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Scheitern einer Ehe bei Rücknahme eines Scheidungsantrags

Gericht lehnt Beschwerde gegen Scheidungsbeschluss ab.

Die Antragsgegnerin hat sich gegen den Scheidungsverbundbeschluss gewehrt, der die Ehe der Beteiligten auf den Antrag des Antragstellers geschieden hatte. Das Familiengericht hatte darauf hingewiesen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe und das Scheitern der Ehe unwiderleglich vermutet werde. Die Antragsgegnerin wollte die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen, aber der Antragsteller war an einer Versöhnung nicht interessiert und wollte auf jeden Fall geschieden werden. Der Senat hat die Beschwerde der Antragsgegnerin abgelehnt. Auch wenn die Vermutung für ein Scheitern der Ehe nach § 1566 Abs. 1 BGB nicht eingreifen sollte, kann die Ehe nach Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden, wenn eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Der Antragsteller hatte seine Einwilligung zur Rücknahme des Scheidungswiderantrages nicht erklärt. Im Ergebnis war die Ehe der Beteiligten zu Recht geschieden worden. Der Senat hat entschieden, dass die Kosten der Antragsgegnerin auferlegt werden. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

KG Berlin – Az.: 16 UF 65/22 – Beschluss vom 18.07.2022

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 18. März 2022 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Pankow – 28 F 4701/21 – wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 10.000 € zurückgewiesen.

Gründe

I.

Scheitern einer Ehe bei Rücknahme eines Scheidungsantrags
(Symbolfoto: zimmytws/Shutterstock.com)

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den am 18. März 2022 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss, mit dem die Ehe der Beteiligten auf den vom Antragsteller angebrachten Antrag geschieden und hinsichtlich des Versorgungsausgleichs ausgesprochen wurde, dass dieser aufgrund einer von den Beteiligten am 21. Januar 2022 zu Protokoll des Familiengerichts erklärten wechselseitigen Verzichtsvereinbarung nicht stattfindet.

Zur Begründung der in der Ehesache ergangenen Entscheidung hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Beteiligten seit spätestens Oktober 2020 – seinerzeit hat der Antragsteller die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung „herausgeworfen“ – nicht mehr bestehe und nach dem Gesetz das Scheitern der Ehe unwiderleglich vermutet werde. Denn die Ehegatten lebten nicht nur länger als ein Jahr getrennt voneinander, sondern die Antragsgegnerin habe einen eigenen Scheidungs- (wider-) antrag angebracht.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels verweist die Antragsgegnerin darauf, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen möchte und darauf hoffe, dass der Antragsteller sein Scheidungsverlangen, nachdem er von ihrem Wunsch Kenntnis erlangt habe, fallen lasse.

Der Antragsteller verteidigt die ergangene Entscheidung. Er weist darauf hin, dass er an einer Versöhnung nicht interessiert sei, sondern auf jeden Fall geschieden werden wolle; die Antragsgegnerin wisse das auch.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 16. Juni 2022 darauf hingewiesen, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll und ihnen eine Frist zum abschließenden Vortrag gesetzt. Stellungnahmen sind nicht eingegangen.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; insbesondere wurde sie fristgerecht angebracht und ordnungsgemäß begründet (§§ 58, 63 Abs. 1, 64, 117 Abs. 1 FamFG).

2. In der Sache selbst erweist sich das Rechtsmittel der Antragsgegnerin dagegen als nicht begründet. Denn auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevortrags gibt es gegen den Scheidungsbeschluss des Familiengerichts nichts zu erinnern:

a) Nach dem Gesetz (Art. 8 lit a Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts; § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB) kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Das Scheitern der Ehe wird unwiderleglich vermutet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen (§ 1566 Abs. 1 BGB).

b) (aa) Dieser Fall liegt hier vor: Beide Beteiligten haben jeweils schriftsätzlich vorgetragen, dass sie seit spätestens Oktober 2020 in unterschiedlichen Wohnungen voneinander getrennt leben. In den familiengerichtlichen Anhörungsterminen vom 21. Januar 2022 bzw. vom 18. Februar 2022 haben beide Beteiligten diese Angabe nochmals ausdrücklich bestätigt; die Antragsgegnerin hat dazu präzisiert, dass der Antragsteller sie im Verlauf des Oktobers 2020 aus der früheren Ehewohnung „herausgeworfen“ habe. Über die mindestens einjährige Trennung hinaus – tatsächlich hält die Trennung der Ehegatten heute bereits seit einem Jahr und neun Monaten an – haben beide Beteiligten jeweils auch die Scheidung ihrer Ehe beantragt: Eingeleitet wurde das Verfahren durch den Scheidungsantrag des Antragstellers vom 16. August 2021, an dem dieser, wie sein Schriftsatz vom 14. Juni 2022 zeigt, bis heute unverändert festhält. Unter dem 21. September 2021 hat die Antragsgegnerin ihrerseits – als Widerantrag – die Scheidung der Ehe begehrt. Diesen Antrag hat sie im Termin vom 21. Januar 2022, wie die Antragstellung ihres Verfahrensbevollmächtigten zeigt, erneut bekräftigt. Zwar hat sie in ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 18. März 2022 erklärt, ihre Meinung geändert zu haben und keine Scheidung mehr zu wollen; ihren Scheidungswiderantrag hat sie zurückgenommen. Aber die Rücknahme ihres Scheidungsantrages ist nicht wirksam geworden (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 4 ZPO): Denn nachdem die Beteiligten im Termin vom 21. Januar 2022 bereits über den Antrag und den Widerantrag mündlich verhandelt haben (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 137 Abs. 1 ZPO), konnte die Rücknahme des Scheidungswiderantrages nur nach erfolgter Einwilligung des Antragstellers wirksam werden (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1 ZPO). Indessen hat der Antragsteller seine Einwilligung zu keinem Zeitpunkt erklärt (§ 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Seine Einwilligung gilt auch nicht fiktiv als erteilt (§ 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO), weil er auf die Folgen eines unterlassenen Widerspruchs gegen die Antragsrücknahme zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden war. Im Ergebnis hat das zur Folge, dass der Scheidungswiderantrag der Antragsgegnerin bei Erlass des Scheidungsbeschlusses unverändert anhängig war und damit die Voraussetzung dafür vorlag, dass das Scheitern der Ehe der Beteiligten unwiderlegbar zu vermuten ist (§ 1566 Abs. 1 BGB). Damit wurde die Ehe der Beteiligten zu Recht geschieden und deshalb ist die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

(bb) Aber selbst dann, wenn man dem nicht folgen wollte, kann die Beschwerde der Antragsgegnerin keinen Erfolg haben:

Denn selbst dann, wenn die Vermutung für ein Scheitern der Ehe nach § 1566 Abs. 1 BGB nicht eingreifen sollte, kann die Ehe geschieden werden. Das ergibt sich aus § 1565 Abs. 1 BGB. Danach kann die Ehe nach Ablauf des Trennungsjahres (§§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs. 1 BGB) geschieden werden, wenn die anzustellende Prognose zu der Annahme führt, dass eine Widerherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Für diese Annahme reicht bereits eine einseitige Zerrüttung aus; es genügt, wenn aus dem Verhalten und den Bekundungen des die Scheidung begehrenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen. Im Ergebnis gilt eine Ehe damit auch dann als gescheitert, wenn lediglich ein Ehegatte sich endgültig abgewendet hat und die Scheidung begehrt (vgl. nur Grüneberg/Siede, BGB [81. Aufl. 2022], § 1565 Rn. 3).

Diese Situation ist hier unschwer zu bejahen: Der Antragsteller hat am 16. August 2021 einen Scheidungsantrag angebracht, hat am 21. Januar 2022 zu Protokoll des Familiengerichts erklärt, er lehne eine Widerherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ab und hat am 25. Mai 2022 beantragt, die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Eventuelle, noch bestehende Zweifel an seinem Scheidungswillen werden durch seinen Schriftsatz vom 14. Juni 2022 endgültig zerstreut: Dort hat er ganz klar erklärt, an einer Versöhnung nicht interessiert zu sein, sondern unverändert die Scheidung zu wollen. Das sei der Antragsgegnerin, deren Rechtsverfolgung lediglich der Verfahrensverzögerung diene, auch bestens bekannt.

Auch insoweit erweist sich die Beschwerde damit als unbegründet und ist deshalb zurückzuweisen.

3. Der Ankündigung entsprechend war im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO: Nachdem sich das Rechtsmittel der Antragsgegnerin als erfolglos erweist, hat sie die hierdurch verursachten Kosten zu tragen. Die Festsetzung des Beschwerdewertes findet seine gesetzliche Grundlage in §§ 43 Abs. 1, 50 Abs. 1 Satz 2, 40 FamGKG. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass (§ 70 FamFG).


Die betroffenen Rechtsbereiche in diesem Urteil sind:

  1. Familienrecht: Das Urteil betrifft die Scheidung einer Ehe und die damit verbundenen rechtlichen Voraussetzungen und Folgen, wie zum Beispiel den Versorgungsausgleich.
  2. Zivilprozessrecht: Das Urteil bezieht sich auf die Verfahrensregeln des FamFG und der ZPO, insbesondere bezüglich der Zulässigkeit und Begründung einer Beschwerde und der Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
  3. Europarecht: Das Urteil erwähnt die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, die in diesem Fall Anwendung findet.
  4. Allgemeines Zivilrecht: Das Urteil bezieht sich auf die gesetzlichen Regelungen des BGB, insbesondere bezüglich der Voraussetzungen für das Scheitern einer Ehe und die Möglichkeit der Scheidung.

Insgesamt zeigt das Urteil die komplexe Verzahnung verschiedener Rechtsbereiche auf und verdeutlicht die Bedeutung einer umfassenden rechtlichen Betrachtung von familiären Angelegenheiten.

Die wichtigsten Aussagen in diesem Urteil:

  • Scheitern der Ehe wird unwiderleglich vermutet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen.
  • Das Scheitern der Ehe ist auch dann gegeben, wenn die Prognose zu der Annahme führt, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist.
  • Eine einseitige Zerrüttung der Ehe reicht aus, um eine Scheidung zu begründen.
  • Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet, da das Scheitern der Ehe durch beide Beteiligten beantragt wurde und der Antragsteller an einer Versöhnung nicht interessiert ist.
  • Das Verfahren wurde im schriftlichen Verfahren entschieden, die Kosten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin und es besteht kein Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

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