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Sittenwidriger Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Belastung der Grundsicherung

OLG Karlsruhe – Az.: 16 UF 301/11 – Beschluss vom 01.03.2012

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen Ziffer 2 des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Heidelberg vom 16.11.2011 – 36 F 46/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Bet. zu 1 und 2 tragen ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren selbst; im Übrigen trägt die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: 1.200 €.

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs.

Der Antragsgegner, österreichischer Staatsangehörigkeit, und die Antragstellerin, deutscher Staatsangehörigkeit, haben am 14.12.1987 geheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.

Im Jahr 2007 wurde der Antragsgegner in Dänemark wegen Rauschgiftdelikten inhaftiert; aus der Haft wurde er am 16.06.2010 entlassen. Bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht haben beide übereinstimmend angegeben, sie lebten seit einem Telefonat im Jahr 2009, in dem sie sich die Trennungsabsicht mitgeteilt hätten, dauerhaft voneinander getrennt.

Sittenwidriger Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Belastung der Grundsicherung
Symbolfoto: Von Roman Motizov/Shutterstock.com

Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 25.08.2009 im Staatsgefängnis Horsens in Ost-Jütland (Dänemark) zugestellt. Das Verfahren verzögerte sich anschließend durch die mangelnde Mitwirkung des Antragsgegners im Versorgungsausgleich. Nachdem das Amtsgericht schließlich durch Verfügung vom 18.10.2011 Scheidungstermin auf den 16.11.2011 bestimmt hatte, vereinbarten die Antragstellerin und der Antragsgegner am 11.11.2011 – notariell beurkundet: Notariat 6 Heidelberg – 6 UR 2176/11 – den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Hinsichtlich der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage zum Protokoll des Amtsgerichts vom 16.11.2011 Bezug genommen.

Durch Verbundbeschluss vom 16.11.2011, der Antragstellerin zugestellt am 02.12.2011, hat das Amtsgericht die Ehe geschieden und – in Ziffer 2 – den Versorgungsausgleich durchgeführt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die notarielle Vereinbarung vom 11.11.2011 sei nach § 138 BGB unwirksam, da sie zu Lasten der Grundsicherung gehe. Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere auch zu den von den Eheleuten erworbenen Rentenanwartschaften, wird ergänzend auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs in Ziffer 2 des Beschlusses vom 16.11.2011 richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 06.12.2011, beim Amtsgericht eingegangen am 16.12.2011. Sie macht geltend, die Eheleute hätten sich über den Zugewinnausgleich und den Versorgungsausgleich verglichen. Für den Verzicht habe der Antragsgegner jeweils Abfindungsbeträge erhalten; diese Beträge habe er gefordert, da er dringend Geld für seinen Lebensbedarf benötige. Der Ehemann habe während der Ehe nicht oder unangemeldet gearbeitet. Im Gespräch habe er eingesehen, dass er zum Unterhalt der Ehepartner nie etwas beigetragen habe. Er sei zwischenzeitlich zu seiner Familie nach Österreich zurückgekehrt und werde dort bleiben. Während der Haftdauer habe allein die Ehefrau die Kosten des Ehepaares getragen. Er möchte nicht dass, seiner Ehefrau die Rente entzogen werde.

Die übrigen Beteiligten haben eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren nicht abgegeben.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist in der Sache nicht begründet.

Das Amtsgericht ist zutreffend – und von den Beteiligten nicht beanstandet – davon ausgegangen, dass auf das Verfahren nach Art. 17, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB deutsches Recht Anwendung findet. Für die Regelung des Versorgungsausgleichs findet dabei nach § 48 Abs. 1, Abs. 3 VersAusglG das ab dem 01.09.2009 geltende materielle und Verfahrensrecht Anwendung, nachdem in erster Instanz bis zum 01.09.2010 noch keine Entscheidung über den Versorgungsausgleich erlassen worden war.

Der Senat teilt die Einschätzung des Amtsgerichts, dass die notarielle Vereinbarung der Eheleute über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs vom 11.11.2011 nach §§ 8 Abs. 1 VersAusglG, 138 BGB unwirksam ist, da der Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorliegend zu Lasten der Grundsicherung geht.

Zwar können die Eheleute grundsätzlich Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich treffen und dabei den Versorgungsausgleich insbesondere auch ganz ausschließen (vgl. § 6 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VersAusglG). Die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich muss indessen nach § 8 Abs. 1 VersAusglG einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten. Daran mangelt es aber hier.

In der Gesetzesbegründung zu § 8 VersAusglG (BT-Drs. 16/10144 S. 52/53) wird – vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG FamRZ 2001, 343) und des Bundesgerichtshofs (BGH FamRZ 2004, 601) – ausdrücklich ausgeführt, dass eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich auch dann nach § 138 BGB unwirksam sein kann, wenn sie voraussichtlich dazu führt, individuelle Vorteile zum Nachteil der Grundsicherung nach SGB XII zu erzielen. Die bisherige Rechtsprechung zum Verzicht auf nachehelichen Unterhalt zu Lasten der Sozialhilfe (BGH FamRZ 1983, 137; BGH FamRZ 2007, 197) gelte gleichermaßen auch für den Versorgungsausgleich. Es sei daher zu prüfen, ob eine Vereinbarung nach ihren Gesamtcharakter dafür geeignet ist, dass die Ehegatten bewusst oder unbewusst Verpflichtungen, die auf der Ehe beruhen, objektiv zu Lasten der Sozialhilfe (im Alter: Grundsicherung) regeln. Dabei sei also zu prüfen, ob ein Ehegatte künftig auf die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung angewiesen ist, dies aber ohne die Vereinbarung nicht der Fall wäre (BT-Drs. aaO S. 53; MünchKommBGB (5. Aufl.) / Eichenhofer, § 8 VersAusglG Rdn. 15 f.). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Vereinbarung der Eheleute vom 11.11.2011 hier nach § 138 BGB nichtig.

Beide Eheleute haben ausschließlich Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Der am 04.03.1951 geborene Antragsgegner hat nach der dem Amtsgericht erteilten Auskunft der Bet. zu 2 vom 11.10.2011 insgesamt bislang 3,8668 Entgeltpunkte erworben, die einer monatlichen Rente von 105,18 € entsprechen. Davon entfallen auf die gesetzliche Ehezeit (01.12.1987 bis 31.07.2009; § 3 Abs. 1 VersAusglG) 1,0986 Entgeltpunkte. Demgegenüber hat die am 02.07.1958 geborene Antragstellerin ausweislich der dem Amtsgericht erteilten Auskunft der Bet. zu 1 vom 05.10.2010 bislang insgesamt 36,7881 Entgeltpunkte erworben, die einer monatlichen Rente von 1.000,64 € entsprechen. Davon entfallen auf die gesetzliche Ehezeit 28,4746 Entgeltpunkte.

Ohne den Versorgungsausgleich ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner im Alter auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein wird. Denn dass der Antragsgegner noch Anwartschaften in nennenswertem Umfang erwerben wird, kann nicht angenommen werden. In der notariellen Vereinbarung der Eheleute vom 11.11.2011 ist einleitend ausgeführt, dass der Antragsgegner Anfang 2011 einen Schlaganfall erlitten hat und sich seitdem im Krankenstand befindet. Auch das Alter und die bisherige Erwerbsbiographie des Antragsgegners legen das Erreichen einer ausreichenden Rentenanwartschaft nicht nahe.

Bei einer Durchführung des Versorgungsausgleichs müsste der Antragsgegner 0,5493 Entgeltpunkte abgegeben, würde aber von der Antragstellerin 14,2373 Entgeltpunkte übertragen bekommen, also in der Summe 13,688 Entgeltpunkt mehr erhalten. Bezogen auf das Ende der Ehezeit und den aktuellen Rentenwert zum Ende der Ehezeit von 27,20 € entspricht dies einer monatlichen Rente von 372,31 €. Zwar bleibt der Antragsgegner damit ebenfalls grundsicherungsbedürftig, allerdings jedoch in einem geringeren Umfang als ohne die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Soweit auch der Antragstellerin durch die Durchführung des Versorgungsausgleichs zunächst Rentenanwartschaften verblieben, die unter den Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41, 42 Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit den sich aus der Anlage zu § 28 SGB XII ergebenden Regelbedarfsstufen liegen, kann dagegen angenommen werden, dass sie bis zum Erreichen der Altersgrenze die durch den Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften wieder wird auffüllen können. Die Antragstellerin ist seit 1983 durchgängig als Zahntechnikerin erwerbstätig.

Auch wenn die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung ausgeführt hat, der Antragsgegner sei zwischenzeitlich zu seiner Familie nach Österreich zurückgekehrt und werde dort auch bleiben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Ansprüche des Antragsgegners auf Grundsicherung, die nach § 41 SGB XII einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraussetzen, endgültig ausscheiden. Der Antragsgegner kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt jederzeit wieder verändern.

Damit geht die notarielle Vereinbarung der Eheleute vom 11.11.2011 im Ergebnis eindeutig zu Lasten der Grundsicherung.

Dass der Antragsgegner für den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs etwa eine Kompensation erhalten haben sollte, lässt sich der notariellen Vereinbarung der Eheleute vom 11.11.2011 nicht entnehmen. Soweit sich aus der Einleitung der Vereinbarung ergibt, dass die Eheleute im Dezember 2010 einen Ehevertrag geschlossen haben, in dem (u.a.) Gütertrennung vereinbart wurde, wurde dieser Ehevertrag nicht vorgelegt, so dass nicht beurteilt werden kann, ob der Antragsgegner etwa durch den Ehevertrag eine Kompensation für den (zukünftigen) Verzicht auf den Versorgungsausgleich erhalten haben sollte. Die Behauptung schließlich in der Beschwerdebegründung, der Antragsgegner habe jeweils Abfindungsbeträge erhalten, ist nicht belegt; insoweit wurde noch nicht einmal die Höhe der behaupteten Abfindung mitgeteilt. Daher kommt es nicht darauf an, dass es sich selbst nach dem Vorbringen der Antragstellerin insoweit um dringend benötigtes Geld zum Lebensbedarf handeln soll, also gerade nicht um einen Ausgleich für den Verzicht auf Rentenanwartschaften.

Darüber hinaus sind Gründe, die einen (teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG rechtfertigen könnten, weder dargelegt noch ersichtlich.

Das Amtsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass das Handeln mit Rauschgift bzw. die Inhaftierung des Antragsgegners kein Grund darstellen, den Versorgungsausgleich auszuschließen. Von der gesetzlichen Ehezeit von 21 Jahren und 8 Monaten entfallen auf die Inhaftierung lediglich rund 2 Jahre und 8 Monate. Dass der Antragsgegner durch die Inhaftierung in schwerwiegendem Maße die ihm im Rahmen der ehelichen Arbeitsteilung zugewiesenen Pflichten zur Gestaltung der Lebens- und Versorgungsgemeinschaft verletzt hätte (vgl. dazu MünchKommBGB (5. Aufl.)/Dörr, § 27 VersAusglG Rdn. 34; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 116), ist weder dargelegt noch ersichtlich. Soweit der Antragsgegner während der Ehe nicht bzw. unangemeldet gearbeitet hat, beruht dies auf der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse. Dass darin ein Verstoß des Antragsgegners gegen die beiderseitige Vereinbarung über die Verteilung der Pflichten im Rahmen der Ehe liegen sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Auch eine sog. phasenverschobene Ehe oder die Finanzierung einer Ausbildung, die zu einer unbilligen Doppelbelastung des Ausgleichsverpflichteten führen könnten, liegen hier nicht vor.

Gründe für einen (teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs sind daher nicht ersichtlich.

Der Senat konnte schriftlich entscheiden, nachdem der Sachverhalt geklärt ist, den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde und eine Vereinbarung der Beteiligten nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 Abs. 3, 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewertes auf §§ 40, 50 FamGKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

 

 

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