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Sittenwidrigkeit Ehevertrag wenn nach Heirat geschlossen?

OLG Karlsruhe – Az.: 5 UF 125/20 – Beschluss vom 31.03.2021

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg vom 29.05.2020 in Ziffern 3 und 4 des Tenors wie folgt abgeändert:

3. Der Antragsteller wird verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen

a) über den Bestand des Anfangsvermögens zum 19.12.2003 und

b) über den Bestand des Endvermögens zum 27.12.2019

Im Übrigen werden die Anträge der Antragsgegnerin zu I 2 und I 3 zurückgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

II. Hinsichtlich Ziffer 2 und soweit in Ziffer 3 des Tenors der angefochtenen Entscheidung die weitergehenden angekündigten Stufenanträge der Antragsgegnerin zu II und III abgewiesen worden sind, wird die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren – an das Familiengericht zurückverwiesen.

III. Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

IV. Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 267.090 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die beteiligten, zwischenzeitlich rechtskräftig geschiedenen, Ehegatten streiten um die Folgesachen Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt.

Der Antragsteller ist Deutscher, die Antragsgegnerin, die (nur) die weißrussische Staatsangehörigkeit hat, lebte in Weißrussland, sie ist studierte Physikerin. Die Beteiligten fanden über eine Kontaktanzeige zueinander. Im Sommer 2002 hielt sich die Antragsgegnerin mit ihrem 1998 geborenen Sohn aus einer anderen Beziehung erstmals beim Antragsteller mehrere Monate in Deutschland auf. Im Januar 2003 zogen sie und ihr Sohn endgültig zum Antragsteller nach Deutschland um.

Die Beteiligten heirateten am 19.12.2003. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller 50 Jahre alt, die Antragsgegnerin fast 39 Jahre. Der Antragsteller hat aus erster, kurz vor der Heirat mit der Antragsgegnerin geschiedener Ehe zwei schon damals erwachsene Kinder.

Am 17.03.2004 schlossen die Ehegatten einen ersten notariellen Ehe- und Erbvertrag. Im eherechtlichen Teil finden sich folgende Regelungen:

„Für unsere Ehe schließen wir den gesetzlichen Güterstand aus und vereinbaren den Güterstand der Gütertrennung gem. § 1414 BGB.

1.

Im Fall einer Ehescheidung soll jedoch derjenige Ehegatte, der im letzten Jahr vor der Scheidung ein geringeres Jahreseinkommen hatte als der andere von dem mehrverdienenden einen Betrag von 2.000,00 € erhalten, der bei Rechtskraft der Scheidung zu zahlen ist.

2.

Wir schließen den Versorgungsausgleich teilweise dahingehend aus, dass die in der Ehezeit bis zur Einbürgerung der Ehefrau erworbenen Versorgungsanwartschaften nicht auszugleichen sind.

Auf die Vorschrift des § 1408 Abs. 2 wurde hingewiesen.

3.

Sollte unsere Ehe binnen einer Frist, von drei Jahren an, vom heutigen Tag an gerechnet, geschieden werden, verzichten wir auf nachehelichen Unterhalt und nehmen den Verzicht jeweils an.“

Der Antragsteller setzte außerdem die Antragsgegnerin erbvertraglich zu einem Drittel als seine Erbin ein.

Die im Vertrag angesprochene Einbürgerung der Antragsgegnerin erfolgte bislang nicht. Die Antragsgegnerin war damals ohne eigenes Erwerbseinkommen, besuchte einen Sprachkurs und war arbeitssuchend gemeldet. Nach einem in 2009 aufgenommenen sechsmonatigen Praktikum fand die Antragsgegnerin ab Mai 2010 Arbeit als Physikerin mit einem nach Klasse V besteuerten Nettoeinkommen in Höhe von monatlich € 1.400 €, seit 2011 ist sie stellvertretende Laborleiterin in einem Unternehmen und verdient nach eigenen Angaben netto knapp über 2.000 €.

Am 15.03.2013 schlossen die Ehegatten wiederum notariell unter Bezugnahme auf den früheren Ehe- und Erbvertrag einen Änderungsvertrag, in dem jeweils für den Fall der Scheidung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG der Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit völlig ausgeschlossen und auf nachehelichen Unterhalt vollständig verzichtet wurde. Außerdem wurden die erbvertragliche Erbeinsetzung der Antragsgegnerin aufgehoben und ihr statt dessen ein Betrag von 5.000 € sowie ein Wohnrecht für die Dauer von 6 Monaten im Hause des Antragstellers jeweils vermächtnisweise zugewandt.

Die Ehegatten trennten sich 2018.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2019 beantragte der Antragsteller die Scheidung der Ehe, die Zustellung erfolgte am 27.12.2019. Die Antragsgegnerin machte zunächst geltend, der Scheidungsantrag sei verfrüht, beantragte dann mit Datum vom 17.02.2020 ebenfalls die Scheidung.

Mit Schriftsatz vom 13.02.2020 stellte die Antragsgegnerin einen Stufenantrag zum Zugewinn.

Mit dem hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich und zum Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns teilweise angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Ehe geschieden sowie ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht werde zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass beide Eheverträge wirksam seien.

Die Antragsgegnerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass wegen ungleicher Verhandlungspositionen die Notarverträge unwirksam seien.

Die Antragsgegnerin beantragt, in Abänderung des Beschlusses vom 29.05.2020 wie folgt zu erkennen:

I.

1. Ein Versorgungsausgleich findet von Gesetzes wegen statt.

2. Der Antragsteller wird verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen

a) über den Bestand des Endvermögens zum 27.12.2019,

b) über den Bestand des Anfangsvermögens zum 19.12.2013,

c) über unentgeltliche Zuwendungen, welche er nach Eintritt des Güterstandes gemacht hat.

3. Den Wert aller unter vorstehender Ziffer I. bezeichneten Vermögensgegenstände mitzuteilen.

Die unter Ziffern II. und III. gestellten weiteren Stufen (Eidesstattliche Versicherung und Zahlungsantrag) sollen an die erste Instanz zurückverwiesen werden.

Der Antragsteller beantragt: Zurückweisung der Beschwerde.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Im Beschwerdeverfahren wurden Antragsteller und Antragsgegnerin persönlich angehört.

Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Sittenwidrigkeit Ehevertrag wenn nach Heirat geschlossen?
(Symbolfoto: Africa Studio/Shutterstock.com)

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist neben dem Versorgungsausgleich auch der gesamte Anspruch auf Zugewinnausgleich, nicht nur der Auskunftsantrag. Im Tenor des angefochtenen Beschlusses ist „der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht“ zurückgewiesen worden, zugleich wurde die Scheidung ausgesprochen und eine Kostenentscheidung getroffen. Auch wenn in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nur auf den Auskunftsantrag Bezug genommen wird, ist damit der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns insgesamt – einschließlich der noch nicht bezifferten Zahlungsstufe – abgewiesen worden.

Die Beschwerde ist in der Sache, soweit es um den Auskunftsanspruch über den Bestand des Anfangs- und Endvermögens und um den nicht durchgeführten Versorgungsausgleich geht, begründet.

1. Der Antragsgegnerin stehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche über den Bestand des Anfangs- und Endvermögens nach § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB zu, wobei es sich bei dem im Antrag genannten Stichtag des 19.12.2013 zum Anfangsvermögen um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, gemeint ist der 19.12.2003, der Zeitpunkt der Heirat der Beteiligten. Bereits der erste Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahre 2004, in dem der gesetzliche Güterstand ausgeschlossen worden ist, ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dessen Nichtigkeit ergreift nach § 139 BGB auch den 2013 geschlossenen zweiten Ehe- und Erbvertrag.

a. Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich unterliegen grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann (BGH vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17, juris Rn. 12 f.).

Im Privatrechtsverkehr haben die Gerichte nämlich die Wirkkraft der Grundrechte als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch die Konkretisierung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu schützen. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind. Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat. Ist jedoch auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt. Dies gilt auch für Eheverträge, mit denen Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach regeln. Art. 6 Abs. 1 GG gibt ihnen hierbei das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Allerdings setzt der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG ausdrücklich verbürgt ist, eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die eheliche und familiäre Freiheitssphäre ihre verfassungsrechtliche Prägung auch durch Art. 3 Abs. 2 GG erfährt. Verfassungsrechtlich geschützt ist deshalb eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen. Der Staat hat infolgedessen der Freiheit der Ehegatten, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. Es ist Aufgabe der Gerichte, in solchen Fällen gestörter Vertragsparität über die zivilrechtlichen Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren. Auch die Eheschließungsfreiheit steht einer solchen Inhaltskontrolle nicht entgegen (BVerfG vom 06.02.2001 – 1 BvR 12/92, juris Rn. 32 ff.).

Ein Ehegatte muss deshalb nicht eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung hinnehmen, soweit dies für ihn unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe – unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge einer Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelungen zu versagen ist. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellt, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (BGH vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17, juris Rn. 12 f.).

b. Der erste Ehe- und Erbvertrag vom 17.03.2004 hält einer Wirksamkeitskontrolle am dargelegten Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB nicht stand.

Dabei kann vorliegend dahin stehen, ob nicht bereits die hier zu beurteilenden Einzelregelungen des Ehevertrags bei isolierter Betrachtung nach § 138 Abs. 1 BGB als nichtig zu erachten sind, da jedenfalls der Ehevertrag vom 17.03.2004 bei einer Gesamtbetrachtung als nichtig anzusehen ist.

(1) Zunächst bestehen auch hinsichtlich einzelner Regelungen Anzeichen für eine objektiv einseitige Lastenverteilung für den Scheidungsfall, die durch den geplanten Zuschnitt der Ehe nicht gerechtfertigt und durch keinerlei Vorteile für die Antragsgegnerin ausgeglichen sind.

(a) Die Vereinbarung der Gütertrennung und damit der Ausschluss des Zugewinnausgleichs ist bei isolierter Betrachtung allerdings nicht zu beanstanden. Der Zugewinnausgleich wird vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst; er erweist sich ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich. Schon im Hinblick auf diese nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts wird ein Ausschluss dieses Güterstandes für sich genommen regelmäßig nicht sittenwidrig sein (BGH vom 09.07.2008 – XII ZR 6/07, juris Rn. 19).

(b) Fraglich erscheint aber eine objektive Benachteiligung der Antragsgegnerin hinsichtlich der zum nachehelichen Unterhalt getroffenen Abrede der Beteiligten.

Einerseits wird mit dem grundsätzlichen Ausschluss nachehelichen Unterhalts für den Fall, dass die Ehe vor Ablauf von drei Jahren geschieden wird, ein Rechtsgedanken aufgenommen, der sich auch in § 1579 Abs. 1 Nr. 1 BGB findet. Andererseits fehlt die Wahrung der in dieser Vorschrift besonders geschützten Kindesbelange (vgl. BGH vom 09.07.2008 – XII ZR 6/07, juris Rn. 14; vgl. insgesamt BGH vom 31.10.2012 – XII ZR 129/10, juris Rn. 19). Vielmehr wird in der Vereinbarung auch der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB für diesen Fall vollständig ausgeschlossen, obwohl die Antragsgegnerin bei Vertragsschluss durch die Erziehung eines Kindes gebunden war, gemeinsamer Nachwuchs, wie der Antragsteller bei der Anhörung durch den Senat eingeräumt hat, durchaus zur Diskussion stand und bei der damals 39-jährigen Ehefrau, soweit vorgetragen, auch nicht auszuschließen war und diese überdies als Ausländerin, die zunächst in einem Sprachkurs ihre Deutschkenntnisse vertiefte, zunächst kein eigenes Erwerbseinkommen erwarten konnte.

(c) Dasselbe gilt auch hinsichtlich des zumindest potentiell zeitlich bis zu einer Einbürgerung der Antragsgegnerin befristeten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs.

Der Versorgungsausgleich entspricht der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG, nach der zum Wesen der Ehe die grundsätzlich gleiche Berechtigung beider Partner gehört, die sich auch auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute nach Auflösung der Ehe auswirkt. Da die Leistungen der Ehegatten, die sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen sind, haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen ist. Dies entfaltet seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung (BVerfG vom 02.05.2006 – 1 BvR 1275/97, juris Rn. 9; BVerfG vom 26.05.2020 – 1 BvL 5/18, juris Rn. 92). Deshalb ist der Versorgungsausgleich dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen, so dass der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen steht (§ 6 VersAusglG). Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann daher nach § 138 Abs. 1 BGB schon für sich genommen unwirksam sein, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte kompensationslos aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (vgl. BGH vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13, juris Rn. 19 f.).

Ob damit die erforderliche einseitige Benachteiligung der Antragsgegnerin vorliegt und außerdem bezüglich dieser Einzelregelungen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB gegeben sind, kann hier dahin stehen.

2) Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise den Vorwurf der Sittenwidrigkeit jeweils für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag im Rahmen einer gebotenen Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. BGH vom 20.03.2019 – XII ZB 310/18, juris Rn. 35).

(a) Hier zielte der objektive Gehalt der Gesamtregelung erkennbar auf eine solche einseitige Benachteiligung der Antragsgegnerin und ausschließliche Begünstigung des Antragstellers als dem wirtschaftlich Stärkeren mit dem alleinigen Einkommen und der damit nur ihm möglichen Vermögensbildung, zumindest in den Anfangsjahren der gemeinsam verbrachten Ehezeit.

Nur der Antragsteller hatte zum damaligen Zeitpunkt ein zudem erhebliches und gesichertes Einkommen. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass er zu Beginn der Ehe, insoweit seinen Angaben folgend, über Geldvermögen in Höhe von etwa 25.000 € sowie verschiedene Autos und eine Werkstattausrüstung verfügte, während er nunmehr ausweislich seiner hier vorgelegten Auskunft aus dem Trennungsunterhaltsverfahren über 2 Häuser mit insgesamt 7 Mietvertragsparteien verfügt. Er war und ist, wie er seiner künftigen Ehefrau im Jahre 2002 mitteilte, Kraftfahrzeugmechanikermeister und übte diese Tätigkeit selbständig im Handel und Reparaturen aus und war außerdem tätig als in einem Industriebetrieb angestellter Controller im Qualitätswesen.

Die Antragsgegnerin war damals ohne Einkommen. Erst im Jahre 2010 änderte sich ihre berufliche Situation.

Damit diente die güterrechtliche Regelung ganz einseitig den Interessen des Antragstellers.

Nicht einmal gemeinsamer Nachwuchs sollte bei Scheidung innerhalb von 3 Jahren zugunsten der Ehefrau, die nicht nur kein eigenes Einkommen hatte, sondern zudem alleine einen 5-jährigen Sohn zu unterhalten hatte, unterhaltsrechtlich bedeutsam sein.

Nur der Ehemann konnte in den Anfangsjahren der Ehe mit dem Erwerb von Versorgungsanrechten rechnen, weil nur er (abhängig) erwerbstätig war. Der Versorgungsausgleich war bis zur Einbürgerung der Ehefrau, die von den Eheleuten diskutiert, aber wegen des, wie die Antragsgegnerin erläutert hat, damit verbundenen Verlustes der weißrussischen Staatsangehörigkeit und damit einer visumsfreien Einreise nach Weißrussland nicht verwirklicht worden ist, auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen. Die vertragliche Erbeinsetzung stellte in Anbetracht der nicht ausdrücklichen anderweitigen Bestimmung im Sinne von §§ 2279, 2077 BGB für den gerade problematischen Fall der Scheidung keine ausreichend sichere Kompensation dar, erst recht nicht die im Vertrag für den Fall der Scheidung vorgesehene einzige Einmalzahlung in Höhe von 2.000 €.

(b) Allerdings kennt das Gesetz keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz dieses Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (BGH vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19, juris Rn. 29). Solche Umstände sind dann zu bejahen, wenn sich die Ehegatten beim Vertragsschluss nicht als „gleich starke Verhandlungspartner“ gegenüberstanden, der Ehevertrag vielmehr erkennbar auf einer gravierenden wirtschaftlichen wie sozialen Imparität der Ehegatten beruht (BGH vom 09.07.2008 – XII ZR 6/07, juris Rn. 22).

Im vorliegenden Fall war die Antragsgegnerin, auch wenn sie aus der Position einer verheirateten Ehefrau agieren konnte, als neu zugereiste Ausländerin, die in ihrer Heimat eine lukrative Arbeitsstelle mit schon erreichter Zusage einer guten Altersversorgung aufgegeben hatte, dem Antragsteller deutlich unterlegen. Auch wenn sie über ein gutes deutsches Sprachverständnis verfügte, wie der Antragsteller vorträgt, war sie von ihrem Ehemann wirtschaftlich und in persönlicher Hinsicht vollkommen abhängig. Als einkommenslose und gegenüber ihrem 5-jährigen Sohn allein unterhaltspflichtige Mutter war sie auch wegen des Kindes, dem gegenüber der Antragsteller in keiner Weise verpflichtet war, auf den guten Willen ihres Mannes angewiesen. Sie musste sich auf möglichen gemeinsamen Nachwuchs einstellen und in einem fremden Land zurechtfinden, zunächst ohne Anerkennung ihrer erworbenen beruflichen Qualifikation. Damit hat sich der Antragsteller der prekären Situation seiner Ehefrau vollkommen verschlossen und einseitig und nicht schutzwürdig alleine seine vermögensrechtlichen Interessen für den Fall der Scheidung zu wahren gesucht.

c. Infolge der Gesamtnichtigkeit des ersten Ehe- und Erbvertrages vom 17.03.2004 ist nach § 139 BGB auch der zweite Ehe- und Erbvertrag vom 15.03.2013 unwirksam. Die beiden Verträge bilden schon inhaltlich ein einheitliches Rechtsgeschäft. Dass der 2. Ehe- und Erbvertrag auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, macht keine Seite, insbesondere nicht der hiervon begünstigte Antragsteller geltend.

2. Der Anspruch auf Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen, welche der Antragsteller nach Eintritt des Güterstandes gemacht hat, ist nicht begründet. Nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB kann der Ehegatte Auskunft über das Vermögen verlangen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgeblich ist. Damit umfasst der Tatbestand auch Auskünfte zu vermögensbezogenen Vorgängen, wie sie von § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB umfasst werden. Allerdings besteht dieser Anspruch grundsätzlich nur dann, wenn der Auskunftsberechtigte konkrete Tatsachen vorträgt, die ein unter § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB fallendes Handeln nahelegen, zumindest dann, wenn nicht nur Auskunft für die Zeit nach der Trennung begehrt wird (vgl. BGH vom 15.08.2012 – XII ZR 80/11, juris Rn. 35 ff). Dazu fehlt jeglicher Vortrag der auskunftsberechtigten Antragsgegnerin.

3. Desgleichen ist der Antrag, den Wert „aller unter vorstehender Ziffer I.“ – gemeint Nr. 1 – bezeichneten Vermögensgegenstände mitzuteilen, zurückzuweisen, und zwar bereits als unzulässig, weil völlig unklar ist, um welche Vermögensgegenstände es gehen soll. Der Antrag ist unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig formuliert.

4. Der Ausschluss des Versorgungsausgleich ist aus den dargelegten Gründen nicht wirksam erfolgt, weshalb der Versorgungsausgleich durchzuführen ist.

5. Das Verfahren ist deshalb, soweit es die weiteren Anträge des per Stufenantrag geltend gemachten Anspruchs auf Zugewinnausgleich anbelangt, auf Antrag der Antragsgegnerin in entsprechender Anwendung der §§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO (vgl. BGH vom 22.05.1981 – I ZR 34/79, Rn. 50, juris) an das Familiengericht zurückzuverweisen, dasselbe gilt zur Wahrung des Verbundes nach §§ 142, 137 FamFG hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich.

III.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach §§ 40, 42, 50 FamGKG.

Hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich haben die Ehegatten das gemeinsame monatliche Einkommen mit 5.100 € angegeben. Bei drei Anrechten (gesetzliche Rente auf beiden Seiten, Betriebsrente beim Antragsteller) errechnet sich ein Verfahrenswert von 4.590 €.

Für den Zugewinnausgleich richtet sich der Verfahrenswert nach dem noch unbezifferten Zahlungsantrag und den Vorstellungen der Antragsgegnerin. Daraus errechnet sich ein Wert von 262.500 €.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 150, 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.

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