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Nutzungsvergütungsanspruch nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB

OLG Frankfurt – Az.: 6 UF 174/21 – Beschluss vom 13.12.2021

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert. Die Beschwerdeführerin wird unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen verpflichtet, an den Beschwerdegegner 5.135,- Euro als Nutzungsvergütung für die Zeit vom 1.10.2020 bis zum 24.08.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000,- Euro festgesetzt.

Die Verfahrenskostenhilfegesuche der Beteiligten für die zweite Instanz werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Entscheidung, mit der sie zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die frühere Ehewohnung der Beteiligten verpflichtet wurde.

Die Beteiligten waren verheiratet. Aus der Ehe sind die dreizehn, elf und sieben Jahre alten Kinder A, C und B hervorgegangen. Die Familie lebte in einer im Alleineigentum des Beschwerdegegners stehenden Wohnung mit 82 qm Wohnfläche. Die Beschwerdeführerin war Hausfrau. Der Beschwerdegegner ist berufstätig. Im vorliegenden Verfahren gibt er sein Nettoeinkommen mit 2.100,- € an. In einem zwischen den Beteiligten geführten Unterhaltsverfahren hat er 2.400,- € angegeben. Der Beschwerdegegner bezahlt auf einen zur Finanzierung des Kaufs der Ehewohnung aufgenommenen Kredit monatlich 944,35 € und an die Wohnungseigentümergemeinschaft monatlich 354,06 € Hausgeld.

In dem Verfahren … hat das Amtsgericht die Ehewohnung der Beschwerdeführerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen und den Beschwerdegegner zum Auszug bis zum 31.08.2020 verpflichtet, weil das zum Schutz der Kinder vor einem wesentlich durch den Beschwerdegegner verursachten Loyalitätskonflikt in einem schon lange anhaltenden Trennungsstreit geboten erschien. Die Beschwerdeführerin bewohnt die Ehewohnung seitdem mit den Kindern. Der Haushalt lebt von Leistungen nach dem UVG und dem SGB II. Der Beschwerdegegner bezahlt weder Kindes- noch Trennungsunterhalt. Er wird von der Beschwerdeführerin in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht (…) auf Zahlung des Mindestunterhalts für die Kinder in Anspruch genommen, wegen des Leistungsübergangs auf Sozialleistungsträger aber erst ab dem Monat, der auf den Schluss der noch anstehenden mündlichen Verhandlung folgt.

Mit Schreiben vom 11.09.2020 hat der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin auffordern lassen, ihm das Hausgeld zu erstatten. Im Übrigen behielt er sich vor, eine Nutzungsentschädigung für die Wohnung geltend zu machen, wenn von ihm Unterhalt gefordert würde. Der Stufenantrag im Unterhaltsverfahren ist am 21.09.2020 bei dem Amtsgericht eingegangen.

Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdegegner mit der Beschwerdeführerin im Februar 2021 zugegangenem Antrag unter Berufung auf sein Eigentum und die Tragung der Kreditlasten ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 984,- € zuzüglich 354,06 € Nebenkosten erstrebt. Die Beschwerdeführerin ist dem Antrag entgegengetreten. Die Festsetzung einer Nutzungsentschädigung entspreche nicht der Billigkeit, weil sie mittellos sei und der Beschwerdegegner keinen Unterhalt bezahle. Ein von den Beteiligten abgeschlossener Widerrufsvergleich, wonach die Beschwerdeführerin auf die Geltendmachung von Unterhalt auch für die Kinder und der Beschwerdegegner auf Nutzungsentschädigung verzichtete, ist am Widerspruch der Unterhaltsvorschusskasse gescheitert.

Das Amtsgericht hat die Beschwerdeführerin verpflichtet, an den Beschwerdegegner monatlich 1.094,14 € Nutzungsentschädigung zu zahlen. Der Betrag errechnet sich aus einer Kaltmiete von 820,- € und dem um die Instandhaltungsrücklage geminderten Hausgeld (354,06 € – 79,92 €= 274,14 €).

Die Beteiligten sind seit dem 24.08.2021 rechtskräftig geschieden. Der Scheidungsantrag war der Beschwerdeführerin am 30.09.2020 zugestellt worden.

Mit der am 16.09.2021 eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 16.08.2021 zugestellten Beschluss erstrebt die Beschwerdeführerin die Abweisung des Antrags. Die Wohnung sei ihr wegen des höchst belastenden Verhaltens des Beschwerdegegners zugewiesen worden. Das Amtsgericht habe im ersten Jahr nach der Trennung nicht auf den objektiven Mietwert abstellen dürfen. Sie könne keine Nutzungsentschädigung bezahlen, weil sie von dem Beschwerdegegner für die Kinder und sich keinen Unterhalt erhalte.

Der Beschwerdegegner verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Ihm stehe eine Nutzungsentschädigung schon deshalb zu, weil er Eigentümer der Wohnung sei. In Anbetracht seines Einkommens und der Belastung mit den Kreditraten und dem Hausgeld sei er auf einen Beitrag der Beschwerdeführerin angewiesen.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

Im Ausgangspunkt kann ein Ehegatte, der dem anderen die Ehewohnung im Zuge der Trennung überlassen hat, gemäß § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit die der Billigkeit entspricht. Bei der Billigkeitsabwägung sind u.a. die dingliche Berechtigung an der, die ortsübliche Miete für die Wohnung, die Tragung von Finanzierungslasten und Nebenkosten, die Dauer der Trennung, Unterhaltspflichten, die Bedeutung, die der Wohnwert in diesem Zusammenhang erlangt hat, sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen (vgl. Splitt, Die Vergütung für die Nutzung der Ehewohnung während des Getrenntlebens, FF 2020, 92, 93ff; Staudinger/Voppel (2018) § 1361b BGB Rn. 76 ff.). In der Regel entspricht eine Nutzungsvergütung billigem Ermessen, wenn der dinglich an der Wohnung berechtigte Ehegatte die Wohnung verlässt (BGH FamRZ 2006, 930, 934). Das gilt auch dann, wenn die Wohnung von dem darin verbliebenen Ehegatten mit gemeinsamen Kindern genutzt wird (OLG Bremen NZM 2010, 526). Der Anspruch auf Nutzungsvergütung ist ein verhaltener Anspruch, der nach allgemeiner Auffassung und ständiger Rechtsprechung der Oberlandesgerichte durch eine eindeutige bezifferte Zahlungsaufforderung aktiviert werden muss (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.05.2012, 4 UF 14/12, juris Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2018, 8 UF 35/18, Rn. 11 – juris; JHA/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, BGB § 1361b Rn. 35; und Palandt/Götz, 80. Aufl. 2021, Rn. 23 zu § 1361b BGB, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Nach der Zahlungsaufforderung kann dem die Ehewohnung nutzenden Ehegatten im Einzelfall noch eine gewisse Bedenkzeit zugebilligt werden.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde erlangen im vorliegenden Fall die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin keine entscheidende Bedeutung. Die Beschwerdeführerin bezieht Leistungen nach dem SGB II. Der durch diese Leistungen zu deckende Bedarf umfasst gemäß § 22 SGB II auch die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Im Rahmen der Angemessenheit und unter der Voraussetzung, dass sie nur für die Überlassung von Wohnraum zu zahlen ist, zählt auch eine Nutzungsvergütung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB zu dem von dem Leistungsträger zu erstattenden Unterkunftsbedarf (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS13/14 R, juris Rn. 21). Es wäre daher an der Beschwerdeführerin gewesen, den Sozialleistungsträger über die Nutzung der dem Beschwerdegegner gehörenden Wohnung und die Möglichkeit der Forderung nach einer Nutzungsentschädigung zu informieren und vorsorglich entsprechende Leistungen zu beantragen.

Dass der Beschwerdegegner bislang noch keine Zahlungen auf den Kindesunterhalt erbracht hat, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Infolge der Anspruchsübergänge nach § 7 UVG und § 33 SGB II ist der Beschwerdegegner Erstattungsansprüchen der Sozialleistungsträger ausgesetzt. Eine Regelung zum Unterhalt, die den Wohnvorteil berücksichtigt, und damit die Zuerkennung einer Nutzungsentschädigung ausschließen würde, wurde bislang nicht getroffen. Die Unterhaltsvorschusskasse hat sich einer solchen Vereinbarung ausdrücklich widersetzt.

Für den Zeitraum von Oktober 2020 bis zum Zugang der Antragsschrift im vorliegenden Verfahren kann der Beschwerdegegner allerdings keine die umlagefähigen Positionen des Hausgelds übersteigende Nutzungsentschädigung beanspruchen, weil sich seine vorgerichtliche Zahlungsaufforderung auf das Hausgeld beschränkt hatte. Der bloße Vorbehalt bezüglich einer im Fall der Geltendmachung von Unterhalt zu stellenden höheren Forderung genügt für eine weitergehende Aktivierung des Anspruchs aus § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nicht, weil es an der Eindeutigkeit, wie der Bezifferung der Forderung, fehlt. Das an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlende Hausgeld enthält zum überwiegenden Teil Kosten für Leistungen, die üblicherweise auf einen Mieter umgelegt werden. Es ist anerkannt, dass auch solche Kosten in die Bemessung der Nutzungsvergütung einfließen können, wenn sie von dem ausgezogenen Ehegatten allein getragen werden (Senat, Beschluss vom 17.09.2008 – 6 UFH 1/08, Rn. 4, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 07.07.2010 – 9 U 536/09 – juris; Staudinger/Voppel § 1361 b BGB Rn. 79; JurisPK-Faber, 9. Aufl., Rn. 64 zu § 1361b BGB). Das Hausgeld ist allerdings nur insoweit zu erstatten, als es Positionen umfasst, die auch auf einen Mieter umgelegt werden könnten. Es entspricht entgegen der Sicht der ersten Instanz daher nicht der Billigkeit, die Beschwerdeführerin auch mit Verwaltergebühren, Kosten der Instandhaltung, Beiratsvergütung und ähnlichen Kosten zu belasten. Nach der vorgelegten Abrechnung für 2019 fielen in diesem Jahr umlagefähige Kosten in Höhe von 2.802,34 € an. Auf dieser Grundlage setzt der Senat die monatliche Nutzungsentschädigung, soweit sie sich auf Nebenkosten bezieht, mit 240,- € an.

Für den Zeitraum nach Zugang der Antragsschrift im vorliegenden Verfahren entspricht es unter Berücksichtigung einer kurzen Bedenkzeit der Billigkeit i.S.d. § 1361 Abs. 3 S. 2 BGB, die Beschwerdeführerin ab April 2021 zu Zahlung einer Nutzungsvergütung in Höhe von (240,- € + 820, € – 286,- € =) 774,- € zu verpflichten. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht darauf berufen, dass im April 2021 das Trennungsjahr nicht abgelaufen war, und die Vergütung nur mit dem eigenangemessenen Mietwert anzusetzen wäre. Zum einen lag die Zustellung des Scheidungsantrags bereits ein halbes Jahr zurück. Zum anderen hat das Amtsgericht von der Beschwerde unbeanstandet den objektiven Mietwert mit 820,- € veranschlagt und anderweitiger Wohnraum wäre für den Vier-Personen-Haushalt der Beschwerdegegnerin im Raum Stadt1 kaum günstiger zu beschaffen. Der Senat nimmt von dem Mietwert aber einen Abzug in Höhe von 286,- € vor, weil der Beschwerdegegner den Kindern der Beteiligten in dieser Höhe durch Zurverfügungstellung seiner Wohnung bei Tragung ihrer Kosten Naturalunterhalt leistet. In einem solchen Fall kann der Kindesunterhalt um 20% des Tabellenunterhalts gekürzt werden (Wendl/Dose/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 10. Aufl., § 2 Rn. 326). Dem ist durch entsprechende Verringerung der Nutzungsentschädigung Rechnung zu tragen. Der Tabellenunterhalt für die Kinder beträgt (528,- € + 451,- € + 451,- € =) 1.430. Damit verringert sich die Nutzungsvergütung um 286,- €.

Die Nutzungsvergütung war nur bis zum 24.08.2021, dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung der Beteiligten, zuzuerkennen, denn ein Anspruch nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB besteht nur für die Dauer des Getrenntlebens. Ein etwaiger Anspruch auf Nutzungsvergütung für die Zeit ab der Scheidung ist als sonstige Familiensache nach § 111 Nr. 10 und § 266 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Familienstreitsache, und kann nicht mit dem Ehewohnungsverfahren über Ansprüche nach § 1361b BGB verbunden werden (JHA/Dürbeck BGB § 1568a Rn. 65).

Es ergibt sich damit folgende Berechnung der Nutzungsvergütung:

  • Oktober 2020 – März 2021  6 x 240,- 1.440,- €
  • April – Juli 2021 4 x 774,- 3.096,- €
  • August 2021 774,- x 24 : 31   599,- €
  • 5.135,- €

Es entspricht billigem Ermessen i.S.d. § 81 FamFG die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen gegeneinander aufzuheben.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 40 und § 48 Abs. 1 FamGKG i.V.m. § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG und § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.

Das Verfahrenskostenhilfegesuche der Beteiligten für das Beschwerdeverfahren waren zurückzuweisen. Sie haben ihre Bedürftigkeit nicht nachgewiesen, weil sie es bis zum Abschluss der Instanz versäumt haben, die mit Beschwerdebegründung und Beschwerdeerwiderung vor jeweils mehr als einem Monat angekündigten Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen.

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