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Scheinehe – Voraussetzungen

Scheinehe-Vorwurf entkräftet: Standesamt muss Ehefähigkeitszeugnis ausstellen

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat im Fall der Antragstellerin, die ein Ehefähigkeitszeugnis für die Eheschließung mit einem marokkanischen Staatsbürger beantragt hatte, entschieden. Das Gericht hob den vorherigen Beschluss auf, der die Erteilung des Zeugnisses ablehnte, da keine ausreichenden Beweise für eine Scheinehe vorlagen. Es bestätigte, dass auf Seiten der Antragstellerin ein echter Ehewunsch besteht und wies das Standesamt an, das Ehefähigkeitszeugnis auszustellen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 20 W 107/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Antrag auf Ehefähigkeitszeugnis: Die deutsche Antragstellerin beabsichtigte, mit ihrem marokkanischen Verlobten in Marokko zu heiraten.
  2. Erstinstanzliche Ablehnung: Das Standesamt lehnte die Ausstellung des Zeugnisses ab, da es eine Scheinehe vermutete.
  3. Intensive Prüfung: Sowohl die Antragstellerin als auch ihr Verlobter wurden ausführlich befragt, um die Echtheit der beabsichtigten Ehe zu überprüfen.
  4. Fokus auf echtem Ehewunsch: Das Gericht stellte fest, dass bei der Antragstellerin ein echter Ehewunsch besteht.
  5. Keine hinreichenden Beweise für Scheinehe: Das Gericht fand keine ausreichenden Beweise für eine Scheinehe gemäß § 1314 BGB.
  6. Aufhebung des vorherigen Beschlusses: Das OLG Frankfurt hob den ablehnenden Beschluss des Standesamtes auf.
  7. Anweisung zur Ausstellung des Zeugnisses: Das Standesamt wurde angewiesen, das Ehefähigkeitszeugnis zu erteilen.
  8. Keine Kostenauferlegung: Im Beschwerdeverfahren wurden keine notwendigen Aufwendungen erstattet.

Rechtliche Herausforderungen bei der Anerkennung von Ehen über Grenzen hinweg

In einer zunehmend globalisierten Welt, in der internationale Beziehungen und Ehen keine Seltenheit mehr sind, stehen Standesämter und Gerichte häufig vor der Herausforderung, die Echtheit und Rechtmäßigkeit solcher Verbindungen zu bewerten. Ein Schlüsselelement dabei ist das Ehefähigkeitszeugnis, ein offizielles Dokument, das bestätigt, ob rechtliche Hindernisse für eine Eheschließung bestehen. Hierbei spielen insbesondere die Prüfung der Echtheit des Ehewunsches und die Vermeidung von Scheinehen eine wesentliche Rolle. Die Beurteilung, ob eine Ehe als Scheinehe oder Aufenthaltsehe einzustufen ist, erfordert eine detaillierte Untersuchung der Umstände und Absichten der Beteiligten. Die Entscheidungen in solchen Fällen basieren oft auf komplexen rechtlichen Überlegungen, die das Familienrecht, spezifische Paragraphen des BGB, und nicht zuletzt die individuellen Lebensumstände der Antragstellenden berücksichtigen.

Das vorliegende Urteil des OLG Frankfurt bietet einen tiefgreifenden Einblick in die rechtlichen Feinheiten, die bei der Bewertung von Eheschließungen über Landesgrenzen hinweg relevant sind. Es illustriert, wie das Gericht verschiedene Aspekte wie Ehewillen, Lebensgemeinschaft und mögliche Täuschungsabsichten abwägt, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Familienrechts und erfahren Sie, wie Gerichte und Behörden mit den Herausforderungen von Eheschließungen im internationalen Kontext umgehen.

Der Kampf um das Recht auf Liebe: Eine komplexe Rechtsfrage

Die Geschichte beginnt mit dem Wunsch der Antragstellerin, ein Ehefähigkeitszeugnis vom Standesamt zu erhalten, um ihren marokkanischen Verlobten in Marokko heiraten zu können. Die Antragstellerin, eine deutsche Staatsbürgerin, hat eine bewegte Vergangenheit: Vier geschiedene Ehen mit Männern aus dem Sudan, Marokko und Algerien. Sie lebt mit zwei Söhnen aus diesen Ehen. Ihre Anfrage beim Standesamt über das Online-Portal und die folgende Ablehnung durch das Standesamt, ein Ehefähigkeitszeugnis auszustellen, waren der Auslöser für die rechtliche Auseinandersetzung.

Das Standesamt zweifelt: Verdacht auf Scheinehe

Das Standesamt lehnte die Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses ab, da es die Ehe nach § 1314 BGB für aufhebbar hielt. Es vermutete, dass die Ehegatten keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung eingehen wollten. Diese Annahme basierte auf der Vielzahl von Eheschließungen der Antragstellerin und den kurzfristigen Anfragen bezüglich verschiedener Ehepartner. Die Antragstellerin erhob daraufhin Klage, um das Ehefähigkeitszeugnis zu erlangen, und behauptete, eine dauerhafte Ehe eingehen zu wollen.

Richterliche Anhörung und Plausibilitätsprüfung

Das Amtsgericht führte eine umfassende Anhörung der Antragstellerin durch, einschließlich einer Plausibilitätsprüfung ihrer Sprachkenntnisse. Das Gericht stellte fest, dass die Antragstellerin tatsächlich eine neue eheliche Lebensgemeinschaft anstrebt. Sie präsentierte sich als jemand, der nach wiederholten Enttäuschungen immer noch an die Liebe glaubt und bereit ist, für eine dauerhafte Beziehung zu kämpfen. Das Amtsgericht war jedoch der Ansicht, dass der Verlobte die Antragstellerin möglicherweise über seine wahren Absichten täuscht.

OLG Frankfurt kippt die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Oberlandesgericht Frankfurt hob schließlich den Beschluss des Amtsgerichts auf und wies das beteiligte Standesamt an, das Ehefähigkeitszeugnis auszustellen. Der Senat erkannte, dass auf Seiten der Antragstellerin ein echter Ehewunsch bestand. Es wurde festgestellt, dass keine Scheinehe im Sinne des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB vorlag, da die Antragstellerin eine Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft begründen wollte. Auch der Tatbestand der arglistigen Täuschung nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB wurde verneint, da kein Irrtum bei der Antragstellerin über die Absichten ihres Verlobten bestand.

Das OLG Frankfurt nahm eine differenzierte Betrachtung des Falls vor und berücksichtigte dabei die komplexen menschlichen Emotionen und Absichten. Der Fall zeigt, wie schwierig die Beurteilung der Echtheit einer Beziehung im juristischen Kontext sein kann, insbesondere wenn internationale Elemente und mehrere Eheschließungen beteiligt sind.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt bietet einen tiefen Einblick in die Feinheiten des Familienrechts und dessen Anwendung auf Fälle internationaler Ehen. Sie zeigt, wie wichtig es ist, individuelle Umstände und Absichten sorgfältig zu prüfen, um zu gerechten und fairen Entscheidungen zu gelangen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die rechtlichen Kriterien zur Bestimmung einer Scheinehe?

Die rechtlichen Kriterien zur Bestimmung einer Scheinehe in Deutschland sind vielfältig und umfassen verschiedene Aspekte.

Voraussetzungen

Eine Scheinehe ist eine Ehe, die nicht mit der Absicht geschlossen wurde, eine Gemeinschaft der Unterstützung und Verantwortung zu bilden. Stattdessen wird sie eingegangen, um einen rechtlichen Vorteil zu erlangen, wie beispielsweise eine Aufenthaltserlaubnis für einen der Ehepartner.

Es gibt bestimmte Anzeichen, die auf das Vorliegen einer Scheinehe hindeuten können. Dazu gehören:

  • Keine gemeinsame Lebensgemeinschaft
  • Eheschließung, ohne dem anderen zuvor begegnet zu sein
  • Widersprüchliche Angaben zu wichtigen persönlichen Angelegenheiten (Umstände ihres Kennenlernens, Name, Alter, Beruf etc.)
  • Keine gemeinsame Sprache der Partner
  • Ehe gegen Geld (nicht zu verwechseln mit einer Mitgift bei Kulturkreisen, in denen dies üblich ist)
  • Bestehen früherer Scheinehen.

Folgen

Die Scheinehe an sich ist in Deutschland nicht strafbar. Strafbar wird sie erst, wenn sie eingegangen wird, um dem Ehepartner eine Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen. In diesem Fall droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Wenn eine Scheinehe aufgelöst wird, ergeben sich daraus für keine der beiden Parteien Ansprüche auf Unterhalt.

Beweislast

Im Falle einer mutmaßlichen Scheinehe liegt die Beweislast beim Ehepaar. Das bedeutet, dass das Ehepaar nachweisen muss, dass es sich um eine echte Ehe handelt und nicht um eine Scheinehe. Es ist daher ratsam, alle Beweise zu speichern und zu dokumentieren, die das Gegenteil beweisen könnten.

Was beinhaltet ein Ehefähigkeitszeugnis und warum ist es relevant?

Ein Ehefähigkeitszeugnis ist eine amtliche Bescheinigung, die bestätigt, dass einer Eheschließung zwischen zwei Verlobten, von denen wenigstens einer auch eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, nach der Rechtsordnung des Ausstellerlandes keine Ehehindernisse entgegenstehen. Dies bedeutet insbesondere, dass kein Mangel der Ehefähigkeit bzw. kein Eheverbot vorliegt.

Die Relevanz des Ehefähigkeitszeugnisses ergibt sich aus seiner Funktion als Nachweis, dass die beabsichtigte Ehe nach dem Recht des jeweiligen Landes zulässig ist. Es dient dazu, zu verhindern, dass eine Person eine Ehe eingeht, die nach dem Recht des jeweiligen Landes aufhebbar ist, weil die Voraussetzungen für eine Eheschließung nicht gegeben waren.

In Deutschland wird das Ehefähigkeitszeugnis vom zuständigen Standesamt ausgestellt. Wenn der Verlobte keinen Wohnsitz in Deutschland hat, ist das Standesamt I in Berlin zuständig. Das Zeugnis muss beide Verlobten nennen und bestätigt, dass der beabsichtigten Eheschließung keine bekannten Ehehindernisse entgegenstehen.

Das Ehefähigkeitszeugnis ist insbesondere dann relevant, wenn eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit im Ausland heiraten möchte. In diesem Fall kann das Zeugnis vom zuständigen deutschen Standesamt auf Antrag ausgestellt werden. Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Ehefähigkeitszeugnis nach Ausstellung sechs Monate gültig ist.

Die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses erfordert in der Regel die Vorlage bestimmter Unterlagen, die sowohl vom Antragsteller als auch vom Partner benötigt werden. Es ist daher ratsam, sich vor der Beantragung eines Ehefähigkeitszeugnisses beim zuständigen Standesamt über die genauen Anforderungen zu informieren.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 107/22 – Beschluss vom 24.08.2023

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Bescheid des beteiligten Standesamts vom 19.06.2019 wird aufgehoben.

Das beteiligte Standesamt wird angewiesen, die Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Ehefähigkeitszeugnisses nicht mit der Begründung abzulehnen, dass die beabsichtigte Ehe nach § 1314 BGB aufhebbar sei.

Die Entscheidung ergeht im Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei.

Notwendige Aufwendungen werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vom beteiligten Standesamt die Erteilung eines Ehefähigkeitszeugnisses.

Die am XX.XX.1969 geborene Antragstellerin, deutsche Staatsangehörige, beabsichtigt, mit dem in Marokko lebenden marokkanischen Staatsangehörigen V, geboren am XX.XX.1982, ihrem Verlobten, in Marokko eine Ehe einzugehen. Die Antragstellerin ist nach vier Vorehen mit einem sudanesischen, einem marokkanischen und zwei algerischen Staatsangehörigen geschieden. Sie hat aus zwei dieser Vorehen zwei Söhne, geboren in den Jahren 2002 und 2004, die bei ihr leben.

Am 17.05.2018 erkundigte die Antragstellerin sich über das Online-Portal des beteiligten Standesamts nach den erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung mit dem in Stadt1 lebenden marokkanischen Staatsangehörigen W, geboren am XX.XX.1986. Nach Erhalt der Auskunft am 18.05.2018 stellte sie am 18.09.2018 hierzu eine weitere Anfrage, die am 20.09.2018 beantwortet wurde. Am 11.01.2019 wünschte die Antragstellerin über das Online-Portal des beteiligten Standesamts weitere Informationen über die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses zur Eheschließung in Marokko mit W. Knapp zwei Monate später, am 19.03.2019, stellte die Antragstellerin eine erneute Anfrage, dieses Mal hinsichtlich der Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses zur Eheschließung in Marokko mit ihrem derzeitigen Verlobten V.

Bei der am 27.03.2019 durchgeführten Vorsprache der Antragstellerin im beteiligten Standesamt legte diese Unterlagen ihres Verlobten vor (Geburtsurkunde, Wohnsitzbescheinigung und Ledigkeitsbescheinigung), die bereits im Februar 2019, d.h. teilweise mehr als einen Monat vor der Anfrage der Antragstellerin zur geplanten Eheschließung mit ihrem Verlobten ausgestellt worden waren.

Die Antragstellerin beantragte beim beteiligten Standesamt die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses. Mit Schreiben vom 19.06.2019 (Bl. 12 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, lehnte das beteiligte Standesamt die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass ein solches nach den §§ 39 Abs. 2, 13 Abs. 2 PStG nur ausgestellt werden dürfe, wenn der beabsichtigten Eheschließung nach deutschem Recht kein Hindernis entgegenstünde. Dies sei hier aber der Fall. Nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB könne eine Ehe aufgehoben werden, wenn die Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig seien, dass sie keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung eingehen wollten. Durch die hier vorliegenden Tatsachen sei es für das beteiligte Standesamt offenkundig, dass die beabsichtigte Ehe aufhebbar wäre.

Durch als „Klage und Antrag auf Prozesskostenhilfe“ bezeichneten Schriftsatz ihrer seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten vom 17.07.2019 (Bl. 1 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Antragstellerin beim Amtsgericht die „Verurteilung“ des beteiligten Standesamts beantragt, das Ehefähigkeitszeugnis zur Eheschließung mit V zu erteilen. Sie hat hierzu vorgetragen und dies umfassend begründet, dass sie mit ihrem Verlobten eine dauerhafte Ehe eingehen wolle. Sie hat dazu im einzelnen Ausführungen zu ihren Vorehen gemacht, zu dem Umstand der Anfragen beim beteiligten Standesamt betreffend W, sowie zu den Umständen des Kennenlernens und ihrer Beziehung zu ihrem derzeitigen Verlobten. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in erster Instanz wird auf die Darstellung im Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 04.11.2021 Bezug genommen.

Das beteiligte Standesamt ist dem Antrag entgegengetreten und hat dessen Zurückweisung beantragt. Es hat vorgetragen, dass es seine Mitwirkung an der Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses habe verweigern müssen, da die Aufhebbarkeit der Ehe offenkundig sei. Im Hinblick auf die vier Vorehen und die zunächst auf W und kurz darauf erst auf ihren nunmehrigen Verlobten bezogenen Anfragen beim Standesamt zur Eheschließung mit zwei verschiedenen Männern binnen zwei Monaten deute alles auf eine Eheschließung zur Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland für ihren derzeitigen Verlobten hin und nicht auf eine Verpflichtung zur dauerhaften ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung.

Das Amtsgericht hat die Antragstellerin persönlich angehört und befragt und dabei einen 101 Fragen umfassenden Fragenkatalog zugrundegelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Protokollvermerk der Sitzung des Amtsgerichts vom 24.06.2021 (Bl. 126a ff. d. A. und Beiheft z. A.) Bezug genommen. Des Weiteren hat das Amtsgericht die Antragstellerin unter Einschaltung eines Dolmetschers für die berberische und arabische Sprache zur Plausibilitätsprüfung ihrer Sprachkenntnisse befragt. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Protokollvermerk des Amtsgerichts vom 28.09.2021 (Bl. 159 d. A.) Bezug genommen. Weiter hat das Amtsgericht auch den Verlobten der Antragstellerin anhand eines anderen, 103 Fragen umfassenden Fragenkatalogs durch die Deutsche Botschaft in Stadt2 (Marokko) zeitgleich mit der Antragstellerin am 24.06.2021 befragen lassen. Auf den Inhalt des von dort übermittelten Protokolls (Beiheft z. A.) wird verwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 160 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Antrag vom 17.07.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ablehnung der Mitwirkung gemäß den §§ 39 Abs. 2, 13 Abs. 2 PStG aufgrund von § 1310 Abs. 1 Satz 2 BGB rechtmäßig sei, denn die beabsichtigte Ehe sei nach § 1314 BGB aufhebbar. Aus der ausführlichen Anhörung der Antragstellerin ergebe sich zwar, dass diese sich nach vier gescheiterten Ehen nunmehr eine neue eheliche Lebensgemeinschaft erhoffe. Diesen Wunsch habe sie sich zunächst mit W erfüllen wollen, noch bevor sie diesen überhaupt persönlich kennengelernt habe. Es werde erkennbar, dass die Antragstellerin alles daransetze, einen möglichen Ehepartner zu finden. Die Antragstellerin habe, wie das Amtsgericht im Einzelnen ausführt, unter Einsatz von persönlicher Energie und finanziellen Mitteln für Geschenke und Flüge ihren Verlobten für sich gewinnen wollen. Aus der Gesamtschau dieser Umstände werde erkennbar, dass die Antragstellerin durchaus sehr einseitig und möglicherweise auch völlig realitätsverkennend ihren Verlobten quasi „umwerbe“, um diesen heiraten zu können in der unter Umständen naiven Hoffnung, dass dieser nun fünfte Ehemann trotz objektiv nicht vielversprechender Rahmenbedingungen dann bei ihr bleibe und mit ihr eine längerfristige eheliche Lebensgemeinschaft bilde. Aus der ausführlichen richterlichen Anhörung der Antragstellerin lasse sich – wie das Amtsgericht wiederholt ausführt – erkennen, dass sie sehr darauf hoffe, endlich einen dauerhaften Ehepartner zu finden. Sie habe deutlich gemacht, eine wirklich langfristige Lebenspartnerschaft eingehen zu wollen, dies auch vor dem Hintergrund, dass sie sehr darunter gelitten habe, von den vorherigen Ehemännern verlassen worden zu sein. Sie verspreche sich von der Eheschließung, den Verlobten an sich zu binden für ein dauerhaftes und langfristiges Füreinandereinstehen und Zusammenleben. Allerdings – so das Amtsgericht weiter – sei diese Dauerhaftigkeit der ehelichen Lebensgemeinschaft nach allen Erkenntnissen nicht die Absicht des Verlobten und darüber täusche er die Antragstellerin. Gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB könne eine Ehe aber aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden sei, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Dies sei vorliegend der Fall. Es sei davon auszugehen, dass der Verlobte der Antragstellerin diese zur Eingehung einer sogenannten Aufenthaltsehe bestimmen wolle. Hierfür bestünden eine Reihe von Indizien, die den fehlenden Ehewillen des Verlobten der Antragstellerin belegen würden. Die erforderliche Täuschungshandlung liege unter anderem darin, dass der Verlobte der Antragstellerin durchgehend suggeriere, mit ihr tatsächlich eine dauerhafte eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland begründen zu wollen. Er zeige jedoch aus objektiver Sicht keine erkennbaren Bemühungen, wie er der unter Ehegatten erforderlichen Einstands- und Beistandspflicht, insbesondere den Pflichten zur Unterhaltsgewährung und zum Unterhalt, gerecht werden könne. Die Gesamtschau der ermittelten Umstände zeige, dass er keine wirklichen Vorbereitungen für die zukünftige dauerhafte Lebensgemeinschaft treffe. Zum einen beherrsche er die deutsche Sprache nicht einmal im untersten Sprachniveau und lerne auch kein Deutsch. Es sei völlig unklar, wie er einer Unterhaltspflicht gegenüber seiner zukünftigen Ehefrau mangels Sprachkenntnissen und beruflicher Perspektive nachkommen wolle. Zum anderen habe er der Antragstellerin im Verlauf der Verlobungszeit trotz der von der Antragstellerin gezeigten Großzügigkeit bislang keinerlei Geschenke oder Aufmerksamkeiten zukommen lassen. Aus diesen und weiteren Umständen, die das Amtsgericht aufführt, ergebe sich, dass eine persönliche und fürsorglich-liebevolle Beziehung des Verlobten zu der Antragstellerin mit verantwortungsvoller Planung einer gemeinsamen Zukunft in keiner Weise erkennbar sei. Der Verlobte halte nach außen hin an dem Plan der Eheschließung fest. Hierbei täusche er die Antragstellerin über seine abweichende Motivation, nicht dauerhaft mit ihr in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben zu wollen. Er nutze hierbei deren drängenden Wunsch, nach vier gescheiterten Ehen unbedingt einen nunmehr dauerhaften Ehepartner finden zu wollen, aus. Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss weitere Indiztatsachen dargelegt, aus denen sich aus seiner Sicht der fehlende Ehewille des Verlobten ergebe. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei Kenntnis der wirklichen Motivation des Verlobten die Ehe mit diesem nicht eingehen würde.

Gegen diesen am 09.12.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.12.2021 (Bl. 143 d. A.), beim Amtsgericht eingegangen am 17.12.2021, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Standesamt anzuweisen, der Antragstellerin das begehrte Ehefähigkeitszeugnis auszustellen. Nachdem das Amtsgericht der Antragstellerin eine Frist zur Beschwerdebegründung erfolglos gesetzt hatte, hat es durch Beschluss vom 07.06.2022 (Bl. 147 d. A.) der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Antragstellerin hat gegenüber dem Senat mit Schriftsatz vom 19.04.2022 (Bl. 152 ff. d. A.), der nach ihren Angaben an jenem Tag bereits an das Amtsgericht übermittelt worden sei, die Beschwerde begründet. Sie hält an ihrem erstinstanzlich gestellten Antrag fest. Sie trägt wiederholt zu den Umständen der Anfragen beim beteiligten Standesamt und zu ihrem Verhältnis mit ihrem Verlobten vor. Sie behauptet, sie habe entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss Geschenke von ihrem Verlobten erhalten. Sie sei mit ihrem Verlobten dreimal in Stadt3 (Marokko) gewesen; sie hätten dort eine Wohnung für diesen Städtetrip extra angemietet gehabt. Die Kosten hierfür habe der Verlobte getragen. Er habe ihr auch während der Beziehung mehrfach Geld gesendet. Sie sei natürlich von den erlebten Enttäuschungen gezeichnet, jedoch nicht psychisch krank dergestalt, dass sie an einer verzerrten Realitätswahrnehmung leide. Sie könne sehr wohl zwischenmenschliches Verhalten deuten und richtig einordnen. Völlige Sicherheit darüber, was der andere Partner denke und fühle, könne man nie haben. Sie könne sehr wohl davon ausgehen, dass ein Mann, der inzwischen seit zwei Jahren an der Beziehung mit ihr festhalte, mit ihr Zeit verbringe, sie immer wieder animiere, nach Marokko zu kommen, sie seiner Familie vorstelle, ein ernsthaftes Interesse an ihr habe. Wenn ihr Verlobter an einer Aufenthaltsehe interessiert gewesen wäre, hätte er schon ein anderes Opfer suchen können. Überwiegend stelle das Gericht Vermutungen zu den Beweggründen ihres Verlobten an, um ihm eine Täuschungsabsicht zu unterstellen.

Das beteiligte Standesamt hat ausweislich seines Schreibens vom 18.07.2022 (Bl. 167 d. A.), übersandt durch die beteiligte Standesamtsaufsicht, zur Beschwerde Stellung genommen. Es verweist auf seine bereits eingereichten Stellungnahmen und meint, durch die Auswertung der Anhörungen habe sich die Auffassung, dass eine Ehe zwischen den Verlobten nicht den in § 1353 Abs. 1 BGB festgeschriebenen Zweck verfolge, sondern dass insbesondere der Verlobte keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft unter gegenseitiger Verantwortung eingehen wolle, bestärkt. Das Standesamt meint, die Ehe wäre demnach gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB aufhebbar. Des Weiteren bestärke sich die Annahme, dass die Antragstellerin durch ihren Verlobten hinsichtlich seiner Motivation, die Ehe mit ihr eingehen zu wollen, getäuscht werde. Insoweit verweist es auf den angefochtenen Beschluss. Demnach wäre die Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufhebbar. Hieraus ergebe sich die Verpflichtung des beteiligten Standesamts, seine Mitwirkung an der Eheschließung in Form der Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses zu verweigern.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen und dessen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß den §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie hat auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Zutreffend ist zunächst der rechtliche Ansatz des Amtsgerichts, dass das Ehefähigkeitszeugnis, dessen ein Deutscher zur Eheschließung im Ausland bedarf, nach § 39 Abs. 2 PStG durch das Standesamt nur ausgestellt werden darf, wenn der beabsichtigten Eheschließung ein Ehehindernis nach deutschem Recht nicht entgegensteht; § 13 Abs. 1 bis 3 PStG gilt danach entsprechend. Dabei werden in § 13 Abs. 2 PStG einzelne Befugnisse des Standesamts für den Fall geregelt, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zu schließende Ehe nach § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Insoweit umfasst das Verbot des § 1310 BGB, an einer aufhebbaren Ehe mitzuwirken, auch die Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses zur Eheschließung im Ausland (OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 277, zitiert nach juris). Ausweislich des ablehnenden Bescheids vom 19.06.2019 stützt sich das beteiligte Standesamt hier auf die Vorschrift des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, die insbesondere auf der eingehenden persönlichen Anhörung der Antragstellerin beruhen, kann ein solcher Fall nicht angenommen werden. Auch das Amtsgericht hat – wie der Begründung des angefochtenen Beschlusses zwingend entnommen werden muss – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht für gegeben erachtet.

Voraussetzung für die Anwendung des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB ist, wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, dass die Ehegatten bzw. hier die Verlobten durch ihre Willenserklärungen bei der Eheschließung einvernehmlich keine Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft begründen wollen. Liegt bei einem Ehegatten dagegen ein echter Ehewunsch bzw. ein Wunsch nach den Verpflichtungen des § 1353 Abs. 1 BGB vor, fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen einer „Scheinehe“; dann kann allenfalls – wovon das Amtsgericht hier auch ausgegangen ist – ein Aufhebungsgrund gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen (vgl. etwa OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 277; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1201; VG Berlin StAZ 2011, 311, je zitiert nach juris; BeckOGK/Otto, Stand: 01.10.2022, § 1314 BGB Rz. 25; Grüneberg/Siede, BGB, 82. Aufl., § 1314 Rz. 14; Münchener Kommentar/Wellenhofer, BGB, 9. Aufl., § 1314 Rz. 38, je m. w. N.).

Dass hier jedenfalls auf Seiten der Antragstellerin ein echter Ehewunsch vorliegt, hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss auf der Grundlage der sehr eingehenden und ausführlich protokollierten persönlichen Anhörung der Antragstellerin festgestellt und dies im Einzelnen auch überzeugend begründet. Aus diesen Darlegungen ergibt sich im Einzelnen, dass und warum die Antragstellerin sich eine neue eheliche Lebensgemeinschaft erhofft, ihren Verlobten quasi „umwirbt“, um diesen heiraten zu können in der Hoffnung, dass dieser dann bei ihr bleibt und mit ihr eine längerfristige eheliche Lebensgemeinschaft bildet und sie ihren Verlobten für ein dauerhaftes und langfristiges Füreinandereinstehen und Zusammenleben an sich binden will. Bedenken an dieser sehr gut nachvollziehbaren Würdigung des Amtsgerichts aufgrund des persönlichen Eindrucks in ihrer gerichtlichen Anhörung sind nicht aufgekommen. Sie korrespondiert mit dem Vorbringen der Antragstellerin in ihren diversen persönlichen Schreiben an das Gericht und den Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte, diese Würdigung in Zweifel zu ziehen, bestehen nicht. Aus der Anhörung des Verlobten der Antragstellerin bzw. Beantwortung des Fragenkatalogs durch diesen lässt sich zum Ehewunsch der Antragstellerin naturgemäß nichts Anderweitiges entnehmen. Es verbleiben damit allenfalls die vom beteiligten Standesamt im Bescheid vom 19.06.2019 und in der ersten Instanz vorgetragenen Gesichtspunkte, etwa die vier geschiedenen Vorehen der Antragstellerin mit einem sudanesischen, einem marokkanischen und zwei algerischen Staatsangehörigen, die Vorgänge im Zusammenhang mit der Beantragung von Ehefähigkeitszeugnissen im Hinblick auf unterschiedliche Ehepartner in kurzem zeitlichen Abstand und die bereits vorbereiteten Urkunden des Verlobten. Ungeachtet der Frage, inwieweit etwa die Existenz, die Dauer und die Umstände der Vorehen überhaupt einen Schluss auf eine diesbezügliche Willensrichtung der Antragstellerin zulassen könnten, hat die Antragstellerin zu diesen Gesichtspunkten in ihrer Anhörung ausführlich Stellung genommen und diese aus ihrer Sicht geschildert. Im Hinblick darauf hat das Amtsgericht keine Veranlassung gesehen, der Antragstellerin keinen Glauben zu schenken und ihren, wie oben beschrieben, echten Ehewunsch in Zweifel zu ziehen. Diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Erwägungen des Amtsgerichts folgt auch der Senat. Die vom beteiligten Standesamt erstmals im amtsgerichtlichen Verfahren vorgebrachte Aussage einer anonymen Person ist bereits inhaltlich wenig ergiebig und ohne Benennung dieser Peron nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar. Zu Recht hat die Antragstellerin vorgebracht, sich dagegen nicht wehren zu können und das Gericht nur persönlich von der Wahrheit der von ihr gemachten Angaben überzeugen zu können. Das Amtsgericht hat ihr dies ermöglicht und ist danach zu Recht hierauf nicht näher eingegangen.

Einwendungen gegen die Annahme und die Begründung eines echten Ehewunschs der Antragstellerin durch das Amtsgericht, der im angefochtenen Beschluss auch als drängender Wunsch bezeichnet wird, hat das beteiligte Standesamt im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Vielmehr scheint es diesen Ehewunsch nunmehr ebenso zu sehen, soweit es in seiner Beschwerdeerwiderung vom 18.07.2022 ausführt, dass insbesondere Herr V, also der Verlobte der Antragstellerin, keine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung eingehen wolle und sich die Annahme bestärkt habe, dieser wolle sie hinsichtlich seiner Motivation, mit ihr die Ehe eingehen zu wollen, täuschen. Ob Letzteres zutreffend ist, kann offenbleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies aus den obigen rechtlichen Erwägungen heraus für einen Aufhebungsgrund gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB keinesfalls hinreichen. Dass und aus welchen Gründen trotz der eingehenden Ermittlungen des Amtsgerichts entgegen dessen Feststellungen auch die Antragstellerin eine eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Verlobten nicht beabsichtigt, vermag das beteiligte Standesamt nicht darzutun. Die Antragstellerin hält auch ausweislich ihres Beschwerdevorbringens an ihrem Ehewunsch trotz der nicht unerheblichen Zeitdauer der gerichtlichen Verfahren fest, was die Ernsthaftigkeit zusätzlich bestätigt.

Ausgehend davon bedarf es einer Wiederholung der ausführlichen und vom Amtsgericht eingehend und überzeugend gewürdigten persönlichen Anhörung der Antragstellerin, deren Ergebnis von keinem der Beteiligten angegriffen wird, gemäß den §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Beschwerdeverfahren nicht; ein Ausnahmefall des § 68 Abs. 5 FamFG liegt nicht vor. Von einer erneuten Anhörung sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. Wie ausgeführt bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit der getroffenen Feststellungen; aus dem Inhalt der Akte haben sich keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben.

Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts liegt jedoch nach dessen eigenen Feststellungen auch kein Aufhebungsgrund gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor. Auch insoweit bedarf es im Beschwerdeverfahren nach den obigen Kriterien keiner wiederholten persönlichen Anhörung der Antragstellerin oder weitergehender tatsächlicher Ermittlungen. Nach dieser Vorschrift kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Arglistige Täuschung ist dabei das vorsätzliche Hervorrufen oder Unterhalten eines Irrtums in der Absicht, den Getäuschten zur Eheschließung zu veranlassen. Das Tatbestandsmerkmal der „Arglist“ erfordert subjektiven Vorsatz. Der täuschende Ehegatte bzw. hier Verlobte muss in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass der getäuschte Ehegatte durch die Täuschung zur Eheschließung gebracht wurde bzw. ohne die Täuschung von seinem Eheschließungswillen abgekommen wäre. Der Irrtum muss im Zeitpunkt der Eheschließung noch bestehen (vgl. dazu BeckOGK/Otto, a.a.O., § 1314 BGB Rz. 15; Grüneberg/Siede, a.a.O., § 1314 Rz. 14; Münchener Kommentar/Wellenhofer, a.a.O., § 1314 Rz. 15 ff., je m. w. N.).

Ausweislich des angefochtenen Beschlusses folgert das Amtsgericht aus den von ihm im Einzelnen dargelegten Indiztatsachen, dass der Verlobte der Antragstellerin nach außen hin an dem Plan der Eheschließung festhalte und die Antragstellerin über seine abweichende Motivation, nicht dauerhaft mit ihr in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben zu wollen, täusche (so Seite 3, letzter Abs.) bzw. darüber, mit ihr tatsächlich eine dauerhafte eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland begründen zu wollen (so Seite 3, 5. Abs.) bzw. über seine Motivation, sich zunächst durch Eheschließung mit ihr die Einreise nach Deutschland, einen sicheren Aufenthaltsstatus und zunächst eine Unterkunft zu ermöglichen, um dann bei sich bietender Gelegenheit doch „ein eigenes Leben“ unabhängig von der Antragstellerin zu führen (so Seite 4, letzter Abs.).

Es ist allerdings bereits unklar, worin hier die Täuschung durch den Verlobten liegen soll. Das Amtsgericht geht offensichtlich davon aus, dass sich die Täuschungshandlung des Verlobten auf die dargelegten „inneren Tatsachen“ bezieht; eine Täuschung über „innere Tatsachen“ wäre im Rahmen einer Anfechtung grundsätzlich hinreichend (vgl. Staudinger/Singer/von Finckenstein, BGB, Neub. 2021, § 123 Rz. 8). Kennzeichnend für die arglistige Täuschung, die in einem positiven Tun oder einem Unterlassen liegen kann, ist aber immer die Verletzung einer Offenbarungspflicht, die im Zusammenhang mit der Eheschließung zwar nicht in Form einer allgemeinen Offenbarungspflicht besteht, sich im jeweiligen Einzelfall aber aus konkreten Nachfragen oder aus Umständen ergeben kann, die erkennen lassen, worauf es dem anderen Verlobten hinsichtlich des künftigen Ehelebens in besonderer Weise ankommt (vgl. OLG Zweibrücken OLGR 2002, 229; VG Berlin StAZ 2011, 311, je m. w. N.). Liebe, eheliche Gesinnung und der Wille, sich in bestimmter Weise zu verhalten, sind aber subjektive Empfindungen, die einer objektiven Feststellung nicht zugänglich sind. Auf ihr Vorliegen oder Nichtvorliegen kann – wovon das Amtsgericht der Sache nach offensichtlich auch ausgegangen ist – allenfalls geschlossen werden aufgrund objektivierbarer Tatsachen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2016, 1854; OLG Zweibrücken OLGR 2002, 229; VG Berlin StAZ 2011, 311, je zitiert nach juris). Subjektive Empfindungen der genannten Art, die – wie gesagt – ohnehin nur sehr begrenzt der wechselseitigen Offenbarungspflicht unterliegen, stellen aber grundsätzlich keine als Gegenstand einer Täuschungshandlung im Sinne von § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Betracht kommenden Umstände dar; dies können vielmehr nur (vorgespiegelte) Tatsachen sein, aus denen der getäuschte Verlobte vernünftigerweise auf das Vorhandensein bestimmter Empfindungen schließen kann und darf (vgl. OLG Zweibrücken OLGR 2002, 229; VG Berlin StAZ 2011, 311; OLG Hamm FPR 2004, 26, zitiert nach juris).

Es erscheint bereits überaus zweifelhaft, ob die vom Amtsgericht ermittelten Indiztatsachen überhaupt den Schluss auf die vom Amtsgericht angenommene Motivation des Verlobten der Antragstellerin, diese – über welche der vom Amtsgericht dargestellten Tatsachen auch immer – zu täuschen, zulassen. Die Beschwerde zieht dies nicht ganz zu Unrecht in Zweifel, abgesehen davon, dass sie etliche der vom Amtsgericht zugrunde gelegten Tatsachen durch neues Sachvorbringen zu widerlegen bzw. relativieren versucht. Unter Zugrundelegung der obigen Darlegungen ist aber schon die erforderliche Täuschungshandlung des Verlobten der Antragstellerin nicht zu erkennen. Die vom Amtsgericht im Einzelnen dargelegten Indiztatsachen waren und sind der Antragstellerin allesamt bekannt; in nicht unerheblichem Umfang hat das Amtsgericht deren Vorliegen sogar auf die Angaben der Antragstellerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung gestützt.

Scheitert schon aus diesem Grund die Anwendung des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB, so kommt noch hinzu, dass die Antragstellerin in Kenntnis all dieser im angefochtenen Beschluss im Einzelnen dargelegten und ihr bewussten tatsächlichen Umstände an ihrem Ehewunsch mit ihrem Verlobten festhält. Dies hat sie durch ihre Beschwerdeeinlegung deutlich gemacht und in ihrer Beschwerdebegründung auch ausdrücklich bekräftigt. Spätestens diese Manifestation ihres Ehewillens im Beschwerdeverfahren in Ansehung der Darlegungen des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss, in dem eine Realitätsverkennung ihrerseits für möglich gehalten wird (so Seite 3), ihr realitätsabweichend eine beschönigte Wahrnehmung des Verhaltens ihres Verlobten (so Seite 4) und eine beschönigende bzw. bagatellisierende Darstellung der Sprachproblematik (so ebenfalls Seite 4) unterstellt wird, zeigt, dass jedenfalls kein im Rahmen des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderlicher Irrtum auf Seiten der Antragstellerin vorliegt. Selbst wenn er vorläge, wäre er für die Eheschließung nicht ursächlich. Die Antragstellerin ist sich jedenfalls der Möglichkeit des Motivs einer Aufenthaltsehe ihres Verlobten durchaus bewusst, mag sie diese auch – aus Sicht des Amtsgerichts – aufgrund ihres drängenden Ehewunsches nicht wahrhaben wollen. Diese Möglichkeit war (unter anderem) bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens; das Amtsgericht hat versucht, dieses Motiv durch die Befragung des Verlobten aufzudecken. Das Amtsgericht hat ausweislich des angefochtenen Beschlusses sodann anhand der aufgezeigten Indiztatsachen dieses Motiv (nur) auf Seiten des Verlobten sogar für erwiesen erachtet. Dennoch hat die Antragstellerin unmissverständlich bekundet, ihren Verlobten ehelichen zu wollen. Sie hat in der Beschwerdebegründung – in der Sache durchaus zutreffend – darauf hinweisen lassen, dass man völlige Sicherheit darüber, was der andere Partner denkt und fühlt, nie haben kann. Wenn die Antragstellerin aber auf dieser Grundlage und in Kenntnis all dieser ihr bekannten Umstände und persönlicher Risiken beschließt, dennoch ihren Verlobten zu heiraten, fehlt es jedenfalls an einem für die Eheschließung ursächlichen Irrtum. Sie hat sich dabei durch mögliche abweichende Motivationen ihres Verlobten von diesem Willen nicht abbringen lassen. Eine solche Ehe wäre nicht im Sinne des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 aufhebbar (vgl. dazu LG Rostock FamRZ 2003, 598, zitiert nach juris; dazu BeckOGK/Otto, a.a.O., § 1314 BGB Rz. 18; Grüneberg/Siede, a.a.O., § 1314 Rz. 12; jurisPK-BGB/Schiefer, Stand: 15.11.2022, § 1314 Rz. 30, je m. w. N.; ähnlich auch OLG Zweibrücken OLGR 2002, 229; OLG Koblenz FamRZ 2016, 1854). Für die Bewältigung von derartigen Enttäuschungen stellt vielmehr das Scheidungsrecht einen ausreichenden Regelungsrahmen dar (OLG Hamm FPR 2004, 26 m. w. N.). Das Personenstandsverfahren ist nicht geeignet, einen Ehepartner vor derartigen Enttäuschungen zu schützen.

Liegt damit weder ein Aufhebungsgrund nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, noch ein solcher nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB vor und fehlen jegliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anderen Aufhebungsgrunds nach § 1314 BGB, ist der Bescheid vom 19.06.2019 aufzuheben und das beteiligte Standesamt anzuweisen, die Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Ehefähigkeitszeugnisses nicht mit der Begründung abzulehnen, dass die Ehe nach § 1314 BGB aufhebbar sei. Weitere formale Erteilungsvoraussetzungen waren und sind nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens (vgl. zur Zulässigkeit derartiger Anweisungen OLG Düsseldorf FGPrax 2016, 287; OLG Köln FamRZ 2002, 262, je zitiert nach juris).

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass Standesamt und Standesamtsaufsicht kraft Gesetzes von der Tragung von Gerichtskosten befreit sind, § 51 Abs. 1 Satz 2 PStG, und eine Auferlegung von Gerichtskosten auf die obsiegende Beschwerdeführerin nicht angemessen erscheint. Der Senat hat gemäß den §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 81 FamFG keine Veranlassung gesehen, die Erstattungsfähigkeit notwendiger Aufwendungen im Beschwerdeverfahren anzuordnen. Angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen der Gerichte erscheint dem Senat das bloße Obsiegen der Beschwerdeführerin hierfür nicht hinreichend. Darüber hinaus hat der Senat berücksichtigt, dass Standesamt und Standesamtsaufsicht auch im Beschwerdeverfahren ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig geworden sind.

Von daher bedarf es auch einer Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 70 FamFG. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, da gesetzlich nicht vorgesehen.

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