Die Ehefrau eines Schmuckunternehmers forderte nach 20 Jahren Ehe die gerichtliche Prüfung der Sittenwidrigkeit des Ehevertrags, weil dieser Zugewinn und Unterhalt komplett ausschloss. Die Klägerin berief sich auf eine erhebliche Benachteiligung, doch für das Gericht war die Absicherung des Betriebsvermögens entscheidend.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann kann ich meinen Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nachträglich anfechten?
- Habe ich Anspruch auf Zugewinnausgleich, wenn der Ehevertrag alles ausgeschlossen hat?
- Wie kann ich Auskunft über das Vermögen meines Partners vor der Scheidung verlangen?
- Was tun, wenn das Gericht den Ehevertrag trotz Ungerechtigkeit für wirksam hält?
- Verliert mein alter Ehevertrag seine Gültigkeit, wenn sich unsere finanzielle Situation stark verändert?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 20 UF 4/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 06.05.2025
- Aktenzeichen: 20 UF 4/25
- Verfahren: Familienrechtliches Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Vertragsrecht, Güterrecht
- Das Problem: Ein Ehemann verlangte von seiner Frau Auskunft über ihr Vermögen, um einen Zugewinnausgleich zu prüfen. Die Frau berief sich auf einen Ehevertrag von 1999. Dieser Vertrag schloss Zugewinn, Unterhalt und Versorgungsausgleich wechselseitig aus. Der Mann hielt den Vertrag für sittenwidrig und unwirksam, da er bei Abschluss als Student wirtschaftlich von der Frau abhängig gewesen sei.
- Die Rechtsfrage: Muss dieser umfassende Ehevertrag für unwirksam erklärt werden, weil der Ehemann bei Vertragsabschluss wirtschaftlich unterlegen war? Durfte das erstinstanzliche Gericht den Antrag auf Vermögensauskunft bereits in der ersten Stufe des Verfahrens abweisen?
- Die Antwort: Nein. Der Ehevertrag ist wirksam und nicht sittenwidrig. Das Gericht sah keine Hinweise auf eine Ausnutzung einer Zwangslage oder eine unzumutbare Benachteiligung des Mannes. Die Abweisung des Auskunftsantrags in der ersten Verfahrensstufe war rechtlich zulässig.
- Die Bedeutung: Eheverträge, die Zugewinn und Unterhalt ausschließen, sind grundsätzlich wirksam und schützen oft das Betriebsvermögen (Unternehmerehe). Gerichte erklären solche Verträge nur für unwirksam, wenn eine extreme, ungerechtfertigte Benachteiligung unter Ausnutzung einer Zwangslage vorliegt. Eine spätere positive unternehmerische Entwicklung beider Ehegatten spricht gegen eine anfängliche Übervorteilung.
Der Fall vor Gericht
War der Ehevertrag eine sittenwidrige Falle?
Ein Ehevertrag aus dem Jahr 1999 lag über zwei Jahrzehnte unbeachtet in einer Schublade. Er regelte alles, was bei einer Scheidung teuer werden kann: den Zugewinn, den Unterhalt, die Rente. Alles wurde ausgeschlossen.

Als die Ehe eines Unternehmerpaares schließlich scheiterte, wurde dieses Dokument zur juristischen Zeitbombe. Der Ehemann forderte Auskunft über das Vermögen seiner Frau – der erste Schritt zur Teilung des Kuchens. Sie hielt ihm den Vertrag entgegen. Seine Antwort: Das Papier sei von Anfang an sittenwidrig und damit wertlos.
Warum war der erste juristische Schritt eine Auskunftsklage?
Der Ehemann leitete das Scheidungsverfahren mit einem sogenannten Stufenantrag ein. Das ist ein taktisch kluger Weg, wenn man den genauen Wert des gegnerischen Vermögens nicht kennt. Auf der ersten Stufe verlangt man nur Auskunft. Man will wissen: Welches Anfangsvermögen hatte die Partnerin bei der Heirat? Welches Endvermögen bei der Trennung? Erst mit diesen Zahlen lässt sich auf der zweiten Stufe der konkrete Anspruch auf Zugewinnausgleich berechnen.
Die Ehefrau blockierte diesen ersten Schritt. Sie argumentierte, eine Auskunft sei überflüssig. Der Ehevertrag von 1999 habe den Zugewinnausgleich wirksam ausgeschlossen. Wo kein Anspruch besteht, braucht man auch keine Informationen zu seiner Berechnung. Das Amtsgericht Pforzheim folgte dieser Logik. Es prüfte den Ehevertrag, hielt ihn für gültig und wies den Auskunftsantrag des Mannes ab. Dagegen legte der Mann Beschwerde beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein.
Was machte den Vertrag in den Augen des Mannes so unfair?
Der Ehemann griff den Vertrag im Kern an. Er sei nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig – ein Pakt, der so einseitig und unfair ist, dass die Rechtsordnung ihn nicht akzeptiert. Seine Argumentation baute auf mehreren Säulen auf.
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1999 sei die finanzielle Schieflage zwischen den Partnern extrem gewesen. Sie war eine etablierte Unternehmerin im Schmuckgeschäft. Er war ein mittelloser Student, der wirtschaftlich von ihr abhing. Er habe damals für sie zu einem geringen Lohn gearbeitet und die Kinderbetreuung übernommen.
Zudem habe er als türkischer Staatsbürger die Tragweite der deutschen juristischen Begriffe nicht verstanden. Die Beratung durch einen Anwalt sei eine Farce gewesen. Die Ehefrau habe den Anwalt beauftragt und bezahlt. Eine neutrale Aufklärung habe es nicht gegeben. Der Vertrag, der ihm Zugewinn, Unterhalt und den Versorgungsausgleich nahm, habe ihn schutzlos gestellt und nur die Interessen seiner Frau zementiert. Er sei in einer Zwangslage ausgenutzt worden.
Warum hielt das Gericht den Vertrag für wirksam?
Das Oberlandesgericht Karlsruhe zerlegte die Argumente des Mannes Punkt für Punkt – und fand keine Grundlage für eine Sittenwidrigkeit. Die Richter stellten für ihre Prüfung auf die Verhältnisse bei Vertragsschluss im Jahr 1999 ab.
Der Ausschluss des Zugewinnausgleichs ist bei Unternehmerehen ein Standardinstrument. Er dient dem legitimen Zweck, das Betriebsvermögen im Scheidungsfall vor Zerschlagung zu schützen. Diesen Verzicht allein wertete das Gericht nicht als unfair.
Auch der Verzicht auf den Versorgungsausgleich – also den Ausgleich der während der Ehe erworbenen Rentenansprüche – war nicht zwangsläufig ein Nachteil für den Mann. Die Ehefrau war als Selbstständige tätig. Sie zahlte typischerweise wenig in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Ein Verzicht konnte für den Mann sogar vorteilhaft sein.
Die angebliche Zwangslage sah das Gericht nicht. Der Vertrag wurde nicht vor der Hochzeit als Bedingung gestellt, sondern erst Monate danach geschlossen. Der Mann hatte sein Abitur in deutscher Sprache abgelegt und an einer englischsprachigen Universität studiert. Die Richter sahen keine Belege für mangelndes Sprachverständnis. Die notarielle Urkunde selbst vermerkte eine umfassende Belehrung. Der Vorwurf der einseitigen Anwaltsberatung blieb eine unbewiesene Behauptung.
Zuletzt blickte das Gericht auf die tatsächliche Entwicklung der Ehe. Diese widersprach der Geschichte von der einseitigen Benachteiligung. Beide Ehegatten wurden erfolgreiche Unternehmer. Später verschmolzen sie ihre Firmen und hielten jeweils 50 % der Anteile an der neuen Gesellschaft. Von einer dauerhaften wirtschaftlichen Unterdrückung des Mannes konnte keine Rede sein.
Darf ein Gericht einen Auskunftsanspruch einfach abweisen?
Der Ehemann brachte noch ein formales Argument vor. Die Abweisung seines Auskunftsantrags durch das Amtsgericht sei eine unzulässige Teilentscheidung. Es bestehe die Gefahr, dass ein anderes Gericht später in der Hauptsache – also bei der Frage des Zahlungsanspruchs – den Ehevertrag anders bewertet. Das würde zu widersprüchlichen Urteilen führen.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe kannte diese juristische Debatte. Es schloss sich aber der vorherrschenden Meinung des Bundesgerichtshofs an. In Stufenverfahren ist es erlaubt, den Auskunftsanspruch schon in der ersten Stufe abzuweisen, wenn der Hauptanspruch offensichtlich nicht besteht. Die theoretische Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen muss man hier in Kauf nehmen. Andernfalls wären solche Verfahren kaum praktikabel.
Da die Beschwerde des Mannes in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hatte, wies das Gericht seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurück. Es kündigte an, die Beschwerde selbst in einem schriftlichen Verfahren zurückzuweisen. Der Ehevertrag von 1999 blieb wirksam.
Die Urteilslogik
Ein Ehevertrag übersteht die gerichtliche Inhaltskontrolle, wenn der Vorwurf der Sittenwidrigkeit oder Ausbeutung nicht substantiiert bewiesen werden kann.
- Wirksamkeit von Schutzabreden: Der Ausschluss des Zugewinnausgleichs stellt keine automatische Benachteiligung dar, sondern dient in Unternehmerehen einem legitimen Zweck, nämlich dem Schutz des Betriebsvermögens vor Zerschlagung im Scheidungsfall.
- Dynamische Kontrolle der Benachteiligung: Gerichte bewerten die Sittenwidrigkeit eines Vertrages primär anhand der Umstände zum Zeitpunkt des Abschlusses, ziehen jedoch die spätere erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Ehepartner zur Widerlegung einer behaupteten anfänglichen Zwangslage heran.
- Prüfung des Stufenantrags: Ein Gericht kann den Auskunftsanspruch einer Stufenklage sofort zurückweisen, wenn der eigentliche Zahlungsanspruch aufgrund eines offensichtlich wirksamen Vertragsausschlusses von vornherein ausscheidet.
Wer die Gültigkeit eines notariell beurkundeten Ehevertrages anficht, muss zwingend und lückenlos die Umstände der behaupteten Ausbeutung beweisen und die umfassende Belehrung widerlegen.
Benötigen Sie Hilfe?
Müssen Sie die Sittenwidrigkeit Ihres Ehevertrags aufgrund wirtschaftlicher Unterlegenheit prüfen? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Einschätzung Ihrer Situation.
Experten Kommentar
Wer einen 20 Jahre alten Ehevertrag kippen will, weil er sich damals ausgenutzt fühlte, braucht vor Gericht mehr als nur eine gefühlte Ungerechtigkeit. Dieses Urteil stellt klar: Die Gerichte schauen sehr genau hin, ob eine angebliche Zwangslage bei Vertragsunterzeichnung tatsächlich bestand. Ein Ehevertrag, der den Zugewinn ausschließt, um Betriebsvermögen zu schützen, ist zunächst ein legitimes Mittel. Der entscheidende Punkt hier war die spätere Entwicklung: Wenn der anfänglich schwächere Partner selbst zum erfolgreichen Mitunternehmer aufsteigt, fällt der Vorwurf der Sittenwidrigkeit, nämlich der dauerhaften Ausnutzung, in sich zusammen. Das stärkt die Vertragssicherheit massiv, besonders in Unternehmerehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann kann ich meinen Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nachträglich anfechten?
Die nachträgliche Anfechtung eines Ehevertrags wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) ist äußerst anspruchsvoll. Gerichte legen hier strenge Maßstäbe an und prüfen vorrangig die Verhältnisse, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden. Ein notariell beurkundeter Vertrag, der dem Schutz legitimer Interessen wie Betriebsvermögen dient, genießt dabei besonderen Bestandsschutz. Es reicht nicht aus, dass sich die Regelungen Jahrzehnte später als ungünstig erweisen.
Der juristische Fokus liegt darauf, ob bei der Unterzeichnung eine krasse, einseitige Benachteiligung vorlag, die Sie in Ihrer Existenz gefährdete. Richter untersuchen dabei die objektive Benachteiligung und Ihre subjektive Zwangslage exakt zu diesem Zeitpunkt. Selbst wenn Sie damals finanziell schwächer waren, gilt der Ausschluss des Zugewinns bei Unternehmerehen oft nicht als sittenwidrig. Ein solcher Ausschluss verfolgt häufig den legitimen Zweck des Schutzes von Geschäftsanteilen vor der Zerschlagung im Scheidungsfall.
Es ist besonders schwierig, eine ursprünglich ungerechte Situation nachträglich zu beweisen, da der Vertrag notariell beurkundet wurde. Die notarielle Urkunde dokumentiert standardmäßig eine umfassende Belehrung und Aufklärung durch den Notar. Die bloße Behauptung von fehlendem Sprachverständnis oder mangelnder neutraler Beratung genügt normalerweise nicht, um die Wirksamkeit der notariellen Aufklärung zu widerlegen.
Suchen Sie umgehend die originale notarielle Urkunde und markieren Sie alle Passagen, welche die erfolgte Belehrung detailliert dokumentieren.
Habe ich Anspruch auf Zugewinnausgleich, wenn der Ehevertrag alles ausgeschlossen hat?
Wenn der Ehevertrag den Zugewinnausgleich wirksam ausschließt, besteht dieser Anspruch rechtlich nicht mehr. Diese vertragliche Regelung beseitigt das Recht auf Teilung des in der Ehe erwirtschafteten Vermögens komplett. Gerichte gewähren den Anspruch nur wieder, wenn es gelingt, den gesamten Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit zu Fall zu bringen.
Der Verzicht auf den Zugewinn ist in Deutschland ein legitimes und anerkanntes Gestaltungsmittel. Besonders in Unternehmerehen dient dieser Ausschluss dem legitimen Zweck, das Betriebsvermögen vor einer möglichen Zerschlagung im Scheidungsfall zu schützen. Ein wirksamer Ausschluss hat die sofortige Konsequenz, dass Sie weder eine Zahlung fordern, noch eine Auskunft über das Endvermögen des Partners verlangen können.
Auch wenn Sie über Jahrzehnte gemeinsam in die Ehe investiert und Vermögen aufgebaut haben, hebeln diese gemeinsamen Anstrengungen den alten Vertrag nicht automatisch aus. Gerichte prüfen primär die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte, dass der Ausschluss Bestand hat, wenn die vertragliche Regelung damals einem legitimen Zweck diente.
Prüfen Sie, ob der Zugewinnausgleich isoliert oder in Kombination mit Unterhalt und Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurde, da die Kombination eine strengere Prüfung der Sittenwidrigkeit nach sich zieht.
Wie kann ich Auskunft über das Vermögen meines Partners vor der Scheidung verlangen?
Der strategisch sinnvollste Weg, Vermögensdaten vom Partner zu erhalten, ist der gerichtliche Stufenantrag. Diese Vorgehensweise ist ideal, wenn Sie zwar wissen, dass Vermögen vorhanden ist, die genauen Zahlen für die Berechnung des Zugewinns jedoch fehlen. Sie vermeiden damit das Risiko, einen zu hoch angesetzten Streitwert festlegen zu müssen, was unnötige Kosten verursacht.
Die Struktur des Stufenantrags ist klar definiert: Zunächst fordern Sie nur die Auskunft über das Anfangsvermögen bei der Eheschließung sowie das Endvermögen bei der Trennung. Mit diesen präzisen Vermögensaufstellungen können Sie den tatsächlich entstandenen Zugewinn exakt bestimmen. Erst dann folgt die zweite Stufe, auf der Sie den konkreten Zahlungsanspruch einklagen, der sich aus den zuvor erhaltenen Daten ergibt. Durch dieses Vorgehen sichern Sie sich die notwendigen Informationen, bevor Sie finanziell ins Risiko gehen.
Es besteht allerdings das Risiko, dass Gerichte den Auskunftsanspruch bereits in der ersten Stufe abweisen. Dies geschieht, wenn ein wirksamer Ehevertrag den Hauptanspruch auf Zugewinnausgleich offensichtlich beseitigt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte, dass der Anspruch auf Auskunft entfällt, wenn kein Anspruch auf Zahlung besteht, selbst wenn dies die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen birgt. Dieser Ausschluss schützt den Partner vor unnötiger Offenlegung seiner Finanzen, wenn die vertragliche Basis fehlt.
Erstellen Sie umgehend eine lückenlose, chronologische Dokumentation aller Vermögenswerte, die Sie selbst zum Zeitpunkt der Heirat besaßen, um Ihr eigenes Anfangsvermögen beweisen zu können.
Was tun, wenn das Gericht den Ehevertrag trotz Ungerechtigkeit für wirksam hält?
Wenn das Oberlandesgericht (OLG) die Wirksamkeit eines Ehevertrags bestätigt, sind die juristischen Optionen zur Wiederherstellung des Zugewinnausgleichs meist ausgeschöpft. Die Hürden für die Feststellung der Sittenwidrigkeit in der nächsten Instanz, dem Bundesgerichtshof (BGH), sind extrem hoch. Sie sollten nun den Fokus auf die Vermeidung weiterer Kosten legen. Dies gilt insbesondere, wenn keine neuen, substanziellen Beweise gegen die notarielle Belehrung vorliegen.
Der Zugewinnanspruch ist in der Regel verloren, sobald das OLG die Gültigkeit des Vertrages bestätigt hat. Der Bundesgerichtshof prüft nur Rechtsfehler, er nimmt keine erneute Tatsachenwürdigung vor. Nur bei krassen Verfahrensfehlern oder einer extremen Unbilligkeit der Vertragswirkung hat eine Beschwerde Aussicht auf Erfolg. Gerichte sehen durch die notarielle Beurkundung den Schutz des wirtschaftlich schwächeren Partners als gewährleistet an. Selbst ein anfänglich unfairer Vertrag kann als wirksam gelten, wenn die tatsächliche Entwicklung der Ehe die ursprüngliche Schieflage relativiert hat, etwa durch gemeinsamen Unternehmenserfolg.
Gerichte dürfen den Auskunftsanspruch über das Vermögen bereits in der ersten Stufe eines Stufenantrags abweisen, falls der Hauptanspruch auf Zugewinnausgleich offensichtlich nicht besteht. Diese Entscheidung akzeptiert die theoretische Gefahr widersprüchlicher Urteile, um die Verfahren effizienter zu gestalten. Die wichtigste Konsequenz bei einer aussichtslosen Beschwerde ist die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe. Im konkreten Fall wurde dies mit fehlender Erfolgsaussicht begründet, was bedeutet, dass Sie sämtliche Gerichts- und Anwaltsgebühren selbst tragen müssen.
Berechnen Sie gemeinsam mit Ihrem Anwalt das genaue Kostenrisiko der nächsten Instanz und stellen Sie dieses dem theoretisch möglichen Zugewinn gegenüber, um eine rationale Entscheidung zu treffen.
Verliert mein alter Ehevertrag seine Gültigkeit, wenn sich unsere finanzielle Situation stark verändert?
Nein, eine bloße Verbesserung oder Verschlechterung Ihrer Vermögensverhältnisse führt nicht automatisch zur Ungültigkeit eines Ehevertrags. Ein einmal wirksam geschlossener Vertrag verjährt nicht einfach in der Schublade. Gerichte blicken primär auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, um festzustellen, ob das Dokument von Anfang an sittenwidrig war. Die juristische Hürde für eine nachträgliche Ungültigkeit ist sehr hoch.
Selbst drastische Veränderungen, wie etwa der Aufstieg von einem ehemals mittellosen Partner zu einem erfolgreichen Unternehmer, heben den Vertrag nicht ohne Weiteres auf. Die Regel lautet: Der Vertrag bleibt wirksam, solange die Geltung seiner Klauseln im Scheidungsfall nicht zu einem völlig unzumutbaren Ergebnis führt, das die Existenz vernichtet. Der sogenannte Wegfall der Geschäftsgrundlage, also die nachträgliche massive Veränderung der Lebensumstände, wird nur in Ausnahmefällen angewandt.
Ihre spätere wirtschaftliche Entwicklung kann jedoch entscheidend sein, um eine anfängliche Benachteiligung zu entkräften. Nehmen wir den Fall des Ehemanns, der bei Vertragsschluss mittellos war, aber später Miteigentümer einer florierenden Gesellschaft wurde. Das Gericht wertete diese tatsächliche Entwicklung als Beweis, dass keine dauerhafte wirtschaftliche Unterdrückung vorlag. Diese positive Relativierung spricht klar gegen die ursprüngliche Sittenwidrigkeit des Ehevertrags.
Erstellen Sie einen detaillierten Vergleich der Nettovermögen zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und der Trennung, um die Diskrepanz für das Gericht nachweisbar darzulegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)
Juristen nennen die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) den Tatbestand, dass ein Vertrag so krass gegen die guten Sitten und die allgemeinen Wertvorstellungen der Rechtsordnung verstößt, dass er von Anfang an nichtig ist. Diese zentrale Schutznorm verhindert, dass eine wirtschaftlich oder persönlich überlegene Vertragspartei die Zwangslage, die Unerfahrenheit oder das mangelnde Sprachverständnis der anderen Seite hemmungslos ausnutzt.
Beispiel: Der Ehemann argumentierte, der Ehevertrag sei sittenwidrig gewesen, weil er als mittelloser Student in einer finanziellen Zwangslage zur Unterzeichnung gezwungen worden sei und die Tragweite der deutschen Begriffe nicht verstanden habe.
Stufenantrag
Beim Stufenantrag handelt es sich um ein taktisch kluges gerichtliches Vorgehen im Familienrecht, bei dem der Anspruchsteller seinen Zahlungsanspruch in aufeinanderfolgenden prozessualen Schritten geltend macht, um zunächst notwendige Informationen zu erhalten. Dieses Instrument ist im Scheidungsrecht ideal, wenn die genaue Höhe des Zugewinns unbekannt ist, da es ermöglicht, den Anspruch erst zu beziffern, nachdem die Vermögensdaten der Gegenseite vorliegen.
Beispiel: Der Ehemann leitete das Scheidungsverfahren mit einem Stufenantrag ein, um auf der ersten Stufe Auskunft über das Anfangs- und Endvermögen seiner Frau zu erhalten.
Teilentscheidung
Als Teilentscheidung bezeichnen Juristen eine gerichtliche Entscheidung, die lediglich über einen abgrenzbaren Teil des gesamten Streitstoffs urteilt, während die restlichen, prozessual verbundenen Punkte noch offenbleiben. Das Oberlandesgericht schloss sich der vorherrschenden Meinung an, dass diese Entscheidungsform in Stufenverfahren erlaubt ist, um die Verfahrenseffizienz zu gewährleisten, obwohl die Gefahr widersprüchlicher Urteile theoretisch besteht.
Beispiel: Der Ehemann sah die Abweisung seines Auskunftsanspruchs durch das Amtsgericht als unzulässige Teilentscheidung an, da diese Vorabentscheidung das spätere Urteil über den Hauptanspruch gefährden könnte.
Verfahrenskostenhilfe (VKH)
Verfahrenskostenhilfe (VKH) ist eine staatliche Unterstützung, die finanziell bedürftigen Bürgern die Durchführung eines Gerichtsverfahrens ermöglicht, indem die Staatskasse die Anwalts- und Gerichtskosten ganz oder teilweise vorstreckt. Die Bewilligung ist zwingend an die Bedingung geknüpft, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Beispiel: Da die Beschwerde des Mannes in der Sache keine Erfolgsaussicht bot, wies das Oberlandesgericht Karlsruhe seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurück.
Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich regelt bei einer Ehescheidung die gerechte Teilung aller Rentenanwartschaften und Versorgungsansprüche, die beide Ehepartner während der Ehezeit erworben haben. Mit dieser gesetzlichen Regelung soll der Partner, der wegen Kindererziehung oder Haushaltsführung weniger in die Rente einzahlen konnte, vor Nachteilen im Alter geschützt werden.
Beispiel: Das Gericht untersuchte den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und stellte fest, dass dieser für den Ehemann aufgrund der selbstständigen Tätigkeit seiner Frau keinen zwingenden Nachteil darstellte.
Zugewinnausgleich
Der Zugewinnausgleich ist der gesetzliche Mechanismus der Zugewinngemeinschaft, der sicherstellt, dass derjenige Partner, der während der Dauer der Ehe weniger Vermögen hinzugewonnen hat, einen Ausgleichsbetrag vom vermögenderen Partner erhält. Das Gesetz honoriert damit die gemeinsamen Anstrengungen beider Eheleute und vermeidet, dass der wirtschaftlich schwächere Partner leer ausgeht, wenn die Ehe scheitert.
Beispiel: Die Eheleute hatten den Zugewinnausgleich im Ehevertrag von 1999 wirksam ausgeschlossen, um das Betriebsvermögen der Frau vor der Zerschlagung im Scheidungsfall zu schützen.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 20 UF 4/25 – Beschluss vom 06.05.2025
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