AG Schöneberg, Az.: 33 M 8177/15
Beschluss vom 11.03.2016
In der Zwangsvollstreckungssache wird die Gerichtsvollzieherin auf die Erinnerung der Gläubigerin vom 22.12.2015 angewiesen, die beauftragte Räumungsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars R. K. vom 27.11.2014 UR.-Nr. …/… durchzuführen und von den Bedenken gem. Schreiben vom 21.11.2015 Abstand zu nehmen.
Gründe
I.
Die Gläubigerin ist geschiedene Ehefrau des Schuldners. Sie betreibt aufgrund einer notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung vom 27.11.2014 des Notars R. K. in Berlin (UR.-Nr. …/…) die Räumungsvollstreckung gegen den Schuldner. In der Urkunde heißt es unter anderem wie Folgt:
„Der Beteiligte zu 2. (= Schuldner) bewohnt die Ehewohnung in N. Straße, … B., allein, da die Beteiligte zu 1. (= Gläubigerin) bereits ausgezogen ist. (…). Die Ehewohnung steht im Eigentum der Beteiligten zu jeweils ½-Miteigentumsanteil und soll umgehend verkauft werden. (…) Hierbei verpflichten sich die Beteiligten untereinander, bei dem Verkauf entsprechend mitzuwirken. Der Beteiligte zu 2. verpflichtet sich gegenüber der Beteiligten zu 1., innerhalb eines Monats nach Beurkundung eines Kaufvertrages die Wohnung zu räumen. (…). Wegen seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung nach Abschluss eines Kaufvertrages unterwirft sich der Beteiligte zu 2. gegenüber der Beteiligten zu 1. der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. (…) . Bis zum endgültigen Auszug des Beteiligten zu 2. aus der Ehewohnung stellt der Beteiligte zu 2. die Beteiligte zu 1.von den vorgenannten Verbindlichkeiten uneingeschränkt frei und zahlt die laufenden Zinsen und Tilgungen allein. Sollte der Beteiligte zu 2. mit mehr als einem Monat gegenüber den Gläubigern in Rückstand bei den monatlichen Tilgungen geraten, hat der Beteiligte zu 2. die Wohnung zu räumen. Wegen seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung unterwirft sich der Beteiligte zu 2. gegenüber der Beteiligten zu 1. der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. (…)“.
Nach Verkauf der Ehewohnung im Juni 2015 erteilte der beurkundende Notar am 08.06.2015 eine einfache Klausel. Die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde wurde dem Schuldner am 08.10.2015 zugestellt.
Die von der Gläubigerin begehrte Räumungsvollstreckung stellte die Gerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 21.11.2015 einstweilen ein und führte zur Begründung aus, dass eine Räumung aus einer notariellen Urkunde in eine Wohnung nicht erfolgen könne.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Gläubigerin. Die Gerichtsvollzieherin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung der Gläubigerin ist gem. § 766 Abs. 2 ZPO zulässig und in der Sache auch begründet.
Zu Unrecht weigert sich die Gerichtsvollzieherin, die Räumungsvollstreckung auszuführen.
Die notarielle Urkunde des Notars R. K. in Berlin vom 27.11.2014 (UR.-Nr. …/…) stellt im vorliegenden Fall einen zur Räumungsvollstreckung geeigneten Titel dar, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Die vorgelegte Urkunde entspricht den formellen Erfordernissen des BeurkG und wurde über einen Anspruch errichtet, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich ist. Soweit es für die Vollstreckung bedeutsam ist, haben sich die Parteien über einen Räumungsanspruch geeinigt, der Ausfluss des Anspruchs auf Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft ist, vgl. §§ 741 ff , 1008 ff BGB, § 180 ZVG. Die Parteien sind Miteigentümer der Ehewohnung und können gem. § 749 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Aufhebung dieser Gemeinschaft verlangen. Da die Durchsetzung dieses Anspruchs auch zwangsweise über die Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG möglich ist, gibt es keinen Grund, die Durchsetzung dieses Anspruchs der privatrechtlichen Disposition zu entziehen. Entgegenstehende Regelungen aus den §§ 1363 ff, 1408 ff und §§ 1569 ff BGB ergeben sich dabei gleichfalls nicht, da der Räumungsanspruch keine Wirkungen darauf hat, wie mit der durch die Räumung (Veräußerung) verbundenen Wertschöpfung zu verfahren ist.
Darüber hinaus ist der beurkundete Anspruch auch nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet und betrifft auch nicht den Bestand eines Mietverhältnisses. Der Schuldner hält die Wohnung nicht aufgrund eines Mietverhältnisses (mit der Gläubigerin) inne, sondern aufgrund seiner Eigentümerstellung. Entsprechendes ergibt sich bereits aus der notariellen Urkunde. Dieser ist zu entnehmen, dass kein Mietverhältnis begründet werden sollte, sondern dass der Schuldner bis zu dessen Auszug die für den Eigentümer typischen Kosten, namentlich die Begleichung von Zins und Tilgung übernimmt.
Eine Auslegung der Vorschrift des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO dahingehend, dass eine Räumung von Wohnraum aufgrund einer notariellen Urkunde grundsätzlich unzulässig ist, kommt nicht in Betracht. Hierfür spricht weder der Wortlaut der Norm noch der Gesetzeszweck. Der Wortlaut des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO verbietet lediglich eine Vollstreckungsunterwerfung unter solche Ansprüche, die den Bestand eines Mietverhältnisses betreffen. Ist indes kein Mietverhältnis betroffen – wie vorliegend der Fall – bleibt eine Vollstreckungsunterwerfung zulässig, vgl. AG Ingolstadt, DGVZ 2001, S.89 f; Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd.9 , 4.Aufl., § 794 Rn. 83 m.w.N.; Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl., Bd.2, § 794 Rn.215.
Dies ist auch sachgerecht, da die gesetzliche Ausnahmevorschrift in § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO grundsätzlich eng auszulegen ist. Überdies werden durch den beurkundeten und vollstreckbaren Räumungsanspruch auch nicht die Vorschriften des sozialen Mietrechts ausgehebelt bzw. umgangen, da diese Regelungen – mangels Vorliegens eines Mietverhältnisses – überhaupt nicht zum Tragen kommen.
Da sich der Schuldner in der streitgegenständlichen Urkunde der Gläubigerin gegenüber wegen der Räumung und Herausgabe der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, liegt ein zur (Räumungs-) Vollstreckung geeigneter Titel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vor.
Darüber hinaus ist die notarielle Urkunde mit einer Vollstreckungsklausel gem. §§ 724, 725 ZPO i.V.m. § 797 Abs. 2 ZPO versehen, wie es § 750 Abs. 1 ZPO fordert. Ob die Klausel wirksam erteilt wurde und es nicht vielmehr eines Fälligkeitsnachweises bedurft hätte, so dass eine Klausel gem. § 726 ZPO hätte erteilt werden müssen, kann dahingestellt bleiben. Die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsklausel ist im Vollstreckungs- und Erinnerungsverfahren grds. nicht zu prüfen, vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2012, VII ZB 57/11. Die vorhandene Vollstreckungsklausel ist jedenfalls nicht nichtig.
Da die vollstreckbare Ausfertigung dem Schuldner am 08.10.2015 zugestellt wurde und Vollstreckungshindernisse gegenwärtig nicht ersichtlich sind, hat die Gerichtsvollzieherin den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin weiter auszuführen.
Eine Kostenentscheidung ist im einseitigen Erinnerungsverfahren, an dem der Schuldner nicht beteiligt wurde, nicht veranlasst.