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Vaterschaft – Feststellung von berechtigten Zweifeln

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 10 WF 105/21 – Beschluss vom 21.02.2022

Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 30.11.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23.11.2021 teilweise abgeändert.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden dem Antragsgegner auferlegt.

Der Antragsgegner hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 1.001 € und 1.500 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1.

Die allein gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 58 ff. FamFG.

Bei der vom Amtsgericht getroffenen Kostenentscheidung handelt es sich nach der Rechtsprechung des BGH um eine Endentscheidung (vgl. BGH, NJW 2013, 3523 Rn. 6; NJW 2011, 3654 Rn. 15), so dass die Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG gegeben ist. Die Zulässigkeit dieser Beschwerde hängt, da Gegenstand des Hauptsacheverfahrens keine vermögensrechtliche Angelegenheit war, nicht vom Erreichen einer Mindestbeschwer von mehr als 600 € gemäß § 61 Abs. 1 FamFG ab (vgl. BGH, NJW 2013, 3523 Rn. 12 ff.; NJW-RR 2014, 129 Rn. 4).

2.

Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens allein zu tragen hat.

Das Amtsgericht hatte zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache auch über die Kosten gemäß § 81 FamFG zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (§ 80 FamFG), den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen.

Ob eine nach diesen Grundsätzen vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 – II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576; Haußleiter, FamFG, 2. Aufl., § 81 Rn. 5; vgl. auch mit Differenzierungen MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, § 81 Rn. 103) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 f; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Weidemann, 2. Aufl., § 2 Rn. 256; BeckOK FamFG/Obermann, 41. Ed. 01.01.2022, FamFG § 69 Rn. 31c; vgl. auch Augstein, FamRZ 2016, 1833; gerade auch in Bezug auf ein Abstammungsverfahren wie das vorliegende OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.01.2017 – 1 WF 182/16, BeckRS 2017, 102813 Rn. 17; OLG Brandenburg – 1. Familiensenat –, Beschluss vom 14.07.2020 – 9 WF 141/20, BeckRS 2020, 17108 Rn. 7; im Ergebnis auch BGH, NJW-RR 2014, 898 Rn. 15), kann hier dahinstehen. Denn da das Amtsgericht nur seine Hauptsacheentscheidung kurz begründet hat, bezüglich der getroffenen Kostenentscheidung aber allein die angewendete Norm benannt hat, ist eine Überprüfung der Ermessensausübung nicht möglich (vgl. auch OLG Brandenburg – 2. Familiensenat -, Beschluss vom 26.1.2015 – 10 WF 37/14, BeckRS 2015, 17599; Beschluss vom06.07.2017 – 10 WF 89/17, BeckRS 2017, 141532 Rn. 7).

Somit hat der Senat selbst eine Ermessensentscheidung gemäß § 81 FamFG zu treffen. Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, dass der Antragsgegner die Kosten des Abstammungsverfahrens allein trägt.

Auch im Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft ist die Kostenverteilung gemäß § 81 FamFG von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig (BGH, NJW-RR 2014, 898 Rn. 13). Dabei ist das Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten ein Abwägungskriterium (BGH, a.a.O., Rn. 16). Doch nicht immer dann, wenn ein Antrag auf Feststellung der Vaterschaft erfolgreich war, entspricht es billigem Ermessen, dem Vater als Antragsgegner allein aufgrund seines Unterliegens die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Jedenfalls dann, wenn dieser berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft hatte, ist eine abweichende Beurteilung angezeigt (BGH, a.a.O., Rn. 17). Auf solche berechtigten Zweifel beruft sich der Antragsgegner hier aber zu Unrecht.

In der Rechtsprechung ist angenommen worden, dass der später als biologischer Vater festgestellte Mann dann berechtige Zweifel an seiner Vaterschaft haben konnte, wenn die Mutter Mehrverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt hat (so die Fallgestaltung in BGH, a.a.O., Rn. 17; OLG Brandenburg – 1. Familiensenat –, Beschluss vom 14.07.2020 – 9 WF 141/20, BeckRS 2020, 17108 Rn. 9). Der in Anspruch genommene Mann durfte auch berechtigterweise Zweifel an seiner Vaterschaft haben, wenn die Beziehung zur Mutter in der maßgeblichen Zeit keine durchgängige war und zudem die Mutter kurz nach der Beendigung der Beziehung mit eben dem Mann eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, den sie vor der gesetzlichen Empfängniszeit kennengelernt hatte (so die Fallgestaltung in OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.01.2017 – 1 WF 182/16, BeckRS 2017, 102813 Rn. 18). Ebenso kann es liegen, wenn die Mutter dem Mann mehrfach Vorschläge unterbreitet hat, eine „offene Beziehung“ zu führen und sie sich im Nutzerprofil eines Online-Portals als Single angegeben hat und mehrere Hundert Anfragen von Männern erhalten hat (so die Fallgestaltung in OLG Brandenburg – 4. Familiensenat – , Beschluss vom 31.01.2020 – 13 WF 4/20, BeckRS 2020, 1648 Rn. 12). Schließlich können berechtigte Zweifel an der Vaterschaft im Einzelfall bestehen, wenn die Mutter während der Empfängniszeit auch mit einem Ex-Partner engen Kontakt gepflegt und der Antragsgegner mit der Mutter ausdrücklich verabredet hat, dass er kein Kind möchte (OLG Brandenburg – 5. Familiensenat -, Beschluss vom 16.01.2014 – 3 WF 139/13, BeckRS 2014, 2325). Ein vergleichbarer Fall ist hier nicht gegeben.

Die Mutter hat in der Antragsschrift ausdrücklich erklären lassen, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit ausschließlich mit dem Antragsgegner geschlechtlich verkehrt habe. Der Antragsgegner demgegenüber im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht vom 22.06.2021 erklärt, er habe Zweifel an seiner Vaterschaft. Nach der Trennung habe er einmal mit der Mutter der Mutter telefoniert. Diese habe ihm dabei mitgeteilt, dass die Mutter während der Zeit der möglichen Empfängnis auch noch mit einem anderen Mann „etwas laufen hatte“. Aufgrund der Zweifel habe er sich außergerichtlich um einen Vaterschaftstest gekümmert; es sei dann aber „nicht wirklich zu einem Testergebnis gekommen“. Dieses pauschale Vorbringen reicht für die Annahme berechtigter Zweifel an der Vaterschaft aber nicht aus. Die Mutter hat bei ihrer Anhörung, ebenfalls am 22.6.20, 21, aber zu einer späteren Zeit, weil sie Probleme mit der Anfahrt zum Amtsgericht hatte, noch einmal bekräftigt, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit vom 29.06.2019 bis zum 26.10.2019 ausschließlich mit dem Antragsgegner Geschlechtsverkehr gehabt habe. Lediglich vor der Beziehung mit dem Antragsgegner habe sie im April/Mai 2019 mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt. Angesichts dieser Angaben kommt es darauf, ob der Antragsgegner tatsächlich entsprechend seinem Vorbringen ein Telefonat mit der Mutter der Mutter geführt hat, nicht an. Denn wenn diese von einer Beziehung ihrer Tochter mit einem anderen Mann gesprochen hat, kann es sich auch um die von ihrer Tochter eingeräumte Beziehung zu einem anderen Mann im April/Mai 2019 gehandelt haben. Dass die spätere Großmutter bei der behaupteten Äußerung den genauen Zeitraum der gesetzlichen Empfängniszeit im Blick hatte, kann nicht angenommen werden.

Hier kommt noch hinzu, dass es sich bei der Beziehung des Antragsgegners zur Mutter nicht um eine ganz flüchtige Beziehung gehandelt hat. Vielmehr hat der Antragsgegner bei seiner Anhörung eingeräumt, dass die Beziehung von Juni/Juli 2019 bis März 2020 angedauert habe. Konkrete Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Mutter in der Empfängniszeit hat er dennoch nicht dargelegt.

Nach alledem können berechtigte Zweifel des Antragsgegners an der Vaterschaft nicht angenommen werden. Der Antragsgegner hätte das Verfahren vermeiden können, wenn er die Vaterschaft anerkannt hätte. Hierzu war er vom Jugendamt als Beistand des Kindes aufgefordert worden, offensichtlich in Abstimmung mit der Mutter des Kindes. Vor diesem Hintergrund sind die Eltern nicht zu gleichen Teilen zu den Verfahrenskosten heranzuziehen. Eine Regel dahin, dies sei gerechtfertigt, weil sie das Verfahren dadurch in gleicher Weise veranlasst hätten, dass sie in der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt hätten, gibt es im Rahmen der Ermessensausübung gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 8, 11).  Dies spricht – auch unabhängig von der Frage, ob man auf Seiten des Antragsgegners grobes Verschulden im Sinne von § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG annehmen wollte – entscheidend dafür, die Kosten des Verfahrens allein dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Eine Beteiligung des antragstellenden Kindes an den Verfahrenskosten scheidet aus. Zwar können im Abstammungsverfahren auch dem Kind grundsätzlich Kosten auferlegt werden, arg. § 81 Abs. 3 FamFG. Von dieser Möglichkeit ist aber nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen.

Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten seines Abstammungsverfahrens ist regelmäßig unbillig, da das Kind selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben hat (OLG Brandenburg – 4. Familiensenat –, a.a.O., Rn. 15; vgl. auch OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 20). Das Kind hat einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen Unklarheiten darüber, wer sein Vater ist, und ergreifen weder die Mutter noch der potentielle Vater die Initiative, die Vaterschaft außergerichtlich zu klären, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung seiner Abstammung einzuleiten. Selbst in einer solchen Konstellation entspricht es nicht der Billigkeit, das Kind mit den daraus entstehenden Kosten zu belasten (OLG Brandenburg – 1. Familiensenat –, a.a.O., Rn. 11).

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht ebenfalls auf § 81 FamFG. Die Wertfestsetzung ergeht auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 FamGKG, wobei hier das Kosteninteresse des Beteiligten, der das Rechtsmittel eingelegt hat, maßgebend ist.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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