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Umgangsrechtausschluss bei Kindeswohlgefährdung durch Gewaltausbrüche und Beschimpfungen

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 UF 12/22 – Beschluss vom 24.10.2022

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 21. Dezember 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der persönliche Umgang der Antragstellerin mit den Kindern N…, geboren am … 2006, A…, geboren am … 2011, und H…, geboren am … 2015, bis zum 31. Oktober 2023 ausgeschlossen wird.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den erstinstanzlich angeordneten Umgangsausschluss und beantragt die Regelung von Umgang mit ihren drei Kindern N…, A… und H….

Die Ehe der Antragstellerin mit dem Vater der Kinder ist rechtskräftig geschieden. Die Eltern leben seit dem 1. Mai 2020 voneinander getrennt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mutter nach verbalen Attacken und körperlichen Übergriffen gegen den Vater und die Kinder der Ehewohnung verwiesen worden. Die Wohnung ist dem Vater in einem Gewaltschutzverfahren zugewiesen worden.

Die Kinder leben seitdem beim Vater. Seit der Trennung fand nur noch begleiteter Umgang mit den Kindern statt. Seit Januar 2021 nehmen die beiden älteren Söhne der Beteiligten keine Umgangstermine mehr wahr. Mit H… hatte die Antragstellerin noch begleiteten Umgang. Ende Januar 2021 wurden auch diese Umgangstermine auf ihren Wunsch einstweilen ausgesetzt und Ende März 2021 wieder aufgenommen.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, sie sei jedenfalls bis zur Trennung die Hauptbezugsperson für die Kinder gewesen.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Umgang mit ihren Kindern N… K… F… Z…, geboren am … 2006, A…, geboren am ….2011, H…, geboren am … .2015, gerichtlich zu regeln.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Gegen Umgang hat er eingewandt, solcher entspräche derzeit nicht einmal in begleiteter Form dem Wohl der Kinder. Vor der Trennung hätten die Kinder von der Mutter ausgehende Gewalt erlitten, das wirke sich weiterhin auf sie aus, A… sei deshalb seit längerer Zeit in einer Therapie.

Umgangsrechtausschluss bei Kindeswohlgefährdung durch Gewaltausbrüche und Beschimpfungen
(Symbolfoto: Fizkes/Shutterstock.com)

Das Jugendamt hat berichtet, die zuletzt durchgeführten Umgänge mit H… seien von zwei Fachkräften begleitet gewesen, weil es zuvor in Beratungs- und Umgangssituationen zu extremen Beschimpfungen, Beleidigungen und haltlosen Verdächtigungen gegenüber den Helfern gekommen sei. Ein von der Antragstellerin gewünschtes Gespräch mit dem Antragsgegner sei eskaliert; die Antragstellerin habe eine auf dem Schoß des Antragsgegners liegende Jacke weggerissen und Ansprache hätte kaum deeskalierende Wirkung entfaltet. Ende März 2021 sei nach einer von der Antragstellerin aufgrund ihres persönlichen instabilen Zustandes gewünschten zweimonatigen Umgangspause wieder Umgang mit H… durchgeführt worden. Beim ersten Umgang sei H… sichtlich erfreut gewesen. Beim Umgang am 11. Mai 2021 sei es von Seiten der Antragstellerin wiederum zu einer Eskalation gekommen. Nach der Begrüßung habe sie H… festgehalten und die beiden Helfer lautstark beschimpft. Die Situation sei zunehmend auch für H… kurzzeitig bedrohlich gewesen. Den Helfern sei eine Deeskalation nicht gelungen, die Beschimpfungen von Seiten der Antragstellerin hätten nicht nachgelassen. Bis zur Verabschiedung sei dem Kind die Anspannung anzumerken gewesen, und dass ihm derlei Situationen geläufig seien. Nachdem sich H… zusammen mit einer Helferin entfernt gehabt habe, habe die Antragstellerin die andere Helferin extrem laut unter Verwendung von Fäkalsprache beschimpft und bedroht, bis diese schließlich mit ihrem Auto davon gefahren sei. Der Träger ist nicht mehr bereit, weitere Umgänge zu begleiten (Bl. 12).

Das Amtsgericht hat die Betreuungsakte für die Mutter beigezogen und das dort eingeholte Sachverständigengutachten ausgewertet (Bl. 30), den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt und die Kinder sowie alle Beteiligten persönlich angehört.

Die Kinder haben sich gegen Umgang ausgesprochen. Sie haben von Gewalt und Abwertung durch die Mutter berichtet. Nur N… hat begleiteten Umgang unter der Bedingung in Betracht gezogen, dass unmittelbar eingeschritten werde, wenn es zu Gefahren für die Kinder komme.

Der Verfahrensbeistand meint, ein geschützter Umgang setze voraus, dass die Mutter Einsicht in ihre psychische Verfassung zeige, woran es fehle. Die Antragstellerin verfange sich stets – auch im Anhörungstermin – in dem Wunsch, die Beziehung zu ihrem geschiedenen Mann besprechen zu wollen. In dieser Situation sei es den Kindern nicht zuzumuten, einen erneuten Umgangsversuch zu unternehmen. Denn es bestehe die realistische Gefahr, dass die Antragstellerin die Kontrolle verliere und dann ein erneuter Abbruch drohe. Ein auch nur begleiteter Umgang könne nur möglich sein, wenn sich die Mutter nachhaltig stabilisiert habe und ihre psychische Erkrankung behandeln lasse.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachstandes Bezug nimmt, hat das Amtsgericht das Recht der Antragstellerin auf Umgang mit ihren drei Söhnen für die Dauer von einem Jahr ausgeschlossen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. Sie macht unter anderem geltend, zahlreiche namentlich benannte Personen könnten bestätigen, dass sie nicht gefährlich sei, sondern friedvoll. Sie bedaure die kurzfristige Gewaltanwendung gegenüber den Kindern sehr, tatsächlich seien die Kinder jedoch großer Gewalt in Gestalt von Manipulation und Entfremdung von ihrer Mutter durch die Familie des Kindesvaters ausgesetzt. Bei dem letzten Umgangstermin mit H… sei sie durch Provokationen zusätzlich aufgewühlt worden. Fehler des Kindesvaters würden gekonnt verschwiegen, die dadurch bei ihr entstehenden Irritationen hingegen aufmerksam beschrieben, was sie in einen depressiven Zustand treibe. Die Familie des Kindesvaters und die Familienhelfer hätten sie ignoriert. Das in den Beschlussgründen beschriebene, von einer Jugendamtsmitarbeiterin geleitete Gespräch mit dem Vater sei falsch dargestellt; im Lichte dessen, dass sich der Vater ihr gegenüber grenzüberschreitend verhalten habe, empfinde sie ihr Verhalten im Rückblick als genau richtig. Sie erlebe solcherlei Schikanen andauernd, auch während einer Behandlung im Krankenhaus, in dem offensichtlich die Schwester der Exfreundin des Vaters arbeite, sei sie Schikanen ausgesetzt gewesen. Die Familienhelferin habe bei der Umgangsbegleitung wohl zu Recht eine latente Anspannung, die zu Ausbrüchen führen könnte, gespürt, nachdem sie zu spät gekommen sei und dann intensiveren Kontakt zu H… habe herstellen wollen, als sie, die Mutter, ihn gehabt habe. Es seien Übergriffe wie diejenigen der Schwiegermutter. Jede Mutter würde etwas dagegen haben. Nicht ihr Benehmen, sondern dasjenige der Umgangsbegleiter sei unangemessen gewesen. Sie werde sich für diese Beschimpfungen nicht entschuldigen, solange das Gericht ihre Rolle als Mutter und ihre Menschenwürde in Koalition mit Schwiegermutter, Kindesvater und „Familienhelfern“ mit Füßen trete und sie als Mutter völlig ins Abseits stelle. Ihr Temperament müsse nicht mit demjenigen anderer Menschen deckungsgleich sein und dürfe auch nicht mit Krankheit assoziiert werden.

Alle wirkten an der Entfremdung zwischen ihr und den Kindern mit und wunderten sich über ihre Ausbrüche. Die Schwiegermutter sei dabei die treibende Kraft. Die Provokationen schmälerten ihre Leistungsfähigkeit und machten sie krank. Sie habe von ihren Kindern nie gehört, dass sie keinen Umgang wollten. Die Informationen des Gerichts seien einseitig oder das Gericht habe die wertvolle Bindung durch die Genehmigung des Antrags des Vaters zerstört. Das Gericht könne ihre Bindung zu ihren Kindern nicht beurteilen, es habe sie aus dem Leben ihrer Kinder entsorgt. Das jüngste Kind H… sei nie Zeuge geworden, wie sie den Kindesvater verletzt habe, sondern das ältere Kind N….

Sie sei gesund und stabil. Gericht und Jugendamt maßten sich mit ihren Behauptungen viel an. Sie wolle zu ihrer Familie zurückkehren, die Kinder betreuen und versorgen, weil sie sie liebe und deren Wohlergehen ihr wichtig sei. Sie wolle nicht an anderen Idealen gemessen werden, sondern Mutter sein dürfen und ihrer Arbeit nachkommen.

Der Sache nach verfolgt sie ihr erstinstanzliches Ziel weiter.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat die Betreuungsakte 22 XVII 19/21 beigezogen (Bl. 255R). Er hat die betroffenen Kinder und die Beteiligten persönlich angehört und dem Jugendamt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wegen des Ergebnisses der Anhörungen wird auf die Vermerke vom 14., 23. und 28. September 2022 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Amtsgericht den Umgang der Antragstellerin mit ihren Kindern ausgeschlossen hat. Auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Erörterung in der Beschwerdeinstanz ist von einer Kindeswohlgefährdung auszugehen, sofern Umgang angeordnet wird, § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB.

Nach § 1684 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB kann das Familiengericht den Umgang eines Elternteils mit dem Kind ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Für längere Zeit oder auf Dauer darf der Umgang nur ausgeschlossen werden, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Ein Ausschluss des Umgangs kommt nur als äußerstes Mittel in Betracht, wenn ein milderes Mittel zur Abwehr der Gefährdung des Kindeswohls nicht in Betracht kommt, und ist regelmäßig zu befristen (z.B. BVerfG NZFam 2015, 234: drei Jahre Ausschlussfrist). Eine derartige, den Eingriff in das unter dem Schutz des Grundgesetzes stehende Umgangsrecht des Elternteils mit seinem Kind rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls liegt erst vor, sobald die aufgrund von Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass bei unveränderter Weiterentwicklung der Verhältnisse bei dem Kind mit ziemlicher Sicherheit eine erhebliche Schädigung seines geistigen oder körperlichen Wohls zu erwarten ist (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 112; BGH FamRZ 2019, 598; st. Rspr. der Senate des Brandenburgischen OLG: Senat ZKJ 2012, 356; Brandenburgisches OLG – 3. FamS – FamRZ 2014, 1124; 2. FamS, BeckRS 2022, 10305 Rn. 26, 27).

Diese Voraussetzung hat das Amtsgericht zutreffend bejaht. Die Antragstellerin schildert mit ihrem gesamten Beschwerdevorbringen nichts, was Anhaltspunkte dafür bieten könnte, die festgestellten Gefahren, die von der Anordnung von – auch nur begleitetem – Umgang – ausgehen könnten, würden künftig nicht mehr bestehen. Im Hinblick auf diejenigen Situationen, die Grundlage für die Gefahrenprognose für das Wohl der Kinder waren, namentlich erfolgte Beschimpfungen und Gewaltausbrüche, sieht sich die Antragstellerin gerechtfertigt, weist die Schuld hieran der väterlichen Familie und allen weiteren Akteuren zu und hält daran fest, sich richtig verhalten zu haben. Dass sie ihre aktuelle Lebenssituation grundlegend anders beurteilt, als sie dies im Zeitpunkt der Beschimpfungen und auch der körperlichen Gewaltausbrüche getan hat, oder dass sie sich von Gewaltanwendung – verbaler oder körperlicher Art – im Grundsatz distanziert, lässt sich ihren Ausführungen nicht entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass sie derzeit in der Lage wäre, ihre aktuelle familiäre Situation realistisch und besonnen zu beurteilen und aus der eingetretenen Entwicklung Schlüsse für eine gedeihliche Kontaktgestaltung mit ihren Söhnen zu ziehen, hat der Senat auch bei der persönlichen Anhörung der Beteiligten nicht gewinnen können. Insbesondere verharrt die Beschwerdeführerin – ungeachtet ihrer sehr nachvollziehbar geschilderten Verzweiflung – nach wie vor in der Haltung, die eingetretene familiäre Entwicklung sei das Ergebnis schuldhaften Wirkens anderer, ohne Anzeichen von Reflexion über eigene (Mit-)Verursachungsbeiträge erkennen zu lassen. Vor dem Hintergrund ihrer von der mittlerweile rechtskräftigen Scheidung und den diesen Plan ablehnenden Söhnen völlig unbeeindruckten Idee, wieder mit ihrer Familie zusammen zu leben, vermag der Senat überdies nicht zu erkennen, dass sie die Vorgaben der Realität zur Kenntnis nimmt, wenn sie unbeirrt anstrebt, die Situation vor der Trennung im Wesentlichen wieder herzustellen. Damit ist aber auch nicht zu erwarten, dass sie sich der aktuellen Situation angemessen, kontrolliert und für ihre Kinder verständlich verhalten wird. Unter diesen Umständen besteht aber keine Grundlage für die von der erstinstanzlich getroffenen abweichende Prognose, dass ab sofort Gefährdungen des Kindeswohls durch Impulsdurchbrüche in Anwesenheit der Kinder auszuschließen sein könnten. Anhaltspunkte für eine Veränderung der Situation oder Haltung der Antragstellerin sind nicht ersichtlich. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass sie sich bei Umgangskontakten erneut zu jedenfalls verbal gewalttätigem Verhalten – etwa in Gestalt von Herabwürdigungen oder Bedrohungen des Vaters oder dessen Familie oder den Umgang begleitender Personen auf eine Weise – provoziert sehen wird, die sich eignen würde, die Kinder schwer zu irritieren und ihr Wohl zu beeinträchtigen, wobei der Senat klarstellt, dass mit dieser Risikoeinschätzung kein Schuldvorwurf oder eine Krankheitsdiagnose verbunden ist.

Der Ausschluss des Umgangs entspricht auch dem Willen der Kinder.

Bei der Entscheidung, ob der Umgang auszuschließen oder einzuschränken ist, kommt dem Willen des Kindes, der Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechts ist, mit zunehmendem Alter vermehrt Bedeutung zu. Die eigene Willensbildung ist Ausdruck der Individualität und Persönlichkeit des Kindes als Grundrechtsträger. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört es, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbständigem Handeln Rechnung getragen wird, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann und es durch eine Missachtung seines Willens in seiner Persönlichkeitsentwicklung nicht beeinträchtigt wird (BVerfG FamRZ 2015, 1093). Durch die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit kann ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang unter Umständen mehr Schaden verursachen als Nutzen bringen (BVerfG FamRZ 2016, 1917; Brandenburgisches OLG v. 31. August 2020 – 15 UF 40/18). Dies gilt gerade bei Fällen, in denen das Kind Loyalitätskonflikten ausgesetzt ist (BVerfG FamRZ 2015, 1093). Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Wille auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruht, solange er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist; das Außerachtlassen auch eines beeinflussten Willens ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen (BVerfG FamRZ 2016, 1917; Brandenburgisches OLG, 3. FamS, B. v. 31. August 2020 – 15 UF 40/18). Eine feste Altersgrenze, ab der dem kindlichen Willen jedenfalls im Regelfall nachzukommen ist, existiert nicht; dies ist kindesindividuell zu bestimmen. Mit zunehmendem Alter kommt dem kindlichen Willen eine erhebliche Bedeutung zu (Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 3. Aufl., 2.6.2.4 ff; vgl. auch Brandenburgisches OLG – 2. FamS, FuR 2016 303 – 9 Jahre; OLG Saarbrücken, NZFam 2015, 44 – 11 Jahre).

Alle drei Kinder haben sinngemäß erklärt, den Umgang mit der Mutter abzulehnen, solange sie sich unangemessen oder gewalttätig verhält. So hat N… Eskalationen und Beleidigungen von seiner Mutter befürchtet, A… hat davon gesprochen, die Mutter habe geschlagen und rede unverständlich, H… hat befürchtet, die Mutter könnte „durchdrehen“, herumschreien und „komische Dinge“ sagen, wobei auch er eine wache Erinnerung an von Seiten seiner Mutter erlittene körperliche Gewalt beschrieb. Dem Willen aller drei Kinder kommt wesentliche Bedeutung zu. Alle drei haben sich klar und unmissverständlich äußern können; Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Fähigkeit, die Tragweite des Verfahrens einschätzen zu können, haben sich nicht ergeben. Vor dem Hintergrund des oben Gesagten sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Wille der Kinder ihrem Wohl nicht entsprechen würde.

Demnach steht fest, dass sich bei Anordnung von Umgang eine Gefährdung des Wohls der Kinder ergeben würde, die einen Umgangsausschluss rechtfertigt. Die Anordnung des Umgangsausschlusses erweist sich auch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als allein geeignet, um einer Gefährdung der Entwicklung der Kinder entgegenzuwirken. Der Senat sieht derzeit keine Möglichkeit, mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln hoheitlichen Zwangs durch geeignete Anordnungen auf die Wiederaufnahme von Umgang hinzuwirken. Solange die Antragstellerin für ihr Verhalten, namentlich Beschimpfungen und Gewaltausbrüche, nicht selbst die Verantwortung übernimmt, sondern selbst Gewalttätigkeiten und Impulsdurchbrüche gegenüber den Kindern – scheinbar selbstunkritisch – als adäquat bewertet und zugleich ausschließlich anderen hieran die Schuld zuweist, solange sie im Übrigen – nunmehr schriftlich – versucht, mit unmäßigen Beschimpfungen auf ihre Kinder einzuwirken (vgl. Beschimpfungen des ältesten Sohnes N… Bl. 77 ff., 106 ff., 111 ff.), steht dies der Prognose entgegen, die Antragstellerin sei durchweg zu angemessenem Verhalten und damit zur Gestaltung von Umgangskontakten in der Lage, die das Wohl ihrer Kinder nicht beeinträchtigen. Solches Verhalten wird sich überdies auch nicht eignen, die Umgangsneigung der Kinder zu erhöhen.

2. Geeignete mildere Mittel als der Umgangsausschluss stehen derzeit tatsächlich nicht zur Verfügung. Geeignet sind nur solche Maßnahmen, die eine effektive Gefahrenabwehr gewährleisten. Persönliche Kontakte mittels begleiteten Umgangs sind zuletzt eskaliert. Der betroffene Träger ist nicht mehr bereit, Umgang mit der Antragstellerin zu begleiten. Auch wenn die Antragstellerin signalisiert hat, dass im Verhältnis zu den Umgangsbegleiterinnen persönliche Aversionen eine Rolle gespielt hätten, und spezielle, auf hochkonflikthafte Umgangssituationen spezialisierte Organisationen gegebenenfalls besser in der Lage wären, kindeswohlgefährdenden Situationen entgegen zu wirken, so ist doch vor dem Hintergrund des oben Gesagten derzeit nicht zu erwarten, dass begleiteter Umgang ohne Gefährdung des Kindeswohls gelingen könnte. Die aktuelle Situation, in der die Antragstellerin die eingetretene Entwicklung nicht ansatzweise wahrzunehmen oder zu akzeptieren bereit ist, betrifft nicht allein die Elternebene, sondern das Verhältnis ist auch aufgrund der Gewalterfahrungen der Kinder mit der Mutter belastet. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch begleitete Umgangssituationen derzeit wiederum in irritierendem und kindeswohlgefährdendem Verhalten enden, erscheint deshalb nicht verringert.

Die Anordnung von Umgangspflegschaft wäre kein taugliches Mittel zur Durchführung der Umgangskontakte. Die in § 1684 Abs. 3 Sätze 3 bis 6 BGB geregelte Umgangspflegschaft ist vorrangig ein Instrument zur Durchsetzung des Wohlverhaltensgebotes und im Falle nachhaltig negativer Einflussnahme des betreuenden Elternteils auf die Umgangsdurchführung in Betracht zu ziehen. Sie ist indes kein taugliches Mittel zur Überwindung einer verfestigten Ablehnungshaltung des Kindes selbst.

Auch die Anordnung gerichtlicher Maßnahmen gegen den Vater kommt nicht in Betracht, weil diese jedenfalls nicht geeignet wären, die im konkreten Fall zu besorgenden Gefahren für das Kindeswohl abzuwenden.

3. Die vom Familiengericht veranschlagte Dauer des Ausschlusses des persönlichen Umgangs erweist sich nach den im Beschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnissen als korrekturbedürftig. Die erstinstanzlich ausgesprochene Befristung ist vom Beschwerdegericht durch eine Regelung zu ersetzen, die die Mutter beschwert. Eine solche Entscheidung ist zulässig, weil im Umgangsverfahren von Amts wegen und allein auf das Wohl der Kinder abstellend die nach materiellem Recht gebotene Regelung zu treffen ist. Das Umgangsrecht ist dem Senat mit der Beschwerde auch in vollem Umfang zur Entscheidung angefallen und schließlich gilt – anders als in Familienstreitsachen (vgl. § 117 Abs. 2 iVm § 528 ZPO) – das Verschlechterungsverbot nicht (vgl. OLG Bremen, NJOZ 2018, 1125; OLG Hamm, BeckRS 2016, 12188; OLG Stuttgart, FamRZ 2015, 1727; OLG Hamm, NJW-RR 2011, 1447; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 69 FamFG Rn. 23; BeckOK FamFG/Obermann, Stand 1.10.2022, § 69 FamFG Rn. 44).

Der Senat hat die Frist, innerhalb der der Umgang ausgeschlossen bleiben soll, im Hinblick auf die konkreten, jedes Kind betreffenden Umstände bestimmt. Bei allen drei Kindern ist zum Ende des Gerichtsverfahrens eine stabile Ablehnungshaltung gegen Umgangskontakte mit ihrer Mutter feststellbar, weil diese sich für die Kinder in hohem Maße unverständlich und unangemessen verhält.

H… hat seine Ablehnung in der Anhörung durch den Senat damit begründet, dass seine Mutter beim begleiteten Umgang laut geworden sei, dass sie für ihn unverständlich geredet und in der Vergangenheit gegenüber den Familienmitgliedern Gewalt angewendet habe. Ein Abbau seiner Ablehnung des mütterlichen Umgangswunsches hat sich während des Verfahrens nicht ergeben. Soweit er sich wünscht, seine Mutter solle ihre Tabletten längere Zeit nehmen, damit sie nicht „so“ sei, offenbart dies seinen grundsätzlichen Wunsch nach durch die erlebten Verhaltensänderungen der Mutter unbelastetem Kontakt. Dass ein entsprechend unbelasteter Kontakt derzeit möglich wäre, vermag der Senat allerdings – wie erörtert – derzeit oder innerhalb der Ausschlussfrist nicht zu erwarten.

Auch A… stellt persönliche Kontakte zu seiner Mutter unter die Bedingung, dass sie „gesünder“ wäre. Auch aus seinen Angaben sprach der Wunsch nach einem nachvollziehbaren und gewaltfreien Verhalten der Mutter. Dass die Mutter dies bei Kontakten durchweg gewährleisten könnte, ist – wie erörtert – momentan nicht zu erwarten.

Nach Ablauf der Ausschlussfrist wird A… 12 Jahre alt sein. Der Senat sieht die Möglichkeit, dass A… zu diesem Zeitpunkt – unter Umständen mit Hilfe der wahrgenommenen Psychotherapie – günstigenfalls gelernt haben wird, die familiäre Entwicklung und ihre Folgen, die ihn belasten, einzuordnen, und sich in diesem Zusammenhang eventuell offen zu persönlichem Umgang mit der Mutter zu positionieren.

Auch N… befürchtet auf der Grundlage seiner Erfahrungen, insbesondere auch von seiner Mutter erhaltener Nachrichten, dass persönliche Zusammentreffen mit ihr wieder in Eskalationen und Beleidigungen enden würden. Am Ende der Ausschlussfrist wird er nahezu 17 Jahre alt sein. Er wird dann psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch genommen und prognostisch einen Reifegrad erreicht haben, in dem er seine Position zum Umgang trotz der besonderen Situation in der Familie reflektiert entwickeln kann.

Die Antragstellerin wird die Frist nutzen können, die eingetretene familiäre Entwicklung und die Haltungen ihrer Kinder – gegebenenfalls mit professioneller Hilfe – als solche anzuerkennen und sich im Hinblick auf eine Wiederanbahnung von Umgangskontakten zukunftsorientiert mit der Möglichkeit von Haltungs- und Verhaltensalternativen zu befassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Wertfestsetzung folgt §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

 

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