AG Karlsruhe, Az.: 6 F 376/12
Beschluss vom 26.08.2014
1. Der Versäumnisbeschluss des Familiengerichts Karlsruhe vom 03.04.2013 wird aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Verfahrenswert wird auf 4.001,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten schlossen am 13.01.2011 vor dem türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe die Ehe. Die Beteiligten heirateten ebenfalls in einer Moschee in Karlsruhe vor dem dortigen Imam, nach Zeugen … nach islamischem Ritus. Der Ablauf dieser Zeremonie ist umstritten. Die Ehe wurde im Jahr 2012 geschieden.
Die Antragstellerin behauptet, dass sich der Antragsgegner im Zuge der religiösen Zeremonie dazu verpflichtet habe, an sie für den Fall des Scheiterns der Ehe eine so genannte Morgengabe (türkisch: mehir) in Höhe von 4.001,00 Euro zu zahlen. In der Türkei sei diese ein wichtiger Bestandteil der Eheschließung und werde als solcher schriftlich festgehalten. Vorliegend sei die Urkunde von dem Imam selbst und von drei Zeugen unterschrieben worden. Die Beteiligten seien die Vereinbarung mit dem festen Willen eingegangen, dass diese auch rechtswirksam und durchsetzbar sein sollte. Hierbei müsse beachtet werden, dass die Vereinbarung der Morgengabe nach dem vor staatlichen Gerichten nicht anwendbaren islamischen Recht verbindlich und nach Unterschrift durch die Zeugen auch wirksam sei. Für beiden Beteiligten sei als gläubigen Muslimen der religiöse Zusammenhang ihrer Eheschließung von großer Bedeutung gewesen.
Die Antragstellerin beruft sich für ihre Behauptung auf eine von ihr vorgelegte schriftliche Vereinbarung. Wegen des Inhalts wird auf die bei der Akte befindliche Kopie verwiesen.
Nach Vorlage des Sachverständigengutachtens, in welchem auf die Nichteinhaltung der Schriftform hingewiesen wurde, hat die Antragstellerin ihren Vortrag wie folgt ergänzt: Der Zeuge … und die anderen anwesenden Zeugen hätten die Urkunde im Auftrag und in Vertretung der Eheleute unterzeichnet. Die Antragstellerin beantragt, sowohl den Zeugen … als auch die drei Trauzeugen für diese Behauptung als Zeugen zu vernehmen. Daraus, dass nach Anfertigung der Urkunde die Eheleute zunächst ausdrücklich um Zustimmung gebeten worden seien und diese erteilt hätten, worauf die Unterschriften erst anschließend erfolgt seien, ergebe sich die Tatsache der Vollmachterteilung. Ausdrücklich sei auch nach der Zustimmung zur Morgengabe gefragt worden.
Weiter behauptet die Antragstellerin, dass die Zeugen bei einer Vermählung nach muslimischem Ritus auch und gerade im Hinblick auf eine Brautgeldvereinbarung stets auf Geheiß oder im Auftrag des jeweiligen Ehegatten unterschrieben. Sie beantragt zum Beweis dieser Tatsache die Vernehmung des Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime in Köln.
Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie einen Betrag von 4.001,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das Gericht hat den Antragsgegner durch Versäumnisbeschluss vom 03.04.2013 antragsgemäß zu der Zahlung von 4.001,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2013 verpflichtet. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 12.06.2013 zugestellt. Der Antragsgegner hat hiergegen am 13.06.2013 Einspruch eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt nun, den Versäumnisbeschluss aufrecht zu erhalten.
Der Antragsgegner beantragt, den Versäumnisbeschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner bestreitet, eine Morgengabe mit der Antragstellerin vereinbart zu haben. Er habe das von der Antragstellerin vorgelegte Dokument nun zum ersten Mal gesehen. Seine Ehe sei nach dem türkischen Zivilgesetzbuch geschlossen worden und nur danach zu beurteilen. Hätte er eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben wollen, so hätte er auch unschwer persönlich unterschreiben können. Dies habe er jedoch gerade nicht gewollt. Keineswegs habe er eine dritte Person eine Vollmacht erteilt, für ihn im Zuge der Eheschließung eine Vereinbarung zu treffen.
Die vorgelegte Kopie der Morgengabevereinbarung wurde in Augenschein genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … sowie durch Einholung eines Rechtsgutachtens über das streitentscheidende Recht der Republik Türkei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Vernehmungsprotokoll vom 31.10.2013 und das bei der Akte befindliche Sachverständigengutachten.
II.
Der Einspruch gegen den Versäumnisbeschluss ist zulässig, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. 338 ff. ZPO.
Der zulässige Antrag der Antragstellerin erweist sich als unbegründet.
Der Anspruch der Antragstellern ist nach dem Ehewirkungsstatut des Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zu beurteilen und demnach nach türkischem Zivilrecht. Denn beide Ehegatten sind türkische Staatsangehörige.
Zur Überzeugung des Gerichts sind jedoch die Voraussetzungen einer wirksamen Vereinbarung über die Morgengabe nicht dargetan.
Der aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung mit dem türkischen Zivilrecht vertraute und als Rechtsgutachter erfahrene Sachverständige hat ausgeführt, dass die Ehegatten nach dem türkischen materiellen Recht (Art. 193 des türkischen Obligationengesetzbuches mit der Nr. 6098) befugt seien, Rechtsgeschäfte miteinander einzugehen. Sie könnten auch eine Morgengabe wirksam vereinbaren. Es sei dann zu prüfen, ob eine solche Verpflichtung nach Art. 26, 27 des türkischen Obligationengesetzbuches gültig sei. Es bedürfe nach türkischem Eheschließungsrecht nicht zwingend der Vereinbarung einer Morgengabe, was beiden Ehegatten in der Regel bekannt sei. Werde eine solche vereinbart, so sei diese i.d.R. als Schenkungsversprechen auszulegen, welches der andere Ehegatte annehme. Nach türkischem Recht genüge hierfür eine schriftliche Vereinbarung ohne notarielle Beurkundung (s. auch Öztan, FamRZ 1998, 625). Nach der Rechtsprechung des türkischen Kassationshofes könne eine Morgengabe grundsätzlich rechtlich wirksam vereinbart werden, diese sei somit nicht gesetzes- oder sittenwidrig. Es handele sich um eine Schenkung, die unter der aufschiebenden Bedingung der Ehescheidung stehe mit der Folge, dass die Zahlung erst mit der Ehescheidung fällig werde. Das Erfordernis der Schriftform gehe aus Art. 288 des türkischen Obligationengesetzbuches hervor. Vorliegend sei das Schenkungsversprechen nicht von den Parteien unterschrieben worden; insbesondere fehle die Unterschrift des Antragsgegners. Aus diesem Grund sei das Schenkungsversprechen unwirksam. Nur für den Fall, dass eine Bevollmächtigung in dem Sinne erfolgt wäre, dass der Zeuge … in Vertretung des Antragsgegners das Dokument unterschrieben habe, wäre die Erklärung dem Antragsgegner zuzurechnen. Weder sei jedoch (zum Zeitpunkt der Begutachtung) Entsprechendes von der Antragstellerin vorgetragen worden, noch habe der Zeuge … in seiner Aussage Entsprechendes geäußert.
Das Gericht hat keinen Anlass, an den Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln. Die Beteiligten haben keine Einwände hiergegen vorgebracht.
Die Wirksamkeit der Vereinbarung scheitert daran, dass sie nicht durch die Beteiligten selbst in der vorgeschriebenen Schriftform unterzeichnet ist. Es ist auch keine Heilung dieses Formmangels eingetreten. Das Gericht folgt nicht der antragstellerischen Auffassung, wonach aus den Erklärungen der Beteiligten in Verbindung mit den Gesamtumständen die – nach türkischem Recht grundsätzlich mögliche – Bevollmächtigung schlüssig hervorgehe. Die Erteilung der Vollmacht kann nicht im Wege der Auslegung den durch die Beteiligten in der Zeremonie erklärten Zustimmungserklärungen entnommen werden.
Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach den §§ 133, 157 BGB in der Weise auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Es dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, welche bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Entscheidend ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden. Ausgehend von dem Wortlaut, ist so der Erklärungsgehalt unter Berücksichtigung der Begleitumstände, der Interessenlage und der Verkehrssitte zu ermitteln (Palandt, Kommentar zum BGB, 73. Aufl. 2014, § 133 Rn. 9, 14 ff. m.w.N.).
Vorliegend kann dem Wortlaut, nämlich der einfachen Zustimmungsbekundung gegenüber den Treuzeugen und dem Zeugen … als Imam, kein weiterführender Inhalt entnommen werden. Es ergibt sich hieraus (nur) der Wille, das vorliegende Schriftstück abzuschließen. Das Ergebnis einer Bevollmächtigung könnte daher nur in Zusammenschau dieser Erklärung mit den Gesamtumständen, den herrschenden Gepflogenheiten und der Interessenlage der Beteilten erzielt werden. Entscheidend bleibt jedoch, wie die Erklärungsadressaten, nämlich die Trauzeugen und der Imam, die Erklärung objektiv verstehen konnten. Ein eindeutiger Erklärungsinhalt, wonach sie ohne ausdrückliche Erklärung als Bevollmächtigte eingesetzt werden sollten, ergab sich jedoch für diese nicht. Es spricht nichts dafür, dass eine mögliche Stellvertretung Inhalt der vorbereitenden Gespräche gewesen wäre. Zudem wäre die Bevollmächtigung einer anwesenden Person unter normalen Umständen sinnlos, könnte doch der Vollmachtgeber selbst die Unterschrift leisten. Ein Auftreten als Stellvertreter entspricht auch – soweit ersichtlich – nicht der Funktion der Trauzeugen und des Imam im religiösen Ritus. Letzterer nimmt die fremden Erklärungen auf und legt sie schriftlich nieder, während die übrigen Personen – wie bereits aus ihrer Bezeichnung hervorgeht – fremdes Handeln bezeugen sollen. Begrifflich steht dies im Gegensatz zur Stellvertretung. Die durch die Antragstellerin erstmals im abschließenden Termin geäußerte Behauptung, wonach im islamischen Kulturkreis Trauzeugen stets als Vertreter der Eheleute handeln, ist ohne weitere Begründung eine Behauptung „ins Blaue hinein“, welcher das Gericht nicht nachgehen muss. Hierfür spricht auch nichts in der Aussage des Zeugen …, welcher in seiner ausführlichen Beschreibung des Ritus lediglich ausgesagt hat, dass die Brautleute die Anfertigung der Urkunde mitverfolgen könnten und nach ihrem Einverständnis mit dem Inhalt befragt würden, worauf die Zeugen die Unterschrift leisteten. Beschränkt sich jedoch nach islamischer Sitte die Mitwirkung der Zeugen darauf, fremde Erklärungen zu attestieren, so konnten sie sich nicht als Adressaten einer Vollmacht verstehen. Der möglicherweise vorhandene (und erkennbare) Rechtsbindungswille der Beteiligten kann nach alledem zu keinem abweichenden Auslegungsergebnis führen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Verfahrenswerts aus § 35 FamGKG. Die durch die Säumnis veranlassten Kosten sind nicht nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 344 ZPO dem Antragsgegner aufzuerlegen. Denn der Versäumnisbeschluss ist trotz Unschlüssigkeit des Antrags ergangen (s. Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl. 2014, § 344 Rn. 1 m.w.N.).