AG Ludwigslust, Az.: 13 F 277/13
Urteil vom 21.06.2013
I.
Der Antragsgegnerin wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind der Beteiligten … geb. am 22.01.2009 entzogen und dem Antragsteller allein übertragen.
II.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das gemeinsame Kind der Beteiligten … geb. am 22.01.2009 an den Antragsteller herauszugeben.
III.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV.
Der Verfahrenswert wird 1.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Eltern des gemeinsamen nichtehelichen Kindes … geb. am 22.01.2009. Sie leben seit März 2012 voneinander getrennt. Der Antragstellerin steht die elterliche Sorge für das Kind alleine zu. Seit der Trennung der Beteiligten lebt … im Haushalt der Antragsgegnerin.
In dem vor dem Amtsgericht Ludwigslust betriebenen einstweiligen Anordnungsverfahren der Beteiligten, AZ: 13 F 125/12 begehrte der Kindesvater bereits die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für … auf sich allein. Die Kindesmutter hat sich nach einer stationären Alkoholentgiftung im April 2012 von Mitte August bis Ende November des Jahres 2012 einer stationären Entwöhnungstherapie in der Fontane-Klinik Motzen in Mittenwalde unterzogen. Im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt bevorstehende Entwöhnungstherapie der Antragsgegnerin unter Mitnahme des Kindes … wurde das o.g. Verfahren in der mündlichen Verhandlung am 18.06.2012 mit einer einvernehmlich getroffenen Umgangsvereinbarung hinsichtlich des Kindesvaters und ……….beendet.
Im Dezember 2012 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht Ludwigslust, AZ: 13 F 347/12 die Durchführung des Vermittlungsverfahrens, welches in der mündlichen Verhandlung am 17.01.2013 mit einer einvernehmlichen Abänderung der bestehenden Umgangsvereinbarung beendet wurde.
Die Antragsgegnerin hat am 22.05.2013 Alkohol konsumiert. Vom 23.05.2013 bis zum Morgen des 12.06.2013 hielt sich … im Haushalt des Kindesvaters auf. Vom 06.06.2013 bis 12.06.2013 hat die Antragsgegnerin in der Klinik in Schwerin eine Alkoholentgiftung durchführen lassen. Am 12.06.2013 holten sie … aus dem Kindergarten ab. Seither befindet sich … wieder in ihrem Haushalt.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für den Sohn … auf sich allein.
Er trägt im Wesentliche vor: Die Antragsgegnerin sei aufgrund ihrer Alkoholerkrankung in hohem Maße unzuverlässig. In dem sie einräume, dass sie am 22.05.2013 zusammen mit einer Freundin eine halbe Flasche Korn getrunken habe, sei dies ein deutliches Zeichen, dass sie sich ihrer Alkholerkrankung nicht bewusst sei. Die spontane Entscheidung der Antragsgegnerin, nach ihrer Entgiftung … wieder sofort in ihren Haushalt aufzunehmen, widerspreche Kindeswohlüberlegungen. Die notwendige kontinuierliche Betreuung des Kindes könne gegenwärtig nur von ihm geleistet werden.
Der Antragsteller beantragt, wie erkannt.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor: Sie führe derzeit ein geordnetes Leben. Tatsache sei, dass sie sicherlich alkoholkrank gewesen sei. Sie sei nach einer sehr langen Therapie vom 13.08.2012 bis 26.11.2012 erfolgreich entlassen worden. Sie habe zusammen mit einer Freundin in Strohkirchen am 22.05.2013 insgesamt eine halbe Falsche Korn getrunken. Sie sei aber weder betrunken gewesen, noch nicht mehr in der Lage gewesen, für das Kind zu sorgen. Sie sei gegen 18:00 Uhr mit dem Zug nach Hause gefahren und habe das Kind ordnungsgemäß ins Bett gebracht. Am 23.05.2013 sei ihr ohne Rechtsgrund das Kind vom Jugendamt entzogen worden. Sie habe sich nicht geweigert, dass Kind herauszugeben, da sie nicht gewusst habe, dass sie als Sorgerechtsinhaberin das Kind nicht habe herausgeben müssen. Die Bindungen des Kindes zum Antragsteller seien nicht sehr ausgeprägt, im Gegenzug habe das Kind zu ihr eine innige Beziehung.
Das Kind … ist am 13.06.2013 angehört worden (vgl. Blatt 54 d.A.).
Die Kindeseltern, die Mitarbeiterin des Fachdienstes Jugend Ludwigslust-Parchim … sowie der Verfahrensbeistand sind in der mündlichen Erörterung vom 17.06.2013 angehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Mitarbeiterin des Suchthilfezentrums des Diakoniewerkes Kloster Dobbertin in Ludwigslust, … ist als Zeugin vernommen worden, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Desweiteren wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Stellungnahmen des Fachdienstes Jugend Ludwigslust-Parchim und des Verfahrensbeistandes, beide jeweils vom 17.06.2013, Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortige Tätigwerden des Gerichts i.S.v. § 49 Abs. 1 FamFG ist gegeben. Das Wohl des Kindes …, geb. am 22.01.2009 erfordert ein sofortiges Einschreiten des Gerichts, da sich die Eltern über den Aufenthalt des Kindes nicht einigen können.
Der Antrag des Antragstellers ist auch gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F. begründet. Danach ist dem nichtsorgeberechtigten Vater auf seinen Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen, soweit eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen ist das Gericht in Übereinstimmung mit dem Fachdienst Jugend Ludwigslust-Parchim zu der Überzeugung gelangt, dass nach dem gegenwärtigen Sachstand die einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den nichtsorgeberechtigten Kindesvater dem Wohl des Kindes … am besten entspricht.
Die Kindesmutter ist alkoholkrank. Nach einer stationären Alkoholentgiftung im April 2012 in Schwerin und einer anschließenden stationären Entwöhnungstherapie im Zeitraum von Mitte August bis Ende November 2012 in der Fontane-Klinik Motzen in Mittenwalde, hat die Kindesmutter auch durchgängig die Suchtberatung in Ludwigslust in Anspruch genommen. Dennoch ist sie unstreitig zumindest am 22.05.2013 rückfällig geworden, indem sie nach eigenem Vortrag zusammen mit einer Freundin insgesamt eine halbe Falsche Korn getrunken hat. Es ist allgemein bekannt, dass es sich bei Korn um ein hochprozentiges alkoholisches Getränk handelt. Nach eigenem Vortrag der Antragsgegnerin will sie jedoch weder betrunken noch nicht in der Lage gewesen sein, für das Kind zu sorgen. Sie sei mit dem Zug von Strohkirchen nach Hause gefahren und habe das Kind ordnungsgemäß ins Bett gebracht. Die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt, würde hierdurch eher auf einen regelmäßigen Alkoholkonsum als auf einen Rückfall in Form eines sogenannten „Ausrutschers“ zu schließen sein. Die Kindesmutter hat sich zwar vom 06.06.2013 bis 12.06.2013 einer stationären Entgiftung in der Klinik in Schwerin erneut unterzogen und befindet sich nach den Bekundungen der Zeugin … derzeit auch in der sogenannten Nachsorgebehandlung im Suchthilfezentrum in Ludwigslust. In der Gesamtbetrachtung der Entwicklung der Verhältnisse seit Sommer des Jahres 2012 reicht die Wahrnehmung der Nachsorgebehandlung im Suchhilfezentrum nicht aus, um gegenwärtig die Ungeeignetheit der Kindesmutter zur Pflege und Erziehung des Sohnes …, welche sich allein aufgrund ihrer Alkoholkrankheit ergibt, zu verneinen (vgl. OLG Brandenburg AZ: 9 WF -39/0 JURIS). Beim Hausbesuch am 23.05.2013 hat die Kindesmutter nach Angaben von … vom Fachdienst Jugend Ludwigslust-Parchim bereits kein Geld mehr zur Verfügung gehabt. Sie gab gegenüber … an, dass sie für Marlon 80,00 € Essensgeld und ihre Handyrechnung von ca. 120,00 € habe bezahlen müssen. Die Kindesmutter bekommt jedoch nach Angaben des Jugendamtes das Essensgeld für … erstattet, sofern sie die gültigen Bescheide auch abgibt. Dies ist ihrerseits jedoch offensichtlich versäumt worden, wodurch sich eine Unzuverlässigkeit der Kindesmutter dokumentiert.
Die Kindesmutter ist auch nach wie vor akut rückfallgefährdet. Dies gilt um so mehr, als ihr Partner dem Alkohol ebenfalls nicht abgeneigt ist. Die Kindesmutter hat nach den glaubhaften Bekundungen der Mitarbeiterin des Jugendamtes … beim Hausbesuch am 23.05.2013 auf die Frage nach ihrem Partner ein Handybild mit einer Flasche Whisky und Cola gezeigt und erklärt, dass … dieses in ihrer Abwesenheit in ihrer Wohnung getrunken habe und sie ihn deswegen rausgeschmissen habe. In ihrer gerichtlichen Anhörung am 17.06.2013 gab die Kindesmutter an, mit ihrem Partner (wieder) zusammen zu sein.
Das Gericht verkennt nicht, dass ein Wechsel des Kindes in den Haushalt des Kindesvaters vorliegend dem Kontinuitätsgrundsatz widerspricht … hat seit der Trennung der Kindeseltern im Frühjahr 2012 seinen Aufenthalt im Haushalt der Kindesmutter gehabt und hat auch mit ihr zusammen die 3monatige Zeit der stationären Entwöhnungstherapie in Mittenwalde verbracht. Dennoch sind auch tragfähige Bindungen des Kindes zum Kindesvater vorhanden. Der Kindesvater hat, abgesehen von Unterbrechungen, regelmäßig den Umgang mit seinem Sohn gehabt und auch während der Zeit der stationären Entgiftung der Kindesmutter im Jahr 2012 sowie in der Zeit vom 23.05.2013 bis 12.06.2013 gezeigt, dass er in der Lage ist, die Betreuung und Versorgung des Kindes zuverlässig zu gewährleisten. Um der Pflege der emotionalen Bindungen zwischen Mutter und Kind zu genügen, wird jedoch erwartet, dass der Kindesvater der Kindesmutter auch ein großzügiges Umgangsrecht einräumt.
Der Herausgabeanspruch des Antragstellers ist gemäß § 1632 Abs. 1, Abs. 3 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 51 Abs. 4, 81 Abs. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 3 FamGKG.