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Wechselmodell – Voraussetzungen für gerichtliche Anordnung

OLG Brandenburg, Az.: 10 UF 213/14, Beschluss vom 15.02.2016

I. Auf die Beschwerden der Eltern wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 6. November 2014 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerdeanträge teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Der Vater ist berechtigt und verpflichtet, den persönlichen Umgang mit den gemeinsamen Kindern der Beteiligten zu 1. und 2., N… K…, geboren am …. Januar 2007, und S… K…, geboren am …. Februar 2010, wie folgt auszuüben:

1. In jeder geraden Kalenderwoche von Freitagmittag nach Schulschluss der Kinder bzw., solange S… noch nicht eingeschult ist, ihn betreffend ab 12 Uhr, bis zum Dienstagmorgen der darauffolgenden Woche zum Schulbeginn, bzw., solange S… noch nicht eingeschult ist, ihn betreffend bis 8:45 Uhr, beginnend am Freitag, dem 11. März 2016.

Kann wegen der Erkrankung eines der Kinder ein Umgang mit diesem Kind nicht stattfinden, so wird der Umgang mit diesem Kind an dem auf die Genesung folgenden nächsten Wochenende der ungeraden Kalenderwoche nachgeholt.

Als Erkrankung gilt nur die ärztlich bescheinigte Schul- bzw. Kindergartenunfähigkeit des Kindes. Die Mutter ist verpflichtet, den Vater und die Umgangspflegerin unverzüglich von einer den Umgang hindernden Krankheit des Kindes zu unterrichten und dem Vater und der Umgangspflegerin auf Verlangen eine Bescheinigung über die Art der Erkrankung und die Schul- bzw. Kindergartenunfähigkeit vorzulegen. Die Umgangspflegerin entscheidet, ob sie die Verhinderung anerkennt.

Wechselmodell - Voraussetzungen für gerichtliche Anordnung
Symbolfoto: 9dream studio/Bigstock

2. In den Ferien des Landes Brandenburg

a) Osterferien

in den geraden Jahren vom letzten Schultag vor den Ferien nach Schulschluss der Kinder, bzw., solange S… noch nicht eigeschult ist, ihn betreffend ab 12 Uhr, bis zum Ostermontag, 10 Uhr;

in den ungeraden Jahren von Ostermontag, 10 Uhr, bis zum Sonntag vor Schulbeginn, 16 Uhr.

b) Sommerferien

in den ersten drei Wochen der Sommerferien vom auf den letzten Schultag vor den Ferien folgenden Samstag, 12 Uhr, bis zum Samstag drei Wochen später, 16 Uhr;

c) Herbstferien

in der ersten Ferienwoche, beginnend mit dem letzten Schultag vor den Ferien nach Schulschluss bis zum Samstag der darauffolgenden Woche, 16 Uhr;

d) Weihnachtsferien

in den geraden Kalenderjahren vom letzten Schultag vor den Ferien nach Schulschluss bis zum 27. Dezember, 10 Uhr;

in den ungeraden Jahren vom 27. Dezember, 10 Uhr, bis zum Tag vor dem ersten Schultag, 16 Uhr;

e) Winterferien

in den ungeraden Jahren vom letzten Schultag vor den Ferien nach Schulschluss bis zum Sonntag vor dem ersten Schultag, 16 Uhr.

3. Die Regelungen zum Ferienumgang gehen den Regelungen zu dem unter 1. geregelten Wochenendumgang vor.

4. Die Eltern haben sich abfälliger und wertender Äußerungen über den anderen Elternteil in Gegenwart der Kinder zu enthalten, die Kinder nicht über das Verhalten des anderen Elternteils auszufragen und Streitigkeiten untereinander von ihnen fern zu halten.

II.

1. Für die Durchführung des Umgangs des Vaters mit den Kindern N… und S… wird eine Umgangspflegschaft angeordnet.

2. Zur Umgangspflegerin wird Frau Dipl. Päd. K… B…, …, bestimmt. Sie übt ihr Amt berufsmäßig aus. Die Umgangspflegschaft wird befristet bis zum 31. März 2018.

3. Die Umgangspflegschaft umfasst auch die Vor- und Nachbereitung der Umgangskontakte im Rahmen von Elterngesprächen mit dem Ziel einer eigenverantwortlichen Durchführung des Umgangs durch die Eltern nach Ablauf der Umgangspflegschaft. Die Eltern sind verpflichtet, den diesbezüglichen Anordnungen der Umgangspflegerin Folge zu leisten.

4. Sofern die Umgangspflegerin nichts anderes bestimmt sowie nach Ablauf der Umgangspflegschaft gilt folgende Regelung:

Der Vater holt die Kinder zu Beginn des Umgangs von der Schule bzw. vom Kindergarten ab und bringt sie zum Ende des Umgangs dorthin zurück. Die Mutter sorgt dafür, dass die Kinder an diesen Tagen die Schule bzw. den Kindergarten besuchen.

An den Tagen, an denen die Kinder die Schule bzw. den Kindergarten nicht besuchen, übergibt die Mutter die Kinder zu Umgangsbeginn dem Vater an ihrer Wohnungstür, dieser bringt die Kinder zum Umgangsende dorthin zurück, die Mutter nimmt sie dort in Empfang.

III. Dem Vater wird aufgegeben, einen Kurs „Kind im Blick“ vollständig zu absolvieren und diesen spätestens am 31. Mai 2016 zu beginnen.

IV. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die aus Ziff. I. und II. folgenden Verpflichtungen kann gegen jeden Elternteil ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder dessen Anordnung keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft angeordnet werden.

V. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Eltern hälftig geteilt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

VI. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Eltern streiten um den Umgang des Vaters mit den gemeinsamen Kindern N… K…, geboren am ….1.2007, und S… K…, geboren am ….2.2010.

Die Eltern waren nicht verheiratet. Sie leben seit Februar oder März 20011 voneinander getrennt. Seit der Trennung leben die Kinder bei der Mutter. Die Sorge für N… haben sie bisher aufgrund einer Sorgeerklärung gemeinsam ausgeübt. Für S… stand der Mutter die elterliche Sorge allein zu. Die Eltern haben neben dem vorliegenden Verfahren eine Vielzahl von weiteren gerichtlichen Verfahren am Amtsgericht Strausberg geführt. Der Senat hat die Akten zu den Verfahren 2.2 F 249/12; 2.2 F 74/13; 2.2 F 447/13; 2.2 F 88/14; 2.2 F 177/14; 2.2 F 236/14; 2.2 F 344/14; 2.2 F 364/14 beigezogen.

Der Vater hat mit dem vorliegenden Verfahren Umgang für beide Kinder im wöchentlichen Wechsel erstrebt, der einen gleichmäßigen Kontakt der Kinder zu beiden Eltern gewährleiste.

Die Mutter ist dem Antrag entgegengetreten.

Im Termin vom 28.8.2012 haben sich die Eltern vor dem Amtsgericht auf eine vorläufige Vereinbarung zum Umgang an jedem zweiten Wochenende geeinigt. Zugleich hat der Vater eine ergänzende einstweilige Anordnung mit dem Ziel eines zusätzlichen Umgangs mit Übernachtung vierzehntägig von Donnerstag bis Freitag beantragt. Das Amtsgericht Strausberg hat im Verfahren 2.2. F 249/12 durch Beschlüsse vom 29.8.2012 eine entsprechende Umgangsregelung im Wege der einstweiligen Anordnung getroffen und das vorliegende Verfahren ausgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 4.3.2013 hat die Mutter beantragt, den Umgang des Vaters mit beiden Kindern auf unbestimmte Zeit auszuschließen und dies zunächst damit begründet, dass durch nachlässiges Verhalten des Vaters Gefährdungen der Kinder entständen. Der Vater habe die Kinder abends zu lange mit Videospielen beschäftigt, habe S… an den Kopf geschlagen, den Kindern bei jedem Umgang andere Kleidung angezogen, gegenüber den Kindern geäußert, die Mutter solle „tot sein“, habe im Kinderzimmer Kerzen als Beleuchtung aufgestellte und die Kinder, während sie in der Badewanne gesessen hätten, geföhnt. Bei einem Bootsausflug seien die Kinder ohne Schwimmwesten und unbeaufsichtigt im Boot und am Wasser gewesen.

Das Amtsgericht hat die Sachverständige Dipl.-Psych. T… mit der Beantwortung der Frage beauftragt, welche Umgangsregelung dem Kindeswohl am besten entspreche. Am 3.3.2014 hat die Mutter gegen den Vater wegen des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs beider Kinder Strafanzeige erstattet. Danach ist die Gutachtenerstellung durch die Sachverständige T… auf Veranlassung des Gerichts unterbrochen und die Einholung eines psychologischen Gutachtens der Sachverständigen K… zur Klärung des von der Mutter geäußerten Verdachts angeordnet worden. Durch Beschluss vom 17.3.2014 in der Sache 2.2 F 88/14 hat das Amtsgericht auf Antrag der Mutter durch einstweilige Anordnung begleiteten Umgang donnerstags von 15:30 Uhr bis 18 Uhr angeordnet.

Durch Beschluss vom 6.11.2014 hat das Amtsgericht den Umgang des Vaters mit den Kindern geregelt, und zwar vierzehntägig am Wochenende von Freitag mittags bis Montag morgens und in den Wochen ohne Wochenendumgang zusätzlich von Donnerstag mittags bis Freitag morgens; es hat ferner Ferienumgang angeordnet.

Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Eltern mit ihren Beschwerden.

Die Mutter beanstandet, dass das Amtsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, welcher Umgang dem Kindeswohl am besten entspreche, abgesehen habe. Da die Eltern sehr zerstritten seien, dürfe der Umgang nicht, wie im angefochtenen Beschluss geregelt, gewährt werden. Den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs halte sie für berechtigt und unbegleiteten Umgang für verantwortungslos.

Die Mutter beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und

1. den Umgang des Vaters mit den Kindern auf unbestimmte Dauer auszuschließen;

2. hilfsweise, das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen;

3. weiter hilfsweise, den Umgang nur begleitet zu gewähren und

4. die Beschwerde des Vaters zurückzuweisen.

Der Vater beantragt, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Umgang jeweils wöchentlich von Montag bis Montag im Wechsel zu regeln und die für die Ferien getroffenen Regelungen zu bestätigen und die Beschwerde der Mutter zurückzuweisen.

Der Vater trägt vor: Falls er im parallel laufenden Verfahren mit seinem Begehren, die elterliche Sorge und insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder allein zu erhalten, nicht durchdringen sollte, strebe er den Umgang im wöchentlichen Wechsel an. Es entspreche dem Wohl der Kinder, mit beiden Eltern gleich viel Zeit zu verbringen. Obwohl der Umgang in der Vergangenheit auf Veranlassung der Mutter erheblich eingeschränkt worden sei, bestehe nach wie vor eine stabile Beziehung zu seinen Kindern. Da die Mutter eine weitere Beschränkung des Umgangs begehre, solle diesen Bemühungen mit einer Erweiterung des Umgangs begegnet werden, um die gute Beziehung zwischen ihm und den Kindern nicht zu gefährden.

Der Senat hat das Verfahren im Hinblick auf die im Sorgerechtsverfahren (10 UF 216/14) angeordnete Einholung eines Sachverständigengutachtens ausgesetzt.

Anträge der Mutter auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses hat der Senat durch Beschlüsse vom 27.11.2014, 14.12.2015 und 23.12.2015 (10 UFH 10/15) zurückgewiesen. Durch Beschluss vom 14.7.2015 (10 UFH 5/15) hat der Senat die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses betreffend den Sommerferienumgang einstweilen ausgesetzt. Unter dem 15.1.2016 hat die Mutter einen weiteren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses eingereicht.

Der Senat hat die Kinder, die beteiligten Eltern, die Verfahrensbeiständin und den Vertreter des Jugendamts zweimal persönlich angehört, zuletzt im Termin vom 14.1.2016. In diesem Termin hat auch die Sachverständigen Dipl.-Psych. M… ihr im Sorgerechtsverfahren (10 UF 216/14) eingeholtes Gutachten erläutert und ergänzt. Auf die Anhörungsvermerke zu den Senatsterminen wird verwiesen. Die Ermittlungsakte wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Vater sowie die Verfahrensakte betreffend das Verfahren um die elterliche Sorge (10 UF 216/14), sind beigezogen worden.

II.

Die Beschwerden beider Eltern sind gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Die aus der Beschlussformel ersichtliche Entscheidung entspricht dem Kindeswohl am besten, § 1697 a BGB. Die weitergehenden Beschwerdeanträge sind zurückzuweisen.

1. Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, zugleich ist jeder Elternteil zum Umgang mit seinem Kind berechtigt und auch verpflichtet. Dieses Recht des Kindes und des das Kind nicht betreuenden Elternteils steht nicht zur Disposition des anderen Elternteils. Das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Staudinger/Rauscher, BGB, Neubearb. 2014, §1684 Rn 352). Die Rechtsposition erwächst ebenso wie das Sorgerecht aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und muss von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Obhutselternteil hat demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen (BVerfG, FamRZ 2004, 1166, 1168). Er muss deswegen und im Interesse des Kindeswohls alles unterlassen, was das Verhältnis zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil beeinträchtigt (§ 1684 Abs. 2 BGB).

Primärer Zweck des Umgangsrechts ist es, dem Umgangsberechtigten zu ermöglichen, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Kind aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen bzw. der Verfestigung einer bereits eingetretenen Entfremdung entgegenzuwirken (OLG Hamm, FamRZ 1997, 307; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 1993, 1233, 1234; OLG Braunschweig, FamRZ 1999, 185; OLG Koblenz, FamRZ 2008, 714) sowie dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 31, 194, 205; BGHZ 42, 364; Staudinger/Rauscher a. a. O. Rn 30 m. w. N.), und so zu einer gedeihlichen Entwicklung des Kindes beizutragen (Palandt/Götz, BGB 75. Aufl., § 1684 Rn. 1). Der Umgang des Kindes mit seinen Eltern dient seiner Entwicklung und ist grundlegende Basis der Eltern-Kind-Beziehung (BVerfG, NJW 2008, 1289).

Diesem Zweck entsprechend hat der Senat, der Empfehlung der Sachverständigen in ihrem im Sorgerechtsverfahren erstatteten Gutachten folgend, Wochenends- und Ferienumgang im aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang angeordnet. Dabei werden sowohl Wochenenden als auch Ferienzeiten im Wesentlichen paritätisch zwischen den Eltern aufgeteilt, und über die Wochenenden hinaus die Montage als Umgangstage bestimmt. Dies soll es gewährleisten, dass die Kinder mit jedem Elternteil ihre Wochenenden und die Ferien zu etwa gleichen Anteilen verbringen und darüber hinaus Alltag auch beim Vater zu erleben. Dass der Anordnung praktische Hindernisse auf Seiten der Eltern entgegenstehen würden, ist nicht ersichtlich.

2. Entgegen der in der Beschwerdeschrift zum Ausdruck gekommenen Vorstellung des Vaters kommt die Anordnung des Wechselmodells nicht in Betracht. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein sogenanntes Wechselmodell mit annähernd gleichen Betreuungsanteilen beider Eltern jedenfalls dann nicht gerichtlich angeordnet werden kann, wenn es keinen entsprechenden elterlichen Konsens gibt (vgl. Senat, FamRZ 2009, 1759; FamRZ 2003, 1949; OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, FamFR 2013, 574; OLG Naumburg, FamRZ 2015, 764; ), da § 1684 BGB dafür keine Grundlage bietet (OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1266; OLG Koblenz, FamRZ 2010, 738). Dies gilt sowohl für die Regelung der elterlichen Sorge (OLG Koblenz a. a. O., OLG Brandenburg, 3. Familiensenat, FamRZ 2012, 1886) als auch für das Umgangsrecht (OLG Koblenz a. a. O.; OLG München, FamRZ 2013, 1822). Der rechtlichen Ausgestaltung des Umgangsrechts liegt das Leitbild des Residenzmodells zu Grunde, wonach sich das Kind die überwiegende Zeit bei dem betreuenden Elternteil aufhält und die Umgangszeiten des anderen Elternteils hinter dieser Betreuungszeit zurückbleiben. Diesem Leitbild entsprechen auch die an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes beim betreuenden Elternteil anknüpfenden rechtlichen Regelungen über die unterschiedlichen Entscheidungskompetenzen des betreuenden und des umgangsberechtigten Elternteils in §§ 1687 f. BGB, über das Vertretungsrecht in § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB und über die Art der Unterhaltsgewährung in § 1606 Abs. 3 BGB. Somit kollidiert das Umgangsrecht mit der elterlichen Befugnis, den Aufenthalt zu bestimmen. Es beschränkt diese Befugnis, kann aber nicht an deren Stelle treten. Das Umgangsrecht findet deshalb seine Grenze, wo seine Ausübung zur Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes abweichend von der Bestimmung des bzw. der Sorgeberechtigten führen würde. Das Recht zur Entscheidung, wo sich das Kind gewöhnlich aufhält, ist kein Ausfluss des Umgangsrechts, sondern ein Teil des elterlichen Sorgerechts (OLG Brandenburg, 3. Familiensenat, FamRZ 2012, 1886). Es kann aber letztlich dahinstehen, ob ein Wechselmodell eher in einem Umgangs- oder eher in einem Sorgerechtsverfahren angeordnet werden kann, da die Voraussetzungen hier ohnehin nicht gegeben sind.

3. Für die Anordnung einer Begleitung oder den Ausschluss des Umgangs – wie von der Mutter erstrebt – besteht keine Veranlassung.

Die Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangs kommt nur bei einer konkreten Kindeswohlgefährdung durch den Umgang in Betracht, § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB. Auch bei Streit der Eltern darf das Umgangsrecht des anderen Elternteils nur dann eingeschränkt werden, wenn eine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt, der nicht durch andere Maßnahmen begegnet werden kann (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2007, 495). Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Antragsteller völlig vom Umgang mit seinen Kindern N… und S… auszuschließen, hat weder die im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme ergeben noch haben sich solche Umstände im Laufe des Beschwerdeverfahrens gezeigt.

Dem Senat ist unter Berücksichtigung des im Verfahren um die elterlichen Sorge (10 UF 216/14) eingeholten Gutachtens der psychologischen Sachverständigen M… nicht erkennbar, dass den Kindern durch den Umgang mit dem Vater körperliche oder seelische Gefahren drohen. Der Verwertbarkeit des Gutachtens entgegenstehende Gründe liegen nicht vor; insoweit wird auf den gleichzeitig ergehenden Senatsbeschluss in dem Verfahren 10 UF 216/14 Bezug genommen. Hinweise auf eine generelle Einschränkung der Erziehungsfähigkeit des Vaters hat die Sachverständige ebenso wie Mängel in seiner Erziehungskompetenz und andere in seiner Person liegende Umstände, die solchen Umgangskontakten entgegenstehen könnten, nicht feststellen können. Solche sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Tatsächliche Anhaltspunkte für den von der Mutter erhobenen Vorwurf des Kindesmissbrauchs liegen nicht vor. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Beschluss von heute im Verfahren betreffend die elterliche Sorge (10 UF 216/14) Bezug genommen.

Aus dem weiteren Vorbringen der Mutter, der Vater gefährde die Kinder durch Geschwindigkeitsübertretungen beim Autofahren, riskante Benutzung von Kerzen im Schlafzimmer, Föhnen in der Badewanne, Bootfahrten ohne Schwimmwesten und Verletzungen der Aufsichtspflicht kann eine aktuelle Gefährdung der Kinder nicht abgeleitet werden. Denn der Vater hat sich von entsprechendem Verhalten distanziert, die Kinder selbst haben von solchen Vorfällen aus aktuellem Geschehen nicht berichtet. Auf die Ausführungen im genannten Senatsbeschuss von heute betreffend die elterliche Sorge wird verwiesen.

Die strikt ablehnende Haltung gegenüber Umgangskontakten, die allenfalls Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Mutter aufkommen lassen kann und für deren gesteigertes Maß – wie die Sachverständige im Sorgerechtsverfahren nachvollziehbar dargelegt hat – keine reale Grundlage ersichtlich ist, rechtfertigt weder den völligen Ausschluss von Umgangskontakten noch die Anordnung von deren Begleitung.

Auch die von den Kindern zuletzt geäußerte Ablehnung steht der Anordnung von Umgangskontakten nicht entgegen. Sie gebietet es indes, Kindeswohl und Kindeswillen gegeneinander abzuwägen. Die Beachtung eines gegen den Umgang gerichteten Kindeswillens im Rahmen der Frage eines Ausschlusses oder einer förmlichen Einschränkung des Umgangs nach § 1684 Abs. 4 BGB greift tief in die Entwicklung des Kindes ein. Er steht in prinzipiellem Konflikt zum Kindeswohl. Da der Umgang grundsätzlich des Kindeswohl dient, im wohlverstandenen Interesses des Kindes liegt, muss sich auch ein dagegen gerichteter Kindeswille am Kindeswohl messen lassen (vgl. Staudinger/Rauscher, a. a. O., Rn176).

Hier ist allerdings zu bedenken, dass die Kinder zunächst gern mit ihrem Vater zusammen waren und ihre ablehnende Haltung – zumindest in Bezug auf Umgangskontakte mit dem Vater – nicht auf eine autonome Entwicklung zurückzuführen ist, wie im Senatsbeschluss von heute betreffend die elterliche Sorge dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Daher geht der Senat davon aus, dass sich die Kinder mit der Äußerung der Ablehnung des Kontakts zum Vater dem zermürbenden Loyalitätskonflikt entziehen wollen, in den sie das unverhohlen feindselige Verhalten der Eltern in Kombination mit der übersteigert angstbetonten Haltung der Mutter getrieben hat, indem sie sich mit der Haltung der Mutter solidarisieren. Davon, dass sie die von der Mutter übernommene Ablehnung bereits internalisiert haben, geht der Senat in Ansehung des noch bei ihrer Anhörung durch das Jugendamt nach dem letzten Umgang geäußerten Wunsches nach einer Versöhnung der Eltern nicht aus. Auf der Grundlage ihres noch wenige Monate zuvor bei der Begutachtung vorhandenen Wunsches nach umfangreichem Umgangskontakt zum Vater (vgl. Seite 75, 79, 87, 88 des im Verfahren 10 UF 216/14 eingeholten Gutachtens der Sachverständigen M… vom 19.8.2015) und des Umstandes, dass kein kindeswohlrelevantes Verhalten des Vaters feststellbar ist, das den seitdem eingetretenen Stimmungswandel der Kinder verursacht haben könnte, ist der Senat überzeugt, dass es dem Kindeswohl – entgegen dem geäußerten Kindeswillen – am besten entspricht, den Umgang nun behutsam, aber zügig aufzunehmen.

4. Zur Durchsetzung des Umgangsrechts des Vaters gegen den geäußerten Kindeswillen und gegen den Willen der Mutter ist es geboten, eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangsrechts anzuordnen. Wird die Pflicht, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert, dauerhaft und wiederholt erheblich verletzt, kann das Gericht eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen, § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB. Die Schwelle der Kindeswohlgefährdung muss nicht erreicht werden (juris-PK-BGB/Poncelet, 7. Aufl., § 1684 Rn. 86). Die Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Die Antragsgegnerin hat durch ihr Verhalten ihre Verpflichtung aus § 1684 Abs. 2 BGB dauerhaft und wiederholt erheblich verletzt. Dies ergibt sich daraus, dass sie die Kinder, die noch bei ihrer Begutachtung durch die Sachverständige M… eine im Wesentlichen unbelastete Beziehung zum Vater gezeigt haben, wiederholt, jedenfalls vor der Befragungen durch die Sachverständige und vor der Anhörung durch den Senat im Januar 2016, an die von ihr beanstandeten Versäumnisse des Vaters und die von ihm vermeintlich ausgehenden Gefahren erinnert hat. Dass sie damit die Beziehung der Kinder zum Vater schwer belastet hat, liegt auf der Hand. Auf ein Verschulden kommt es nicht an (OLG Hamm, NJW-RR 2011, 150; Erman/Döll, BGB, 14. Aufl., § 1684 Rn. 14).

b) Die Umgangspflegschaft in dem vom Senat gesetzten Rahmen umfasst das Recht der Umgangspflegerin, die Herausgabe der Kinder zur Durchführung des Umgangs zu verlangen ebenso wie die Befugnis, für die Dauer des Umgangs deren Aufenthalt zu bestimmen (§ 1684 Abs. 3 S. 4 BGB). Nach §§ 1909, 1779 Abs. 1, 1791b BGB ist Frau Dipl. Päd. B… zur Umgangspflegerin zu bestellen, weil andere zur Übernahme der Pflegschaft geeignete und bereite Personen nicht vorhanden sind. Insbesondere sind die übrigen Angehörigen des Kindes (§ 1779 Abs. 1 S. 2 BGB) wegen der bestehenden Interessenkonflikte zur Übernahme der Umgangspflegschaft nach den Umständen des Falls nicht geeignet. Frau B… bietet aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation, ihrer fachlichen Kompetenz und ihrer Erfahrungen auf dem Gebiet der Umgangspflegschaft auch grundsätzlich die Möglichkeit, eine konfliktfreie und sichere Durchführung des Umgangs zu gewährleisten und den Umgangskonflikt zu mindern.

c) Die Dauer der Umgangspflegschaft ist nach § 1684 Abs. 3 S. 5 BGB zu begrenzen. Im Hinblick auf die Umstände des Falls muss die Umgangspflegschaft für einen längeren Zeitraum angeordnet werden, weil das bisherige Verhalten der Mutter nicht die Erwartung rechtfertigt, sie werde alsbald in der Lage oder bereit sein, die Umsetzung der vom Senat getroffenen Umgangsregelung zu akzeptieren bzw. zu fördern. Die Frist kann, sollte sich dies nach dem Verhalten der Antragsgegnerin als erforderlich erweisen, gegebenenfalls über den 31.3.2018 hinaus verlängert werden (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 822; Erman/Döll, a.a.O., § 1684 Rn 14; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1684 BGB Rn 16 b).

d) Die Maßnahme ist verhältnismäßig. Sie stellt etwa gegenüber dem (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge das mildere Mittel dar (vgl. dazu BVerfG, FamRZ 2012, 1127; BGH, FamRZ 2012, 99). Geringere ebenso erfolgversprechende Eingriffe sind nicht ersichtlich.

5. Die Anordnung, dass die Eltern vorbereitende und nachbereitende Gespräche mit der Umgangspflegerin zuzulassen haben, beruht auf § 1684 Abs. 3 S. 2 BGB. Sie soll das Gelingen der behutsamen Wiederanbahnung der Umgangskontakte im Interesse der Kinder sicherstellen.

6. Die Anordnung des wechselseitigen Wohlverhaltens vor den Kindern folgt aus § 1684 Abs. 2 BGB.

7. Die Anordnung des Besuchs des Kurses „Kind im Blick“ durch den Vater beruht auf § 1684 Abs. 3 S. 2 BGB. Zur Abwendung einer weiteren Belastung der Kinder durch den elterlichen Konflikt hält der Senat diese Maßnahme mit der Empfehlung der Sachverständigen im Sorgerechtsverfahren (Seite 149 des im Verfahren 10 UF 216/14 eingeholten Gutachtens der Sachverständigen M… vom 19.8.2015) für erforderlich.

8. Der Hinweis auf die Folgen von Zuwiderhandlungen gegen die Umgangsanordnung folgt aus § 89 Abs. 2 FamFG.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 FamFG. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens zwischen den Eltern, die mit ihren Rechtsmitteln zumindest auch bezweckt haben, dem Kindeswohl Geltung zu verschaffen, gegeneinander aufzuheben.

10. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 40 Abs. 1 i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 FamGKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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