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Verwirkung des Kindesunterhaltanspruchs

Oberlandesgericht Brandenburg, Az.: 13 UF 91/16, Beschluss vom 27.09.2016

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass Ziffer 2 des Tenors des angefochtenen Beschlusses klarstellend wie folgt gefasst wird:

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.01.2016 Unterhaltsrückstände in Höhe von 5.691,00 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.02.2016 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 6.000 €

II. Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

I.

Verwirkung des Kindesunterhaltanspruchs
Symbolfoto: Sangoiri/Bigstock

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts.

Der am 21.05.1998 geborene und seit dem 21.05.2014 im Haushalt seines Vaters lebende Antragsteller, ließ die Antragsgegnerin, seine von seinem Vater seit 2008 geschiedene Mutter, durch Schreiben des Jugendamtes vom 04.07.2014 zur Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche zur Auskunft über ihr Einkommen auffordern (vgl. 11). Nach weiterer Korrespondenz über seine Unterhaltsansprüche hat er im hiesigen Verfahren, neben in der Beschwerde nicht mehr verfahrensgegenständlichen Ansprüchen auf laufenden Unterhalt, für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.01.2016 rückständigen Unterhalt beansprucht.

Insoweit hat die Antragsgegnerin Rückstände bis August 2015 für verwirkt und für die Folgezeit in Höhe von nur 100 € monatlich für vereinbart und erloschen erachtet.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht die beantragten Rückstände zugesprochen. Eine Verwirkung scheitere gleichermaßen am Zeit- wie am Umstandsmoment.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin die Abweisung der Ansprüche auf Unterhaltsrückstände uneingeschränkt weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt, der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 13.5.2016 zum Geschäftszeichen 23 F 10/16 wird aufgehoben, soweit die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, Unterhaltsrückstände in Höhe von 5.937,00 € Euro für den Zeitraum 1.7.2014 bis 31.1.2016 zu zahlen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist der Senat auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze. Er entscheidet, wie angekündigt (104), ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), von der weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.

II.

Die nach §§ 58 ff, 117 FamFG statthafte und zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin für die Zeit ab 07/2014 rückständigen Unterhalt in geltend gemachter Mindestunterhaltshöhe verlangen, § 1613 BGB.

 

a) Zugang und Inhalt des zur Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs erhobenen Auskunftsverlangens vom 04.07.2014 sind unstreitig. Von dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Begehrens an wird der Unterhaltspflichtige vom Gesetzgeber nicht mehr als schutzwürdig angesehen, weil er seine Einkommensverhältnisse kennt und gegebenenfalls Rücklagen bilden muss. Die Schutzfunktion, die der früher erforderlichen Mahnung zukam, ist also bewusst abgeschwächt worden (vgl. BGH NJW 2007, 511).

Zudem bezifferte das Jugendamt mit Schreiben vom 05.08.2014 den (dynamisierten) Anspruch des Antragstellers in Höhe von damals 334 € monatlich (43) und forderte die Antragsgegnerin auf, dieser Zahlung in Erfüllung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit nachzukommen (44).

b) Aus der Korrespondenz der Beteiligten ergibt sich nichts anderes, namentlich kein – ohnedies nur in den Grenzen des § 1614 Abs. 1 BGB zulässiger – Verzicht auf zukünftige Unterhaltsansprüche oder ein Erlassvertrag (§ 397 BGB) für vergangene Unterhaltszeiträume.

Ein etwaiges Angebot des Antragstellers gemäß Schreiben des Jugendamtes vom 04.08.2014 ist mangels einer dort ausdrücklich verlangten Beurkundung nicht angenommen und von der Antragsgegnerin zudem mit E-Mail vom 05.08.2014 explizit abgelehnt worden. Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin sich auf das Beurkundungserfordernis aus dem Schreiben des Jugendamtes vom 08.10.2015 eingelassen, das im Übrigen den Anspruch des Antragstellers abermals und in gestiegener Höhe sowie nochmals unter Hinweis auf ihre gesteigerte Erwerbsobliegenheit beziffert.

Ein durch die Antragsgegnerin gemäß Schreiben ihrer Anwältin vom 23.12.2015 annahmefähiges Angebot bestand – abgesehen davon, dass sämtlichen Annahmefristen für etwaige Angebote des Jugendamtes längst verstrichen waren, § 147 Abs. 2 BGB – schon in Ansehung des Schreibens der Rechtsanwältin des Antragstellers vom 10.12.2015 nicht.

Die Ansprüche des Antragstellers sind auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Das neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment liegt nur vor, wenn besondere Umstände hinzutreten, auf Grund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Daran fehlt es hier. Die Antragsgegnerin hatte, bevor sie vom Jugendamt mit Schreiben vom 08.10.2015 kontaktiert wurde, eigeninitiativ ihrerseits das Jugendamt kontaktiert, wie der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen hat und wie sich im Übrigen auch aus dem Schreiben des Jugendamtes vom 08.10.2015 unmittelbar ergibt. Damit liegt fern und ist nicht feststellbar, dass die Antragsgegnerin sich darauf eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte von der Prüfung seiner Ansprüche oder deren gerichtlicher Geltendmachung absehen werde.

In Ansehung der ausdrücklichen Bezifferungen der Unterhaltsansprüche des Antragstellers und der ausdrücklichen Hinweise auf ihre gesteigerte Erwerbsobliegenheit in den Schreiben des Jugendamtes kann sich die Antragsgegnerin auch als juristische Laiin nicht darauf berufen, der Annahme gewesen zu sein, bei fehlender Erfüllung ihrer Erwerbsobliegenheit weniger als ausdrücklich beziffert geschuldet zu haben.

2. Die Zahlung vom 21.12.2015 über 500 € erfolgte ohne zeitliche Tilgungsbestimmung und tilgte gemäß § 366 Abs. 2 BGB die ältesten Forderungen aus Juli und August (anteilig) 2014 und ist bei der Rückstandsberechnung berücksichtigt.

 

Die Zahlung vom 25.01.2016 über 246 €, hinsichtlich derer die Beteiligten das Verfahren im Termin vor dem Amtsgericht übereinstimmend für erledigt erklärt haben (69), ist bei der Rückstandsberechnung gleichfalls berücksichtigt. Die Neubezifferung des zuzusprechenden Rückstands durch den Senat erfolgte lediglich zur vereinfachenden Klarstellung und entspricht rechnerisch dem vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag.

3. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG. Die Wertfestsetzung für die II. Instanz folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 2 FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.

III.

Verfahrenskostenhilfe konnte der Beschwerdeführerin mangels Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 1 S. 1 ZPO) nicht bewilligt werden.

Zur Begründung verweist der Senat auf die vorstehenden Ausführungen.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG) besteht nicht.

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