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Familiengericht setzt Lügendetektor ein: Zulässig im Kindeswohlverfahren?

Ein Familienvater, seit 2012 alleinerziehend, sah sich 2020 mit schwerwiegenden Vorwürfen der Kindeswohlgefährdung seiner Tochter konfrontiert, die das Jugendamt alarmierte. Um die Wahrheit zu ergründen, genehmigte das Familiengericht einen umstrittenen Lügendetektortest, dessen Ergebnisse den Vater entlasteten. Dennoch galt der Polygraph in Deutschland bislang als völlig ungeeignet, um vor Gericht verwendet zu werden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 F 150/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Familienvater wurde verdächtigt, seine Kinder zu gefährden. Diesen Verdacht untersuchte das Jugendamt aufgrund des Verhaltens der Tochter und früherer Vorwürfe gegen den Vater.
  • Die Frage: Durfte ein Familiengericht einen Lügendetektortest nutzen, um einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung zu klären?
  • Die Antwort: Ja, das Familiengericht nutzte den Test. Es urteilte, dass ein solcher Test in Familienverfahren zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts und zum Schutz des Kindeswohls eingesetzt werden darf.
  • Das bedeutet das für Sie: Gerichte im Bereich Familienrecht können unkonventionelle Methoden nutzen, um die Wahrheit zu ermitteln. Lässt sich ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nicht beweisen, folgen keine staatlichen Eingriffe in die Familie.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Amtsgericht Schwäbisch Hall
  • Datum: 25.10.2021
  • Aktenzeichen: 2 F 150/20
  • Verfahren: Familiengerichtliches Verfahren
  • Rechtsbereiche: Familienrecht, Kindschaftsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Das Jugendamt. Es hatte dem Gericht eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls angezeigt.
  • Beklagte: Der Kindsvater. Er bestritt die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an seinen Kindern und wollte seine Unschuld beweisen.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Das Jugendamt sah das Wohl der Kinder des Vaters gefährdet, weil die Tochter auffälliges sexuelles Verhalten zeigte. Zudem war der Vater bereits wegen sexueller Belästigung fremder Kinder verurteilt worden, wobei er den Einspruch gegen dieses Urteil zurückzog. Das Familiengericht untersuchte daraufhin, ob eine Kindeswohlgefährdung vorlag, und beauftragte dafür auch eine polygraphische Untersuchung des Vaters.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Durfte das Familiengericht einen Lügendetektortest (Polygraph) als Beweismittel nutzen, um den Verdacht auf sexuellen Missbrauch an den eigenen Kindern zu überprüfen und eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls festzustellen oder auszuschließen?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Familiengerichtliche Maßnahmen zum Schutz der Kinder waren nicht erforderlich.
  • Zentrale Begründung: Der Lügendetektortest, kombiniert mit weiteren Ermittlungen, konnte den Verdacht des sexuellen Missbrauchs der eigenen Kinder durch den Vater nicht bestätigen.
  • Konsequenzen für die Parteien: Die Familie bleibt zusammen, da keine weiteren staatlichen Eingriffe in die elterliche Sorge notwendig waren; Gerichtskosten wurden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Fall vor Gericht


Als eine norddeutsche Familie im Jahr 2020 ins Blickfeld des Jugendamtes geriet, stand ein Familienvater im Zentrum eines besorgniserregenden Verdachts. Seit dem Tod seiner Frau im Jahr 2012 kümmerte sich der Mann allein um seine beiden Kinder – einen älteren Sohn, der an Autismus litt, und eine jüngere Tochter. Doch die Idylle trügte: Auffälliges Verhalten der Tochter und schwerwiegende Vorwürfe gegen den Vater ließen die Kindesschutzbehörde aufhorchen und das Familiengericht in einem besonders sensiblen Verfahren tätig werden. Es galt, zu klären, ob das Wohl der Kinder gefährdet war und ob das Gericht eingreifen musste.

Was veranlasste das Familiengericht, in eine Familie einzuschreiten?

Ein Kind blickt mit ernster Miene auf den Lügendetektor, der im Zentrum eines umstrittenen Kindeswohlverfahrens vor dem Familiengericht steht.
In einer angespannten Untersuchungssituation müssen juristische und psychologische Experten die Wahrheit hinter belastenden Kinderzeichnungen ergründen. Wie viel kann ein Polygraph in solch sensiblen Fällen wirklich klären? | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Im Frühjahr 2020 erreichte das zuständige Jugendamt eine Anzeige, die auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung in der betroffenen Familie hindeutete. Die Behörde war alarmiert, denn bereits 2017 hatte die Schule der damals zehnjährigen Tochter des Familienvaters auf ein ungewöhnliches Verhalten des Mädchens hingewiesen: Sie hatte Bilder mit expliziten sexuellen Darstellungen gemalt und eine Sprache gezeigt, die als auffällig empfunden wurde. Diese Beobachtungen allein waren schon beunruhigend, doch ein weiteres Ereignis verstärkte die Sorge des Jugendamtes erheblich und führte letztlich zur Einschaltung des Familiengerichts.

Welche belastenden Vorwürfe standen gegen den Familienvater im Raum?

Gegen den Familienvater war bereits Ende 2019 eine gerichtliche Anordnung ergangen, bekannt als Strafbefehl. Darin wurde ihm vorgeworfen, im Zeitraum von September 2017 bis Mai 2018 als Busfahrer zwei jugendliche Mädchen in mindestens zwei Fällen unsittlich berührt zu haben. Die Anschuldigung lautete auf sexuelle Belästigung, begangen mit der Absicht, sich selbst sexuell zu erregen. Der Strafbefehl sah eine Gesamtstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe vor. Der Vater legte zunächst Einspruch gegen diese Anordnung ein, zog diesen jedoch Anfang 2020 auf Anraten seines Verteidigers zurück. Dieser Rückzug hatte eine entscheidende Konsequenz: Eine umfassende Beweisaufnahme, bei der die Vorwürfe in einem öffentlichen Strafprozess hätten aufgeklärt werden können, fand nicht statt. Damit blieb der konkrete Sachverhalt der Vorwürfe aus dem Strafverfahren gerichtlich ungeklärt, und die Unsicherheit über die Wahrheit der Anschuldigungen gegen den Vater wuchs – eine Situation, die das Familiengericht nicht ignorieren konnte.

Wie versuchte das Gericht, Licht ins Dunkel zu bringen?

Angesichts der schwerwiegenden, wenn auch strafrechtlich nicht vollständig aufgeklärten Vorwürfe und des auffälligen Verhaltens der Tochter sah sich das Familiengericht in der Pflicht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu untersuchen. Gemäß dem Amtsermittlungsgrundsatz in Kindschaftssachen, der das Gericht dazu verpflichtet, den Sachverhalt von sich aus umfassend zu erforschen, beauftragte es eine erfahrene Psychologin mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieses Gutachten sollte klären, ob die Kinder des Familienvaters, insbesondere die Tochter, sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren oder ihr Wohl auf andere Weise gefährdet sein könnte. Für die Tochter wurde zudem eine Verfahrensbeiständin bestellt, eine Art Anwältin für das Kind, die deren Interessen vertreten sollte. Im März 2021 sprach die Psychologin sowohl mit dem Familienvater als auch mit der Tochter. Eine besondere Wendung nahm der Fall, als der Vater, um seine Unschuld zu beweisen, einem damals noch ungewöhnlichen Schritt zustimmte: Er unterzog sich freiwillig einer sogenannten polygraphischen Untersuchung, allgemein bekannt als Lügendetektortest.

Ein umstrittenes Werkzeug: Welche Rolle spielte der sogenannte Lügendetektor?

Die Psychologin führte die polygraphische Begutachtung durch, bei der der Familienvater speziell auf die gegen ihn erhobenen Verdachtsmomente befragt wurde. Die Fragen waren dabei sehr konkret und zielten auf sexuelle Handlungen mit Kindern ab. Dazu gehörten unter anderem die Fragen, ob er jemals Kinder zu seiner sexuellen Stimulierung berührt oder dazu veranlasst habe, ihn sexuell zu stimulieren. Der Vater verneinte alle diese Fragen. Das Ergebnis der Messungen, die körperliche Reaktionen auf die Fragen erfassten, deutete laut der Sachverständigen darauf hin, dass der Vater diese Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hatte. Sie bescheinigte den Testergebnissen eine „sehr hohes Maß an Gewähr“ für die Wahrhaftigkeit seiner Verneinungen. Obwohl das Gericht festhielt, dass das damalige Verhalten des Vaters als Busfahrer gegenüber den fremden Schulkindern als unangemessen anzusehen war, sah es im Ergebnis des Polygraphen ein Indiz dafür, dass subjektiv kein sexueller Missbrauch von Kindern beabsichtigt war. Dieses Testergebnis betrachtete das Gericht als Entlastungsbeweis von hoher Treffsicherheit.

Warum galt dieser Test bisher als unzulässig vor Gericht?

Die Verwendung eines Polygraphen als Beweismittel war bisher in Deutschland äußerst umstritten, insbesondere in Straf- und Zivilverfahren. Der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Gericht für diese Rechtsgebiete, hatte die Methode in verschiedenen Urteilen immer wieder abgelehnt. Anfänglich sah er in der Anwendung eines Lügendetektors sogar einen Verstoß gegen die Menschenwürde und eine unzulässige Art der Befragung, da sie den Betroffenen in seinen innersten Gedanken ausforschen würde. Später gab der Bundesgerichtshof diese menschenrechtlichen Bedenken zwar auf, hielt aber dennoch daran fest, dass der Polygraph als Beweismittel „völlig ungeeignet“ sei. Dies begründete er damit, dass die Methode trotz hoher, teils bis zu 98,5-prozentiger Trefferquoten aus wissenschaftlicher Sicht nicht hinreichend gesichert sei, um im Rahmen eines strengen Beweisverfahrens vor Gericht verwendet zu werden. Insbesondere wurde kritisiert, dass das Ergebnis eines Polygraphen letztlich nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage sei und die psychologische Situation eines Angeklagten oder einer Partei zu komplex, um sie auf diese Weise zu überprüfen.

Weshalb wich das Familiengericht von dieser strengen Haltung ab?

Das Familiengericht setzte sich eingehend mit der ablehnenden Haltung des Bundesgerichtshofs auseinander, kam aber zu dem Schluss, dass diese nicht auf Familiensachen übertragbar sei. Der Grund dafür lag in grundlegenden Unterschieden zwischen den Rechtsgebieten:

  • Unterschiedliche Beweisgrundsätze: In Straf- und Zivilverfahren gilt der sogenannte „Strengbeweis“. Das bedeutet, dass bestimmte Tatsachen nur mit genau definierten Beweismitteln (z.B. Zeugen, Urkunden, Gutachten) und unter strengen Regeln bewiesen werden dürfen. Im Familienrecht hingegen herrscht der „Freibeweis“. Hier ist das Gericht viel freier in der Wahl seiner Erkenntnisquellen und kann alle Mittel einsetzen, die es für die Aufklärung des Sachverhalts für notwendig hält. Es geht nicht primär um die Schuldzuweisung, sondern darum, die bestmögliche Entscheidung für das Kindeswohl zu treffen.
  • Unterschiedliche Prozessziele: Im Strafverfahren steht der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ (In dubio pro reo) im Vordergrund. Wenn nach Ausschöpfung aller Beweise Zweifel an der Schuld bleiben, muss freigesprochen werden. Im Zivilverfahren geht es um die Beweislast – wer etwas behauptet, muss es beweisen. Ein „Unschuldsbeweis“ durch einen Polygraphen wäre in diesen Kontexten theoretisch überflüssig. Im Familienrecht ist das oberste Ziel jedoch der Schutz des Kindeswohls. Das Gericht muss hier aktiv alle Möglichkeiten nutzen, um eine Gefahr abzuwenden oder auszuschließen, und nicht nur auf die Beweise der Parteien warten.
  • Kritik an der BGH-Auffassung: Das Familiengericht verwies auf umfangreiche wissenschaftliche Kritik an der BGH-Rechtsprechung. Viele Experten und auch andere Gerichte hoben hervor, dass die hohe Trefferquote des Polygraphen durch neue Forschungsergebnisse belegt sei und die Ablehnung durch den Bundesgerichtshof in Anbetracht dessen eine „brüchige Logik“ aufweise. Insbesondere wurde dies im Vergleich zum Zeugenbeweis gesehen, dessen Unzuverlässigkeit allgemein bekannt ist. Für das Familiengericht war der Polygraph daher ein wertvolles ergänzendes Beweismittel, um die Wahrheit besser zu ergründen und die Gefahr von Fehlentscheidungen zu minimieren.

Welche weiteren Erkenntnisse beeinflussten die Entscheidung?

Neben dem Ergebnis des Polygraphen zog das Gericht weitere wichtige Erkenntnisse in seine Entscheidung mit ein. Die Tochter äußerte sich sowohl gegenüber der Psychologin als auch bei ihrer gerichtlichen Anhörung klar: Sie gab an, dass weder ihr Vater noch ihr Bruder sie sexuell belästigt hätten. Sie beschrieb ihren Vater positiv und räumte ein, bereits im Alter von zehn Jahren Pornofilme mit einer Freundin gesehen und das beanstandete Bild aus Ärger über eine dritte Person gemalt zu haben.

Das Gericht war sich jedoch bewusst, dass Aussagen von Kindern, besonders in solch sensiblen Fällen, nicht immer einfach zu bewerten sind. Kinder können in Loyalitätskonflikte geraten, Angst vor einer Heimplatzierung haben oder gar durch einen Elternteil beeinflusst werden. Dies war im Fall der fremden Schulkinder, die der Vater als Busfahrer angeblich belästigt hatte, bereits festgestellt worden: Ein Zeuge hatte berichtet, die Kinder seien „massiv beeinflusst“ gewesen und hätten „einmal das und einmal das“ gesagt.

Das Gericht berücksichtigte zudem, dass bei mutmaßlichem sexuellem Missbrauch oft keine direkten Beweismittel wie Bilder oder Videos vorliegen und Zeugen fehlen, da solche Taten meist im Verborgenen geschehen. Auch die bloße Verneinung der Vorwürfe durch den Vater konnte nicht allein ausschlaggebend sein.

Angesichts dieser komplexen Gemengelage kam das Familiengericht zu dem Schluss, dass der Polygraph im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ein entscheidendes ergänzendes Beweismittel darstellte. Er trug dazu bei, alle Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen und das Kindeswohl unter Berücksichtigung zweier Aspekte zu sichern: dem Schutz vor Missbrauch einerseits und dem Schutz vor unnötigen Eingriffen in die Familie andererseits.

Was bedeutete all das für die Familie?

Das Familiengericht wog alle vorliegenden Informationen sorgfältig ab. Es konnte trotz umfassender Ermittlungen, inklusive des Lügendetektortests, keine konkreten Anhaltspunkte für eine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung in Bezug auf die eigenen Kinder des Vaters feststellen. Der Verdacht des sexuellen Missbrauchs durch den Familienvater an seiner Tochter hatte sich durch die Beweisaufnahme, insbesondere das Ergebnis der polygraphischen Begutachtung, nicht erhärtet.

Das Gericht betonte, dass schwerwiegende Eingriffe in die elterliche Sorge, wie etwa die Herausnahme eines Kindes aus dem Elternhaus, nicht aufgrund vager Verdachtsmomente oder bloßer Mutmaßungen getroffen werden dürfen. Eine solche Maßnahme würde ein erhebliches Trennungstrauma für die Kinder bedeuten, insbesondere für die Tochter und den Sohn, die bereits den Verlust ihrer Mutter verkraften mussten. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass der Schaden durch eine erzwungene Trennung vom Vater den potenziellen Nutzen einer solchen Intervention überwiegen würde.

Da sich der Verdacht nicht bestätigen ließ und keine gegenwärtige Gefahr für das Wohl der Kinder vorlag, entschied das Familiengericht, dass familiengerichtliche Maßnahmen zum Schutz der Kinder derzeit nicht erforderlich waren. Das Verfahren wurde somit ohne weitere Eingriffe in das Familienleben abgeschlossen.

Die Urteilslogik

Familiengerichte passen ihre Beweismethoden an, um das Wohl von Kindern umfassend zu gewährleisten.

  • Einsatz des Polygraphen als Beweismittel: Ein Familiengericht darf einen Polygraph als ergänzendes Beweismittel heranziehen, um die Wahrheit zu ergründen und alle Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen.
  • Flexible Beweismittelfindung: Im Familienrecht kann ein Gericht jede Erkenntnisquelle nutzen, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären und die bestmögliche Entscheidung für das Kind zu treffen, da hier der „Freibeweis“ gilt.
  • Hohe Hürde für familiengerichtliche Eingriffe: Gerichte greifen nur bei konkreter und gegenwärtiger Gefahr in die elterliche Sorge ein; vage Verdachtsmomente oder bloße Mutmaßungen reichen nicht aus, um Kinder von ihren Eltern zu trennen.

Die Justiz wägt stets zwischen dem Schutz des Kindeswohls und der Wahrung familiärer Bindungen ab.


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Das Urteil in der Praxis

Wie weit darf ein Familiengericht gehen, um die Wahrheit im Dickicht der Anschuldigungen zu finden? Dieses Urteil ist ein Paukenschlag, denn es bricht mutig mit der dogmatischen Ablehnung des Polygraphen durch den BGH und öffnet die Tür für ein umstrittenes, aber potenziell wertvolles Beweismittel im Kinderschutz. Es unterstreicht die fundamentale Unterschiedlichkeit von Familien- zu Strafverfahren: Hier zählt der „Freibeweis“ und das aktive Erforschen der Wahrheit zum Schutz des Kindeswohls. Für Richter ist dies ein Signal, über den Tellerrand etablierter Methoden zu blicken, wenn es darum geht, Familien vor unnötigen Eingriffen zu bewahren oder Kinder zu schützen, wo andere Beweise fehlen. Ein pragmatischer Schritt, der die Debatte um moderne Beweismethoden neu entfachen wird.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Warum ist der Einsatz von polygraphischen Gutachten als Beweismittel in deutschen Gerichtsverfahren umstritten?

Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnt den Einsatz polygraphischer Gutachten, also Lügendetektortests, in deutschen Gerichtsverfahren grundsätzlich ab. Dies betrifft insbesondere Straf- und Zivilverfahren, wo er die Methode als völlig ungeeignet ansieht.

Stellen Sie sich vor, ein Schiedsrichter im Fußball müsste eine wichtige Entscheidung allein auf Basis der Herzfrequenz eines Spielers treffen, um zu beurteilen, ob dieser wirklich die Wahrheit sagt, wenn er ein Foul bestreitet. Obwohl der Spieler vielleicht aufgeregt ist und sein Herz rast, sagt dies nichts über die tatsächliche Richtigkeit seiner Aussage aus. Ähnlich komplex ist die Bewertung von körperlichen Reaktionen bei einem Lügendetektortest in einem strengen Gerichtsverfahren.

Anfangs sah der BGH in der Anwendung solcher Tests sogar einen Verstoß gegen die Menschenwürde, da sie die innersten Gedanken einer Person ausforschen könnten. Obwohl diese menschenrechtlichen Bedenken später relativiert wurden, hält der BGH an der Ablehnung fest. Er argumentiert, dass die Methode trotz hoher, teils bis zu 98,5-prozentiger Trefferquoten aus wissenschaftlicher Sicht nicht hinreichend gesichert ist, um in einem strengen Beweisverfahren vor Gericht verwendet zu werden.

Des Weiteren betont der BGH, dass das Ergebnis eines Polygraphen stets nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage liefert. Die psychologische Situation eines Angeklagten oder einer Partei ist zu komplex, als dass ein solches Gerät ihr umfassend gerecht werden könnte. Diese kritische Haltung des höchsten Gerichts dient dazu, die hohe Sicherheit und Verlässlichkeit von Beweismitteln in Gerichtsverfahren zu gewährleisten und Fehlurteile zu vermeiden.


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Was versteht man unter dem Begriff „Kindeswohl“ im Familienrecht und wie wird es geschützt?

Der Begriff „Kindeswohl“ ist im Familienrecht das oberste Ziel und der zentrale Maßstab für alle gerichtlichen Entscheidungen, die Kinder betreffen. Es geht darum, eine mögliche Gefährdung der Kinder zu klären und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen oder zu unterlassen.

Stellen Sie sich einen Schiedsrichter bei einem Fußballspiel vor. Seine oberste Aufgabe ist es, das Spiel fair zu halten und die Spieler zu schützen. Er greift nur dann mit einer roten Karte ein, wenn eine klare und erhebliche Regelverletzung vorliegt, die andere Spieler ernsthaft gefährdet, und nicht bei jedem kleinen Foul. Genauso agiert das Familiengericht zum Schutz des Kindeswohls.

Das Familiengericht muss bei der Bewertung des Kindeswohls alle Möglichkeiten nutzen, um den Sachverhalt umfassend zu erforschen. Es zieht alle vorliegenden Informationen sorgfältig in Betracht, um eine Gefahr abzuwenden oder auszuschließen. Schwerwiegende Eingriffe in das Familienleben, wie die Herausnahme eines Kindes aus dem Elternhaus, sind nur zulässig, wenn eine konkrete und gegenwärtige Gefährdung des Kindeswohls vorliegt.

Solche weitreichenden Maßnahmen werden nicht aufgrund vager Verdachtsmomente getroffen. Die Gerichte achten darauf, unnötige Trennungstraumata für die Kinder zu vermeiden, insbesondere wenn kein ausreichender Schutzbedarf nachgewiesen werden kann.

Diese Vorgehensweise sichert, dass staatliche Eingriffe in das Familienleben nur dann erfolgen, wenn dies zum Schutz der Kinder unbedingt notwendig ist.


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Welche Bedeutung haben psychologische Gutachten in der familiengerichtlichen Entscheidungsfindung?

Psychologische Gutachten sind für Familiengerichte ein entscheidendes Hilfsmittel, um komplexe Situationen, insbesondere die psychische Lage von Kindern und Eltern sowie deren Beziehungsgeflechte, umfassend zu verstehen. Sie dienen dazu, dem Gericht die notwendigen Informationen für eine fundierte Entscheidung im Sinne des Kindeswohls zu liefern.

Man kann sich das vorstellen wie einen erfahrenen Detektiv, der in einem verworrenen Fall Licht ins Dunkel bringt. Der Gutachter sammelt und bewertet psychologische Hinweise, die das Gericht selbst nicht erkennen könnte, um ein vollständiges Bild der Familienverhältnisse zu erhalten.

Ein psychologischer Sachverständiger ist ein neutraler Experte, der das Gericht dabei unterstützt, den Sachverhalt in Kindersachen von sich aus umfassend zu erforschen. Dies ist Teil des sogenannten Amtsermittlungsgrundsatzes. Solche Gutachten helfen, die Erziehungsfähigkeit der Eltern, die Bindungsverhältnisse der Kinder und deren eigenen Willen einzuschätzen. Auch die Glaubwürdigkeit von Aussagen, besonders bei Kindern, lässt sich so besser bewerten, da Kinder in sensiblen Fällen von Loyalitätskonflikten oder Beeinflussung betroffen sein können. Das Gericht berücksichtigt die Erkenntnisse aus dem Gutachten als wichtige Informationsquelle für seine Wahrheitsfindung. Es folgt den Empfehlungen des Gutachtens jedoch nicht blind, sondern wägt sie sorgfältig mit allen anderen vorliegenden Informationen ab.

Der übergeordnete Zweck dieser Gutachten ist es, das Kindeswohl bestmöglich zu schützen und gleichzeitig unnötige Eingriffe in das Familienleben zu vermeiden.


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Inwiefern unterscheidet sich die Beweiswürdigung in Kindschaftssachen von der in Straf- oder Zivilverfahren?

Die Beweiswürdigung in Kindschaftssachen unterscheidet sich grundlegend von der in Straf- oder Zivilverfahren, da hier nicht der sogenannte „Strengbeweis“, sondern der „Freibeweis“ gilt. Dies bedeutet, dass das Gericht in Kindschaftssachen bei der Sachverhaltsaufklärung deutlich freier ist.

Stellen Sie sich vor, man spielt zwei unterschiedliche Spiele. Im einen (Straf- oder Zivilverfahren) gibt es sehr strenge Regeln, wie man Punkte erzielt – nur ganz bestimmte Aktionen zählen als Treffer und müssen formal bewiesen werden. Im anderen Spiel (Kindschaftssachen) ist das oberste Ziel, die bestmögliche Lösung zu finden, und dafür dürfen deutlich mehr Wege und Hilfsmittel genutzt werden, solange sie zielführend sind.

Im „Strengbeweis“, wie er in Straf- und Zivilverfahren zur Anwendung kommt, dürfen bestimmte Tatsachen nur mit genau definierten Beweismitteln wie Zeugen, Urkunden oder Gutachten und unter strengen Regeln nachgewiesen werden. Im Strafrecht gilt beispielsweise der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“, was bedeutet, dass bei verbleibenden Zweifeln eine Freisprechung erfolgen muss. Hier geht es oft um Schuldzuweisung oder die Verteilung von Beweislasten.

Demgegenüber herrscht im Familienrecht der „Freibeweis“. Das Gericht ist hier viel freier in der Wahl seiner Erkenntnisquellen und kann alle Mittel einsetzen, die es für die umfassende Aufklärung des Sachverhalts für notwendig hält. Es ermittelt den Sachverhalt von sich aus (Amtsermittlungsgrundsatz).

Dieser Unterschied begründet sich in den abweichenden Zielen der Verfahren: Im Familienrecht steht der Schutz des Kindeswohls im Vordergrund, nicht die Zuweisung von Schuld oder das strenge Einhalten von Beweislasten.


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Unter welchen Voraussetzungen greifen staatliche Behörden wie das Jugendamt in das Familienleben ein?

Staatliche Behörden wie das Jugendamt dürfen nur unter sehr strengen Voraussetzungen in das Familienleben eingreifen, da das Elternrecht durch das Grundgesetz besonders geschützt ist und als vorrangig gilt. Ein Eingriff ist lediglich dann zulässig, wenn eine konkrete und erhebliche Kindeswohlgefährdung vorliegt. Dies bedeutet, dass eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefahr für das körperliche, seelische oder geistige Wohl eines Kindes bestehen muss.

Man kann sich das Vorgehen vorstellen wie einen besonders vorsichtigen Schiedsrichter bei einem Spiel: Er greift nur dann aktiv ein und unterbricht das Spiel mit einer schwerwiegenden Entscheidung, wenn klare Regeln gebrochen werden und eine Gefahr für die Spieler besteht. Zuerst versucht das Jugendamt, die Eltern durch Beratung und die Vermittlung von Hilfsangeboten dazu zu bewegen, freiwillig Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ziel ist es, die Situation innerhalb der Familie zu verbessern, ohne dass staatliche Maßnahmen erzwungen werden müssen.

Erst wenn diese freiwilligen Bemühungen scheitern oder eine akute, nicht anders abwendbare Gefahr für das Kind besteht, wird das Familiengericht eingeschaltet. Dieses prüft den Fall dann umfassend und objektiv. Schwerwiegende Maßnahmen wie der teilweise oder vollständige Entzug der elterlichen Sorge oder die Herausnahme eines Kindes aus der Familie sind dabei immer das letzte Mittel. Sie werden nur ergriffen, wenn es keine milderen Wege gibt, um das Kindeswohl zu sichern, und niemals aufgrund vager Verdachtsmomente oder bloßer Mutmaßungen. Diese Regelung schützt das Vertrauen in die Familie und gewährleistet, dass staatliche Eingriffe nur zum Schutz des Kindeswohls erfolgen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Amtsermittlungsgrundsatz

Der Amtsermittlungsgrundsatz besagt, dass ein Gericht den Sachverhalt in bestimmten Verfahren, wie Familiensachen, von sich aus umfassend erforschen muss und nicht nur auf die Beweise der Parteien angewiesen ist. Diese Regelung stellt sicher, dass das Gericht alle relevanten Informationen aktiv zusammenträgt, um eine gerechte und fundierte Entscheidung zu treffen, insbesondere wenn es um den Schutz besonders schutzbedürftiger Personen wie Kinder geht. Der Zweck ist es, die Wahrheit bestmöglich zu ermitteln, auch wenn die beteiligten Parteien möglicherweise nicht alle notwendigen Beweise vorlegen.

Beispiel: Im vorliegenden Fall beauftragte das Familiengericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes eigeninitiativ eine Psychologin mit der Erstellung eines Gutachtens, um eine mögliche Kindeswohlgefährdung umfassend zu untersuchen, und wartete nicht auf entsprechende Anträge des Vaters oder des Jugendamtes.

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Freibeweis

Der Freibeweis ist ein Beweisgrundsatz im deutschen Recht, der dem Gericht erlaubt, bei der Sachverhaltsaufklärung alle für die Wahrheitsfindung nützlichen Erkenntnisquellen zu nutzen und diese frei zu würdigen. Im Gegensatz zum Strengbeweis, der nur bestimmte Beweismittel unter strengen Regeln zulässt, ermöglicht der Freibeweis dem Gericht, sich ein umfassendes Bild zu verschaffen. Dieser Grundsatz findet Anwendung in Verfahren, bei denen es vorrangig um die Sachaufklärung und die bestmögliche Entscheidung im Interesse Dritter (z.B. Kinder) geht, und nicht um die formale Beweisführung von Schuld oder Anspruch.

Beispiel: Das Familiengericht konnte im Fall des Familienvaters den umstrittenen Polygraphen als Beweismittel heranziehen, weil es in Kindschaftssachen dem Freibeweis und nicht dem strengeren Strengbeweis unterliegt, wodurch es freier in der Wahl seiner Erkenntnisquellen war.

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In dubio pro reo

Der lateinische Rechtsgrundsatz „In dubio pro reo“ bedeutet „Im Zweifel für den Angeklagten“ und besagt, dass ein Angeklagter freizusprechen ist, wenn nach der Beweisaufnahme noch vernünftige Zweifel an seiner Schuld bestehen. Dieser Grundsatz ist ein zentrales Element des Strafrechts und dient dem Schutz des Beschuldigten vor einer ungerechtfertigten Verurteilung. Er betont, dass die Beweislast allein bei der Staatsanwaltschaft liegt und der Angeklagte seine Unschuld nicht beweisen muss.

Beispiel: Das Familiengericht betonte, dass der Grundsatz „In dubio pro reo“ im Strafverfahren gilt, nicht aber im Familienrecht, wo es vorrangig um den Schutz des Kindeswohls geht und das Gericht aktiv alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung nutzen muss, anstatt bei Zweifeln untätig zu bleiben.

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Kindeswohlgefährdung

Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefahr für das körperliche, seelische oder geistige Wohl eines Kindes besteht, die die Eltern nicht abwenden können oder wollen. Dieser Begriff ist der zentrale Maßstab im Familienrecht, anhand dessen staatliche Stellen wie das Jugendamt oder das Familiengericht eingreifen dürfen, um Kinder vor Schaden zu schützen. Eingriffe in die elterliche Sorge sind jedoch immer das letzte Mittel und nur zulässig, wenn die Gefährdung erheblich und nicht anders abwendbar ist.

Beispiel: Die ursprüngliche Anzeige beim Jugendamt und das auffällige Verhalten der Tochter ließen eine mögliche Kindeswohlgefährdung vermuten und veranlassten das Familiengericht dazu, den Fall umfassend zu untersuchen, um zu klären, ob ein Eingreifen zum Schutz der Kinder notwendig war.

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Strafbefehl

Ein Strafbefehl ist eine schriftliche Anordnung des Gerichts in einem Strafverfahren, mit der eine Strafe ohne vorherige mündliche Verhandlung gegen einen Beschuldigten festgesetzt wird. Er wird in der Regel bei leichteren oder mittelschweren Delikten erlassen, wenn der Sachverhalt klar ist und der Beschuldigte keine oder eine geringe Vorstrafe hat. Der Beschuldigte hat die Möglichkeit, Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen; tut er dies nicht oder zieht er den Einspruch zurück, wird der Strafbefehl rechtskräftig und steht einem Urteil gleich, ohne dass es zu einer Beweisaufnahme vor Gericht kommt.

Beispiel: Gegen den Familienvater war ein Strafbefehl wegen sexueller Belästigung ergangen, der eine Freiheitsstrafe vorsah. Da er seinen Einspruch zurückzog, fand keine öffentliche Beweisaufnahme statt, was dazu führte, dass der konkrete Sachverhalt der Vorwürfe im Strafverfahren gerichtlich ungeklärt blieb und das Familiengericht eigene Ermittlungen anstellte.

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Strengbeweis

Der Strengbeweis ist ein Beweisgrundsatz im deutschen Recht, der vorschreibt, dass bestimmte, besonders wichtige Tatsachen nur durch genau definierte Beweismittel und unter strikten prozessualen Regeln nachgewiesen werden dürfen. Dieser Grundsatz gilt hauptsächlich in Straf- und Zivilverfahren, wo es um die Klärung von Schuld oder Ansprüchen geht und die Rechtsfolgen für die Beteiligten oft sehr weitreichend sind. Er dient der Rechtssicherheit und der Vermeidung von Fehlurteilen, indem er die Verwertbarkeit von Beweismitteln begrenzt.

Beispiel: Der Bundesgerichtshof hatte die Verwendung von Lügendetektortests als Beweismittel im Rahmen des Strengbeweises, der in Straf- und Zivilverfahren gilt, als „völlig ungeeignet“ abgelehnt, weil die wissenschaftliche Sicherung der Methode nicht ausreichte.

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Verfahrensbeiständin

Eine Verfahrensbeiständin, oft auch als „Anwältin des Kindes“ bezeichnet, ist eine Person, die in familiengerichtlichen Verfahren die Interessen des Kindes vertritt und als dessen Sprachrohr gegenüber dem Gericht fungiert. Ihre Aufgabe ist es, dem Kind eine Stimme zu geben, seine Wünsche und Bedürfnisse zu ermitteln und diese unabhängig von den Elterninteressen dem Gericht mitzuteilen. Sie soll sicherstellen, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt des Verfahrens steht und das Kind in der oft komplexen gerichtlichen Umgebung angemessen gehört und geschützt wird.

Beispiel: Für die Tochter des Familienvaters wurde eine Verfahrensbeiständin bestellt, die ihre Interessen im Rahmen der Untersuchung einer möglichen Kindeswohlgefährdung vertrat und dem Gericht half, die Perspektive des Mädchens zu verstehen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Kindeswohlgefährdung und staatliches Wächteramt (§ 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB))
    Wenn das körperliche, seelische oder geistige Wohl eines Kindes erheblich gefährdet ist und die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, darf der Staat zum Schutz des Kindes eingreifen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Familiengericht musste prüfen, ob die Gefahr eines sexuellen Missbrauchs durch den Vater das Kindeswohl der Tochter so erheblich gefährdete, dass ein Eingreifen des Staates nötig war.
  • Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG))
    Das Familiengericht muss in Kindschaftssachen den Sachverhalt von sich aus vollständig und umfassend erforschen und alle dafür nötigen Beweise erheben.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Grundsatz verpflichtete das Gericht, aktiv zu werden und umfassende Ermittlungen einzuleiten, um die Wahrheit über die Vorwürfe gegen den Vater herauszufinden und nicht nur auf die Beweise der Parteien zu warten.
  • Freibeweisgrundsatz im Familienrecht (im Kontext von § 26 FamFG)
    Im Familienrecht darf das Gericht zur Wahrheitsfindung alle Mittel nutzen, die es zur Aufklärung des Sachverhalts für geeignet hält, auch wenn diese in anderen Rechtsbereichen nicht zulässig wären.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Grundsatz ermöglichte es dem Familiengericht, das Ergebnis des Polygraphen als ergänzendes Beweismittel heranzuziehen, obwohl der Bundesgerichtshof diese Methode in Straf- und Zivilverfahren ablehnt.
  • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz / Erforderlichkeit von Maßnahmen (§ 1666 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB))
    Eingriffe in die elterliche Sorge sind nur zulässig, wenn sie zum Schutz des Kindeswohls unbedingt notwendig sind und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht durfte nur dann in die Familie eingreifen, wenn der Verdacht der Kindeswohlgefährdung so schwerwiegend und konkret war, dass eine Trennung der Kinder vom Vater gerechtfertigt gewesen wäre, was hier nicht der Fall war.

Das vorliegende Urteil


AG Schwäbisch Hall – Az.: 2 F 150/20 – Beschluss vom 25.10.2021


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