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Sorgerechtsentzug wegen nicht hinreichender Erziehungsfähigkeit

AG Tempelhof-Kreuzberg, Az.: 155 F 19415/13, Beschluss vom 27.05.2014

1. Der Kindesmutter wird die elterliche Sorge für das Kind E, geboren am 06.01.2013 entzogen und auf einen Vormund übertragen.

2. Als Vormund wird das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin – Jugendamt – ausgewählt.

3. Von der Erhebung von Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Das Kind E wurde von der Kindesmutter am 06.01.2013 in Wuppertal geboren. Mit Beschluss vom 03.05.2013 wurde der Kindesmutter nach mündlicher Verhandlung durch das Amtsgericht Wuppertal, Familiengericht, Geschäftszeichen x im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung vorläufig entzogen und auf einen Pfleger – zunächst in Wuppertal – übertragen. Der Beschluss des Familiengerichts Wuppertal wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom y aufrecht erhalten. Der teilweisen Entziehung des Sorgerechts war die Inobhutnahme E am 05.04.2013 durch das Jugendamt vorausgegangen.

Sorgerechtsentzug wegen nicht hinreichender Erziehungsfähigkeit
Symbolfoto: Von fizkes /Shutterstock.com

Aus dem im einstweiligen Anordnungsverfahren erstatteten Bericht des Jugendamtes Wuppertal vom 05.04.2013, mit dem die Anordnung von Maßnahmen nach § 1666 BGB angeregt worden war, geht hervor, dass die Kindesmutter im November 2012 mit ihrer Mutter Frau M Kontakt zum Jugendamt Wuppertal aufgenommen habe, weil sie schwanger war und Unterstützung benötigte.

Die Kindesmutter befand sich schon vor der Geburt des Kindes im Methadonprogramm und wird weiterhin – nunmehr in Berlin – substituiert.

Aus dem Bericht des Jugendamtes Wuppertal vom 05.04.2013 geht weiter hervor, dass die Kindesmutter dem Jugendamt Wuppertal bis zu ihrer Volljährigkeit aufgrund von Drogenkonsum (Heroin), Alkoholkonsum und selbstverletzendem Verhalten bekannt war. Das Jugendamt berichtete, dass die Kindesmutter zu ihrer Mutter Frau M sie ein angespanntes und kritisches Verhältnis gehabt habe. Ein Hausbesuch des Jugendamtes Wuppertal am 10.12.2012 ergab einen positiven Eindruck. Nachdem E am 06.01.2013 nach komplikationsloser Geburt geboren worden war, beantragte die Mutter eine Erziehungshilfe und es wurde eine Hebamme über das Starthilfeprogramm eingesetzt. Das Kind E wurde nach der Geburt zunächst 2 ½ Wochen auf der Intensivstation der Sankt Anna Klinik in Wuppertal und später auf der Intensivstation im Helios Klinikum in Wuppertal-Barmen versorgt. Die Kindesmutter wohnte bei ihrer Mutter, da es ihr körperlich nicht gut ging. In diesem Zeitraum nahm die Mutter eine Hebamme in Anspruch, die ihr über das Jugendamt vermittelt worden war. Die Hebamme berichtete dem Jugendamt Wuppertal, dass die Mutter dringend Unterstützung benötige, da sie in vielen Dingen, z.B. Gesprächen mit Ärzten und Behörden, noch sehr unsicher sei. Die Hebamme berichtete weiter, dass die Kindesmutter zudem Unterstützung im Umgang und bei der Pflege des Säuglings benötige, sobald das Kind aus dem Krankenhaus entlassen würde. Das Kind befand sich zu der Zeit noch in der Klinik und wurde mit Polamidon substituiert. Die Kindesmutter hatte bereits vor der Geburt des Kindes ihren Umzug nach Berlin geplant. Diesen Plan verfolgte sie nach der Geburt des Kindes weiter und forderte in diesem Zusammenhang Unterstützung der Hebamme und des Jugendamtes an. Aus dem Bericht des Jugendamtes geht hervor, dass der Kindesmutter vermittelt wurde, dass die kontaktierten Stellen nur begrenzt unterstützen könnten; insbesondere die Finanzierung sei Frage des JobCenters. Die Mutter war mit den Leistungen der Hebamme nach übereinstimmendem Bericht des Jugendamtes und der im Verfahren beim Amtsgericht Wuppertal zum Aktenzeichen x bestellten Verfahrensbeiständin nicht einverstanden, so dass sie die Zusammenarbeit mit ihr beendete.

Das Jugendamt Wuppertal berichtete, dass ihm aus dem Krankenhaus zurückgemeldet worden sei, dass die Mutter ihr Kind in der Klinik weitestgehend regelmäßig besuchte und versorgte. Als die Entlassung des Kindes aus der Klinik bevorstand, wurde die Mutter aufgefordert, sich zwei Tage mit dem Kind in die Klinik aufnehmen zu lassen, da man den Kontakt zwischen Mutter und Kind bzw. den Umgang der Mutter und dem Kind beobachten wolle. Hiermit zeigte sich die Mutter nicht einverstanden, da sie diese Forderung für unbegründet hielt und der Auffassung war, mit ihrer Tochter sehr gut umgehen zu können. Die Kindesmutter hatte E an einem Tag in der Klinik ein Fruchtgummi an den Mund gehalten, was dem Klinikpersonal negativ aufgefallen war und berichtet wurde. Nachdem die Kindesmutter merkte, dass als Bedingung für ihre Entlassung seitens der Klinik gefordert wurde, dass sie eine Unterstützung bei der Betreuung und Versorgung ihrer Tochter annehmen sollte, erklärte sich die Mutter zunächst damit einverstanden. Sie signalisierte jedoch gegenüber der Verfahrensbeiständin in Wuppertal deutlich, dass sie die Hilfe nur annehmen wollten, weil sie befürchtete, E sonst nicht mit nach Hause nehmen zu können. Die Kindesmutter war weiterhin der Auffassung, dass sie mit ihrer Tochter sehr gut allein klar käme. Die Verfahrensbeiständin berichtete, dass die Mutter den „Aufstand“ des Jugendamtes und der Klinik wegen der Entlassung E in ihren Haushalt nicht nachvollziehen konnte. Die Kindesmutter hatte nach dem Bericht der Verfahrensbeiständin vor, die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt mit der Entlassung E aus der Klinik zu beenden. Das Klinikpersonal des Helios-Klinikums Wuppertal, in dem E vom 24.01.2013 bis 25.03.2013 behandelt wurde, berichteten der Verfahrensbeiständin Rechtsanwältin k., dass die Mutter des Öfteren während ihres Aufenthaltes in der Klinik telefoniert und dabei in den Telefonhörer geschimpft habe, z.B. mit den Worten: „Die können mich doch mal“. Das Klinikpersonal berichtete der Verfahrensbeiständin in Wuppertal, dass die Mutter auf Hinweise der Ärzte und des Pflegepersonals bezüglich der Befindlichkeit und besonderen Bedürfnisse ihrer durch die Sucht der Mutter vorbelasteten Tochter ohne Problembewusstsein reagierte und die besondere negative Einstiegsbelastung von E nicht nachvollziehen konnte. Sowohl das Pflegepersonal als auch die behandelnden Ärzte im Helios-Klinikum äußerten zu der Zeit die Einschätzung, dass es dringend erforderlich sei, dass die Mutter Hilfen in Anspruch nehme, da die Sorge bestünde, dass die Mutter ein Problembewusstsein für die körperlichen Beeinträchtigungen eines Säuglings mit Entzugssyndrom noch nicht entwickeln habe können. Es wurde die Gefahr eingeschätzt, dass die Mutter die Bedürfnisse des – damals noch – Säuglings noch nicht genau einschätzen könne, woraus eine Gefahrensituation für E entstehen könne.

Das Klinikum teilte mit, dass die Entlassung des Kindes in den Haushalt der Mutter vor dem Hintergrund erfolgt sei, weil die Mutter angegeben hatte, dass sie Hilfen des Jugendamtes in Anspruch nehmen würde, was tatsächlich nicht der Fall war. Die Kindesmutter plante, mit ihrer Tochter zum 01.05.2013 nach Berlin zu ziehen und befand sich in entsprechenden Vorbereitungen.

Die Mutter zeigte sich nicht weiter bereit, die vom Jugendamt Wuppertal eingesetzten Mitarbeiter des Projektes Starthilfe weiter in die Wohnung zu lassen. Als die Mutter beim Jugendamt Wuppertal einen Antrag zur Gewährung von Hilfen zur Erziehung stellen sollte, teilte die Mutter der zuständigen Sachbearbeiterin mit, dass sie den Antrag nicht unterschreiben würde, weil sie hierzu nicht verpflichtet sei. Damit war für die Mutter, die gegenüber der Verfahrensbeiständin in Wuppertal selbst angegeben hatte, an dieser Stelle „dicht“ gemacht zu haben, die Sache erledigt.

Am 05.04.2013 wurde E durch das Jugendamt Wuppertal in Obhut genommen. Die Kindesmutter war mit der Inobhutnahme nicht einverstanden und wehrte sich gegen diese bei sämtlichen Stellen, u.a. bei dem Bürgermeister der Stadt Wuppertal.

Die im einstweiligen Anordnungsverfahren durch das Amtsgericht Wuppertal bestellte Verfahrensbeiständin Rechtsanwältin k. schätzte die Situation so ein, dass die Mutter unter der Trennung von ihrer Tochter litt, es im Gespräch jedoch auch deutlich geworden sei, dass die Kindesmutter die Bedenken der Ärzte und des Pflegepersonals nicht nachvollziehen konnte und insofern folgerichtig die vom Jugendamt eingeforderte Inanspruchnahme von Jugendhilfemaßnahmen ablehnte. Die Verfahrensbeiständin berichtete, dass die Mutter bis zum Zeitpunkt ihres Berichts kein Problembewusstsein bezüglich der bei E aufgetretenen Entzugsproblematik habe entwickeln können. Sie äußerte die Befürchtung, dass es die Mutter es auch in Zukunft nicht für notwendig erachten würde, Hilfen des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen. Die Verfahrensbeiständin berichtete, dass sie nach ihrem Gespräch mit der Mutter in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Helios Klinikums den Eindruck gewonnen habe, dass die Mutter insoweit beratungsresistent sei. Die Mutter habe auch nicht auf die Warnung des Jugendamtes reagiert, dass bei fehlender geforderter Inanspruchnahme der angebotenen Hilfen eine Inobhutnahme von E im Interesse des Kindeswohls erfolgen würde. Als die Inobhutnahme tatsächlich stattfand, zeigte sich die Mutter hierüber ausweislich des Berichts der Verfahrensbeiständin in Wuppertal überrascht.

Die Verfahrensbeiständin in Wuppertal schätzte die Situation vor Erlass der einstweiligen Anordnung so ein, dass eine Rückführung des Kindes in den Haushalt der Mutter nur unter der Bedingung erfolgen könne, dass die Kindesmutter sich verpflichtet, mit dem Jugendamt zusammen zu arbeiten und Hilfen zur Erziehung im Interesse von E zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Sie empfahl zudem die Erteilung einer Schweigepflichtsentbindung gegenüber den behandelnden Ärzten.

Noch während das Beschwerdeverfahren bezüglich der einstweiligen Anordnung bezüglich des Teilsorgeentzugs beim Oberlandesgericht Düsseldorf anhängig war, stellte die Großmutter mütterlicherseits einen Antrag auf Entlassung des Jugendamtes aus der Pflegschaft und die Übertragung derselben auf sie. Diesen Antrag verfolgt sie derzeit vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg weiter. Während des laufenden Hauptsacheverfahrens zur Regelung der elterlichen Sorge und der Erforderlichkeit von Maßnahmen nach § 1666 BGB strengte die Kindesmutter zahlreiche weitere Verfahren, u.a. mehrere Umgangsverfahren, an, nicht nur vor dem erkennenden Gericht sondern ebenfalls vor dem Sozialgericht Berlin und dem Verwaltungsgericht Berlin.

Angesichts des Umzuges der Mutter nach Berlin wurde auch der Aufenthalt Kind E von der ursprünglichen Pflegefamilie in Nordrhein-Westfalen in eine Pflegefamilie in Berlin-Lichtenberg verlegt. Die Mutter bezog eine eigene Wohnung in Lichtenberg.

Zum Aktenzeichen 155 F xx wurde beim erkennenden Gericht ein Verfahren betreffend den Umgang der Großmutter mütterlicherseits geführt. Aus diesem Verfahren heraus regte das Jugendamt Lichtenberg mit Schreiben vom 22.10.2013 die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens nach § 1666 BGB betreffend E an. Ein entsprechendes Verfahren wurde von Amts wegen eingeleitet und wird seitdem zum hiesigen Aktenzeichen geführt. Mit Antrag vom 05.12.2013 begehrte die ursprünglich anwaltlich vertretene Kindesmutter die Rückübertragung der ihr im einstweiligen Anordnungsverfahren entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge sowie die Rückführung des Kindes in ihren Haushalt. Das Verfahren, das zunächst zum Az. 155 F YY eingetragen worden war, wurde zum Verfahren 155 F zz verbunden, weil im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit von Maßnahmen nach § 1666 BGB die Frage nach der Rückübertragung der elterlichen Sorge vollumfänglich erfasst ist. Zum hiesigen Verfahren verbunden wurde ebenfalls das zunächst beim Verwaltungsgericht Berlin zum Geschäftszeichen 18 L vv geführte Verfahren, das hier zunächst zum Aktenzeichen 155 F ww erfasst worden war.

Das Gericht hatte im dem ersten vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg geführten Umgangsverfahren der Mutter zum Aktenzeichen 155 F tt mit den Beteiligten am 04.09.2013 verhandelt.

Im hiesigen Verfahren wurde sodann mit gerichtlichen Schreiben vom 03.12.2013 mitgeteilt, dass das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne vorherige Durchführung eines Anhörungstermins beabsichtige. Der damals die Kindesmutter noch vertretende Rechtsanwalt G. teilte daraufhin mit, dass keine Einwendungen gegen die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens bestünden. Er benannte zugleich verschiedene von der Kindesmutter vorgeschlagene Sachverständige.

Mit Beweisbeschluss vom 06.10.2014 beauftragte das Gericht die von ihm gem. § 404 ZPO ausgewählte Sachverständige Diplom-Psychologin B.. Die Kindesmutter lehnte die Sachverständige mit Schreiben vom 16.01.2014 wegen Befangenheit ab. Das Ablehnungsersuchen wurde mit Beschluss des Kammergerichts vom 24.02.2014 zurückgewiesen.

Die Kindesmutter teilte im Folgenden mit, dass sie nicht an einer Begutachtung von Frau B. mitwirken werde und sie hierzu auch nicht verpflichtet sei.

Das Mandat zwischen der Mutter und ihrem Bevollmächtigten G. wurde beendet. Die Kindesmutter warf Rechtsanwalt G. Parteiverrat vor.

Im Umgangsverfahren zum Aktenzeichen 155 F tt wurde zwischen der Mutter und dem Jugendamt besprochen, dass ein begleiteter Umgang 3x in der Woche umgesetzt werden sollte. Hierfür sei die Stellung eines entsprechenden Antrags beim Jugendamt erforderlich. Es wurde besprochen, dass die Umsetzung zwischen Mutter und Jugendamt einvernehmlich erfolgen sollte. Vor diesem Hintergrund nahm die in diesem Verfahren von Rechtsanwältin St. vertretene Mutter ihren Umgangsantrag zurück, wogegen die Kindesmutter im Wege der Beschwerde vorging.

Im weiteren Umgangsverfahren zum Aktenzeichen 155 F ss einigte sich die Mutter nach ausführlicher Erörterung der unter Berücksichtigung des Kindeswohls von E bestehenden Möglichkeiten einer Umgangsgestaltung mit dem Jugendamt auf die aus dem dortigen Anhörungsvermerk vom 10.01.2014 ersichtliche Regelung. Diese wurde letztlich nicht umgesetzt, da die Kindesmutter nicht wie vereinbart den erforderlichen Antrag in einer durch das Jugendamt bearbeitbaren förmlich korrekten Weise stellte und die den Besuch der benannten Krabbelgruppe ablehnte, weil sie eine andere Krabbelgruppe mit E besuchen wollte. Durch die vereinbarte Regelung war beabsichtigt gewesen, den Umgang zwischen Mutter und Kind qualitativ zu verbessern. Der Umgang wurde danach grundsätzlich als drei Mal pro Woche stattfindender Umgang in den Räumen des Trägers „Liki“ statt, wobei die Mutter vortrug, dass der Umgang nicht regelmäßig stattgefunden habe. Auch auf mehrmalige und nachdrückliche Bitte des Jugendamtes an die Kindesmutter, den Antrag auf begleiteten Umgang zu stellen und den Platz in der Krabbelgruppe des Kinderschutzzentrums wahrzunehmen, reagierte die Mutter verweigernd und erklärte, dass das Jugendamt Verantwortung dafür trage, dass der Antrag bis jetzt nicht bewilligt sei. Sie hätte ihn unterschrieben und es sei ihr gutes Recht Ergänzungen vorzunehmen. Ihr sei zudem kein vollständiger Antragsvordruck überreicht worden. Die konkrete Krabbelgruppe, die im Rahmen des Anhörungstermins als für die besonderen Bedürfnisse E durch das Jugendamt und durch die Verfahrensbeiständin als (einzig) geeignet befunden worden war, lehnte die Mutter ab, da sie eine eigene ausgesucht habe.

Das Jugendamt berichtete erstmals mit Bericht vom 08.01.2014 und seitdem verschiedentlich, dass es bei den Umgängen zu Unstimmigkeiten zwischen den Pflegeeltern und der Mutter gekommen sei. Die Kindesmutter sei auf Bitten der Pflegeeltern zu bestimmten Verhaltensweisen nicht eingegangen. Das Verhältnis ist – auch nach dem Vortrag der Mutter – sehr angespannt. Der Pflegevater ist bei der Durchführung der Umgänge inzwischen nicht mehr anwesend. Ausweislich der Berichts der Verfahrensbeiständin zeigte E nach Umgängen mit der Mutter verstärkt Schlafstörungen.

Im zuletzt mit Beschluss vom 19.05.2014 abgeschlossenen Umgangsverfahren zum Az. 155 F aa – inzwischen ist ein neues einstweiliges Anordnungsverfahren zur Regelung des Umgangs zum Az. 155 F bb anhängig – wurde der Umgang der Kindesmutter auf einen einstündigen begleiteten Umgangskontakt pro Woche beschränkt. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Nicht nur die Mutter, sondern auch die Großmutter mütterlicherseits, Frau M, der von der Mutter eine „Generalvollmacht“ ausgestellt worden war, wandte sich wiederholt mit verschiedenen Schreiben mit Eingaben und Vorhaltungen an das Jugendamt und das Gericht. Das Jugendamt teilt aus seiner Anschauung mit, dass dort der Eindruck entstanden sei, dass die Mutter nicht in der Lage sei, sich der Meinung der Großmutter mütterlicherseits, Frau M, zu widersetzen. Nach dortiger Einschätzung vom 15.01.2014 bestand dort der Eindruck, dass eine Arbeit alleine mit der Mutter ggf. positiv gestaltbar wäre, jedoch Frau M nach Einschätzung des Jugendamtes nicht im Interesse ihrer Tochter und Enkeltochter agiere, da sie jegliche Vereinbarungen, die mit der Mutter getroffen worden seien, widerrufen habe und dafür gesorgt habe, dass die Mutter nicht in Kooperation mit dem Jugendamt gegangen sei.

Nachdem die Kindesmutter nachdrücklich unter Berufung auf Ihre Grundrechte mitteilte, an der Begutachtung durch die Sachverständige B. nicht mitzuwirken, beraumte das Gericht einen Anhörungstermin auf den 26.03.2014 an. Das Jugendamt, die Pflegerin, die Verfahrensbeiständin und die Verfahrensbeiständin wurden angehört. Die Kindesmutter nahm an dem Termin nicht teil. Die Großmutter mütterlicherseits, die an dem Termin teilnahm verwies auf die aus ihrer Sicht und aus Sicht der Kindesmutter unzulässige Anwesenheit der Sachverständigen im Sitzungssaal. Auf das Anhörungsprotokoll vom 26.03.2014, insbesondere auf den Bericht des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin wird Bezug genommen. Der Inhalt wird zum Gegenstand des Sachvortrags gemacht.

Frau P. beantragt im Namen des Kindes, die Personensorge für das Kind E auf das Jugendamt Lichtenberg als Personenpfleger zu übertragen.

Die Großmutter beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, den Akteninhalt der Beiakten, insbesondere auch auf den Akteninhalt des Verfahrens des Amtsgerichts Wuppertal zum Az. x Bezug genommen, der – insbesondere bezüglich des Berichts des Jugendamtes Wuppertal vom 05.04.2013 und des Berichts der Verfahrensbeiständin Rechtsanwältin k. vom 23.04.2013 – zum Gegenstand des Sachvortrags gemacht wird. Es wird des Weiteren Bezug genommen auf die Berichte der Verfahrensbeiständin Frau P. und des Jugendamtes in den Umgangsverfahren 155 F ss und 155 F aa

II.

Der gemäß §§ 1666, 1666 a BGB angeordnete Eingriff in die elterliche Sorge ist wegen mütterlichen Versagens zur Abwendung von dem Kind drohenden Gefahren erforderlich, da es an einer mütterlichen Bereitschaft bzw. Fähigkeit zur Gefahrenabwendung mangelt.

Dass die Mutter entschieden hat, in Anwesenheit der Sachverständigen B. nicht am Termin am 26.03.2014 teilzunehmen und sich nicht zu äußern, hindert das Gericht nicht daran, in der Sache zu entscheiden. Bezüglich des gerichtlichen Vorgehens wird auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 17.02.2010 – XII ZB 68/09) verwiesen.

Das Gericht hat im Verlauf dieses Verfahren und der Parallelverfahren betreffend das Kind E ausreichende Erkenntnisse erlangt, die eine Beurteilung der Erforderlichkeit von Maßnahmen nach § 1666, 1666 BGB – hier eines vollständige Sorgerechtsentzugs – ermöglichen, auch ohne dass eine sachverständige Begutachtung durchgeführt worden wäre.

Es hat sich zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Mutter im Ergebnis – ob aufgrund einer Beeinflussung ihrer Mutter oder nicht – nicht langfristig in der Lage ist, Ratschläge und Hilfen anzunehmen und umzusetzen, die zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich wären. Sie bringt vielmehr weiterhin zum Ausdruck, dass sie wisse, was gut für ihre Tochter sei und sie sich gut um sie kümmern könne. Das Gericht hatte zur zügigen Klärung der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter und zur möglichst schnellen Klärung der Perspektive für E die Einholung des mangels Mitwirkung der Kindesmutter nicht zu Stande gekommenen Sachverständigengutachtens angeordnet. Die Kindesmutter beruft sich – rechtlich zutreffend – darauf, dass sie nicht zur Mitwirkung am Gutachten verpflichtet ist. Es ist auch zutreffend, dass aus der Tatsache der fehlenden Mitwirkung nicht der Schluss auf eine fehlende Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter gezogen werden kann. Das Sachverständigengutachten hätte der Mutter bei entsprechender Mitwirkung jedoch auch die Möglichkeit eröffnet, ihre Erziehungsfähigkeit, die ihrer Meinung nach besteht, positiv belegen zu können.

Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Kindesmutter nicht in der Lage ist, die elterliche Sorge für E zu ihrem Wohl verantwortlich auszuüben. Letztlich ergibt sich jedoch die nicht ausreichende Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter nach den gewonnenen Erkenntnissen des Gerichts zur Überzeugung des Gerichts auch ohne dass dies durch ein familienpsychologisches Gutachten festgestellt wäre und ohne unzulässigen Rückgriff auf eine Beweislastumkehr.

Unabhängig davon, inwieweit das Verhalten der Kindesmutter auf ihrer eigenen Überzeugung beruht oder von ihrer Mutter beeinflusst ist, zeigt das Verhalten der Kindesmutter, dass sie nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse und Interessen von E wahrzunehmen und ihr Verhalten entsprechend dieser Bedürfnisse auszurichten. Die von der Verfahrensbeiständin bereits im Eilverfahren in Wuppertal in Übereinstimmung mit der Einschätzung des dortigen für die Versorgung des Kindes im Krankenhaus zuständigen Klinikpersonals benannte Beratungsresistenz der Kindesmutter bzw. Uneinsichtigkeit der Kindesmutter bezüglich der durchweg von fachlicher Seite eingeschätzten Erforderlichkeit von Unterstützung der Mutter bei der bedürfnisgerechten Versorgung von E hat sich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts im hiesigen Verfahren bestätigt.

Vorliegend beruht die Einschätzung des Gerichts, dass die Kindesmutter nicht zur Abwendung von Gefahren für das Kindeswohl willens oder in der Lage ist auch nicht auf der Frage eines möglichen Beikonsums der Mutter, der im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens im Raum stand und den die Mutter im vorliegenden Verfahren bestritten hat. Auf die Substitution bzw. einen möglichen Beikonsum der Mutter kommt es hier letztlich nicht an. Es kommt auch – isoliert betrachtet – nicht darauf an, ob die Kindesmutter E im Säuglingsalter ein Mal ein Fruchtgummi gegeben hat oder nicht.

Vielmehr ergibt sich die Überzeugung des Gerichts, dass die Kindesmutter nicht in der Lage ist, die elterliche Sorge für E auszuüben aus einer Gesamtschau des Verhaltens der Kindesmutter seit der Geburt von E, das sich bis heute fortgesetzt hat. Die fehlende Bereitschaft, Hilfen des Jugendamtes anzunehmen, zeigte sich bereits im Eilverfahren in Wuppertal, was sich aus den dargestellten Ausführungen der dortigen Verfahrensbeiständin ergibt.

Soweit die Kindesmutter zum Ausdruck gebracht hat, dass in Wuppertal viel schief gelaufen sei und das Jugendamt E zu Unrecht in Obhut genommen habe, kann das Gericht jedoch nicht erkennen, dass die Mutter den ihr durch den Zuständigkeitswechsel zum Jugendamt Lichtenberg „Neustart“ zur Veränderung ihrer Kooperationsbereitschaft genutzt hat, nutzen wollte oder nutzen konnte. Das Gericht erlebte im ersten mit der Kindesmutter und dem Jugendamt durchgeführten Anhörungstermin im Umgangsverfahren zum Az. 155 F xx kurz nach dem Umzug der Mutter nach Berlin eine in Anwesenheit der Kindesmuttervertreterin eine durchaus kooperative Grundstimmung von beiden Seiten. In diesem Termin hatte die Kindesmutter ihre Mutter gebeten, den Saal zu verlassen und erklärt, sie wolle sich von Rechtsanwältin St. vertreten lassen. Das Jugendamt bot der Kindesmutter Hilfen an und ermutigte sie zu vertrauensvoller Kooperation im Sinne E. Es zeigte sich jedoch bereits unmittelbar nach dem Termin, dass eine Zusammenarbeit nicht funktionierte. Auf die Frage, ob die folgende fehlende Kooperationsbereitschaft von der Mutter selbst ausging oder auf eine nicht erfolgte hinreichende Distanzierung vom Einfluss der Großmutter zurückzuführen ist, kann letztlich dahinstehen. Im Ergebnis zeigte sich die Mutter jedenfalls nicht hinreichend kooperationsbereit.

Das Jugendamt berichtete auch im Anhörungstermin am 26.03.2014, dass eine Hilfeplanung auch bezüglich der Umgangsgestaltung, wie sie damals stattfinden sollte, bis dato mangels der erforderlichen Mitwirkung der Mutter nicht erfolgen konnte.

 

Die Verfahrensbeiständin schätzte die Situation von E so ein, dass diese durch das Verhalten der Kindesmutter in ein Spannungsverhältnis gebracht wurde, das für das Kind emotional nicht auszuhalten ist, ohne Schaden zu nehmen. Der Mutter ist es nach der auf den Berichten der Fachkräfte beruhenden Angaben nicht gelungen, ihren Anteil an der Situation zu erkennen und ihr Verhalten entsprechend der Bedürfnisse des Kindes auszurichten.

Insoweit die Kindesmutter der Überzeugung ist, dass sie die Spannungen nicht verursache und sie nur ihre Rechte verfolge, kommt darin ihr Unvermögen zum Ausdruck, ihre eigenen Anteile an der Situation zu erkennen und danach zu handeln. Die Kindesmutter sucht die Schuld nach den in den verschiedenen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen nicht so sehr bei sich selbst sondern vielmehr bei allen anderen Beteiligten unter starrer und wiederholter Berufung auf ihre formalen Rechte. Nach Auffassung des Gerichts übersieht sie bei der wiederholten bei verschiedensten Stellen geltend gemachter Verfolgung ihrer Rechte die Bedürfnisse des Kindes und stellt vielmehr ihre eigenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Das Gericht konnte im Laufe des Verfahrens nicht feststellen, dass der Kindesmutter von Seiten des Jugendamtes oder von anderer Seite schikanöse Auflagen gemacht worden wären. Vielmehr hat sich zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Bitten und Auflagen, die an die Mutter herangetragen wurden bzw. ihr gemacht wurden stets an den Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet waren und nach hiesiger Erkenntnis bestmöglich versucht wurde, die Interessen der Kindesmutter zu berücksichtigen, wenn auch immer mit dem Fokus auf das Kindeswohl.

Das Gericht macht sich die fachliche Einschätzung der Verfahrensbeiständin zu eigen, dass die Kindesmutter in ihrem Verhalten klar an den Bedürfnissen von E vorbei lebt, wenn nicht sogar ausdrücklich entgegen dieser Bedürfnisse handelt. Das Gericht folgt der durchweg von allen Fachkräften – auch schon in Wuppertal – geäußerten Einschätzung, dass die Mutter die Versorgung von E nur mit Inanspruchnahme – umfangreicher – öffentlicher Hilfen schaffen könnte. Da sie aber jegliche Kooperation verweigert, ohne zu erkennen, dass das obstruktive Verhalten nicht unwesentlich – auch – von ihr ausgeht, sei es aufgrund von Beharren auf starren rechtlichen Positionen ohne Blick auf die konkreten Bedürfnisse des Kindes, konnte bislang keinerlei Hilfe auf den Weg gebracht werden, nicht einmal die avisierte Veränderung der bis zum Beschluss vom 19.05.2014 grundsätzlich vereinbarten Umgangsvereinbarung mit begleitetem Umgang und der Teilnahme an der Krabbelgruppe.

Das Gericht schließt sich der Einschätzung der verschiedenen Fachkräfte zur Konstitution und zu den Bedürfnissen von E an. Es gibt nach dem Bericht der Verfahrensbeiständin Anzeichen für eine bereits bestehende Bindungsstörung E, so dass eine zügige Perspektivklärung für das Kind dringend erforderlich ist. Das Kind musste nach seinem Aufenthalt und seinem Entzug nach der Geburt im Krankenhaus einen Wechsel in die erste Pflegefamilie in Wuppertal und sodann einen erneuten Wechsel nach Berlin verkraften. Das Kind befindet sich in einer wichtigen Bindungsphase, so dass möglichst schnell die langfristige Perspektive für E geklärt werden muss, um ihr die langfristige Entwicklung von Bindungen noch zu ermöglichen.

Nach der durch das Gericht im Rahmen des hiesigen Hauptsacheverfahrens und aus den verschiedenen Umgangs- und sonstigen Verfahren gewonnenen Überzeugung des Gerichts, ist die Kindesmutter nicht hinreichend erziehungsfähig, um die elterliche Sorge für das Kind E verantwortlich auszuüben. Nach Überzeugung des Gerichts kann eine Kindeswohlgefährdung derzeit nur durch den Entzug der gesamten elterlichen Sorge für das Kind E abgewendet werden. Aufgrund der vollständigen Kooperationsverweigerung der Kindesmutter ist es nach Überzeugung des Gerichts auch nicht ausreichend, der Mutter die Personensorge zu entziehen und die Vermögenssorge zu belassen. Da die Kindesmutter in der Frage erforderlicher Antragstellungen in keiner Weise kooperativ mit dem Jugendamt zusammenarbeitet und diesem unterstellt, seinen Aufgaben nicht nachzukommen, ist mit Blick auf das Kindeswohl auch die Vermögenssorge zu entziehen. Denn es ist aus Sicht des Kindes nicht zumutbar, dass für den Fall der Erforderlichkeit von Handlungen betreffend die Vermögenssorge, die Gefahr fehlender Handlungsfähigkeit für das Kind besteht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 81 FamFG, § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

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