Tod nach Scheidung: Kein Anspruch auf Versorgungsausgleich für Erben.
Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Offenburg betrifft den Versorgungsausgleich im Fall eines verstorbenen Ehepartners. Der Mann hatte Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, wonach ihm keine Ausgleichsansprüche zustehen. Nach dem Tod seiner Ex-Frau sei der Versorgungsausgleich nicht mehr möglich, da die Erben keinen Anspruch darauf haben. Der Versorgungsausgleich dient dazu, sicherzustellen, dass beide Ehepartner nach einer Scheidung über eine ausreichende Alters- und Invaliditätsversorgung verfügen. Im konkreten Fall hatte der Mann während der Ehezeit Anrechte mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 62.408,79 € erlangt, während die Anrechte der verstorbenen Ex-Frau nur 34.059,60 € betrugen. Da der Versorgungsausgleich insgesamt nicht stattfindet, sind weder Erben noch Hinterbliebene zu beteiligen. Die Entscheidung führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens müssen die Beteiligten jeweils selbst tragen. Der Verfahrenswert beträgt 2.485,80 €.
OLG Karlsruhe – Az.: 5 UF 213/21 – Beschluss vom 07.07.2022
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Offenburg vom 07.10.2021 abgeändert und in Ziffer 2 des Tenors wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.485,80 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Folgesache Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund.
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Offenburg vom 07.10.2021 wurde die 1996 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten aufgrund des 2020 zugestellten Scheidungsantrags geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Dabei wurde ein Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (weitere Beteiligte Ziffer 1) und ein Anrecht der Antragsgegnerin bei der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, Deutsche Bundespost, Fachbereich Versorgung (weitere Beteiligte Ziffer 2) jeweils im Wege der internen Teilung ausgeglichen.
Gegen diese dem Antragsteller am 13.10.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner am 11.11.2021 beim Amtsgericht Offenburg eingegangenen Beschwerde.
Er trägt vor, dass die Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (weitere Beteiligte Ziffer 3) ein Konto unterhalten würde und davon auszugehen sei, dass die Antragsgegnerin auch dort während der Ehezeit ausgleichspflichtige Rentenanwartschaften erworben habe.
Der Ausspruch zur Ehescheidung ist seit 2021 rechtskräftig. 2022 ist die Antragsgegnerin verstorben.
Die weitere Beteiligte Ziffer 3 hat am 09.03.2022 eine Auskunft zu den von der Antragsgegnerin während der Ehezeit erworbenen Anrechten erteilt. Die weitere Beteiligte Ziffer 2 hat unter Berücksichtigung dieser Anrechte am 12.04.2022 ihre Auskunft vom 10.03.2021 abgeändert.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 58 ff., 228 FamFG zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt.
2. Seine Beschwerde richtete sich zunächst nur gegen den Nichtausgleich eventueller Anrechte der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten Ziffer 3. Durch den Tod der Antragsgegnerin ist jedoch aufgrund der Regelung des § 31 VersAusglG nunmehr der gesamte Versorgungsausgleich Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Beschwerde des Antragstellers führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
a) Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber noch vor einer abschließenden Entscheidung über den Versorgungsausgleich, so findet ein Ausgleich nach §§ 9 ff. VersAusglG nicht mehr statt. Die Erben haben gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG keinen Anspruch auf Wertausgleich. Das bedeutet, dass der Ausgleichsanspruch des Ausgleichsberechtigten nicht auf dessen Erben übergeht. Denn der Versorgungsausgleich dient ausschließlich dazu, sicherzustellen, dass beide Eheleute auch nach einer Scheidung über eine ausreichende Alters- und Invaliditätsversorgung verfügen. Dieser Zweck kann aber nicht mehr erreicht werden, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte gestorben ist. Der Ausgleichsanspruch des Ausgleichsberechtigten geht deshalb unter. § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG regelt also – ohne dies ausdrücklich zu benennen – den Tod des Ausgleichsberechtigten (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2020, 837, juris Rn. 7; jurisPK/Breuers, BGB, 9. Auflage 2020, § 31 VersAusglG Rn. 14).
b) Da vorliegend die Gesamtsaldierung der Anrechte des Antragstellers und der Antragsgegnerin auf der Basis der korrespondierenden Kapitalwerte ergibt, dass die Antragsgegnerin ausgleichsberechtigt war, findet der Versorgungsausgleich insgesamt nicht statt, was im Tenor entsprechend § 224 Abs. 3 FamFG klarstellend auszusprechen ist (vgl. OLG München FamRZ 2012, 1387, juris Rn. 17 u. 20; Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 31 VersAusglG Rn. 7).
Der Antragsteller hat während der Ehezeit ausweislich der Auskunft der weiteren Beteiligten Ziffer 1 vom 18.06.2021 Anrechte mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 62.408,79 € erlangt. Die Anrechte, die die Antragsgegnerin während der Ehezeit erzielt hat, belaufen sich hingegen gemäß der Auskunft der weiteren Beteiligten Ziffer 3 vom 09.03.2022 (819,11 €) und der Auskunft der weiteren Beteiligten Ziffer 2 vom 12.04.2022 (33.240,49 €) nur auf einen korrespondierenden Kapitalwert von insgesamt 34.059,60 €.
3. Einer Beteiligung der Hinterbliebenen und der Erben der Antragsgegnerin am vorliegenden Verfahren bedarf es in der vorliegenden Konstellation – Versterben des insgesamt ausgleichsberechtigten Ehegatten zwischen Rechtskraft der Scheidung und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich – nicht, da die Regelung des § 219 Nr. 4 FamFG nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Erben erfasst, die einen ausgleichspflichtigen Ehegatten beerben und das Verfahren nach dessen Tod in Verfahrensstandschaft im Sinne des § 31 VersAusglG weiterführen, und nur solche Hinterbliebenen, die durch die Teilung der verfahrensgegenständlichen Anrechte in ihren Rechten auf Hinterbliebenenversorgung betroffen sein können (vgl. AG Ludwigslust FamRZ 2013, 704, juris Rn. 12 ff. mit abl. Anmerkung Borth zu einem anderen Aspekt der Entscheidung; AG Stuttgart vom 30.10.2014 – 22 F 604/13, juris Rn. 17; jurisPK/Breuers, a.a.O., § 31 VersAusglG Rn. 57; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Auflage 2018, § 219 FamFG Rn. 15).
Da im vorliegenden Verfahren kein Versorgungsausgleich mehr stattfindet und das Verfahren nicht weitergeführt wird, sind weder Erben noch Hinterbliebene zu beteiligen. Soweit in der Literatur teilweise vertreten wird, dass im Fall des Versterbens eines Ehegatten zwischen Rechtskraft der Scheidung und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich die Erben zu beteiligen sind, betrifft dies andere Fallkonstellationen (vgl. zum Fall des Versterbens des ausgleichspflichtigen Ehegatten und somit Versorgungsausgleich zugunsten des überlebenden Ehegatten: Johannsen/Henrich/Althammer/Holzwarth, a.a.O., § 31 VersAusglG Rn. 4; so wohl auch Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Auflage 2017, Rn. 543 und Erman/Norpoth/Sasse, BGB, 16. Auflage 2020, § 31 VersAusglG Rn. 2; zum Fall schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche: Borth, Versorgungsausgleich, 8. Auflage 2017, Kapitel 3 Rn. 190).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150, 81, 84 FamFG. Vorliegend entspricht es der Billigkeit, im Beschwerdeverfahren von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen und anzuordnen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen haben.
2. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG und beruht auf den Angaben der Ehegatten zu ihren Nettoeinkommen gegenüber dem Familiengericht. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind drei Anrechte ((586 € + 1.500 € + 276 € + 400 €) * 3 : 10 * 3 = 2.485,80 €).