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Vaterschaftsfeststellung aufgrund von Angaben der Kindesmutter

Vaterschaftsfeststellung trotz fehlender Anerkennung und Beweise

In einem rechtlich komplexen und sozial bedeutsamen Fall hat das Amtsgericht Hannover eine klare Entscheidung getroffen. Die Antragstellerin, ein junges Mädchen mit albanischen Wurzeln, geboren in Deutschland, suchte die rechtliche Anerkennung ihrer biologischen Abstammung. Der vermeintliche Vater, ebenfalls ein albanischer Staatsbürger, hatte die Vaterschaft jedoch nicht anerkannt und war zum Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens nicht auffindbar. Dies führte zu einer Reihe von Herausforderungen, die das Gericht mit bemerkenswerter Sensibilität und Rechtskenntnis angegangen ist.

Direkt zum Urteil Az: 615 F 3667/20 AB springen.

Feststellung der Vaterschaft trotz fehlender Anerkennung

Das Mädchen behauptete, dass der Beteiligte ihr biologischer Vater ist und führte als Beweis an, dass ihre Mutter während der Empfängniszeit ausschließlich ungeschützten Geschlechtsverkehr mit dem Beteiligten hatte. Der Fall wurde durch das § 100 FamFG international zuständige Gericht gehört, da mindestens einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Die Feststellung der Vaterschaft unterlag dabei sowohl dem deutschen als auch dem albanischen Recht, wobei das „Günstigkeitsprinzip“ zur Anwendung kam.

Die Glaubwürdigkeit der Mutter als entscheidender Faktor

Trotz der Abwesenheit des vermeintlichen Vaters und fehlender objektiver Beweise, berief sich das Gericht auf die Aussage der Mutter. Ihre schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen, insbesondere die Tatsache, dass sie im relevanten Zeitraum ausschließlich ungeschützten Geschlechtsverkehr mit dem Beteiligten hatte, überzeugten das Gericht von der Wahrheit ihrer Behauptungen. Diese Überzeugung stützte sich auf die ständige obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Stuttgart, 07.11.1997, Aktenzeichen 16 E 18/97, OLG Bamberg, FamRZ 1995, 1280).

Rechtliche Begründung und Kostenentscheidung

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Antrag gemäß § 1600 b Abs. 2 Satz 1 BGB begründet war. Der vermeintliche Vater wurde rechtlich als biologischer Vater des Mädchens anerkannt. Darüber hinaus wurde die Kostenentscheidung auf § 81 FamFG und die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 47 FamGKG gestützt. Jeder Beteiligte trug dabei seine eigenen außergerichtlichen Kosten.

Die Entscheidung zeigt, dass selbst in komplexen Fällen wie diesem das Gericht eine effektive und gerechte Lösung findet, indem es das „Günstigkeitsprinzip“ anwendet und dem Wohl des Kindes Priorität einräumt.


Das vorliegende Urteil

AG Hannover – Az.: 615 F 3667/20 AB – Beschluss vom 05.03.2021

1. Es wird festgestellt, dass der Beteiligte G… D… der Vater der Antragstellerin A… Q…, geboren am 28.06.2014 ist.

2. Von der Erhebung von gerichtlichen Kosten wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

3. Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 2.000,00 Euro.

Gründe

Alle beteiligten Personen sind Angehörige des Staates Albanien. Die Antragstellerin wurde in Deutschland geboren.

Die Antragstellerin (im Folgenden dem Gesetzestext entsprechend als Kind bezeichnet) hatte bei Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im hiesigen Amtsgerichtsbezirk.

Die Mutter des Kindes hatte bei Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im hiesigen Amtsgerichtsbezirk.

Der Beteiligte G… D… war zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht mit der Mutter des Kindes verheiratet. Er hat die Vaterschaft nicht anerkannt.

Das Kind, seinerseits vertreten durch die Landeshauptstadt Hannover, behauptet, die Mutter habe mit dem Beteiligten G… D… in der Zeit vom 01.09.2013 bis 29.12.2013 Geschlechtsverkehr gehabt.

Das Kind beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte G… D… ihr Vater ist.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf das Ergebnis der Anhörung der Kindesmutter im Termin vom 02.03.2021 (Bl. 39 f. d. A.) vollumfänglich Bezug genommen.

Vaterschaftsfeststellung aufgrund von Angaben der Kindesmutter
(Symbolfoto: danielfela/Shutterstock.com)

Das angerufene Gericht ist gemäß § 100 FamFG international zuständig, weil zumindest einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Das angerufene Gericht ist gemäß § 140 FamFG örtlich zuständig, weil das Kind bei Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im hiesigen Gerichtsbezirk hatte. Im vorliegenden Fall unterliegt die Feststellung der Vaterschaft verschiedenen Rechtsordnungen. Gemäß Artikel 20 Abs. 2 EGBGB gilt das Recht des Staates Deutschland, weil das Kind dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemäß Artikel 20 Abs. 1, 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gilt das Recht des Staates Albanien, weil der Beteiligte G… D… Angehöriger dieses Staates ist. Im vorliegenden Fall ist demnach ausländisches und deutsches Recht anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist dasjenige Recht anzuwenden, das am schnellsten und einfachsten zum Ziel führt (sogenanntes „Günstigkeitsprinzip“). Es wird zunächst das deutsche Recht geprüft. Das Gericht hat die Kindesmutter angehört.

Der zulässige Antrag ist gemäß § 1600 b Abs. 2 Satz 1 BGB begründet.

Aufgrund der Angaben der Kindesmutter im Termin und den dortigen Feststellungen geht das Gericht davon aus, dass ausschließlich der Beteiligte G… D… der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Das folgt aus den in sich schlüssigen, für das Gericht nachvollziehbaren Angaben der Kindesmutter, nachdem sie im Empfängniszeitraum ausschließlich ungeschützten Geschlechtsverkehr mit dem Beteiligten G… D… hatte.

Trotz Ladung erschien der Beteiligte G… D… nicht zum Anhörungstermin. Sein Aufenthalt ist derzeit unklar. Eine Anhörung des Beteiligten D…, auch auf anderem Wege, kommt daher nicht in Betracht. Auch sind für das Gericht keine Angehörigen des Beteiligten D… erreichbar, welche statt des Beteiligten zur Erstellung eines schriftlichen Abstammungsgutachtens herangezogen werden könnten. Dies folgt aus den Angaben des Vertreters der Landeshauptstadt Hannover im Verhandlungstermin sowie den Angaben der Kindesmutter.

Weitere tatsächliche objektive Anhaltspunkte, die für oder gegen die Feststellung der streitgegenständlichen Vaterschaft sprechen, wurden weder vorgetragen noch sind diese ersichtlich. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart, 07.11.1997, Aktenzeichen 16 E 18/97, OLG Bamberg, FamRZ 1995, 1280) hatte daher im konkreten Fall die Überzeugungsbildung des Gerichts ausschließlich anhand der Angaben aus der Anhörung der Kindesmutter zu erfolgen. Die Angaben der Kindesmutter waren in sich schlüssig und nachvollziehbar. Zweifel an dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben, insbesondere der von ihr behaupteten Tatsache, keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr im Empfängniszeitraum mit einem anderen Mann gehabt zu haben, führen nach Abwägung der wechselseitigen Interessen, insbesondere des Interesses der Antragstellerin an der Feststellung ihrer biologischen Herkunft dazu, dass das Gericht von der Abstammung der Antragstellerin von dem Putativvater hinreichend überzeugt ist. Dem steht nicht entgegen, dass der beteiligte Putativvater hierzu letztendlich nicht angehört werden konnte (vgl. auch insoweit OLG Bamberg, 06.04.1995, Aktenzeichen 2 W 6/95, FamRZ 1995, 1280).

Da der Antrag nach deutschem Recht begründet ist, kann dahingestellt bleiben, ob ihm auch nach ausländischem Recht stattzugeben wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 47 FamGKG.

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