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Mitwirkungsanspruch auf Wohnungskündigung gegen den in Ehewohnung verbleibenden Ehegatten

Das Dilemma einer Scheidung: Wenn die Wohnung zum Streitpunkt wird

In einer Trennungssituation, bei der das Ende einer Ehe greifbar nahe ist, kommen nicht selten auch materielle Probleme zur Sprache. Ein Fall, der vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt wurde, dreht sich um ein Ehepaar, das seit April 2020 getrennt lebt und in einen Streit über ihre gemeinsam gemietete Ehewohnung verwickelt ist. Die Frau verließ die Wohnung und zog in eine eigene Unterkunft. Der Mann blieb in der Wohnung und übernahm selbstständig die Mietzahlungen. Das Dilemma begann, als die Frau die Kündigung der Mietwohnung aussprechen wollte, der Mann sich jedoch weigerte, zuzustimmen. Ein weiterer Knackpunkt war das Verhalten des Mannes gegenüber dem Vermieter, welches dazu führte, dass dieser nicht gewillt war, mit ihm alleine einen neuen Mietvertrag abzuschließen.

Direkt zum Urteil Az: II-6 UF 204/20 springen.

Wem gehört das Recht in einem geteilten Zuhause?

Die Antragstellerin, in diesem Fall die Frau, forderte, dass der Antragsgegner, also ihr Ehemann, der Kündigung des Mietverhältnisses zustimmen solle. Sie berief sich dabei auf ihre Rechte als Teil einer Gemeinschaft und auf das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Außerdem argumentierte sie, dass das Verhalten ihres Mannes während der Ehe nicht im Einklang mit dem Grundsatz der ehelichen Solidarität stand und ihre Interessen daher Vorrang haben sollten.

Ein juristischer Blick auf eheliche Pflichten und Rechte

Das Amtsgericht Rheinberg wies den Antrag der Frau zurück. Es stellte fest, dass zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung eines Mietvertrages bestehen könnte, entweder durch das BGB oder durch den Grundsatz der ehelichen Solidarität. Es entschied jedoch, dass die Trennung noch nicht endgültig sei, da das obligatorische Trennungsjahr noch nicht abgelaufen war. Die innerfamiliäre Situation und das Verhalten des Mannes wurden als nicht relevant erachtet. Stattdessen lag der Fokus darauf, dass die Frau von ihrem Mann eine Befreiung von der Mietverpflichtung verlangen könnte und er bereits die Miete selbst zahlte.

Das endgültige Wort: Oberlandesgericht Düsseldorf

Die Antragstellerin legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein. Dabei verfolgte sie weiterhin ihren ursprünglichen Antrag und betonte erneut, dass der Grundsatz der ehelichen Solidarität nicht anwendbar sein sollte, da der Ehemann während der Ehe keine solche Solidarität gezeigt habe.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies jedoch die Beschwerde zurück und entschied, dass die Kosten des Verfahrens von der Antragstellerin zu tragen seien. Das Gericht bestätigte, dass die Interessen der Antragstellerin nicht über den Grundsatz der ehelichen Solidarität hinausgehen und daher kein berechtigtes Interesse daran besteht, das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt zu beenden.


Das vorliegende Urteil

OLG Düsseldorf – Az.: II-6 UF 204/20 – Beschluss vom 15.03.2021

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Rheinberg vom 20.11.2020 – Az. 7 F 246/20 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2976 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind seit April 2020 getrennt lebende Eheleute. Zu diesem Zeitpunkt hat die Antragstellerin die Ehewohnung verlassen und eine eigene Wohnung angemietet. Die Miete für die Wohnung zahlt der Antragsgegner, seit diese von ihm alleine bewohnt, selbst.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Antragstellerin auf Zustimmung zur Kündigung des Mietverhältnisses für die Ehewohnung der Beteiligten.

Mitwirkungsanspruch auf Wohnungskündigung gegen den in Ehewohnung verbleibenden Ehegatten
(Symbolfoto: vchal/Shutterstock.com)

Und zwar hatte zunächst die Antragstellerin allein diese Wohnung am 01.12.2000 angemietet, durch Zusatzvereinbarung mit dem früheren Vermieter wurde auch der Antragsgegner Mietpartei. Da der Antragstellerin dies zunächst nicht erinnerlich bzw. bekannt war, hat sie allein gegenüber dem nunmehrigen Eigentümer und Vermieter dieser Wohnung die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Als der heutige Vermieter die Wohnung am 02.08.2020 übernehmen wollte, weigerte sich der Antragsgegner, wobei er aggressiv und beleidigend auftrat, mit der Folge, dass der Vermieter nicht bereit ist, mit dem Antragsgegner allein einen neuen Mietvertrag abschließen.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Zustimmung zur Kündigung, sei es aus entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Gemeinschaft oder Gesellschaft, sei es aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieser Anspruch überlagere die eheliche Solidarität, zumal der Antragsgegner die Ehe nicht solidarisch, sondern herrisch gelebt habe.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar bestehe grundsätzlich ein Anspruch gegenüber dem Ehepartner auf Zustimmung zur Kündigung des Wohnungsmietvertrages, und zwar entweder aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB oder aber aus dem Gesichtspunkt der ehelichen Solidarität. Allerdings sei vorliegend die Trennung der Eheleute noch nicht endgültig, da das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei. Insoweit gälten die Grundsätze zur Teilungsversteigerung gleichermaßen. Auf die von der Antragstellerin geschilderten Repressalien und Demütigungen durch den Antragsgegner komme es nicht an. Entscheidend sei allein, dass die Antragstellerin im Innenverhältnis von dem Antragsgegner die Freistellung von der Mietverpflichtung verlangen könne und dieser die Miete auch zahle. Von daher seien keine den Grundsatz ehelicher Solidarität überwiegenden Interessen der Antragstellerin ersichtlich, welche zu einem berechtigten Interesse führen würden, das Mietverhältnis bereits jetzt zu beenden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Hierzu trägt sie vor, der Grundsatz der ehelichen Solidarität könne im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da der Antragsgegner eine solche während der gesamten Ehezeit nicht gezeigt habe. Vielmehr habe sie allein den Lebensunterhalt der Eheleute finanziert, wohingegen der Antragsgegner sie fortlaufend schikaniert habe. Zudem zahle sie erheblichen Trennungsunterhalt.

Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Rheinberg vom 20.11.2020, Az. 7 F 246/20, zu verpflichten, der Kündigung des Mietverhältnisses für die in der ersten Etage rechts liegende Wohnung A.-Straße … in X., gegenüber dem Vermieter B., whf. … Y …, X., zuzustimmen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass er sich bereit erklärt habe, für die Miete vollumfänglich aufzukommen und dies auch tue, weshalb die Antragstellerin keine Nachteile befürchten müsse.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, durch die ihr Antrag, den Antragsgegner zur Zustimmung zur Kündigung des Mietverhältnisses für die frühere Ehewohnung zu verpflichten, zurückgewiesen wurde, ist statthaft gemäß § 58 ff. FamFG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Anspruchsgrundlage für den Anspruch des weichenden Ehegatten gegen den anderen auf Zustimmung zur Kündigung des Mietverhältnisses ist das aus § 1353 Abs. 1 S. 3 BGB folgende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich die aus dieser Vorschrift abzuleitende Verpflichtung, die finanzielle Belastung des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist (BGH FamRZ 2005,182; OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.12.2020,13 UF 133/19;. OLG Hamburg BeckRS 2010,28712; Johannsen/Henrich/Götz, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 1568a Rn. 32).

Allerdings besteht dieser Anspruch des trennungsbedingt ausziehenden Ehegatten oder Lebensgefährten, vom anderen die Mitwirkung an der für eine Beendigung des Mietverhältnisses erforderlichen gemeinsamen Kündigung zu verlangen, nur subsidiär. Die Nachrangigkeit letzteren Anspruchs folgt daraus, dass durch eine Kündigung des Mietverhältnisses auch dem anderen Partner und etwaigen bei diesem verbleibenden Kindern die Mietwohnung als Lebensmittelpunkt genommen wird. Vorrangig ist daher der Anspruch des ausziehenden Ehegatten gegen den in der Wohnung verbliebenen auf Umgestaltung des Mietverhältnisses in der Weise, dass der ausziehenden Ehegatte aus dem Mietvertrag entlassen wird. Diese Umgestaltung erfolgt während der Trennungszeit im Einvernehmen der Eheleute mit Zustimmung des Vermieters (OLG Brandenburg Beschluss vom 3. Dezember 2020, 13 UF 133/19 m.w.N.). Erst für den Fall der Rechtskraft der Ehescheidung ist in § 1568a Abs. 3 BGB geregelt, dass allein das Einvernehmen der Eheleute erforderlich ist und insoweit eine bloße Mitteilung an den Vermieter genügt (Johannsen/Henrich, Althammer, Familienrecht, 7. Aufl., § 1568a Rn. 30 ff.; BGH, Urteil vom 12.06.2013, XII ZR 143/11).

Ein solcher Anspruch gegen den in der Wohnung verbliebenen Ehepartner auf entsprechende Zustimmung ergibt sich aus der – aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB abzuleitenden – Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist (BGH, FamRZ 2005, 182). Da § 1353 BGB sich auf die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen bezieht, gilt die Verpflichtung nicht erst für die Zeit ab der rechtskräftigen Scheidung, sondern vor allem während bestehender Ehe (vgl. OLG Hamm BeckRS 2016, 4927). Der fortgezogene Ehegatte hat ein berechtigtes Interesse, in der Zukunft nicht mehr möglichen finanziellen Belastungen aus diesem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein (OLG Köln, FamRZ 2006, 46). Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Mietzinsansprüche des Vermieters für die Zeit nach dem Auszug, die im Außenverhältnis gegen den ausgezogenen Ehegatten solange weiterbestehen, bis dieser aus dem Mietverhältnis entlassen ist. Wegen dieses vorrangigen Interesses des ausgezogenen Ehegatten ist es diesem auch nicht zuzumuten, mit der Geltendmachung seines Anspruchs auf Mitwirkung des anderen Ehegatten an der Entlassung aus dem Mietverhältnis bis zur Rechtskraft der Scheidung zu warten. Ein Ehegatte, der im Einvernehmen mit dem ausgezogenen Ehegatten die Ehewohnung allein nutzt, ist vielmehr gegenüber dem anderen schon während der Trennungszeit verpflichtet, an der Entlassung aus dem gemeinsamen Mietverhältnis mitzuwirken (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 2011, 481). Insbesondere wenn der Vermieter diesbezüglich kooperationsbereit ist, gibt es keinen Grund, dem anderen Ehegatten das Recht einzuräumen, seine Zustimmung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Scheidung zu verweigern (vgl. OLG Hamm a. a. O.).

Dass die Antragstellerin diesen vorrangig bestehenden Anspruch auf Entlassung aus dem Mietverhältnis geltend gemacht hätte, hat sie jedoch nicht vorgetragen. Vielmehr begehrt sie nach wie vor die Zustimmung des Antragsgegners zur Kündigung des Mietverhältnisses in Gänze, obwohl dessen Zustimmung zu ihrer Entlassung aus dem Mietverhältnis genügen würde, um ihren Interessen hinreichend Rechnung zu tragen.

Dass der Vermieter B. im vorliegenden Fall nicht bereit wäre, der Entlassung der Antragstellerin aus dem Mietverhältnis zuzustimmen, hat diese nicht vorgetragen, vielmehr diesbezüglich mit ihm bislang nicht einmal Rücksprache gehalten. Dessen Weigerung, mit dem Antragsgegner ein neues Mietverhältnis abzuschließen, kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht dahingehend interpretiert werden, dass dieser auch nicht bereit wäre, die Antragstellerin aus dem Mietverhältnis zu entlassen.

Auch im Übrigen sind keine Gründe ersichtlich, die das Verlangen der Antragstellerin, die Ehewohnung zu kündigen, rechtfertigen könnten.

Denn der Antragsgegner begleicht seit dem Auszug der Antragsgegnerin unstreitig die bestehenden Mietverbindlichkeiten alleine. Selbst wenn man daher davon ausginge, dass der Vermieter zur Entlassung der Antragstellerin aus dem Mietverhältnis nicht bereit wäre, so ist es ihr doch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ihr derzeit ersichtlich keine finanziellen Belastungen entstehen, zuzumuten, mit ihrer Entlassung aus dem Mietverhältnis bis zur Rechtskraft der Scheidung zu warten, da in diesem Fall die Zustimmung des Vermieters nicht erforderlich ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Werts des Beschwerdeverfahrens folgt aus den §§ 40 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 1. Alt. FamGKG.

 

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