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Vorläufige Zuweisung der Ehewohnung wegen psychischer Erkrankung

AG Groß-Gerau, Az.: 75 F 883/14 EAWH, Beschluss vom 25.09.2014

Die eheliche Wohnung in der … wird für die Zeit des Getrenntlebens bis zur Rechtskraft der Scheidung dem Antragsteller zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Wohnung sofort zu verlassen und sämtliche zur Ehewohnung gehörenden Schlüssel an den Antragsteller herauszugeben.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Ehewohnung ohne Zustimmung des Antragstellers zu betreten.

Die Gerichtskosten werden geteilt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnung wird angeordnet.

Der Antragsteller darf sich zur Durchsetzung des Beschlusses der Hilfe des Gerichtsvollziehers bedienen, der sich seinerseits der Hilfe der Polizei bedienen darf.

Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Betretungsverbot wird der Ehefrau ein Ordnungsgeld bis zu 25.000,– € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Der Verfahrenswert wird auf 2.000,– € festgesetzt.

Gründe

Vorläufige Zuweisung der Ehewohnung wegen psychischer Erkrankung
Symbolfoto: Von Pormezz / Shutterstock.com

Die Parteien sind seit dem Jahre 1969 miteinander verheiratet. Im Jahre 2006 zog der Antragsteller aus der vorherigen gemeinsamen Wohnung aus und mietete sich die im Tenor bezeichnete Wohnung, bei der es sich um ein 1-Zimmer-Apartment mit 48 Quadratmetern handelt. Im Jahre 2010 verlangte die Antragsgegnerin, in der Wohnung übernachten zu dürfen, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt noch die frühere Ehewohnung zur Verfügung stand. Der Antragsteller duldete dies in dem Glauben, die Antragsgegnerin werde sich eine andere Wohnung suchen. Tatsächlich aber wurde die frühere Ehewohnung im Jahre 2012 zwangsgeräumt und die Antragsgegnerin blieb in der Wohnung des Antragstellers, der nach wie vor alleiniger Mieter der Wohnung ist.

Der Gemeindevorstand der Gemeinde … regte im Sommer 2012 die Bestellung eines Betreuers für die Antragsgegnerin an mit der Begründung, diese sei nach Auskunft des Obergerichtsvollziehers offensichtlich geisteskrank und nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten zu regeln, insbesondere nicht nach der unmittelbar bevorstehenden Zwangsräumung der Wohnung. Die Antragsgegnerin wehrte sich gegen die Bestellung eines Betreuers mit der allgemeinärztlich attestierten Begründung, sie leide an einer Erkrankung namens MCS (Multiple Chemical Syndrome). Hierbei reagiere sie mitunter heftigst auf Gerüche und Ausdünstungen. Daher sah das zuständige Gericht von der Bestellung eines Betreuers ab.

Der Antragsteller trägt vor, sich seit dem Jahre 2006 in ständiger fachärztlicher und psychologischer Betreuung zu befinden mit einer vorübergehenden stationären Behandlung im Jahre 2011.

Die Beteiligten lebten in seiner Wohnung strikt voneinander getrennt: Die Antragsgegnerin schlafe tagsüber im Bett, während der Antragsteller nachts auf einer Matratze ruhe. Unter Berufung auf die subjektiven Geruchswahrnehmungen untersage die Antragsgegnerin es dem Antragsteller, in der Wohnung zu kochen oder sich in Straßenkleidung in der Wohnung aufzuhalten. Der Antragsteller müsse bei jedem Verlassen und erneutem Betreten der Wohnung seine Kleidung wechseln, nach jedem Betreten der Wohnung zu duschen und nur das von ihr ausgewählte Toilettenpapier zu benutzen. In den vergangenen Wochen habe sich die Situation derart zugespitzt, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller konstant als dreckig beschimpfe und ihn tagelang mit andauernden lautstarken Hasstiraden, Provokationen und Demütigungen konfrontiere, sobald er die Wohnung betrete. Diese Beschimpfungen und Beleidigungen beträfen nicht nur seine angeblich mangelnde Hygiene – er sei „dreckiger als ein Penner auf der Straße“ –, sondern auch die verstorbenen Eltern des Antragstellers. Der Antragsteller habe nunmehr die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit erreicht und eine Eskalation der Situation sei nicht mehr auszuschließen. Es besteht die Gefahr der Gewalteskalation und weiterer Suizidversuche, anhand der Bestätigung seines psychologischen Psychotherapeuten vom 04.08.2014.

Der Antragsteller beantragt, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die Wohnung zuzuweisen, die Antragsgegnerin zum Verlassen der Wohnung zu verpflichten und die Schlüssel herauszugeben und ihr zu untersagen, die Wohnung ohne Zustimmung des Antragstellers zu betreten.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge abzuweisen.

Sie behauptet, auf der Suche nach einer Wohnung zu sein. Es könne aber nicht jede Wohnung sein wegen ihrer MCS. Die Gerüche würden immer schlimmer, alles ziehe sich so lange hin; der Antragsteller meine immer nur, es wäre alles nur gespielt; da werde sie richtig zornig und wehre sich mit Beschimpfungen (flippe total aus und schreie herum). Wenn die Gerüche besonders stark seien, empfinde sie auch entsprechend stärkere Schmerzen. Die Wohnung sei viel zu klein für beide, sie vertrage nicht den Teppichboden und die Tapeten und vieles mehr; auch die vielen Kabel stänken fürchterlich und die Laptops.

Der mündlichen Anhörung ist die Antragsgegnerin ferngeblieben mit der Begründung, sie könne sich kaum länger als ein paar Minuten in einem Raum mit anderen Personen aufhalten, dementsprechend auch nicht in einem Sitzungssaal. Ebenso sei ihr die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln unmöglich, weil sie diese Fahrt „aufgrund der bestehenden Geruchssituation“ gesundheitlich nicht ertragen könne.

Den Anträgen war gemäß § 1361b Abs. 1 BGB stattzugeben, weil es dem Antragsteller nach sicherer Überzeugung des Gerichts nicht zuzumuten ist, seine Wohnung länger mit der Antragsgegnerin zu teilen, und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichtes im Sinne des § 49 Abs. 1 FamFG besteht. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, seitens der unzweifelhaft schwer erkrankten Antragsgegnerin einem unerträglichen Psychoterror ausgesetzt zu sein, der ihn nachhaltig in seiner Menschenwürde verletzt und ihn an die Grenze seiner psychischen und physischen Belastbarkeit geführt hat mit einer aktuellen schweren depressiven Episode und latenter Suizidalität und Gewalteskalation.

Der Vergleich des von der Antragsgegnerin selbst vorgelegten ärztlichen Attestes vom 25.07.2014 mit den Attesten des Betreuungsverfahrens 43 XVII … führt zu der Feststellung, dass die – wie auch immer geartete – bisherige ärztliche Behandlung nicht den geringsten Erfolg gezeitigt hat. Somit ist die Antragsgegnerin jetzt und auf unabsehbare Zeit krankheitsbedingt außer Stande, sich eine eigene Wohnung zu suchen, eine solche zu beziehen und es dauerhaft in einer Wohnung auszuhalten. Die solchermaßen unverschuldet ausgeübte Tyrannei seitens der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller darf aber nicht zum Schaden des Antragstellers und seiner Menschenwürde achselzuckend hingenommen werden. Der Antragsgegnerin ist, schon auf der Grundlage des eigenen Vorbringens, nicht mit einer unabsehbaren Fortsetzung des bestehenden Zustandes zu helfen, sondern am ehesten mit der unverzüglichen Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik mit anschließender Überführung in eine Form des betreuten Wohnens. Eine Reihe von Symptomen zusätzlich zu den übersteigerten subjektiven Geruchsbeeinträchtigungen, nämlich der Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus, der Abbruch jeglicher sozialer Beziehungen und der Verlust jeglicher Empathie deuten nämlich auf das Vorliegen einer bislang völlig unbehandelten floriden Psychose der Antragsgegnerin hin.

Angesichts des fehlenden Verschuldens der Antragsgegnerin erschien die Kostenaufhebung angebracht.

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