Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 WF 148/20 – Beschluss vom 01.10.2020
1. Die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 29.07.2020 wird zurückgewiesen.
2. Der Vollstreckungsgläubiger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Vollstreckungsschuldnerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt, unter Beiordnung von Rechtsanwältin …, Malchow.
Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Der Vollstreckungsgläubiger wendet sich gegen die Zurückweisung eines Ordnungsgeldantrages wegen zweier Zuwiderhandlungen gegen eine Umgangsregelung.
Er stützt sich auf einen gerichtlich protokollierten und beschlussförmig gebilligten Umgangsvergleich vom 04.12.2017, demzufolge er mit seiner Tochter in der Hälfte der Ferienzeiten Umgang wahrnimmt sowie Wochenendumgang von Freitag 16:00 Uhr bis Sonntag 17:00 Uhr in den geraden Kalenderwochen (vgl. 43), und seinen Ordnungsgeldantrag darauf, dass die Vollstreckungsschuldnerin das Kind weder am 27.03.2020 zum Wochenendumgang noch in der Folgezeit zum Umgang für die Osterferien bereitgehalten habe.
Die Vollstreckungsschuldnerin hat ihrer Verpflichtung zur Umgangsgewährung Bedenken wegen möglicher Ansteckungen mit dem Coronavirus entgegen gehalten.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Vollstreckungsschuldnerin, die sich habe beraten lassen, sei kein Verschulden vorzuwerfen.
2. Die nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Vollstreckung eines Umgangstitels nach § 89 Abs. 1 FamFG durch Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen den betreuenden Elternteil setzt eine Zuwiderhandlung gegen eine hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts voraus. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 01. Februar 2012 – XII ZB 188/11 –, Rn. 17, 18 m.w.N., juris).
a) In Ansehung des erstrebten Wochenendumgangs vom 27. bis 29.03.2020 fehlt es an einer Zuwiderhandlung gegen den Billigungsbeschluss vom 04.12.2017. Dieser regelt einen Wochenendumgang für gerade Wochen, während der begehrte Umgang in eine ungerade Woche fiel.
Soweit die Eltern nach Beschlusserlass die Umgangszeiten abweichend vom Umgangsbeschluss geregelt haben, haben sie sich einer Vollstreckungsgrundlage begeben. Das vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgebot steht nicht zu ihrer Disposition. Zudem bildet bei einem protokollierten Vergleich der gerichtliche Billigungsbeschluss die Vollstreckungsgrundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 – XII ZB 507/18 –, Rn. 30), und die geänderte Regelung war nicht Gegenstand des Billigungsbeschlusses (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. August 2017 – 7 WF 881/17 –, Rn. 11, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Mai 2017 – 9 WF 118/17 –, Rn. 4, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01. März 2019 – 4 WF 22/19 –, Rn. 11, juris; Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 532). Dieser, soweit ersichtlich einhelligen, Rechtsprechung ist zu folgen. Namentlich ist das Vollstreckungsverfahren weitestmöglich freizuhalten von Unwägbarkeiten über die Reichweite eines Titels. Soweit den Umgangsbeteiligten an einer gerichtlichen Vollstreckbarkeit ihrer geänderten Umgangsregelung gelegen ist, steht ihnen eine Titulierung im Abänderungsverfahren offen.
b) In Ansehung des erstrebten Ferienumgangs fehlt dem Billigungsbeschluss die Vollstreckungsfähigkeit, da der Ferienumgang zeitlich weder nach Datum noch nach Uhrzeit seines Beginns bestimmt ist (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 534 m.w.N.).
c) Die Entscheidung des Amtsgerichts gibt Anlass zu folgendem Hinweis: Bei Missachtung einer wirksam titulierten Umgangsgewährungspflicht hätte eine Zuwiderhandlung gegen den Titel vorgelegen und die Verneinung eines Verschuldens war nicht tragfähig.
Das in einem gerichtlichen Umgangstitel konkretisierte Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil (§ 1684 Abs. 1 BGB) steht nicht zur Disposition des Vollstreckungsschuldners. Meint dieser, neu hinzutretende Umstände, wie hier Ansteckungsgefahren, gäben Anlass zu einer Änderung der Umgangsregelung, so hat der Titelschuldner bei Uneinigkeit mit dem Titelgläubiger hierüber das Familiengericht entscheiden zu lassen, und zwar in einem neuen Erkenntnisverfahren (§ 1696 BGB), erforderlichenfalls auch kurzfristig (§§ 49 ff FamFG) und mit der Möglichkeit einer einstweiligen Einstellung der Vollstreckung nach § 93 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 FamFG (vgl. Senat, Beschluss vom 20. August 2019 – 13 WF 174/19 –, Rn. 9 m.w.N., juris, für den Verdacht auf sexuellen Missbrauch und Kenntnisverschaffungsobliegenheit des Titelschuldners gegenüber dem Familiengericht).
Diese die Geltung des Titels beachtende Verfahrensweise ist bei einem im Familienrecht tätigen Rechtsanwalt als bekannt vorauszusetzen. Die Titelschuldnerin war in dem Vollstreckungsverfahren – schon bei der Verweigerung des von ihr beanspruchten Umgangs – durch eine Rechtsanwältin vertreten und deren Verschulden ist der Titelschuldnerin zuzurechnen (§§ 10, 11 S. 5 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO).
d) Soweit das Protokoll vom 04.12.2017 kein ausdrücklich erklärtes Einvernehmen des Verfahrensbeistands enthält, steht dies einer Vollstreckbarkeit des Beschlusses nicht entgegen, worauf der Senat der Vollständigkeit halber hinweist. Der gerichtliche Billigungsbeschluss steht in seinen Wirkungen einer streitigen gerichtlichen Entscheidung zum Umgangsrecht gleich (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 – XII ZB 507/18 –, Rn. 30 m.w.N., juris) und kann deshalb, wie diese, nach Ablauf der Rechtsmittelfrist (§§ 58 ff FamFG) in seiner Wirkung nicht mehr wegen einfacher Verfahrensfehler in Zweifel gezogen werden. Seine anderslautende Rechtsprechung (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Mai 2019 – 13 WF 118/19 –, juris) gibt der Senat auf.
e) Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 87 Abs. 5, 84 FamFG.
Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, § 55 Abs. 1 S 1 FamGKG, Nr. 1602, 1912 KV FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.
3. Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers auf Verfahrenskostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Senat auf die vorstehenden Ausführungen.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.