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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Umgangsrecht der Großeltern: Wenn das Kindeswohl belangt
- ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Umgangsrecht von Großeltern
- Unter welchen Voraussetzungen haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit ihren Enkelkindern?
- Welche Rolle spielt das Kindeswohl bei der Entscheidung über das Umgangsrecht von Großeltern?
- Welche Auswirkungen können Konflikte zwischen Eltern und Großeltern auf das Umgangsrecht haben?
- Wie kann das Umgangsrecht der Großeltern gerichtlich durchgesetzt werden?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Hamm
✔ Kurz und knapp
- Das Thema war das Umgangsrecht der Großeltern mit ihren Enkeln.
- Die Großmutter hatte regelmäßige Umgangskontakte, bis sich das Verhältnis zu den Kindeseltern verschlechterte.
- Nach der Trennung der Eltern und dem Tod des Kindesvaters beantragte die Großmutter ein regelmäßiges Umgangsrecht.
- Das Amtsgericht Lemgo wies den Antrag zurück, da die Kontakte nicht dem Kindeswohl dienten.
- Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte diese Entscheidung.
- Das Gericht sah keine gefestigte Beziehung zwischen Großmutter und Enkeln aufgrund sporadischer Kontakte seit 2019.
- Es wurde festgestellt, dass ein Umgang zu einem Loyalitätskonflikt der Kinder führen würde.
- Die Mutter der Kinder lehnt jegliche Kontakte mit der Großmutter ab, was die Situation verschärft.
- Das Gericht entschied, dass der Umgang der Großmutter das emotionale Wohl der Kinder gefährden könnte.
- Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin; eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.
Umgangsrecht der Großeltern: Wenn das Kindeswohl belangt
Das Umgangsrecht von Großeltern mit ihren Enkelkindern ist ein sensibles Thema, das viele Familien beschäftigt. Großeltern spielen oft eine wichtige Rolle im Leben von Kindern und können durch ihre Erfahrung und Zuwendung einen wertvollen Beitrag zu deren Entwicklung leisten. Allerdings kann es in Trennungs- oder Scheidungssituationen zu Konflikten um das Umgangsrecht kommen, wenn die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern angespannt sind.
Das Gesetz sieht zwar ein grundsätzliches Recht der Großeltern auf Umgang mit ihren Enkeln vor, dieses Recht ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Gerichte müssen daher im Einzelfall sorgfältig abwägen, ob regelmäßige Kontakte tatsächlich im Interesse des Kindes liegen oder ob mögliche Loyalitätskonflikte das Kindeswohl gefährden.
Im Folgenden werden wir uns näher mit einem aktuellen Gerichtsurteil zu diesem Thema beschäftigen, das wichtige Erkenntnisse und Maßstäbe für die Beurteilung von Umgangsrechtsstreitigkeiten zwischen Großeltern und Enkeln aufzeigt.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm
Kinder verlieren Kontakt zu Großmutter nach Tod des Vaters
In dem vorliegenden Fall geht es um das Umgangsrecht einer Großmutter mit ihren vier Enkelkindern V. (11 Jahre), N. (9 Jahre), P. (7 Jahre) und H. (5 Jahre). Die Kinder stammen aus der Ehe der Antragsgegnerin mit dem Sohn der Antragstellerin. Bis 2019 fanden zwischen der Großmutter und den Enkeln regelmäßige Kontakte statt. Danach verschlechterte sich das Verhältnis zu den Kindeseltern und es gab nur noch sporadische Treffen.
Im Mai 2022 trennten sich die Eltern der Kinder und die Kinder blieben bei der Mutter. Der Kindesvater verstarb Ende 2022. Die rechtliche Herausforderung besteht nun darin, ob und in welchem Umfang der Großmutter ein Umgangsrecht mit den Enkeln zusteht, obwohl das Verhältnis zur Kindesmutter zerrüttet ist und in den letzten Jahren kaum Kontakt bestand.
Gericht lehnt Umgangsrecht der Großmutter im Kindesinteresse ab
Das Amtsgericht Lemgo hatte den Antrag der Großmutter auf Regelung eines Umgangsrechts zurückgewiesen. Es sah die Kontakte nicht als kindeswohlförderlich an, da die Parteien zerstritten seien und die Kinder in einen Loyalitätskonflikt gerieten. Zudem bestehe aufgrund der nur sporadischen Kontakte in den letzten Jahren keine gefestigte Beziehung mehr zu der Großmutter. Die Kindesmutter lehne Umgangskontakte grundsätzlich ab.
Gegen diese Entscheidung legte die Großmutter Beschwerde ein. Sie reduzierte ihren Umgangsantrag und argumentierte, dass die Kinder positive Erinnerungen an sie hätten und neben einer sozial-familiären auch eine tragfähige Bindung bestehe. Sie sei zur Kommunikation und Annäherung mit der Kindesmutter bereit, notfalls mit professioneller Hilfe.
Oberlandesgericht bestätigt Entscheidung der Vorinstanz
Der zuständige Senat des Oberlandesgerichts Hamm wies die Beschwerde der Großmutter jedoch zurück und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Auch das OLG sah erhebliche Zweifel, ob überhaupt noch eine Bindung der Kinder – insbesondere der beiden jüngeren – zu der Großmutter besteht. Die wenigen sporadischen Kontakte in den letzten vier Jahren reichten dafür nicht aus.
Selbst wenn man noch von einer Bindung ausgehen würde, folge daraus nicht automatisch die Kindeswohlförderlichkeit von Umgangskontakten. Dafür müsste die Aufrechterhaltung der Beziehung die Entwicklung der Kinder positiv beeinflussen. Dies sei angesichts des massiven Zerwürfnisses der Erwachsenen und der ablehnenden Haltung der Kindesmutter aber gerade nicht der Fall.
Ein gerichtlich angeordneter Umgang würde die Kinder, die bereits durch den plötzlichen Verlust des Vaters belastet sind, in einen Loyalitätskonflikt zur Mutter bringen und emotional weiter destabilisieren. Dies gelte es im Kindeswohlinteresse zu vermeiden. Dieser Einschätzung schlossen sich auch das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin an.
Beschwerde ohne erneute Anhörung zurückgewiesen
Das OLG konnte über die Beschwerde ohne erneute mündliche Verhandlung oder Anhörung der Beteiligten entscheiden. Dies ist möglich, wenn die Anhörungen bereits in erster Instanz stattfanden und keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.
Der Senat sah in den Ausführungen der Großmutter keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen. Ein Verhandlungstermin hätte den Beteiligten zwar erneut die Möglichkeit zur Auseinandersetzung und zum Einlenken geboten. Dies wäre aber auch im schriftlichen Verfahren möglich gewesen und ist nicht erfolgt.
Die Entscheidung war unanfechtbar. Das Beschwerdeverfahren hatte einen Verfahrenswert von 4.000 Euro. Die Kosten des Verfahrens wurden der Großmutter auferlegt.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil zeigt, dass das Kindeswohl oberste Priorität genießt und ein Umgangsrecht der Großeltern diesem nicht zuwiderlaufen darf. Entscheidend sind das Vorhandensein einer tragfähigen Bindung und ein konfliktfreies Verhältnis zu den Eltern. Rechte der Großeltern können zurückstehen, wenn der Umgang die Kinder emotional belasten und destabilisieren würde. Der Einzelfall ist stets sorgfältig zu prüfen, wobei die Einschätzungen von Jugendamt und Verfahrensbeistand wichtige Anhaltspunkte liefern. Pauschale Regelungen verbieten sich aufgrund der Komplexität familiärer Beziehungen.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Umgangsrecht von Großeltern
Unter welchen Voraussetzungen haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit ihren Enkelkindern?
Großeltern haben grundsätzlich ein gesetzlich verankertes Recht auf Umgang mit ihren Enkelkindern gemäß § 1685 Abs. 1 BGB. Entscheidende Voraussetzung für die Ausübung dieses Umgangsrechts ist jedoch, dass der Kontakt dem Wohl des Kindes dient. Dies wird in der Regel dann angenommen, wenn bereits eine enge sozial-familiäre Beziehung zwischen den Großeltern und dem Enkelkind besteht, die über einen bloßen verwandtschaftlichen Kontakt hinausgeht.
Ein Beispiel für eine solche gewachsene Bindung wäre, wenn die Großeltern häufiger als Babysitter fungiert haben oder das Enkelkind regelmäßig an Wochenenden bei Oma und Opa war. Auch wenn das Kind den Umgang mit den Großeltern selbst wünscht, wird die Kindeswohlförderlichkeit von den Gerichten meist bejaht.
Im Streitfall müssen die Großeltern nachweisen, dass ihr Umgang mit den Enkeln dem Kindeswohl dient. Gelingt ihnen dieser Nachweis nicht oder stehen gewichtige Gründe entgegen, kann das Umgangsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Mögliche Ausschlussgründe sind unter anderem
- massive Konflikte und Zerwürfnisse zwischen Großeltern und Eltern, die das Kind belasten würden
- Gefährdung des Kindeswohls, z.B. durch Krankheit oder Missbrauch
- fehlende Bindung zwischen Großeltern und Enkelkind
- Loyalitätskonflikte für das Kind
Dabei hat grundsätzlich das Erziehungsrecht der Eltern Vorrang vor dem Umgangsrecht der Großeltern. Können sich Eltern und Großeltern nicht einigen, entscheidet im Zweifelsfall das Familiengericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des Kindeswohls über den Umfang des großelterlichen Umgangsrechts.
Welche Rolle spielt das Kindeswohl bei der Entscheidung über das Umgangsrecht von Großeltern?
Das Kindeswohl spielt bei der Entscheidung über das Umgangsrecht von Großeltern eine zentrale und entscheidende Rolle. Es ist das oberste Kriterium, an dem sich Gerichte bei allen Entscheidungen orientieren müssen, die Kinder betreffen. Der Umgang der Großeltern mit ihren Enkeln muss dem Wohl des Kindes dienen, damit ein Umgangsrecht bejaht werden kann.
Ob der Kontakt zu den Großeltern dem Kindeswohl förderlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiger Aspekt ist die Bindung und Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkind. Besteht bereits eine enge soziale Bindung und hat sich diese als vorteilhaft für die Entwicklung des Kindes erwiesen, spricht dies für ein Umgangsrecht. Wünscht das Kind selbst den Kontakt, ist auch dies zu berücksichtigen.
Dem Kindeswohl abträglich kann der Umgang mit den Großeltern sein, wenn das Kind dadurch in einen Loyalitätskonflikt gerät. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Beziehung zwischen Eltern und Großeltern hochgradig zerstritten oder entfremdet ist. Ziehen die Großeltern das Kind in diesen Konflikt hinein oder missachten sie den verfassungsrechtlich geschützten Erziehungsvorrang der Eltern, dient der Umgang nicht dem Kindeswohl.
Die Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung müssen stets im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich können liebevolle Großeltern das Kind positiv in seiner Entwicklung fördern und unterstützen. Andererseits dürfen sie die Erziehung der Eltern aber auch nicht untergraben. Entscheidend ist, dass das Kind durch den Umgang keinen Schaden nimmt und in seiner Entwicklung nicht beeinträchtigt wird.
Gerichte müssen daher sorgfältig abwägen, ob der Umgang mit den Großeltern dem Kindeswohl im konkreten Fall dient oder nicht. Eine pauschale Antwort gibt es nicht. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls und die individuellen Bedürfnisse des Kindes. Das Kindeswohl hat dabei immer Vorrang vor den Wünschen der Großeltern nach Umgang.
Welche Auswirkungen können Konflikte zwischen Eltern und Großeltern auf das Umgangsrecht haben?
Konflikte zwischen Eltern und Großeltern können erhebliche negative Auswirkungen auf das Umgangsrecht der Großeltern mit ihren Enkeln haben. Grundsätzlich haben Großeltern zwar ein gesetzliches Recht auf Umgang mit den Enkelkindern, sofern dieser dem Kindeswohl dient. Allerdings kann ein zerrüttetes Verhältnis oder ein tiefgreifender Streit zwischen den Eltern und Großeltern dazu führen, dass der Umgang nicht mehr als förderlich für das Kind angesehen wird.
Geraten Kinder aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Großeltern in einen Loyalitätskonflikt, kann dies ihr Wohlergehen beeinträchtigen. Sie drohen dann zwischen die Fronten zu geraten, was eine massive Belastung darstellt. Zweifeln die Großeltern zudem die Erziehungsfähigkeit der Eltern an und missachten deren Erziehungsvorrang, wird dies von Gerichten oft als kindeswohlgefährdend eingestuft. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Umgang in solchen Fällen ausgeschlossen werden kann.
Um trotz bestehender Konflikte den Kontakt zwischen Großeltern und Enkeln aufrechtzuerhalten, ist es wichtig, dass alle Beteiligten im Sinne des Kindes handeln und Streitigkeiten nicht vor den Kindern austragen. Stattdessen sollten sie versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, gegebenenfalls mit Unterstützung einer Beratungsstelle oder Mediation. Gelingt dies nicht, bleibt den Großeltern nur der Weg, ihr Umgangsrecht gerichtlich durchzusetzen. Das Familiengericht prüft dann anhand des Einzelfalls, ob der Umgang dem Kindeswohl dient.
Dabei stehen immer die Bedürfnisse und der Schutz des Kindes im Mittelpunkt. Können die Großeltern nachweisen, dass sie eine enge Bindung zum Enkelkind haben und der Kontakt dessen Entwicklung fördert, stehen die Chancen gut, zumindest ein eingeschränktes Umgangsrecht zu erhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass sie die elterliche Erziehung respektieren und nicht untergraben. Andernfalls müssen die Interessen des Kindes Vorrang vor dem Umgangsrecht haben.
Wie kann das Umgangsrecht der Großeltern gerichtlich durchgesetzt werden?
Wenn Eltern den Umgang der Großeltern mit den Enkelkindern verweigern, können die Großeltern ihr Umgangsrecht gerichtlich durchsetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Umgang dem Kindeswohl dient. Dies wird nicht vermutet, sondern muss von den Großeltern dargelegt und bewiesen werden.
Dazu müssen die Großeltern einen Antrag auf Umgang beim zuständigen Familiengericht stellen. In diesem Antrag sollten sie begründen, warum der Kontakt zu ihnen für die Entwicklung des Kindes förderlich ist, z.B. aufgrund einer engen Bindung. Hierbei ist es ratsam, anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Das Gericht prüft dann, ob der Umgang dem Kindeswohl entspricht. Dabei werden alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Insbesondere bei einem zerrütteten Verhältnis zwischen Eltern und Großeltern wird der Umgang oft nicht als kindeswohldienlich angesehen, um Loyalitätskonflikte zu vermeiden. Auch die Missachtung des elterlichen Erziehungsvorrangs durch die Großeltern kann gegen ein Umgangsrecht sprechen.
Lehnt das Familiengericht den Umgangsantrag ab, können die Großeltern Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen. Im Beschwerdeverfahren findet eine erneute Prüfung statt, wobei einzelne Verfahrensschritte aus der ersten Instanz entfallen können. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, bleibt den Großeltern nur noch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.
Selbst wenn den Großeltern gerichtlich ein Umgangsrecht zugesprochen wird, kann die praktische Durchsetzung schwierig sein. Verweigern die Eltern weiterhin den Umgang, drohen ihnen Ordnungsgelder oder Zwangsmaßnahmen. Oft versuchen Gerichte zunächst eine einvernehmliche Lösung im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens zu finden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 1685 Abs. 1 BGB: Großeltern haben ein Umgangsrecht mit ihren Enkeln, wenn es dem Wohl des Kindes dient. Im vorliegenden Fall wurde das Kindeswohl als gefährdet betrachtet, daher wurde das Umgangsrecht abgelehnt.
- § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB: Dient als Auslegungshilfe zur Bestimmung des Kindeswohls. Der Umgang mit Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, ist förderlich, wenn er die Entwicklung des Kindes unterstützt. Im konkreten Fall fehlten solche Bindungen zur Großmutter.
- BGH Beschluss vom 12.07.2017, NZFam 2017, 988 (990), Rn. 29: Großeltern haben kein automatisches Umgangsrecht, es muss positiv festgestellt werden, dass der Umgang dem Kindeswohl dient. Diese Grundlage wurde herangezogen, um das Umgangsrecht der Großmutter zu verneinen.
- OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.04.2017, -6 UF 20/17- BeckRS 2017, 113541: Ein Umgangsrecht besteht nicht, wenn es zu Loyalitätskonflikten bei den Kindern führt. Im vorliegenden Fall wurde ein solcher Loyalitätskonflikt befürchtet, was zur Ablehnung des Umgangsrechts führte.
- § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG: Erörterung der Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Das Beschwerdegericht kann jedoch von einem Termin absehen, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dies wurde im vorliegenden Fall angewendet.
- § 58 Abs. 1 FamFG: Regelt die Statthaftigkeit der Beschwerde. Die Beschwerde der Großmutter war zulässig, aber unbegründet.
- § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG: Bestimmt das Verfahren im Beschwerderechtszug. Es ermöglicht dem Beschwerdegericht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn dies keine neuen Erkenntnisse bringt.
- § 84 FamFG: Bestimmt die Kostenentscheidung im Verfahren. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der Antragstellerin auferlegt.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Hamm
OLG Hamm – Az.: II-9 UF 76/23 – Beschluss vom 10.08.2023
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 30.05.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Lemgo vom 08.05.2023 (7 F 18/23) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragstellerin zur Last.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Aus der Ehe der Antragsgegnerin mit dem Sohn der Antragstellerin sind die Kinder V., geboren am 00.00.2012, N., geboren am 00.00.2013, P., geboren am 00.00.2015, und H., geboren am 00.00.2017, hervorgegangen.
Bis 2019 fanden zwischen der Antragstellerin und den Enkelkindern regelmäßig jeden Freitag Umgangskontakte statt. Danach verschlechterte sich das Verhältnis zu den Kindeseltern und es gab nur noch sporadische Kontakte.
Im Mai 2022 trennten sich die Kindeseltern und die Kinder verblieben im Haushalt der Antragsgegnerin.
Der Kindesvater verstarb am 00.00.2022.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vor dem Amtsgericht Lemgo beantragt, den persönlichen Umgang mit ihren Enkelkindern in der Weise zu regeln, dass sie die Kinder an jedem ersten Wochenende im Monat von freitags 16:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr und in den beiden ersten Wochen der nordrhein-westfälischen Sommerferien zu sich nehmen darf.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Das Amtsgericht -Familiengericht- Lemgo hat die Kindesmutter, die Großmutter, die Vertreterin des Kreisjugendamt A. und die Verfahrensbeiständin am 23.03.2023 und die Kinder am 04.04.2023 persönlich angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anhörungsvermerke vom 23.03.2023 (Bl. 102ff d. A.) und vom 04.04.2023 (Bl. 124ff d. A.) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 08.05.2023 hat das Amtsgericht Lemgo sodann den Antrag der Großmutter auf Regelung des Umgangsrechts mit ihren Enkelkindern unter Hinweis auf die mangelnde Kindeswohldienlichkeit der Umgangskontakte zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Umgang mit der Antragstellerin diene nicht dem Kindeswohl, da das Verhältnis der Parteien so zerstritten sei, dass die Kinder bei einem Umgangskontakt in einen Loyalitätskonflikt gerieten. Es bestünde keine gefestigte Beziehung zu der Großmutter, da es seit Jahren allenfalls sporadische Kontakte gegeben habe. Die Kindesmutter lehne die Antragstellerin als Person und Umgangskontakte ab.
Gegen diesen Beschluss, der ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 08.05.2023 zugestellt worden ist, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 30.05.2023.
Sie beschränkt ihren Umgangsantrag und begründet ihr Rechtsmittel damit, dass die Kinder positive Erinnerungen an sie hätten und neben einer sozial-familiären Beziehung auch eine tragfähige Bindung bestehe. Zwar sei es vor dem Versterben des Kindesvaters aufgrund persönlicher Schwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen zu einem weitreichenden Kontaktverlust der Beteiligten gekommen, allerdings sei die Beschwerdeführerin ggf. auch mit Hilfe professionelle Dritter zu einer Kommunikation und Annäherung mit der Kindesmutter bereit.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Lemgo abzuändern und die Umgangskontakte in der Weise zu regeln, dass sie ihre Enkelkinder
1) einmal pro Quartal am Wochenende sonntags für insgesamt drei Stunden,
2) zusätzlich an den Geburtstagen, ersatzweise am auf den Geburtstag folgenden Sonntag für drei Stunden und
3) zu Ostern und Weihnachten jeweils an einem der Feiertage für vier Stunden, ersatzweise am darauffolgenden Sonntag zu sich nehmen kann.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter sei völlig zerstritten. Umgangskontakte würden zu einem massiven Loyalitätskonflikt der Kinder und damit zu einer Kindeswohlgefährdung führen. Aufgrund der nur sporadischen Kontakte in den letzten Jahren bestünde keine enge Beziehung der Antragstellerin zu ihren Enkelkindern.
Mit Bericht vom 26.06.2023 hat das Kreisjugendamt A. und mit Bericht vom 15.06.2023 die Verfahrensbeiständin im Beschwerdeverfahren Stellung genommen.
Auf den Hinweis des Senates vom 10.07.2023 zu der beabsichtigten Entscheidung im schriftlichen Verfahren haben Antragstellerin und Antragsgegnerin ergänzend schriftsätzlich vorgetragen.
II.
1.)
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form- (§ 64 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 3 und 4 FamFG) und fristgerecht (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 FamFG) eingelegt worden.
2.)
In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Das Amtsgericht -Familiengericht- Lemgo hat mit zutreffenden Erwägungen ein Umgangsrecht der Antragstellerin mit ihren Enkelkindern verneint und den entsprechenden Regelungsantrag zurückgewiesen. Dabei hat es auch den von den Enkelkindern geäußerten Willen ausreichend gewürdigt und berücksichtigt.
Das Umgangsrecht von Großeltern mit Enkelkindern richtet sich nach § 1685 Abs. 1 BGB.
Danach haben Großeltern nur ein Umgangsrecht mit dem Enkelkind, wenn dieses dem Wohl des Kindes dient. Die Kindeswohldienlichkeit muss positiv festgestellt werden. Es besteht zugunsten der Großeltern keine Vermutung der Kindeswohldienlichkeit (BGH Beschluss vom 12.07.2017, NZFam 2017, 988 (990), Rn. 29).
Für die Frage, was dem Wohl des Kindes dient, kann § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB als Auslegungshilfe herangezogen werden (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.04.2017, -6 UF 20/17- BeckRS 2017, 113541). Danach gehört der Umgang mit anderen Personen als den Eltern, zu denen das Kind Bindungen besitzt, zum Wohl des Kindes, wenn die Aufrechterhaltung von solchen Umgängen für seine Entwicklung förderlich ist.
Vorliegend bestehen mindestens erhebliche Zweifel, ob – insbesondere bei den beiden jüngeren Kindern P. und H. – überhaupt eine Bindung der Kinder zu ihrer Großmutter besteht. Auch wenn die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz nunmehr einzelne Umgangskontakte mit genauen Daten aufführt, ändert dies nichts daran, dass es ab 2019 und damit seit vier Jahren nur noch sporadische Kontakte (zum Teil in Briefen und Päckchen) gegeben hat. Der Kindesvater sprach der Antragstellerin gegenüber sogar ein Hausverbot aus und wechselte seine Telefonnummer, um nicht mehr Kontakt zu seiner Mutter halten zu müssen. Erst nach der Trennung der Kindeseltern kam es im Zuge einer Annäherung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn zu weiteren sporadischen, teilweise zufälligen Begegnungen in der Wohnung des Verstorbenen, am Bestattungsinstitut und auf einem Spielplatz.
Aufgrund der langen Umgangsabstinenz mit wenigen sporadische Kontakten von mindestens vier Jahren und unter Berücksichtigung des jungen Alters der Enkelkinder (von derzeit 11, 9, 7 und 5 Jahren) ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keine enge soziale Bindung zu den Kindern anzunehmen.
Selbst wenn man – abweichend davon – vorliegend tragfähige Bindungen der Kinder zu der Antragstellerin unterstellen würde, lässt sich daraus keine positive Vermutung der Kindeswohldienlichkeit von Umgangskontakten herleiten. Denn weitere Voraussetzung für eine solche Vermutung wäre, dass die Aufrechterhaltung der Bindungen für die Entwicklung der Kinder förderlich ist (BGH Beschluss vom 12.07.2017, NZFam 2017, 988 (990), Rn. 29).
Hiervon kann den Feststellungen des Amtsgerichts Lemgo zufolge indes nicht ausgegangen werden. Es bestehen erhebliche Zerwürfnisse zwischen der Kindesmutter und der Großmutter, die auch in der persönlichen Anhörung der Beteiligten durch das Amtsgericht Lemgo deutlich geworden sind. Die Kindesmutter lehnt – wie auch noch einmal aus ihrem Schriftsatz vom 01.08.2023 deutlich wird – jegliche Kommunikation mit der Großmutter väterlicherseits auch unter Vermittlung von professionellen Dritten ab. An dieser Haltung hat sich im Laufe des Verfahrens nichts geändert, vielmehr ist die Ablehnung durch das Verfahren noch manifestiert worden. Dies zeigt die im Schriftsatz vom 01.08.2023 formulierte Ablehnung jedweden – noch so geringen – Umgangsvorschlags.
Im Falle einer Umgangsanordnung, selbst bei Anordnung von begleiteten oder zeitlich kurzen Kontakten – wie von der Antragstellerin nunmehr mit der Beschwerde beantragt -, wäre ein Loyalitätskonflikt für die Kinder, denen als Halbwaisen nur der mütterliche Elternteil verblieben ist, unausweichlich. Diese Einschätzung teilt auch die Verfahrensbeiständin in ihrer aktuellen Stellungnahme vom 15.06.2023 anhand ihres letzten Zusammentreffens mit den Jungen. Dabei kann dahinstehen, ob die Ursachen des anhaltenden Konflikts hierfür eher bei der Kindesmutter oder bei der Antragstellerin liegen.
Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die – einen solchen Umgang ablehnenden – Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.04.2017, – 6 UF 20/17 – BeckRS 2017, 113541). Eben dies ist aber hier konkret zu befürchten.
Ein solcher Loyalitätskonflikt würde die Kinder, die vorliegend bereits massiv durch den plötzlichen Tod ihres Vaters belastet sind, weiter emotional destabilisieren. Nach Mitteilung des Kreisjugendamtes A. in seiner Stellungnahme vom 26.06.2023 ist aufgrund der familiären Krisensituation der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe erforderlich. Hauptaugenmerk dieser Hilfe seien insbesondere die Bereiche Trauerbewältigung und Strukturierung des neuen Alltags mit vier kleinen Kindern.
Nach Einschätzung des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin, dem sich der Senat anschließt, stellen gerichtlich angeordnete Umgangskontakte eine zusätzliche Belastung der Kinder dar. Diese gilt es im Kindeswohlinteresse zu vermeiden.
3.)
Die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde konnte der Senat ohne erneute Durchführung der mündlichen Verhandlung oder Anhörung der Beteiligten gemäß § 68 Abs. 3 FamFG zurückweisen.
Nach § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG bestimmt sich das Beschwerdeverfahren (im Übrigen) grundsätzlich auch nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Nach § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG erörtert das Gericht in Kindschaftssachen die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Das Beschwerdegericht kann jedoch gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
So liegen die Dinge hier. Entgegen der mit Schriftsatz vom 28.06.2023 geäußerten Erwartungen der Beschwerdeführerin gewährleistet ein neuerlicher Verhandlungstermin keine „Pflicht, sich mit dem jeweils anderen Standpunkt auseinanderzusetzen“. Die „Chance“ zu einem Einlenken im Kindeswohlinteresse beinhaltete für Antragstellerin und -gegnerin auch das schriftliche Beschwerdeverfahren.
In dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 24.07.2023 sind auch keine neuen entscheidungsrelevanten Tatsachen vorgetragen, zu denen die Beteiligten hätten angehört werden müssen.
Eine Fallgestaltung, bei der von einem einzelnen Verfahrensschritt im Sinne von § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG gegen den Willen eines Beteiligten nicht abgesehen werden darf, besteht nicht.
4.)
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG.
5.)
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).
6.)
Die Festsetzung des Verfahrenswertes im Beschwerderechtszug beruht auf §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 ZIff.2 FamGKG.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 84 FamFG.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.