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Zuweisung der (ehemaligen) Ehewohnung nach Scheidung

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 3 UF 6/14 – Beschluss vom 03.03.2014

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Burg vom 21.11.2013 (Az.: 5 F 462/13), teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag des Antragstellers und der Widerantrag der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 4.000,- €.

Gründe

I.

Die Beteiligten, geschiedene Eheleute im Alter von 77 bzw. 74 Jahren begehren wechselseitig die Alleinnutzung des zuvor als Ehewohnung genutzten Wohnhaupthauses auf dem im hälftigen Miteigentum der Beteiligten stehenden Hausgrundstück D. Straße 11 in G. OT W. .

Zuweisung der (ehemaligen) Ehewohnung nach Scheidung
Symbolfoto: Von ingae /Shutterstock.com

Die Beteiligten haben das streitgegenständliche Hausgrundstück während der Ehe erworben und das Haupthaus hergerichtet. Hierneben befindet sich auf dem Grundstück ein separater Erweiterungsbau, der vom Sohn und dessen Kinder im Alter von 13 und 16 Jahren bewohnt wird. Gegenüber dem Haupthaus liegt ein zu Wohnzwecken beabsichtigter umgebauter Stallbereich, der beheizbar aber noch nicht fertig gestellt ist.

Nach langjähriger Ehe und streitiger 26-jähriger Trennungszeit wurde die Ehe am 02.03.2013 rechtskräftig geschieden.

Der Antragsteller hat die Alleinnutzung des von ihm mit aufgebauten Haupthauses beansprucht, da er wegen seiner schlechteren Mobilität mehr auf die Ehewohnung angewiesen sei als die Antragsgegnerin. Der Besuch der ihn unterstützenden Schwester sei im Falle der Nichtnutzung erschwert. Die Antragsgegnerin könne den Erweiterungsbau mitbewohnen, welcher nur 10 Jahre alt ist und besser ausgestattet sei.

Der Antragsteller hat beantragt, ihm das zur Straße hin gelegene Haupthaus auf dem Grundstück D. Straße 11 in G. OT W. (Flurstück 95/7 der Flur 2 Gemarkung W.), bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad zur alleinigen Nutzung zuzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

1. den Antrag abzuweisen

und

2. im Wege des Widerantrags ihr das Haupthaus auf dem Grundstück D. Straße 11 in G., OT W., bestehend aus 3 Zimmern, Bad, Küche und Veranda zur alleinigen Nutzung zuzuweisen.

Der Antragsteller hat beantragt, den Widerantrag abzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, der Antragsgegner sei in der Lage, den ausgebauten Stallbereich nutzen. Eine Nutzungsänderung hätte er zwischenzeitlich erreichen können. Sie selber könne auf Grund ihrer Erkrankungen die Räume über der Treppe nicht erreichen. Den Erweiterungsbau könne sie ohne Hilfsmittel wegen der Treppen ebenfalls nicht bewohnen. Die minderjährigen Enkelkinder bedürften zudem ihrer Versorgung im Haupthaus. Sie sei außerdem auf die Unterstützung des Sohnes angewiesen.

Das Amtsgericht hat gemäß §§ 1568 a BGB, 200 ff FamFG dem Antragsteller das Haupthaus unter Zurückweisung des Antrags der Antragsgegnerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Dabei hat das Amtsgericht den Stallbereich außen vor gelassen, da es sich bei diesem nicht um eine vollwertige Wohnung handeln würde. Überdies könne die Antragsgegnerin sich beim Sohn aufhalten und dort wohnen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens und der zudem weiter ausführenden Gründe wird auf den amtsgerichtlichen Beschluss vom 21.11.2013 (Bl. 106 ff. d. A.) verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die unter Verweis auf ihren ebenfalls eingeschränkten Gesundheitszustand weiterhin die Zuweisung des Haupthauses auf sich beansprucht. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Burg vom 21.11.2013 abzuändern und ihr das streitgegenständliche Haupthaus zur alleinigen Nutzung zuzuweisen sowie den Antrag des Antragstellers abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat im Rahmen des Ortstermins vom 03.03.2014 das Anwesen der Beteiligten in Augenschein genommen und insbesondere den Sohn der Beteiligten M. T. informatorisch im Rahmen der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten zum Haupthaus, dem Stallbereich und dem Erweiterungsbau (Wohnung des Zeugen) angehört.

II.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat dahin teilweise Erfolg, dass der Zuweisungsantrag des Antragstellers abzuweisen ist.

Im Beschwerdeverfahren sind letztlich die wechselseitigen Nutzungszuweisungsanträge der Beteiligten in Bezug auf das als Ehewohnung genutzte Haupthaus unter Abänderung des dem Antragsteller erstinstanzlich zugesprochenen Alleinnutzungsrechts als unbegründet zurückzuweisen.

Nach § 1568a Abs.1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere Ehegatte anlässlich der Scheidung die Ehewohnung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.

Im Rahmen der vorgegebenen gesetzlichen Regelung ist vorrangig festzustellen, welcher Ehegatte im stärkeren Maße auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist. Kriterien hierfür sind vorliegend, da minderjährige Kinder der Beteiligten nicht zu berücksichtigen sind, vorrangig die Lebensverhältnisse der Beteiligten. Lediglich dann, wenn sich, wie vorliegend, nicht nach diesen zu beurteilenden Lebensverhältnissen feststellen lässt, dass der eine Beteiligte stärker auf die Wohnung angewiesen ist als der andere, entscheidet das Kriterium der Billigkeit. Aber auch im Rahmen dieser Abwägung vermag der Senat keinem der Beteiligten das Haupthaus zur alleinigen Nutzung zuzusprechen.

Die Beteiligten haben das streitgegenständliche Hausgrundstück während der Ehe erworben und das über 3 mittlerweile baufällige Stufen erreichbare Haupthaus (bestehend aus Bad, Küche, Flur – gemeinsam genutzt von beiden Beteiligten-, Sommervorraum, Kinderzimmer -genutzt von der Antragsgegnerin -, Durchgangs-Wohnzimmer und Schlafzimmer -genutzt vom Antragsteller) hergerichtet.

Hierneben befindet sich auf dem Grundstück ein im Eingangsbereich mit 5 Eingangsstufen versehener separater Erweiterungsbau, der vom Sohn der Beteiligten nach dessen erfolgter Scheidung und seinen beiden Kindern bewohnt wird. In diesem Erweiterungsbau befinden sich im Vorderbereich Bad, Küche, Vorraum, Wohnzimmer und Schlafzimmer und über eine Abwärtstreppe sind ein weiterer Flur und die beiden Kinderzimmer zu erreichen. Am Ende des Flurs gelangt man über eine Wendelspartreppe zu 2 weiteren großen Durchgangs-Zimmern.

Überdies liegt gegenüber dem Haupthaus ein über den weitestgehend unbefestigten Hofbereich erreichbarer und überwiegend zu Wohnzwecken umgebauter Stallbereich, der beheizbar ist. Über 7 Stufen gelangt man in den Flur, von wo sich rechtsseitig ein großes mit Möbeln zugestelltes Zimmer und linksseitig Bad, Küche und Wohnzimmer befinden. Jedoch weisen der Bad- und Kochbereich noch erhebliche Benutzungseinschränkungen mangels Fertigstellung auf. Eine behördliche Genehmigung zur Wohnraumnutzung liegt für diesen Stallbereich nicht vor.

Zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, dass die geschiedenen Eheleute erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen, die sie insbesondere in der Mobilität einschränken, und sonstige Umstände keinen Vorteil gegenüber dem jeweils anderen Beteiligten einzuräumen vermögen. Ohne Hilfe oder Hilfsmittel ist ihnen der beschwerliche Auf- und Abstieg der Treppen, wovon sich der Senat bei der Augenscheinseinnahme eigene Kenntnis verschaffen konnte, nicht mehr ohne erheblichen Kraft- und Zeitaufwand zu bewältigen. Ein Verweis eines Beteiligten in einen anderen Objektsteil, hier des Antragstellers in den Stallbereich oder aber der Antragsgegnerin in den Erweiterungsbau zu dem gemeinsamen Sohn, ist dementsprechend nicht verantwortbar.

Auf Grund der nahezu gleich starken Beeinträchtigungen kann jedoch entgegen der Ansicht des Amtsgerichts keinem Beteiligten, so auch nicht dem Antragsteller, der Vorrang für einen Verbleib im Haupthaus eingeräumt werden.

Der Senat verkennt nicht, dass der zwischen den geschieden Eheleuten, dem Antragsteller und dem gemeinsamen Sohn als auch zwischen der Antragsgegnerin und der behilflichen Schwester des Antragstellers erhebliches Konfliktpotenzial vorhanden ist.

Demgegenüber ist aber ebenfalls festzustellen, dass die Beteiligten mittlerweile seit mehr als 2 Jahrzehnten ihre Wohnverhältnisse im bislang ausgeübten Umfang gelebt und ausgestaltet haben. Die Beteiligten sind gegenwärtig gleichermaßen von der tatkräftigen Unterstützung, der Antragsteller von seiner Schwester und die Antragsgegnerin von ihrem Sohn, welche sie bei den täglichen Dingen des Lebens unterstützen, im erheblichen Maße abhängig. Es ist daher hinzunehmen, dass die Beteiligten zunächst weiterhin die für sie leichter zu erreichenden Räumlichkeiten des Haupthauses nutzen, wobei die Antragsgegnerin nicht notwendigerweise wie bisher einen Raum den in das jugendliche Alter vorrückenden bzw. vorgerückten Enkelkindern zur Verfügung stellen muss.

Da zudem der Antragsteller ausgehend von der vorliegenden Wohnproblematik im Rahmen der Erörterungen beim Ortstermin und einer letztlich gescheiterten einvernehmlichen Lösung die Teilungsversteigerung vorbrachte und deren Umsetzung in Aussicht stellte, muss der Senat überdies davon ausgehen, dass sich die Beteiligten, zumindest aber der Antragsteller, mit anderen, insbesondere altersgerechten alternativen Wohnmöglichkeiten befasst haben. Für eine solche Wohnumfeldveränderung würde die Verwertung des gemeinsamen schuldenfreien Grundbesitzes und der Einsatz der nach dem Versorgungsausgleich sich nahezu gleichwertig darstellenden Rente die genügende und ausreichende Kapitalbasis darstellen, zumal eine finanzielle Werterstattung eines Beteiligten gegenüber dem Anderen bei einer Übernahme des Grundstücks nicht ersichtlich geworden ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 92 ZPO.

Der Verfahrenswert für die zweite Instanz wird auf 4.000,- € festgesetzt (§§ 48 Abs. 1, 40 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache auch entgegen der geäußerten Auffassung des Antragstellers keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).

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