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Verfahrensrechtliche Durchsetzung der Kindesanhörung

OLG Karlsruhe – Az.: 5 WF 138/22 – Beschluss vom 11.01.2023

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lörrach vom 20.10.2022 aufgehoben.

2. Gerichtskosten werden in beiden Instanzen nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Zahlungspflicht der Antragsgegnerin, weil diese ihre Tochter nicht zur gerichtlichen Kindesanhörung gebracht hatte.

Antragsteller und Antragsgegnerin sind Eltern des Kindes L. S., geb. 2018, das bei der Antragsgegnerin lebt. Mit Schriftsatz vom 21.03.2022 begehrt der Antragsteller die Regelung des Umgangs und der Informationspflicht. Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung der Anträge.

Für den eigenen Anhörungstermin legte die Antragsgegnerin ein Attest ihres Hausarztes vor, nach dem für sie bei einem Zusammentreffen mit dem Antragsteller „das erhebliche Risiko einer psychischen Verschlechterung“ bestehe. Ein Termin zur Kindesanhörung musste – u.a. wegen Erkrankungen des Kindes – mehrfach verschoben werden. Zum Termin vom 23.09.2022 erschien die Antragstellerin mit dem Kind ohne Angabe von Gründen nicht. Mit Verfügung vom gleichen Tag bestimmte das Familiengericht Termin zur Kindesanhörung auf den 04.10.2022. Die Verfügung enthält folgende Regelungen:

Das persönliche Erscheinen zur Aufklärung des Sachverhalts folgender Verfahrensbeteiligter wird angeordnet:

Antragsgegnerin S. B.

Verfahrensrechtliche Durchsetzung der Kindesanhörung
(Symbolfoto: Pixel-Shot/Shutterstock.com)

Die Antragsgegnerin wird aufgefordert, für das Erscheinen des Kindes Sorge zu tragen.

Außerdem wurde ein Hinweis auf Zwangsmittel nach § 35 Abs. 3 FamFG erteilt. Die Verfügung wurde der Antragsgegnerin per Zustellungsurkunde am 28.09.2022 zugestellt, die anderen Beteiligten erhielten eine Nachricht vom Termin.

Am 04.10.2022 erschien die Antragsgegnerin nicht mit dem Kind. Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.10.2022 teilte sie mit, dass sie zur Terminsstunde vor dem Amtsgericht gestanden habe, das (damals 3jährige) Kind sich aber geweigert habe, das Gebäude zu betreten und mit dem Richter allein zu reden.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.10.2022 setzte das Familiengericht gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 € fest, in der Begründung wurde auf § 89 FamFG verwiesen. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 26.10.2022 zugestellt.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz vom 08.11.2022, eingegangen per beA am gleichen Tag. Die Antragsgegnerin macht geltend, sie habe die Terminsladung nicht erhalten, die Rechtsnorm sei nicht einschlägig. Außerdem sei der Umgangsantrag nicht schlüssig.

Das Familiengericht half mit Verfügung vom 11.11.2022 der Beschwerde nicht ab und führte aus, dass Rechtsgrundlage der Festsetzung § 35 FamFG sei.

Die Beteiligten hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als sofortige Beschwerde gemäß § 35 Abs. 5 FamFG mit §§ 567 ff. ZPO statthaft. Es ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache auch Erfolg.

1. Zutreffend hat das Familiengericht in der Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt, dass hier – anders als im angefochtenen Beschluss ausgeführt – keine Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Betracht kommt. Die Voraussetzungen eines Ordnungsgeldes nach § 33 FamFG gegen die Antragsgegnerin liegen nicht vor.

a. Hinsichtlich des persönlichen Erscheinens der Antragsgegnerin ist bereits keine eindeutige Anordnung ergangen. Das persönliche Erscheinen der Antragsgegnerin wird zwar in der Terminsladung zunächst angeordnet, durch den Zusatz wird aber deutlich, dass dies lediglich das Erscheinen des Kindes sichern soll, für das das Erscheinen der Antragsgegnerin nicht erforderlich ist. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das persönliche Erscheinen des betreuenden Elternteils im Rahmen einer Kindesanhörung überhaupt angeordnet werden darf (vgl. dazu OLG Celle, FamRZ 2019, 1875, juris Rn. 9) und ob die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung im Vollstreckungsverfahren nach § 33 FamFG zu prüfen wäre.

b. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG gegen die Mutter wegen des Nichterscheinens des Kindes kommt nicht in Betracht, da dies nur für den Beteiligten selbst vorgesehen ist.

2. Auch die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Mutter nach § 35 FamFG liegen hier nicht vor.

Die Zwangsmittel des § 35 FamFG sind (anders als die Ordnungsmittel nach § 33 FamFG) in die Zukunft gerichtete Beugemittel, durch die eine Handlung oder Unterlassung erzwungen werden soll. Sie sollen nicht den in der Vergangenheit liegenden Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung bestrafen, sie haben keinen Sanktionscharakter (vgl. BGH FamRZ 2017, 1948, juris Rn. 21; Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 6. Auflage 2023, § 35 Rn. 10 m.w.N.). Damit setzen sie eine gerichtliche Anordnung voraus, die in der Zukunft noch durchgesetzt werden soll. Daran fehlt es aber, wenn der in der gerichtlichen Anordnung genannte (einzige) Termin zur Vornahme der Handlung vorüber ist (vgl. OLG Karlsruhe vom 06.08.1997, FamRZ 1998, 1131, juris Rn. 9 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat sich die gerichtliche Anordnung gegen die Antragsgegnerin vom 23.09.2022, das Kind zum Termin vom 04.10.2022 zu bringen, erledigt. Eine in die Zukunft gerichtete weitere gerichtliche Anordnung – wie von § 35 FamFG verlangt – besteht hier nicht.

3. Damit dürfte eine verfahrensrechtliche Durchsetzung der Verpflichtung des betreuenden Elternteils, das Kind zur gerichtlichen Anhörung zu bringen, nicht möglich sein.

Die Vorschrift des § 35 FamFG (so obiter dictum in OLG Celle FamRZ 2019, 1875, juris Rn. 9 und KG Berlin FamRZ 2019, 1702, juris Rn. 28) dürfte dafür ungeeignet sein. Eine gerichtliche Anordnung, das Kind zur Anhörung zu bringen, kann sich immer nur auf einen konkreten Termin beziehen. Die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln nach § 35 FamFG setzt aber wiederum voraus, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt ist.

Insoweit besteht wohl eine Gesetzeslücke. Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33 Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Kind nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG dürfte jedenfalls bei einem 4jährigen Kind daran scheitern, dass dieses nicht unentschuldigt fehlt. Damit kommt auch eine zwangsweise Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht in Betracht.

4. Sollte eine nach § 159 FamFG zwingend vorzunehmende persönliche Anhörung des Kindes an der fehlenden Mitwirkung des betreuenden Elternteils scheitern, wäre verfahrensrechtlich zu prüfen, ob nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein schwerwiegender Grund für das Absehen nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG vorliegt. Anderenfalls wäre materiell-rechtlich über eine (vorläufige) punktuelle Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB nachzudenken. Dies wird häufig die Einleitung eines gesonderten Verfahrens erforderlich machen.

Außerdem könnte ggfs. in der Sache – ggfs. in einem gesonderten Verfahren – eine einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes ergehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

Einer Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren bedarf es mangels Antrags nach § 55 FamGKG nicht, da hier nach Ziffer 1912 KV FamGKG eine Festgebühr anfällt.

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