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Kindesumgang – Umgangsrecht der früheren Lebensgefährtin der Mutter

AG Tempelhof-Kreuzberg, Az.: 135 F 19780/14, Beschluss vom 01.06.2015

1. Die Antragstellerin ist berechtigt und verpflichtet, das Kind wie folgt zu sich zu nehmen:

a. in den geraden Kalenderwochen jeweils von Freitag nach der Kita bis Montag zur Kita,

b. an jedem Zweiten der gesetzlichen Feiertage zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten in der Zeit von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr,

c. drei Wochen der Berliner Schulferien, davon zwei zusammenhängende Wochen in den Sommerferien. Die Antragstellerin teilt der Kindesmutter jeweils bis zum 31. Januar des jeweiligen Jahres die Urlaubswünsche mit.

2. Die Antragstellerin holt das Kind jeweils pünktlich zu den Umgängen aus der Kita oder von der Kindesmutter ab und bringt es wieder pünktlich dorthin zurück. Sie ist ferner verpflichtet, dem Kind einen eigenen Schlafplatz einzurichten, soweit dieser noch nicht vorhanden sein sollte.

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Beteiligten gegen diesen Beschluss wird ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,- Euro und ersatzweise für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft angedroht.

4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

5. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten um den Umgang der Antragstellerin mit dem Kind.

I.

Kindesumgang – Umgangsrecht der früheren Lebensgefährtin der Mutter
Symbolfoto: Von Oksana Mizina /Shutterstock.com

Die Beteiligten führten acht Jahre lang eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, bis es Anfang August 2014 zur Trennung kam. Die Antragsgegnerin zog aus der gemeinsamen Wohnung aus, die von der Antragstellerin noch immer genutzt wird.

Aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses gebar die Antragsgegnerin das Kind, das zuvor mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurde.

Die Antragstellerin behauptet, das Kind sei von beiden Beteiligten zu gleichen Teilen betreut worden. Es habe zu beiden eine gute und feste Bindung. Sie habe den Eindruck, dass die neue Partnerin der Antragsgegnerin nunmehr die Mutter von M. sein und eine neue Kleinfamilie entstehen solle. Seit dem Auszug der Antragsgegnerin habe ein Umgang nur noch sehr sporadisch und nur unter Beaufsichtigung der Antragsgegnerin stattgefunden.

Die Antragstellerin beantragt zuletzt, die Antragstellerin ist berechtigt und verpflichtet

a. mit M. jedes zweite Wochenende von Freitag Nachmittag bis Montag morgen zusammen zu sein, fernerhin an jedem Dienstag Nachmittag bis zum Mittwoch morgen.

b. Die Antragstellerin holt M. jeweils in der Kita ab und bringt ihn pünktlich zur Kita am Morgen zurück.

c. Die Antragstellerin ist weiterhin berechtigt jeweils den zweiten Feiertag der Weihnachts-, Oster- und Pfingsttage mit M. zu verbringen.

d. Fernerhin ist die Antragstellerin berechtigt drei Wochen Urlaub mit M. im Jahr zu verbringen, von denen zwei Wochen in den Sommerferien erfolgen. Die Antragstellerin teilt der Kindesmutter jeweils bis zum 31. Januar des jeweiligen Jahres die Urlaubswünsche mit.

Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen.

Nach ihrer Auffassung sollte Umgang an einem Tag pro Monat stattfinden.

Sie behauptet, die Antragstellerin und die Kindesmutter hätten sich bereits kurz nach der Geburt des Kindes, wenn auch innerhalb der gemeinsam bewohnten Wohnung, getrennt. Weder habe sich die Antragstellerin gleichberechtigt um M. gekümmert, noch sei die Versorgung und Betreuung zu gleichen Teilen übernommen worden. Dies habe vielmehr in erster Linie ihr oblegen. Die Antragstellerin bewohne lediglich ein Zimmer und könne M. kein eigenes Bett zur Verfügung stellen. Ein Umgang mit Übernachtung scheide schon aus diesem Grunde aus. Sie lebe in finanziell ungeregelten Verhältnissen, so dass auch die Finanzierung des Umganges nicht geklärt sei. Zudem sei das Vertrauen darin, dass sich die Antragstellerin an eine Umgangsregelung halte, nachhaltig erschüttert, nachdem sie nach einem im August 2014 zustande gekommenen Umgang nicht bereit gewesen sei, das Kind zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzugeben.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf gewechselten Stellungnahmen nebst sämtlichen Anlagen sowie die Protokolle der persönlichen Anhörungen der Beteiligten und des Kindes am 3.3. und 8.5.2015 Bezug genommen.

II.

Der Umgang der Antragstellerin mit dem Kind ist gem. § 1685 BGB wie vorstehend zu regeln, weil dies dem Wohl des Kindes dient.

Die Ermittlungen des Gerichtes haben ergeben, dass die Antragstellerin für das Kind eine ähnlich wichtige Bezugsperson darstellt, wie es bei leiblichen Eltern der Fall ist. Soweit die Antragsgegnerin behauptet, sich nahezu allein um M. gekümmert zu haben, ist dies nach der persönlichen Anhörung der Beteiligten und des Kindes zur Überzeugung des Gerichtes widerlegt. Die Antragsgegnerin räumte in der persönlichen Anhörung am 3.3.2015 auch selbst ein, dass die Antragstellerin M. insbesondere während ihrer Arbeitstage von der Kita abgeholt und betreut hat. Auch am Wochenende passte sie auf das Kind auf, wenn ihre Mutter nicht konnte. Die Betreuung und Versorgung des Kindes in Krankheitsfällen wurde geteilt.

Da es für die Frage, ob es sich bei der Antragstellerin um eine wichtige Bezugsperson des Kindes handelt, nicht auf das Verhältnis der Beteiligten untereinander, sondern auf das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Kind ankommt, kann auch dahinstehen, wie sich das Zusammenleben der Beteiligten in der gemeinsamen Wohnung im Einzelnen gestaltete. Fest steht, dass auch die Antragstellerin fest in die Betreuung und Versorgung des Kindes eingebunden und verantwortlich war.

Nur so ist auch zu erklären, dass M. sich ausdrücklich häufigere Kontakte mit der Antragstellerin wünscht und bei der gerichtlichen Anhörung sogar darum bat, sie solle noch zu ihm ins Kinderhaus kommen. Dort begrüßte er sie anschließend nach der Schilderung der Verfahrensbeiständin sehr emotional und innig (Anhörungsprotokoll vom 8.5.2015). Er erlebt danach die Zeiten der – zuletzt seltenen – Umgänge mit der Antragstellerin durchweg positiv (ebenda).

Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der Verfahrensbeiständin aufgrund ihres Eindrucks von der Interaktion des Kindes mit der Antragstellerin und auch der Mutter. Sie erlebte den Jungen ebenso mit seiner leiblichen Mutter als fröhliches Kind wie auch mit der Antragstellerin (Bericht vom 22.3.2015).

Die erkennbaren engen Bindungen und Beziehungen des Kindes zur Antragstellerin stehen damit intakten Bindungen und Beziehungen eines Kindes zu leiblichen Eltern in nichts nach. Der Umgang der Antragstellerin mit M. ist deshalb in gleichem Umfang anzuordnen, wie dies bei leiblichen Vätern oder Müttern der Fall wäre. Allein aus der Tatsache, dass die Umgangsregelung hier nicht auf § 1684 BGB, sondern § 1685 BGB zu stützen ist folgt nichts anderes. § 1685 BGB enthält keine konkreten Vorgaben zu Umfang und Ausgestaltung von Umgängen. Er legt lediglich zusätzliche Hürden für die Feststellung fest, welche Personen überhaupt zu Umgängen berechtigt sind. Der Umfang der Umgänge bestimmt sich indes nach dem konkreten Einzelfall und setzt voraus, dass er dem Kindeswohl „dient“. Maßgeblich ist gem. § 1697a BGB, welche Regelung dem Wohl des Kindes in seiner jeweiligen Lebenssituation am besten entspricht (Kindeswohlprinzip).

Für ein Kind, seine Wahrnehmung und den Aufbau persönlicher Bindungen ist es vollkommen egal, ob es sich bei den Menschen, zu denen es engeren Kontakt hat, um leibliche Verwandte oder nur zum Bezugspersonen handelt, die mit ihm wie ein leiblicher Elternteil zusammengelebt und entsprechende Verantwortung übernommen haben. Das biologische Verhältnis oder die rechtliche Stellung seiner Bezugspersonen sind Themen, die für Kinder erst in einem späteren Alter relevant werden. Für den Aufbau von Bindungen, die hier zwischen der Antragstellerin und dem Kind unverkennbar bestehen, kommt es ausschließlich darauf an, welche Personen sich zuverlässig um das Kind gekümmert haben und für es da gewesen sind. Übernimmt jemand in diesem Sinne Elternverantwortung für ein Kind, werden auch die Bindungen des Kindes und sein Bedürfnis nach Kontakt und Nähe zu dieser Bezugsperson den Bindungen von Kindern an leibliche Eltern entsprechen. Für die weitere Entwicklung des Kindes wird es dann unabdingbar sein, dass die Bindungen zu einer solchen Hauptbezugsperson erhalten bleiben und weiter gepflegt werden können.

So liegt der Fall hier. Die engen Bindungen des Kindes an die Antragstellerin basieren darauf, dass sie sich in der wichtigen Phase des Bindungsaufbaus wie ein leiblicher Elternteil gekümmert hat. Für den Erhalt dieser bestehenden Bindungen ist deshalb ein Umgang alle zwei Wochen sowie ein Ferienumgang im beantragten Umfang anzuordnen. Seltenere Kontakte würden dem innigen Verhältnis des Kindes zur Antragstellerin nicht im Ansatz gerecht. Dem steht auch die Empfehlung der Verfahrensbeiständin in ihrer schriftlichen Stellungnahme nicht entgegen. Ihre dortige Empfehlung, ein Umgangswochenende pro Monat anzuordnen, hielt sie nach eigenen Angaben wegen der fehlenden Elternstellung der Antragstellerin aus rechtlichen Gründen für erforderlich. In ihrer persönlichen Anhörung gab sie an, allein nach ihrem Eindruck vom Kind und seinen Bindungen an die Antragstellerin sei auf jeden Fall ein zweiwöchiger Umgang zu empfehlen (Anhörungsprotokoll vom 8.5.2015, Seite 2). Da die rechtliche Einschätzung der Verfahrensbeiständin aus den genannten Gründen nicht zutrifft, ist der Umgang entsprechend ihrer zuletzt ausgesprochenen Empfehlung zu regeln.

Darüber hinaus erfordert der Erhalt und die Pflege der bestehenden Bindungen auch einen Ferienumgang im beantragten Umfang.

Nicht anzuordnen sind hingegen weitere Umgänge unter der Woche. Unter Berücksichtigung der gegenwärtig sehr schwierigen Verhältnisses der Beteiligten wäre mit häufigeren Wechseln des Kindes zwischen den Beteiligten ein zu großes Konfliktpotential verbunden.

Die Kindesmutter ist derzeit nur eingeschränkt bereit oder in der Lage, ihre eigene Sicht der Dinge von der Perspektive und den Bedürfnissen des Kindes zu trennen. Dies wurde auch daran deutlich, dass sie immer wieder das immer schon schlechte Verhältnis der Beteiligten betonte und dabei mehrfach ihre persönliche Ablehnungshaltung gegenüber der Antragstellerin erkennen ließ. Ihre Wahrnehmung des persönlichen Verhältnisses zwischen der Antragstellerin und dem Kind wich von den Feststellungen der Verfahrensbeiständin und des Gerichtes erheblich ab. Dementsprechend war sie auch ungeachtet der eindeutigen Äußerungen des Kindes in der gerichtlichen Anhörungen nicht bereit, ihre Umgangsvorstellungen zu überdenken. Sie erscheint bislang im Gegensatz zur Antragstellerin nur eingeschränkt bereit oder in der Lage, sich in das Kind und seine Bedürfnisse auch dann hineinzuversetzen, wenn dies ihren eigenen Vorstellungen und Erwartungen widerspricht. Indem sie sich schließlich aber doch bereit erklärte, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, ließ sie ein gewisses Umdenken erkennen. Insoweit wird nochmals darauf hingewiesen, dass eine solche Beratung, insbesondere ein Besuch des Kurses „Kind im Blick“ im Interesse des Kindes unbedingt wahrgenommen werden sollte. Die Beteiligten müssen dringend daran arbeiten, persönliche Probleme untereinander von ihrem jeweiligen Verhältnis zum Kind zu trennen, um ihrer Verantwortung ihm gegenüber vollauf gerecht zu werden.

Wegen der Einwände der Kindesmutter, die Antragstellerin habe keinen eigenen Schlafplatz für das Kind, ist eine entsprechende Verpflichtung aufzunehmen. Beengte räumliche Verhältnisse als solche stehen einem Wochenendumgang – auch mit Übernachtung – mit einem fünfjährigen Kind nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Dem Verfahrenswert liegt § 45 FamGKG zu Grunde.

 

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