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Ehescheidung vor Ablauf des Trennungsjahres – Unzumutbare Härte bei ernsthafter Bedrohung

OLG Dresden – Az.: 23 UF 1041/11 – Beschluss vom 16.04.2012

Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Plauen vom 01.09.2011 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht – Familiengericht – Plauen zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind miteinander verheiratet. Die Antragstellerin begehrt die Scheidung vor dem Ablauf des Trennungsjahres.

Auf den Tatbestand des angegriffenen Beschlusses wird Bezug genommen.

Ehescheidung vor Ablauf des Trennungsjahres - Unzumutbare Härte bei ernsthafter Bedrohung
Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com

Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die durchgeführte Beweisaufnahme das Vorbringen der Antragstellerin nicht im vollen Umfange bestätigt habe. Zur Überzeugung des Gerichtes stehe zwar fest, dass der Antragsgegner die Antragstellerin am 22.05.2011 bedroht habe, jedoch nicht zum Schlag auf das Fahrzeug, in dem sie sich befunden habe, ausgeholt habe. Der festgestellte Sachverhalt begründe keine unzumutbare Härte. Er zeige zwar ein erhebliches Fehlverhalten des Antragsgegners, es sei aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Trennung in der Regel eine Ausnahmesituation darstelle, nicht von solcher Schwere, dass es unzumutbar sei, das Trennungsjahr abzuwarten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Antragsgegner im Gewaltschutzverfahren einsichtig gezeigt habe, als er in der mündlichen Verhandlung am 09.06.2011 sich vergleichsweise verpflichtet habe, die eheliche Wohnung bis zum 30.07.2011 zu räumen. Unter diesen Umständen sei eine Wiederholung der Vorkommnisse nicht zu erwarten.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie hält die Sachverhaltsfeststellungen des Amtsgerichts für unvollständig und die rechtliche Würdigung für unzutreffend.

Sie beantragt, wie folgt zu erkennen:

I. Der Beschluss des Amtsgerichts Plauen – Familiengericht – vom 01.09.2011, Gz. 2 F 450/11, wird aufgehoben.

II. Die am 11.05.2002 vor dem Standesbeamten des Standesamtes …, Heiratsregister-Nr. …/2002, geschlossene Ehe der Beteiligten wird geschieden.

III. Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt.

Hilfsweise beantragt die Antragstellerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Akte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat im Wesentlichen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht.

Die Zurückweisung des Scheidungsantrages durch das Amtsgericht ist zu Unrecht erfolgt. Die Scheidungsvoraussetzungen gemäß § 1565 Abs. 2 BGB lagen und liegen vor. Hiernach kann die Ehe, wenn die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben, nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Diese unzumutbare Härte liegt nach Auffassung des Senates vor. Sie muss sich auf das Eheband, d. h. das „Weiter-Miteinander-Verheiratet-Sein“ beziehen, nicht bloß auf die Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens. An die unzumutbare Härte sind strenge Anforderungen zu stellen. Da es sich um eine Ausnahmesituation gegenüber der bloß gescheiterten Ehe handeln muss, kommt eine vorzeitige Scheidung bei bloßen Schwierigkeiten, Unstimmigkeiten oder ehetypischen Zerwürfnissen nicht in Betracht (Brudermüller in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1565 Rdn. 9). Ausreichend für die Annahme einer unzumutbaren Härte in diesem Zusammenhang können jedoch unter anderem schwere Beleidigungen, grobe Ehrverletzungen, grobe Verstöße gegen die ehelichen Pflichten und ernsthafte Bedrohungen sein (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.01.2001, 9 UF 166/00, juris, Rdn. 18).

Solche Bedrohungen liegen hier vor. Wie das Amtsgericht – vom Antragsgegner nicht angegriffen – festgestellt hat, hat der Antragsgegner die Antragstellerin am 22.05.2011 mit den Worten bedroht „Ich bringe dich um! Du kommst nicht mehr lebend vom Hof!“. Der Antragsgegner hielt dabei einen Zimmermannshammer in der Hand. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte er ihn zwar zwischenzeitlich nur noch hinter dem Rücken gehalten. Kurz zuvor war er jedoch mit erhobenem Zimmermannshammer aus der Garage gekommen. Die Drohung erfolgte nicht aus einer typischen Streitsituation heraus. Die Antragstellerin war vielmehr kurz zuvor mit dem Auto auf das Grundstück gefahren, um sich Sachen aus der Wohnung zu holen. Der Antragsgegner befand sich in der Garage, kam heraus und äußerte sofort die Drohung. Die besondere Enthemmung zeigt sich auch darin, dass der Antragsgegner sich nicht durch die anwesenden Zeugen abschrecken ließ, solche erheblichen Bedrohungen zu äußern. Wegen dieser Tat ist gegen den Antragsgegner schließlich auch vom Amtsgericht Plauen mit Strafbefehl vom 10.10.2011 – rechtskräftig – eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen verhängt worden.

Dies war allerdings nicht der einzige Vorfall. In einem anderen Vorfall, den das Amtsgericht ebenfalls festgestellt hat, am 21.04.2011, kam es zwischen dem Vater der Antragstellerin und dem Antragsgegner zu einer Auseinandersetzung, in deren Folge der Antragsgegner den Vater der Antragstellerin mit beiden Händen packte und gegen die Hauswand drückte, sodass der Vater der Antragstellerin zu Fall kam, wobei er Hautabschürfungen davontrug. Diese Tat richtete sich zwar nicht gegen die Antragstellerin selbst. Allerdings geschah sie auf dem Grundstück, auf dem sich die eheliche Wohnung befand. Auf diesem Grundstück wohnen auch die Eltern der Antragstellerin. Dieser Vorfall zeigt, dass der Antragsgegner durchaus nicht nur droht, sondern auch tatsächlich Gewalt anwendet.

Eine weitere Drohung hat der Antragsgegner am 26.06.2011 telefonisch gegenüber der Zeugin C. geäußert. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat er ihr telefonisch erklärt, dass die Eheleute sich getrennt hätten. Er habe alles so satt, er werde das Haus anzünden und alle umbringen.

Der Antragsgegner hat Drohungen auch vorher bereits ausgesprochen. Der Zeuge D. hat angegeben, dass der Antragsgegner bereits in der Vergangenheit wiederholt geäußert habe, dass er das Haus anzünden wolle. Auch die Zeugen D. und S. haben, so das Amtsgericht, übereinstimmend bekundet, dass der Antragsgegner bereits in der Vergangenheit vor der Trennung der Beteiligten wiederholt geäußert habe, alles anzuzünden. Der Zeuge D. habe dazu ausgesagt, dass dies im Streit geschehen sei und man dies nicht ernst genommen habe. Das Gericht hat aber an der Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Zweifel gehabt und ihre Aussagen für glaubhaft gehalten.

Das Verhalten des Antragsgegners hat letztlich dazu geführt, dass die Eltern der Antragstellerin und dann auch die Antragstellerin selbst vorübergehend aus dem Haus ausgezogen waren, um weiteren Bedrohungen und Tätlichkeiten zu entgehen.

All dies zusammengenommen reicht nach Auffassung des Senates für die Annahme einer unzumutbaren Härte aus. Das Verhalten des Antragsgegners war schwerwiegend. Insbesondere der Vorfall am 22.05.2011 war erheblich, weil die Drohung ohne vorangegangene Auseinandersetzung geäußert wurde und der Antragsgegner dabei noch einen Zimmermannshammer in der Hand hatte. Dies geschah zumal zu einem Zeitpunkt, als die Antragstellerin und die Eltern der Antragstellerin das Grundstück vorübergehend verlassen hatten, sodass eine unmittelbare, ständige Konfliktsituation nicht mehr vorhanden war.

Entsprechende Drohungen hatte der Antragsgegner auch vorher schon ausgestoßen. Er hat sie auch noch während des laufenden Verfahrens, namentlich am 26.06.2011, gegenüber der Zeugin C. geäußert.

Drohungen, den Ehegatten zu töten, können eine solche unzumutbare Härte darstellen, selbst wenn sie nur gegenüber Dritten geäußert werden (OLG Brandenburg, a.a.O. Rdn. 19). Der Senat hält die Drohungen insgesamt im vorliegenden Fall für so erheblich, dass eine solche Härte vorliegt.

Dem steht nicht entgegen, wie das Amtsgericht meint, dass sich die Situation zwischenzeitlich durch die Durchführung des Gewaltschutzverfahrens beruhigt hatte. Denn Maßnahmen, die vor erneuten Bedrohungen oder gar körperlichen Übergriffen schützen, auch Gewaltschutzanordnungen, besagen nichts darüber, ob es dem Ehepartner zuzumuten ist, das eheliche Band aufrechtzuerhalten (OLG Schleswig, Beschluss vom 31.01.2007, 15 WF 22/07, juris, Rdn. 5). Insbesondere entfällt das Merkmal der unzumutbaren Härte nicht dadurch, dass die die besondere Härte begründenden Umstände inzwischen einige Zeit zurückliegen.

Die Aufhebung des den Scheidungsantrag abweisenden Beschlusses führt zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht (§ 146 Abs. 1 FamFG). Denn beim Familiengericht steht noch die Folgesache Versorgungsausgleich zur Entscheidung an. Der Versorgungsausgleich ist nicht entscheidungsreif, weil die Auskünfte noch nicht eingeholt sind. Auch eine Entscheidung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG kann nur nach Einholung der Auskünfte ergehen. Der Senat hat zudem erhebliche Zweifel daran, ob die Voraussetzungen des § 27 VersAusglG vorliegen. Bedrohungen dürften in der Regel nicht ausreichen, die Durchführung des Versorgungsausgleiches als grob unbillig erscheinen zu lassen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Amtsgericht an die Auffassung des Senats gebunden ist (§ 146 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Bei Vorliegen einer unzumutbaren Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB – wie hier – ist in der Regel die Abtrennung des Versorgungsausgleiches gemäß § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG angezeigt, so dass das Familiengericht in der Lage sein wird, die Scheidung kurzfristig auszusprechen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Amtsgerichts vorbehalten.

Der Gegenstandswert ist bereits mit Beschluss vom 26.03.2012 festgesetzt worden.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor.

 

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