Symbolfoto: Jo Panuwat D /Shutterstock.com)

Die Kindeseltern haben am 01.06.2007 geheiratet und leben seit dem 22.07.2008 getrennt. Die Kindesmutter ist am 15.02.2009 aus der Ehewohnung ausgezogen. Aus der Ehe der Kindeseltern ist das 18.12.2007 geborene Kind E (nachfolgend: das Kind) hervorgegangen, welches den damaligen Ehenamen der Kindeseltern („X“) trägt. Mit Verbundurteil vom 24.06.2010 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Pforzheim (Az. 1 F 109/09) die Ehe der Kindeseltern geschieden und die elterliche Sorge für das Kind der Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen. Umgangskontakte zwischen dem heute 12 Jahre alten Kind und dem Kindesvater finden seit März 2018 nicht mehr statt.

Die Kindesmutter hat am 18.01.2019 erneut geheiratet und führt seitdem den Familiennamen L. Aus ihrer Ehe mit Herrn L ist zwischenzeitlich eine im Mai 2019 geborene Tochter hervorgegangen. Vor diesem Hintergrund wünschen die Kindesmutter, ihr Ehemann und das beteiligte Kind, einen gemeinsamen Namen zu tragen.

Zur Begründung hat die Kindesmutter erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, der Kindesvater habe im März 2018 anlässlich der bevorstehenden Hochzeit mit ihrem jetzigen Ehemann ursprünglich zugesagt, der beabsichtigten Einbenennung zustimmen zu wollen, diese Zusage dann aber nicht eingehalten. Er befinde sich aufgrund seiner Drogenabhängigkeit – nach wie vor – in einem Methadonprogramm, wechsele häufig seinen Wohnsitz und wirke nicht mit.

Die Änderung des Familiennamens sei für das Wohl des Kindes erforderlich. Aufgrund der Drogenproblematik des Kindesvaters, welche auch der Grund für die Trennung der Kindeseltern sowie die Übertragung der elterlichen Sorge auf sie allein gewesen sei, habe in der Vergangenheit lediglich begleiteter Umgang in der Weise stattgefunden, dass das Kind ein oder zwei Mal im Jahr jeweils eine Woche bei den Großeltern väterlicherseits verbracht habe. Der Kindesvater habe in dieser Zeit für jeweils etwa zwei Tage ebenfalls seine Eltern besucht und bei dieser Gelegenheit Umgang mit dem Kind gehabt. Es sei vereinbart gewesen, dass der Kindesvater nur in Begleitung der Großeltern Umgang mit dem Kind haben solle. An diese Vereinbarung hätten sich die Großeltern väterlicherseits aber nicht gehalten, sondern unbegleiteten Umgang zugelassen. Der Kindesvater habe diesen Umgang mit dem Kind dann nicht verantwortungsbewusst ausgeübt. Bspw. habe er dem Kind ein Messer gekauft und es mit einem elektrischen Bogen schießen lassen. Einen Nachweis, dass er keine Drogen mehr konsumiere, habe er zu keinem Zeitpunkt erbracht. Dem entsprechend habe die Umgangsregelung nicht mehr aufrechterhalten werden können. Der Kindesvater beanspruche seitdem auch keine Umgangskontakte mehr. Geschenke habe er dem Kind ebenfalls nie gemacht. Auch Kindesunterhalt zahle er nicht.

Das Kind habe den Wunsch geäußert, den gleichen Namen wie sie, die Kindesmutter, zu tragen. Es verstehe nicht, warum es einen anderen Nachnamen tragen solle als sie, der Stiefvater und seine Halbschwester. Aufgrund der Namensverschiedenheit habe es auch Hänseleien durch Mitschüler gegeben. Das Kind wolle nicht mehr mit seinem leiblichen Vater in Verbindung gebracht werden, sondern „ganz“ zur Familie L gehören. Durch den Nachnamen „X“ werde es aber immer wieder damit konfrontiert, dass der Kindesvater es im Grunde ablehne, was dem Kind zusetze. Es habe die Drogenabhängigkeit des Kindesvaters bewusst miterlebt und seine permanente Unzuverlässigkeit zu spüren bekommen. Der Kindesvater habe dem Kind das Gefühl vermittelt, nicht gewollt zu sein. Außerdem habe er dem Kind im August/September 2018 in der Weise gedroht, dass der neue Ehemann der Kindesmutter kein Vaterersatz sei. Das Kind solle sich gut überlegen, ob es das wolle, da es andernfalls „etwas zu erwarten“ habe. Der Wunsch des Kindes, den Nachnamen „X“ abzulegen, gehe sogar soweit, dass es gebeten habe, gegenüber der neugeborenen Stiefschwester nicht zu erwähnen, dass es einen anderen leiblichen Vater als sie selbst habe.

Ihr jetziger Ehemann unterstütze den Wunsch des Kindes voll und ganz. Er sei bereit, Verantwortung für das Kind zu übernehmen und wolle nicht, dass sich das Kind Vorurteilen ausgesetzt sehe.

Der Kindesvater ist dem Antrag in seiner im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht Gengenbach durchgeführten Anhörung entgegengetreten. Das Kind führe seit nunmehr zwölf Jahren den Nachnamen „X“. Er glaube nicht, dass die Ehe der Kindesmutter von langer Dauer sein werde. Bereits in der Vergangenheit habe die Kindesmutter immer wieder überlegt, das Kind im Rahmen einer angeblich bevorstehenden Hochzeit einzubenennen. Diese Beziehungen der Kindesmutter seien aber immer wieder „in die Brüche“ gegangen. Außerdem verbiete ihm die Kindesmutter derzeit jeglichen Kontakt mit dem Kind. Anlässlich des letzten Umgangs, der stattgefunden habe, habe das Kind ihm gegenüber erklärt, dass ihm sein Nachname nicht wichtig sei und dass er, der Kindesvater, sein Vater sei, nicht der jetzige Ehemann der Kindesmutter.

Das Familiengericht hat die Kindesmutter, ihren Ehemann und das beteiligte Kind persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf den Vermerk vom 20.08.2019.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Antrag der Kindsmutter zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Ersetzung der Einwilligung des anderen Elternteils durch das Familiengericht habe gem. § 1618 Satz 4 BGB dann zu erfolgen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich sei. Dabei sei die Erforderlichkeit positiv festzustellen, wobei die Beweispflicht beim antragstellenden Elternteil liege.

Erforderlich sei die Einbenennung nach der Rechtsprechung des BGH nur, wenn konkrete Umstände vorlägen, die das Kindeswohl gefährdeten und die Einbenennung daher unerlässlich sei, um Schäden vom Kind abzuwenden. Es sei daher eine Abwägung der grundsätzlich gleichrangigen Kindes- und Elterninteressen vorzunehmen. Ein Kriterium sei dabei die Integration des Kindes in die Stieffamilie.

Die Kindesmutter, ihr neuer Ehemann und das Kind hätten sich im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung dahingehend geäußert, dass das Kind gut in die Stieffamilie integriert sei und eine gute Beziehung zu seinem Stiefvater und dessen Familie habe. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Stiefvater sich in der Schule ehrenamtlich engagiere. Des zusätzlichen Integrationsmittels der Einbenennung bedürfe es daher nicht.

Gegen die Einbenennung spreche ferner, dass es sich bei der Kontinuität der Namensführung, deren Bedeutung weit über das Kindesalter hinausgehe, ebenfalls um einen wichtigen Kindesbelang handele.

Der Umstand, dass bereits seit März 2018 kein persönlicher Umgang mehr zwischen dem Kind und dem Kindesvater stattfinde, lasse eine Einbenennung ebenfalls nicht erforderlich i. S. d. § 1618 Satz 4 BGB erscheinen, da sich die Umgangssituation im Gegensatz zur Namensänderung, die weitestgehend endgültig sei, zukünftig ändern könne.

Zwar könne eine Einbenennung dann erforderlich sein, wenn sie erforderlich sei, um Probleme des Kindes zu lösen, die mit der Namensdifferenz verbunden seien. Erhebliche Probleme im Zusammenhang mit der Namensdifferenz im Verhältnis zur Außenwelt müssten jedoch im Einzelfall nachgewiesen werden. Aufgrund der Vielzahl der Namenskonstellationen in der heutigen Gesellschaft spreche hierfür keine Vermutung. Konkrete Probleme im Zusammenhang mit der Namensdifferenz habe die Kindesmutter auch nicht vorgetragen. Das Kind habe hierzu angegeben, dass es zwar in der Vergangenheit in C Hänseleien wegen seines Namens gegeben habe, gleichzeitig aber betont, dass es insoweit auf seiner neuen Schule in F keine Probleme gebe.

Soweit die Kindesmutter ihren Antrag außerdem maßgeblich darauf gestützt habe, dass es der Wunsch des Kindes sei, einen einheitlichen Namen zu führen, reiche dies allein zur Ersetzung der Zustimmung nicht aus. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn das Kind durch die Namensdifferenz psychisch sehr belastet sei. Dies sei indes nicht vorgetragen. Soweit das Kind es als „komisch empfinde, mit dem Namen X aufgerufen zu werden“ und „es für ihn schwierig sei, wenn er aufgrund einer Zurückweisung des Antrags weiterhin diesen Namen tragen müsste“, lasse sich hieraus keine massive psychische Belastung entnehmen.

Soweit die Kindesmutter außerdem vortrage, die Beziehung zum Kindesvater sei für das Kind in der Vergangenheit sehr belastend gewesen und das Kind verbinde mit der Person des Kindesvaters zudem nur negative Erfahrungen, könne dies ebenfalls nicht dazu führen, dass eine Erforderlichkeit i. S. d. § 1618 Satz 4 BGB zu bejahen sei. Es sei weder vorgetragen noch davon auszugehen, dass die Namensänderung dazu führen werde, dass das Kind mit den Erlebnissen im Zusammenhang mit seinem Vater besser umgehen könne. Dass das Kind negative und belastende Erfahrungen u. a. mit der Drogenproblematik des Kindesvaters gemacht habe, werde durch die Namensänderung nicht ungeschehen gemacht.

Letztlich führe auch der Umstand, dass der Kindesvater keinen Kindesunterhalt zahle, nicht dazu, dass die Namensänderung erforderlich i. S. v. § 1618 Satz 4 BGB sei.

Insgesamt habe daher im Rahmen der persönlichen Anhörungen der Beteiligten und aufgrund der erfolgten schriftlichen Stellungnahmen eine Erforderlichkeit im Sinne einer konkreten Kindeswohlgefährdung, die eine Einbenennung unerlässlich erscheinen lasse, um Schäden von dem Kind abzuwenden, nicht festgestellt werden können.

Gegen den vorgenannten Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens sowie gestützt auf ein im damaligen Scheidungsverbundverfahren zur Ausübung der elterlichen Sorge sowie zur Ausgestaltung des Umgangs eingeholtes Sachverständigengutachten vom 17.02.2010 weiterhin die familiengerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Kindesvaters zur Namensänderung begehrt.

Sie beanstandet, das Familiengericht habe eine Entscheidung getroffen, ohne eine Stellungnahme des Jugendamtes einzuholen.

Das im Jahr 2010 eingeholte Gutachten zeige, was für ein Mensch der Kindesvater sei. Seitdem habe er sich nicht geändert. Er habe ihr seinerzeit das Kind über Monate hinweg vorenthalten und ihm eingeredet, sie sei tot. Auch vor Straftaten und körperlichen Übergriffen sei er nicht zurückgeschreckt. Er sei mehrfach vorbestraft und habe der Familie immer wieder gedroht. Das Kind sei durch die auch unmittelbar ihm gegenüber erfolgten Drohungen derart erschreckt und eingeschüchtert gewesen, dass die Mobilfunknummer habe gewechselt werden müssen. Entgegen der Ansicht des Familiengerichts leide das Kind im Hinblick auf den Kindesvater sehr wohl unter psychischem Stress. Während der lediglich zehnminütigen persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht habe dies allerdings nicht hinreichend festgestellt werden können, weil das Kind bemüht gewesen sei, vor einer fremden Person keine Schwäche zu zeigen.

Der Kindesvater habe ihm gegenüber in den letzten Jahren ebenfalls immer wieder versprochen, der Namensänderung zuzustimmen, dieses Versprechen jedoch nicht gehalten. Vermeintliche Weihnachtsgeschenke, die er dem Kind versprochen habe, seien immer wieder „bei der Post verschwunden“. Die Enttäuschung des Kindes sei jedes Mal groß gewesen und habe sich zwischenzeitlich in Wut verwandelt. Sie, die Kindesmutter, habe in der Vergangenheit immer wieder viel Zeit und Kraft investieren müssen, um das Kind emotional wieder aufzubauen und ihm Mut zuzusprechen. Während der Umgangskontakte in der Vergangenheit habe er das Kind zudem mehrfach in Gefahr gebracht, es bspw. in einem Fluss mit starker Strömung baden sowie mit einer elektrischen Armbrust Schießen lassen. Methadon habe er für das Kind frei zugänglich aufbewahrt.

Der vom Kindesvater ausgehende Druck habe in der Vergangenheit auch dazu geführt, dass sich die schulischen Leistungen des Kindes verschlechtert hätten. Das Kind habe unter vermehrten Asthmaanfällen und Panikattacken gelitten. Erst als ihr jetziger Ehemann dem „einen Riegel vorgeschoben“ habe, habe sich die Situation verbessert. Er kümmere sich in allen Lebensbereichen um das Kind. Die schulischen Leistungen hätten sich seitdem wieder deutlich verbessert. Asthma sei kein Thema mehr. Das Kind sei sogar in einem Sportverein aktiv. In den letzten Wochen habe sich allerdings eine wesentliche Verschlechterung abgezeichnet. Nach der Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses habe das Kind einen schweren Asthmaanfall erlitten, so dass ein Krankenwagen habe gerufen werden müssen. Das Kind verstehe nicht, weshalb es nicht so heißen dürfe, wie die übrigen Familienmitglieder und insbesondere die kleine Schwester. Der Nachname sei sehr wichtig für das Kind, weil es sich hierdurch mit der Familie identifiziere und ihr zugehörig fühle. Wenn man – wie das Kind – ausschließlich negative Erinnerungen mit seinem Namen verbinde, müsse es gestattet sein, diesen durch einen anderen Namen ersetzen zu dürfen. Der Prüfungsmaßstab, den das Familiengericht angelegt habe, sei zu streng. Das Kind wolle nicht nur seine ausschließlich schlechten Erinnerungen an den Kindesvater mithilfe des Namenswechsels vergessen, sondern auch seinen jetzigen positiven Lebenswandel mit dem neuen Namen verbinden.

Der Kindesvater hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Das Jugendamt befürwortet in seinem Bericht vom 10.02.2020 den Antrag der Kindesmutter. Bei der Namensänderung scheine es sich um einen tiefgründigen Wunsch des Kindes zu handeln, der wichtig für seine weitere Persönlichkeitsentwicklung sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 58 ff. FamFG statthafte und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die beantragte Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters abgelehnt.

1.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschluss vom 24.10.2001 – XII ZB 88/99 -, FamRZ 2002, 94; Beschluss vom 30.01.2002 – XII ZB 94/00 -, FamRZ 2002, 1331; Beschluss vom 10.03.2005 – XII ZB 153/03 -, FamRZ 2005, 889), der der Senat folgt und von der abzuweichen auch in Ansehung der von der Kindesmutter in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 18.12.2019 – 1 UF 140/19 -, FamRZ 2020, 591) kein Anlass besteht (s. hierzu unten unter 2. d)), setzt eine Ersetzung der Einwilligung des anderen Elternteils in die Einbenennung eine umfassende Abwägung der – grundsätzlich gleichrangigen – Kindes- und Elterninteressen voraus. Auch wenn es grundsätzlich dem Wohl des Kindes entspricht, den gleichen Namen zu tragen wie die neue Familie, in der es jetzt lebt, darf dabei nicht übersehen werden, dass diese Wertung regelmäßig ihrerseits das Ergebnis einer Abwägung einander widerstreitender Interessen des Kindes ist. Zwar ist einerseits die Integration in die „Stieffamilie“ ein wichtiger Kindesbelang, andererseits aber auch die Kontinuität der Namensführung, deren Bedeutung weit über das Kindesalter hinausreicht und daher nicht allein aus der Perspektive der aktuellen familiären Situation beurteilt werden darf. Zugleich ist die Beibehaltung des mit dem anderen Elternteil gemeinsamen Namens ein äußeres Zeichen der für das Wohl des Kindes gleichfalls wichtigen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu diesem Elternteil. Dies gilt auch und insbesondere dann, wenn der Kontakt zu diesem Elternteil bereits eingeschränkt, gefährdet ist oder gar – wie hier – weitgehend abgebrochen ist und durch die Einbenennung als einer nach außen sichtbaren endgültigen Ablösung von ihm verfestigt würde.

Zu beachten ist nach der vorzitierten Rechtsprechung ferner, dass eine bestehende Namensverschiedenheit grundsätzlich jedes Kind trifft, das aus einer geschiedenen Ehe stammt und bei einem wiederverheirateten Elternteil lebt, der den Namen des neuen Ehepartners angenommen hat. Bloße Unannehmlichkeiten infolge der Namensverschiedenheit und der Notwendigkeit, diese auf Nachfragen zu erklären, können die gedeihliche Entwicklung eines Kindes nicht ernsthaft beeinflussen und vermögen daher die Erforderlichkeit einer Namensänderung nicht zu begründen. Eine Einbenennung kann daher nicht schon dann als erforderlich angesehen werden, wenn die Beseitigung der Namensverschiedenheit innerhalb der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils zweckmäßig und dem Kindeswohl förderlich erscheint. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob die Trennung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist. Es müssen mithin konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden, so dass die Einbenennung daher unerlässlich ist, um Schäden von dem Kind abzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2002 – XII ZB 94/00 -, FamRZ 2002, 1331, Tz. 5 und 16; OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2015 – 4 UF 178/15 -, Tz. 24 mwN., zit. nach juris).

2.

Dies hat das Familiengericht mit zutreffender Begründung verneint. Weder das Beschwerdevorbringen der Kindesmutter noch die Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt F geben Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

a)

Der nach Auffassung des Jugendamtes tiefgründige und für seine weitere Persönlichkeitsentwicklung durchaus wichtige Wunsch des Kindes, künftig denselben Nachnamen zu führen wie die Kindesmutter, sein Stiefvater und seine Stiefschwester, reicht allein nicht aus, um die Einbenennung als erforderlich i. S. v. § 1618 Satz 4 BGB anzusehen. Diesem Wunsch ist kein solches Gewicht beizumessen, dass sich daraus die Erforderlichkeit einer Namensänderung ableiten ließe (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2002 – XII ZB 94/00 -, FamRZ 2002, 1331, Tz. 17, zit. nach juris).

Die Anhörung des Kindes hat – insoweit in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Kindesmutter – ergeben, dass es in erster Linie den Wunsch hat, so zu heißen „wie alle in seiner Familie“. Jeder Außenstehende solle wissen, dass es zur Familie L gehöre. Auch wolle es nicht mehr an seinen leiblichen Vater erinnert werden. Mit ihm verbinde es nur noch der Name. Durch die Namensänderung solle nun auch äußerlich eine Trennung vom Kindesvater vollzogen werden und damit quasi ein neues Kapitel beginnen.

Demgegenüber ist nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen allerdings gerade die Kontinuität der Namensführung ein wichtiger Kindesbelang, dessen Bedeutung weit über das Kindesalter hinausreicht und daher nicht allein aus der Perspektive der aktuellen familiären Situation beurteilt werden darf. Immerhin ist der Name nicht ein beliebig austauschbarer Ausdruck der Identität und Individualität, der die Lebensgeschichte seiner Träger begleiten und sie unter diesem Namen als zusammenhängende erkennbar werden lassen soll. Gerade während der für das heute 12-jährige Kind in ihrer vollen Ausprägung erst noch anstehenden Pubertät wird die Frage der eigenen Herkunft und Identität aller Voraussicht nach eine durchaus entscheidende Rolle spielen. Die Funktion des Namens als Kennzeichen der (aktuellen) Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie stellt demgegenüber nur einen Teilaspekt dar. So verständlich der Wunsch des Kindes in seiner aktuellen Situation ist, kann diesem deshalb für die begehrte Namensänderung kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden. Außerdem darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass – statistisch nicht unwahrscheinlich – die Einbenennungsehe scheitern kann und in diesen Fällen das Kind an einem Namen festgehalten wird, zu dem eine nur vorübergehende Beziehung bestanden hat (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.06.2009 – 9 UF 110/08 -, Tz. 18 mwN., zit. nach juris).

b)

Hinzu kommt, dass es eines zusätzlichen Integrationsmittels über die Einbenennung (Namensänderung) nicht bedarf, weil das Kind sowohl nach dem Vorbringen der Kindesmutter als auch nach dem Ergebnis der Kindesanhörung und der Anhörung des Stiefvaters bereits aktuell – und zwar unter dem Namen X – ausreichend in die Familie L integriert ist (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.04.2014 – 22 UF 833/13 -, FamRZ 2014, 1853, Tz. 22, zit. nach juris). Es hat zu seinem Stiefvater eine gute Beziehung; dieser übernimmt selbstverständlich – bspw. durch ehrenamtliches Engagement in der Schule – und völlig unabhängig vom Nachnamen Verantwortung für das Kind. Sowohl die schulischen Leistungen als auch die gesundheitliche Situation des Kindes haben sich hierdurch in den letzten Jahren nachhaltig verbessert, was ebenfalls Indizien für eine gelungene Integration des Kindes in die Stieffamilie sind.

c)

Konkrete Umstände, die eine außerordentliche, gerade durch die Namensdifferenz ausgelöste Belastung des Kindes darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.10.2001 – XII ZB 88/99 -, FamRZ 2002, 94, Tz. 14 mwN., juris) und über bloße – hinzunehmende – Unannehmlichkeiten hinausgehen, sind hingegen auch dem Beschwerdevorbringen der Kindesmutter nicht zu entnehmen.

aa)

Das Familiengericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der Kindesanhörung Hänseleien durch Mitschüler lediglich in der Vergangenheit, als man noch in C gewohnt habe, vorgekommen seien, es auf der Schule, die das Kind derzeit in F besucht, insoweit aber keine Probleme gebe.

bb)

Gleiches gilt im Ergebnis, soweit die Kindesmutter geltend macht, das Kind habe in der Vergangenheit sehr unter dem vom Kindesvater ausgeübten psychischen Druck gelitten, was insbesondere zu einer Verschlechterung der schulischen Leistungen, aber auch zu vermehrten Asthmaanfällen und sogar Panikattacken geführt habe.

Die Kindesmutter hat nämlich zugleich darauf hingewiesen, dass sich diese Situation – und zwar vollkommen unabhängig vom Nachnamen des Kindes – dadurch verbessert habe, dass der Stiefvater dem „einen Riegel vorgeschoben“ und verstärkt Verantwortung für das Kind wahrgenommen habe. Infolgedessen hätten sich die schulischen Leistungen des Kindes wieder deutlich verbessert. Auch die Asthmaerkrankung sei „kein Thema“ mehr. Das Kind sei sogar in einem Sportverein aktiv.

Dem steht nicht entgegen, dass es nach dem Vorbringen der Kindesmutter in den letzten Wochen wieder zu einer wesentlichen Verschlechterung gekommen sein soll und das Kind nach der Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses einen schweren Asthmaanfall erlitten habe. Ursächlich hierfür sind offenbar die mit einem laufenden Gerichtsverfahren für jeden Menschen typischerweise einhergehenden psychischen Belastungen sowie die – aus Sicht des Kindes verständliche – Enttäuschung über die erstinstanzliche Entscheidung. Entscheidend ist insoweit aber, dass sich die asthmatische Erkrankung des Kindes – wie bereits vorstehend dargestellt – nach dem eigenen Vorbringen der Kindesmutter aufgrund der Namensdifferenz zwischen der Stieffamilie und dem Kind in der Vergangenheit gerade nicht entscheidend verschlechtert, sondern im Gegenteil trotz der Namensungleichheit sogar verbessert hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.01.2008 – 10 UF 112/07 -, FamRZ 2008, 2148, Tz. 12, zit. nach juris).

c)

Das Interesse des Kindesvaters an der Aufrechterhaltung des Namensbandes ist auch nicht deshalb per se schutzunwürdig, weil er in der Vergangenheit keine Kindesunterhaltszahlungen erbracht hat (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.06.2009 – 9 UF 110/08 -, Tz. 17; OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2015 – 4 UF 178/15 -, Tz. 31 mwN., zit. nach juris) und seit rund zwei Jahren – aus streitigen Gründen – auch keine Umgangskontakte des Kindes mehr mit dem Kindesvater stattfinden.

Letzteres belegt allenfalls, dass von einer engen Bindung zwischen dem Kind und dem Kindesvater aktuell nicht gesprochen werden kann. Ein hinreichend triftiger Grund für eine Namensänderung ist dies allerdings nicht. Der Bundesgerichtshof hat in der bereits vorstehend zitierten Entscheidung vom 24.01.2001 – XII ZB 88/99 – (FamRZ 2002, 94, Tz. 11, zit. nach juris) ausdrücklich der Auffassung widersprochen, eine dem Kindeswohl dienliche Einbenennung sei jedenfalls immer dann zugleich auch als für das Wohl des Kindes erforderlich anzusehen, wenn der Namensbindung keine tatsächlich gelebte Bindung mehr zugrunde liege oder diese nur noch in einem Umfang bestehe, der durch die Namensänderung nur noch marginal berührt werde (vgl. OLG Brandenburg, aaO., Tz. 16; OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2015 – 4 UF 178/15 – Tz. 32 f. mwN., zit. nach juris). Das Familiengericht hat in diesem Zusammenhang bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Namenswechsel weitgehend endgültig ist, die Umgangssituation sich aber ändern kann. Auch würde die Pflicht eines Elternteils zum Umgang gem. § 1684 Abs. 1, 2. Hs. BGB durch eine Namensänderung zumindest symbolisch in Frage gestellt (vgl. OLG Hamm, aaO., Tz. 33 mwN., zit. nach juris).

d)

Letztlich führt auch die von der Kindesmutter in Bezug genommene Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 18.12.2019 – 1 UF 140/19 -, FamRZ 2020, 591) zu keinem anderen Ergebnis. Das OLG Frankfurt geht in der vorgenannten Entscheidung ebenfalls davon aus, dass es jedenfalls außerordentlicher Belastungen des Kindes im Einzelfall bedürfe, die (auch) dann gegeben seien, wenn die Namensänderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringe, dass die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheine (OLG Frankfurt, aaO., Tz. 17 mwN., zit. nach juris). Dies ist nach den vorstehenden Erwägungen nicht der Fall.

III.

Der Senat hat gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer erneuten persönlichen Anhörung der Beteiligten abgesehen, weil hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 84 Abs. 1 FamFG; die Entscheidung hinsichtlich des Verfahrenswertes ergibt sich aus §§ 40, 42 Abs. 2, 3 FamGKG (vgl. zum Verfahrenswert: OLG Hamm, Beschluss vom 11.01.2008 – 10 UF 112/07 -, FamRZ 2008, 2148; OLG Schleswig, Beschluss vom 30.05.2012 – 10 UF 276/11 -, FamRZ 2013, 227).

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