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Eheaufhebung wegen unterlassener Mitteilung eines Drogenproblems

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 UF 23/21 – Beschluss vom 12.05.2021

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die die Eheaufhebung abweisende Entscheidung des Amtsgerichts Nauen vom 29. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Auf den mit der Beschwerde gestellten auf Scheidung der Ehe gerichteten Hilfsantrag der Antragstellerin wird die Sache im Übrigen an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

Der Beschwerdewert wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind seit dem … Juli 2019 miteinander verheiratet und haben sich im September 2019 voneinander getrennt.

Die Antragstellerin erstrebt die Aufhebung der Ehe, weil der Antragsgegner, mit dem sie seit Februar 2012 partnerschaftlich verbunden war und zusammengelebt hat, sie durch arglistiges Verschweigen seines Drogenproblems und des Umstands, Jahre zuvor zeitweilig Jugendarrest verbüßt zu haben, zur Eingehung der Ehe bestimmt habe. Der Eheaufhebungsantrag ist dem Antragsgegner am 13. Dezember 2019 (Bl. 13R) zugestellt worden.

Die Antragstellerin hat beantragt (Bl. 70), die Ehe der beteiligten Eheleute, geschlossen am … Juli 2019 vor dem Standesbeamten in C… von B… zur Heiratsregisternummer …/2019, aufzuheben.

Den schriftlich angekündigten, auf Ehescheidung gerichteten Hilfsantrag (Bl. 44) hat sie im vom Amtsgericht durchgeführten Anhörungstermin nicht gestellt (Bl. 70).

Der Antragsgegner ist dem Antrag auf Aufhebung der Ehe nicht entgegengetreten und hat ihm zugestimmt (Bl. 70).

Das Amtsgericht hat die Eheleute persönlich angehört und den gestellten Antrag durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 77) abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung seien nicht feststellbar.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel weiter. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Sie beantragt (Bl. 102), die am …. Juli 2019 vor dem Standesamt C… von B… zu Register-Nr. E …/2019 geschlossene Ehe aufzuheben, und hilfsweise, die am … Juli 2019 vor dem Standesamt C… von Berlin zu Register-Nr. E …/2019 geschlossene Ehe zu scheiden.

Der Antragsgegner stimmt den Anträgen zu. Die Beteiligten haben einen notariell beurkundeten Ehevertrag vom … Juni 2019, mit dem sie unter anderem den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben, zur Akte gereicht (Bl. 114 ff.). Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug. Er entscheidet, seiner Ankündigung vom 22. März 2021 (Bl. 108R) folgend, ohne erneute mündliche Verhandlung.

II.

Eheaufhebung wegen unterlassener Mitteilung eines Drogenproblems
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Die gemäß § 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist wegen des auf Aufhebung der Ehe gerichteten Hauptantrags zurückzuweisen. Wegen des in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrags, gerichtet auf Scheidung der Ehe, ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

1. Die Ehe der Beteiligten ist nicht aufzuheben. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Aufhebungstatbestände des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 3 BGB sind nicht gegeben.

a) Tatsächliche Hinweise dafür, dass der Antragsgegner sich bei der Trauung in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befunden haben könnte, haben die Beteiligten nicht mitgeteilt. Der Vortrag, der Antragsgegner habe am Abend des Hochzeitstages Drogen konsumiert, lässt keinen Schluss auf eine Beeinträchtigung seines Geisteszustandes im Zeitpunkt der Abgabe des Ja-Wortes zu.

b) Auch der Aufhebungstatbestand des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten.

Eine arglistige Täuschung lässt sich nicht feststellen. Tatsachen, die den Schluss zuließen, der Antragsgegner hätte in der Absicht, die Antragstellerin zur Eheschließung zu veranlassen, vorsätzlich einen Irrtum bei ihr hervorgerufen oder unterhalten, lassen sich nicht feststellen.

Die Antragstellerin hat keine Umstände vorgetragen, die entsprechende Feststellungen ermöglichen würden. Sie meint, der Antragsgegner habe sie durch das Unterlassen der Offenbarung seines Drogenproblems und seines strafrechtlich relevanten Vorlebens, im Bewusstsein dessen getäuscht, dass sie ihn anderenfalls nicht ehelichen würde. Sie beruft sich damit auf eine arglistige Täuschung durch das Verschweigen erheblicher Umstände. Das bloße Verschweigen für sich genügt in der Regel nicht. Vielmehr muss eine Offenbarungspflicht gegenüber dem anderen Ehegatten bestehen. Eine allgemeine Offenbarungspflicht wird verneint. Ob die Offenbarungspflicht besteht, hängt davon ab, ob es sich um fortwirkende oder in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Umstände handelt. Zu unterscheiden ist auch zwischen Offenbarungspflichten auf Nachfrage und Offenbarungspflichten, die unabhängig davon („ungefragt“) bestehen (BeckOGK/M. Otto, 1.4.2021, § 1314 BGB Rn. 21). Da die Antragstellerin nicht angegeben hat, den Antragsgegner explizit nach dem Vorliegen eines Drogenproblems und jugendstrafrechtlich geahndeter Verfehlungen gefragt zu haben, kommt es vorliegend darauf an, ob für den Antragsgegner „ungefragte“ Offenbarungspflichten bestanden.

aa) Hinsichtlich des Jugendarrestes ist dies zu verneinen. Erhebliche Vorstrafen können eine Offenbarungspflicht begründen (vgl. AG Kulmbach, BeckRS 9998, 54440). Dass es sich vorliegend um eine erhebliche Vorstrafe handelt, lässt sich nicht feststellen, auch nicht, dass es sich bei der früheren Verfehlung um einen Sachverhalt gehandelt hat, der noch in Gegenwart und Zukunft fortwirkte. Der Antragsgegner war bei Eingehung der Ehe 28 Jahre alt. Wann er den Jugendarrest verbüßt hat, teilt die Antragstellerin nicht mit. Beim Jugendarrest handelt es sich um ein Zuchtmittel des Jugendstrafrechts, das als Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest für eine maximale Dauer von vier Wochen verhängt werden kann, § 13 JGG. Die Anordnung von Jugendarrest wird in das Erziehungsregister eingetragen, § 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG. Eintragungen im Erziehungsregister werden regelmäßig entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat, § 63 Abs. 1 BZRG. Die Eintragung dürfte also ca. vier Jahre vor Eingehung der Ehe getilgt worden sein. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die der Arrestanordnung zugrunde liegende Verfehlung des Antragsgegners noch bis in die Ehezeit fortgewirkt haben könnte, hat die Antragstellerin nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Eine diesbezügliche Offenbarungspflicht bestand für den Antragsgegner nicht.

Darüber hinaus lassen sich die subjektiven Elemente der arglistigen Täuschung nicht feststellen. Dem Beteiligtenvortrag ist nicht zu entnehmen, dass es für den Antragsgegner naheliegen musste, dass dieser Umstand für den Eheschließungsentschluss der Antragstellerin Bedeutung haben könnte.

bb) Hinsichtlich seines „Drogenproblems“ kann offenbleiben, ob den Antragsgegner eine explizite Offenbarungspflicht traf.

Denn es fehlt jedenfalls an der subjektiven Seite einer arglistigen Täuschungshandlung. Das Tatbestandsmerkmal der „Arglist“ erfordert Vorsatz (dolus eventualis genügt, allerdings nicht grobe Fahrlässigkeit). Der Täuschende muss sich bewusst sein oder damit rechnen, der Getäuschte werde bei voller Kenntnis der Sachlage von der Eheschließung Abstand nehmen (MüKoBGB/Wellenhofer, 8. Aufl., § 1314 BGB Rn. 23 BeckOGK/M. Otto, 1.4.2021, § 1314 BGB Rn. 15). Der Täuschungswille muss auf Irrtumserregung oder -aufrechterhaltung und Beeinflussung der Willensentschließung beim anderen Teil gerichtet sein. Das setzt die Kenntnis der Bedeutung des eigenen Verhaltens beim Täuschenden voraus (vgl. BGH NJW-RR 1998, 904 [906]). Es kommt also auf die Beurteilung der Situation durch den Täuschenden an. Ist er davon überzeugt, dass seine Angaben für die Entschließung des Erklärenden ohne Bedeutung sind, handelt er nicht arglistig (vgl. BeckOK BGB/Wendtland, 57. Ed. 1.2.2021, BGB § 123 Rn. 18).

So liegt der Fall hier. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsgegner vor der Eheschließung bewusst gewesen sein könnte, dass die Kenntnis davon, dass er nicht nur dem Alkohol gern zuspricht, sondern auch, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch noch vor der Ehe gelegentlich und seit Beginn des Jahres 2019 häufiger, Drogen konsumiert, für den Eheschließungsentschluss der Antragstellerin von Bedeutung gewesen wäre, haben die Beteiligten nicht mitgeteilt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr ist bereits nicht vorgetragen oder erkennbar, dass der Antragsgegner selbst zu einem Zeitpunkt vor Eheschließung sein Drogenkonsumverhalten als in die Gegenwart und Zukunft wirkende Suchterkrankung, und damit als möglicherweise relevant für die Antragstellerin eingeschätzt hätte. Seine Angaben im Termin vom 12. Januar 2021 (Bl. 71 f.) sprechen dafür, dass er vor der Eheschließung der Auffassung war, seinen Drogenkonsum im Griff zu haben. Er hat ausgeführt, Anfang 2019 begonnen zu haben, Drogen zu konsumieren, ein- oder zweimal wöchentlich, zumeist am Wochenende. Nach der dreiwöchigen, im Mai 2019 angetretenen Kurbehandlung sei es für die Dauer von ca. vier Wochen, also bis kurz vor der Eheschließung – „relativ gut“ gegangen. Dafür dass er seinem Drogenkonsum selbst keine in die gemeinsame Zukunft weisende Relevanz beigemessen hat, spricht auch, dass sich sein Drogenkonsum im Leben der Beteiligten offenbar nicht in einer Weise bemerkbar gemacht hat, dass die Antragstellerin hiervon vor der Eheschließung überhaupt etwas bemerkt haben will. Dafür spricht schließlich auch die allgemeine Erfahrung, dass es für Suchterkrankungen typisch ist, dass sie zunächst vom Betroffenen unterschätzt werden.

2. a) Die hilfsweise Stellung des Scheidungsantrags in zweiter Instanz ist zulässig, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 533, 263, 264 ZPO. Der Antragsgegner, der dem Hilfsantrag zustimmt (Bl. 119), hat damit zugleich auch sein Einverständnis mit der Klageänderung erklärt, sie ist auch sachdienlich. Aufhebungs- und Scheidungsantrag können im Eventualverhältnis miteinander verbunden werden, § 126 Abs. 3 FamFG (vgl. BeckOK FamFG/Weber, 38. Ed., § 126 FamFG Rn. 8).

b) Mit Rücksicht darauf, dass die Parteien seit September 2019 und damit länger als ein Jahr voneinander getrennt leben und der Antragsgegner dem Scheidungsantrag zustimmt, sind die Scheidungsvoraussetzungen gemäß § 1565 Abs. 1 BGB gegenwärtig gegeben.

c) Ungeachtet dessen kann der Senat die Scheidung nicht aussprechen. Denn mit der Scheidung ist jedenfalls auch die Folgesache über den Versorgungsausgleich zu regeln, § 137 FamFG.

Der Versorgungsausgleich ist vom Amtsgericht, das insoweit noch keine Auskünfte der Parteien eingeholt hat, durchzuführen. In entsprechender Anwendung des § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Zwar gilt die genannte Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur, wenn in der ersten Instanz ein Scheidungsantrag abgewiesen worden ist; sie ist aber entsprechend anzuwenden, wenn in erster Instanz der Antrag auf Aufhebung der Ehe abgewiesen worden ist und in der Berufungsinstanz auf Grund einer zulässigen Klageänderung der in der Sache begründete Antrag auf Scheidung der Ehe geltend gemacht wird (vgl. Keidel/Weber FamFG, 20. A., § 146 FamFG Rn. 4; BeckOK FamFG/Weber, 37. Ed., § 146 FamFG Rn. 5; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2008, 1534; OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1111; OLG Hamburg, FamRZ 1982, 1211). Denn in diesem Fall tritt erstmals in der Beschwerdeinstanz der Verbund von Scheidungs- und Folgesachen nach § 137 FamFG ein, der für den in erster Instanz anhängigen Verfahrensgegenstand der Eheaufhebung, über den das Familiengericht entschieden hat, nicht galt.

Von der Zurückverweisung kann hier auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die Beteiligten den Versorgungsausgleich durch notariellen Ehevertrag ausgeschlossen haben. Von einer Zurückverweisung kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Zweck des § 137 FamFG, eine gleichzeitige Entscheidung über den Scheidungsantrag und die zu regelnden Folgesachen zu gewährleisten und den Parteien für die Folgesachen keine Instanz zu nehmen, nicht erreicht werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn beide Beteiligten einverstanden sind und der Sachverhalt so vollständig geklärt ist, dass den Beteiligten durch den Verlust der Tatsacheninstanz kein Nachteil entsteht (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 1998, 1528). Daran fehlt es hier.

Denn über den Versorgungsausgleich ist, ungeachtet eines – im Hinblick auf Wirksamkeit und Ausübungsmöglichkeit zu überprüfenden – ehevertraglich vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs oder sonstiger möglicher Ausschlussgründe, jedenfalls eine Entscheidung zu treffen, § 224 Abs. 3 FamFG.

III.

Das Amtsgericht wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben (MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl., § 84 FamFG Rn. 8).

Die Entscheidung zum Wert des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1, 43 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.

 

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