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Eheaufhebung wegen Verschweigen von minderjährigen Kindern

Eheanfechtung: Verheimlichte Kinder führen zur Aufhebung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Fall einer Eheaufhebung aufgrund des Verschweigens minderjähriger Kinder durch die Antragsgegnerin entschieden. Der Antragsteller behauptete, von den Kindern nichts gewusst zu haben, was für ihn ein Grund zur Nichtschließung der Ehe gewesen wäre. Das Gericht konnte jedoch nicht eindeutig feststellen, ob eine arglistige Täuschung vorlag. Die Ehe wurde letztlich aufgrund des Scheiterns geschieden, nicht aufgehoben.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 UF 102/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unklarheit über arglistige Täuschung: Das Gericht konnte nicht zweifelsfrei klären, ob die Antragsgegnerin den Antragsteller über ihre Kinder arglistig getäuscht hat.
  2. Beweislast: Die Beweislast für die arglistige Täuschung lag beim Antragsteller.
  3. Widersprüchliche Aussagen: Beide Parteien machten unterschiedliche Angaben zum Ablauf des Kennenlernens und zur Kommunikation über die Kinder.
  4. Keine eindeutige Kausalität: Es konnte nicht sicher festgestellt werden, dass die Kenntnis über die Kinder den Antragsteller von der Ehe abgehalten hätte.
  5. Scheidung statt Aufhebung: Die Ehe wurde letztlich aufgrund des Scheiterns geschieden, nicht aufgrund des Verschweigens der Kinder aufgehoben.
  6. Zuständigkeit deutscher Gerichte: Das Gericht bestätigte seine internationale Zuständigkeit für die Entscheidung.
  7. Keine Beweislastumkehr: Trotz des anfänglichen Verschweigens der Kinder durch die Antragsgegnerin kam es zu keiner Beweislastumkehr.
  8. Kostenentscheidung: Über die Kosten des Verfahrens muss das Familiengericht entscheiden.

Eheaufhebung: Wenn Familiengeheimnisse vor Gericht landen

In der Welt des Familienrechts stellt die Eheaufhebung ein seltenes und zugleich hochkomplexes Verfahren dar, das tief in die persönlichen Lebensumstände der Beteiligten eindringt. Kernthema solcher Fälle ist häufig die arglistige Täuschung, ein Rechtsbegriff, der vor allem dann ins Spiel kommt, wenn wesentliche Umstände einer Ehe verschwiegen wurden – wie beispielsweise das Vorhandensein minderjähriger Kinder. Solche Verfahren werfen nicht nur juristische, sondern auch ethische und gesellschaftliche Fragen auf und führen oft zu intensiven Auseinandersetzungen vor Gericht.

Im speziellen Fall, der vor dem OLG Karlsruhe verhandelt wurde, steht die Anfechtung einer Ehe im Mittelpunkt, die durch das Verschweigen von minderjährigen Kindern durch einen der Ehepartner gekennzeichnet ist. Dieses Thema berührt fundamentale Aspekte des Familienrechts wie Eheverträge, Unterhaltsansprüche und die Pflicht zur Offenheit zwischen den Ehepartnern. Die Entscheidung des Gerichts in solchen Fällen setzt oft bedeutende Präzedenzfälle für ähnliche Situationen. Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Details dieses speziellen Falles werfen, der nicht nur für Juristen, sondern auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein dürfte.

Die Verwebung von Ehe, Täuschung und Recht: Ein Fall am OLG Karlsruhe

Im Fokus eines aufsehenerregenden Rechtsfalles am Oberlandesgericht Karlsruhe steht eine Eheaufhebung, die durch die arglistige Täuschung über das Vorhandensein von minderjährigen Kindern ausgelöst wurde. Dieser Fall beleuchtet nicht nur die Komplexität des Familienrechts, sondern auch die persönlichen und emotionalen Verstrickungen, die in rechtliche Auseinandersetzungen münden können.

Ein deutscher Antragsteller, geboren 1942, und eine auf den Philippinen geborene Antragsgegnerin (Jahrgang 1981) fanden über das Internet zueinander. Der Antragsteller, auf der Suche nach einer Ehefrau im asiatischen Raum, wusste zunächst nichts von den zwei vorehelichen Kindern der Antragsgegnerin. Die Heirat erfolgte im August 2018 in Hongkong, ohne dass der Antragsteller über die Existenz der Kinder informiert war. Erst im Laufe des Verfahrens wurde offenbart, dass die Antragsgegnerin diese Tatsache bewusst verschwiegen hatte.

Juristische Wendungen im Familienrecht

Der Antragsteller stellte im November 2021 den Antrag auf Eheaufhebung, hilfsweise auf Scheidung, nachdem er von den Kindern erfuhr. Der Kern des Problems liegt in der Frage, ob die Antragsgegnerin ihren damaligen Partner über das Vorhandensein ihrer Kinder informierte oder nicht. Die Antragsgegnerin behauptete, sie habe die Kinder erwähnt, was der Antragsteller bestritt. Hier liegt die rechtliche Herausforderung: Es muss bewiesen werden, ob eine arglistige Täuschung vorlag, die den Antragsteller bei Kenntnis der wahren Sachlage von der Eheschließung abgehalten hätte.

Beweislast und Gerichtsentscheidungen

Das Familiengericht Lörrach wies den Antrag auf Eheaufhebung ab, da nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob die Antragsgegnerin ihren Partner arglistig getäuscht hat. Dies führte zu einer Beschwerde und der anschließenden Aufhebung des Beschlusses durch das OLG Karlsruhe. Das Gericht sah es als notwendig an, die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Interessant ist hierbei die juristische Feinheit, dass trotz des Verdachts der arglistigen Täuschung eine eindeutige Beweisführung nicht möglich war.

Ehescheidung als unumgänglicher Schlusspunkt

Letztendlich wurden die Voraussetzungen für eine Ehescheidung als erfüllt angesehen. Nach § 1565 BGB ist eine Ehe dann geschieden, wenn sie gescheitert ist, was bei diesem Paar der Fall war. Beide Parteien lebten getrennt und eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft war nicht zu erwarten. Dieser Fall verdeutlicht, wie im Familienrecht emotionale und private Angelegenheiten mit rechtlichen Normen kollidieren können.

Das Urteil des OLG Karlsruhe wirft ein Schlaglicht auf die juristischen und menschlichen Komplexitäten, die in Fällen der Eheaufhebung und Scheidung vor Gericht verhandelt werden. Es zeigt, wie entscheidend die Rolle der Beweisführung und die Interpretation persönlicher Absichten für das rechtliche Ergebnis sind. Der Fall bleibt in seiner Gesamtheit ein Beispiel dafür, wie tief das Familienrecht in die privatesten Bereiche des Lebens eingreifen kann.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird arglistige Täuschung im Kontext einer Eheschließung definiert?

Die Täuschung kann durch aktives Handeln oder durch Unterlassen erfolgen. Im Falle des Unterlassens muss jedoch eine Offenbarungspflicht vorliegen, die sich entweder aus einer ausdrücklichen Nachfrage des anderen Teils oder aus den Gesamtumständen ergeben kann. Eine Täuschung über Vermögensverhältnisse ist allerdings von dieser Regel ausgenommen.

Praktische Beispiele für arglistige Täuschung können die nachhaltige Ausübung der Prostitution, fehlende Bereitschaft die Ehe zu vollziehen, Beischlafunfähigkeit oder Sterilität, Täuschung über das Vorhandensein von Kindern oder Täuschung über das Vorhandensein einer Schwangerschaft von einem Dritten sein.

Die Täuschung muss ursächlich dafür gewesen sein, dass der betroffene Ehegatte die Ehe eingegangen ist. Dies erfordert sowohl eine objektive Prüfung der Ursächlichkeit der Täuschung für die Eheschließung („richtige Würdigung des Wesens der Ehe“) als auch eine subjektive Prüfung, dass der betroffene Ehegatte bei „Kenntnis der Sachlage“ tatsächlich die Ehe nicht eingegangen wäre.

Die Aufhebung der Ehe ist nur dann möglich, wenn über Umstände getäuscht wird, die die Grundlage des ehelichen Zusammenlebens berühren und für das eheliche Familienleben von Bedeutung sind. Nur der getäuschte Ehegatte, also der Gutgläubige, kann Unterhalt verlangen, gemäß § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 5 UF 102/22 – Beschluss vom 31.03.2023

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lörrach vom 10.08.2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur erneuten Festsetzung des Verfahrenswerts an das Amtsgericht – Familiengericht – Lörrach zurückverwiesen.

2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 112.700 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 1942 in Deutschland geborene Antragsteller ist Betreiber eines …. Im Internet suchte er gezielt nach einer Ehefrau im asiatischen Raum. Dabei traf er im Mai 2017 auf die 1981 auf den Philippinen geborene Antragsgegnerin. Diese hat zwei voreheliche Kinder, eine Tochter geb. 1999 und einen Sohn, geb. 2003, von zwei verschiedenen Vätern, mit denen sie nicht verheiratet war. Bis zur Übersiedlung nach Deutschland lebte die Antragsgegnerin mit ihren Kindern zusammen. Von den Kindern erzählte die Antragsgegnerin bei der Kontaktaufnahme dem Antragsteller zunächst nichts.

Nachdem über ein Jahr nahezu täglich virtuelle Kontakte erfolgt waren, kam es ohne vorheriges persönliches Treffen am 29.08.2018 zur Heirat vor dem Standesbeamten in Hongkong. Erst mehr als zwei Jahre später reiste die Antragsgegnerin am 11.09.2020 nach Deutschland ein und zog zum Antragsteller.

Die Antragsgegnerin war beim Antragsteller angestellt und erhielt ein Einkommen von ca. 1.300 bis 1.400 €. Davon überwies die Antragsgegnerin regelmäßig Geld an ihre Familie auf den Philippinen, mit der sie regelmäßig im Kontakt stand.

Die Ehe ist kinderlos geblieben.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.11.2021 beantragte der Antragsteller die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung der Ehe. Der Antrag wurde der Antragsgegnerin laut Zustellungsurkunde am 27.11.2021 durch Einlegung in den (gemeinsamen) Briefkasten zugestellt. Tatsächlich wurde die Post ins Haus gebracht, hier übergab der Antragsteller der Antragsgegnerin am 10./11.12.2021 den verschlossenen Umschlag.

Am 10./11.12.2021 kehrte die Antragsgegnerin nach einer mehrwöchigen Abwesenheit in die Ehewohnung zurück, aus der sie am 31.01.2022 schließlich endgültig auszog.

Die Antragsgegnerin trat mit Anwaltsschriftsatz vom 28.01.2022 dem Antrag entgegen und rügte die fehlerhafte Zustellung. Sie beantragte die Durchführung des Versorgungsausgleichs und kündigte einen Stufenantrag zum Zugewinn an. Diese Anträge stellte sie im Termin vom 27.04.2022 (I 333). Außerdem ist ein Verfahren über Trennungsunterhalt anhängig.

Der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe ihm ihre zwei minderjährigen Kinder verschwiegen, auch auf Nachfrage. Falls er Kenntnis hiervon gehabt hätte, hätte er die Ehe nicht geschlossen. Von den Kindern habe er erst wenige Tage vor der Einleitung des vorliegenden Verfahrens erfahren.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe die Kinder vor der Heirat erwähnt, daraufhin habe sich der Antragsteller zunächst zwei Wochen nicht mehr gemeldet. Schließlich habe er wieder den Kontakt aufgenommen und ihr eingeschärft, davon niemandem zu erzählen, da sie sonst nicht nach Deutschland einreisen dürfe.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.05.2022 hat das Familiengericht den Antrag und den Hilfsantrag des Antragstellers abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller ihre Kinder verschwiegen habe. Dies betreffe den höchstpersönlichen Lebensbereich der Antragsgegnerin und könne keine Eheaufhebung begründen. Außerdem habe der Antragsteller die Zwangssituation der Antragsgegnerin zu seinem Vorteil ausgenutzt, daher könne der Antragsgegnerin ein Verschweigen nicht vorgeworfen werden. Auch eine unzumutbare Härte für eine vorzeitige Scheidung läge nicht vor. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 13.05.2022 zugestellt (I 393).

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers mit Anwaltsschriftsatz vom 27.05.2022, eingegangen beim Familiengericht am gleichen Tag.

Der Antragsteller beantragt:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Lörrach abgeändert. Die am 29.08.2018 vor dem Standesamt in Hongkong geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben.

Hilfsweise wird beantragt:

Die am 29.08.2018 vor dem Standesamt in Hongkong geschlossene Ehe der Beteiligten wird geschieden.

Die Antragsgegnerin beantragt:

Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich der Eheaufhebung.

Dem Scheidungsantrag tritt sie nach Ablauf des Trennungsjahres nicht mehr entgegen.

Der Senat hat die Ehegatten im Beschwerdeverfahren persönlich angehört.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der angefochtene Beschluss ist gemäß § 146 FamFG aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit dort eine Entscheidung, auch über die anhängigen Folgesachen, ergehen kann.

1. Die auch in zweiter Instanz von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich nach der Übergangsbestimmung in Art. 100 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25.06.2019 (Brüssel IIb-VO) weiterhin aus Art. 3 Abs. 1 a), 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (Brüssel IIa-VO). Danach sind die Gerichte desjenigen Staates für Entscheidungen über die Ehescheidung international zuständig, in dessen Hoheitsgebiet beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Beide Ehegatten wohnen seit mehreren Jahren in Deutschland und hatten zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

2. In der Sache ist gemäß Art. 8 a) der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) deutsches Recht anzuwenden, da die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten und eine Rechtswahl nach Art. 5 der Verordnung nicht getroffen haben.

3. Im Ergebnis zu Recht hat das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Ehe abgewiesen.

Nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten.

a) Im vorliegenden Fall kann bereits nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller über das Vorhandensein ihrer vorehelichen Kinder arglistig getäuscht hat. Die Frage, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller vor der Eheschließung von ihren beiden Kindern erzählt hat, ist streitig und muss durch Beweisaufnahme geklärt werden. Grundsätzlich trägt der Antragsteller die Beweislast für das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes, da er die Eheaufhebung betreibt (vgl. Grüneberg/Siede, BGB, 82. Auflage 2023, § 1314 Rn. 15).

aa) Zunächst hat die Antragsgegnerin eingeräumt, dass sie dem Antragsteller zumindest anfangs das Vorhandensein ihrer Kinder bewusst verschwiegen hat.

In der E-Mail vom 17.06.2017 (I 279) hatte die Antragsgegnerin auf die Bitte des Antragstellers, alles von sich zu erzählen, mitgeteilt, dass ihre Eltern verstorben seien. Sie habe sechs Geschwister, die ihre eigene Familie hätten, nur sie sei nicht verheiratet. Nach unbefangenem Verständnis suggerierte sie damit, dass sie – anders als ihre Geschwister – keine Familie habe. Tatsächlich war sie zu dieser Zeit zwar nicht verheiratet, lebte allerdings mit ihrer gerade 18jährigen Tochter und ihrem gerade 14jährigen Sohn zusammen. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass die Antragsgegnerin dieses bewusste Verschweigen in der gerichtlichen Anhörung vom 30.03.2022 eingeräumt hat mit den Worten: „Beim ersten Mal sagt man nicht gleich alles.“ In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht hat sie selbst ausgeführt, dass sie gelogen habe, keine Kinder zu haben. Ein Recht der Antragsgegnerin zur Lüge, von der das Familiengericht im angefochtenen Beschluss ausgeht, kann nicht angenommen werden. Dafür besteht keinerlei rechtliche Grundlage. Anders als etwa bei einem Arbeitsrechtsverhältnis geht es bei der Eheschließung gerade um den höchstpersönlichen Lebensbereich der Ehegatten.

Dies führt aber nicht zu einer Beweislastumkehr in dem Sinne, dass die Antragsgegnerin wegen dieser erfolgten Täuschung nunmehr beweisen müsste, dass sie später die Kinder offenbart hat. Denn der Antragsteller trägt die Beweislast für eine arglistige Täuschung, die ihn zur Ehe bestimmte. Selbst wenn einzelne Elemente dieses Eheaufhebungsgrundes unstreitig sein sollten, ist es der Gesamtsachverhalt nicht.

Umgekehrt ist die Antragsgegnerin mit ihrem Vortrag ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, die besteht, da der Antragsteller ein sog. negatives Tatbestandsmerkmal zu beweisen hat.

bb) Die zwischen den Beteiligten streitige Behauptung der Antragsgegnerin, dass sie bei mindestens einer anderen Gelegenheit noch vor der Eheschließung dem Antragsteller von den Kindern erzählt hat, konnte vom Senat letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

(1) Die Antragsgegnerin hat mehrfach schriftlich und mündlich dargelegt, sie habe dem Antragsteller vor der Hochzeit erklärt, dass sie zwei Kinder habe. Dieser habe ihr nur gesagt, sie könne diese nicht nach Deutschland mitbringen und er wolle nichts mit ihnen zu tun haben. Diesen Vortrag, der erstmals in ihrem Schreiben vom 16.02.2022 (I 129) auftaucht, hat sie bei ihrer Anhörung vom 30.03.2022 vor dem Familiengericht bestätigt. Der Antragsteller habe daraufhin für zwei Wochen den Kontakt abgebrochen, sich dann aber doch wieder gemeldet (I 271). In einem persönlichen Schreiben (I 321) hat sie ergänzt, ihre Tochter habe den Antragsteller einmal am Bildschirm begrüßen wollen, dieser habe dies abgelehnt und sie angeschrien, seitdem habe die Tochter Angst vor dem Antragsteller gehabt.

Dabei konnten weder der genaue Ablauf noch dessen zeitliche Einordnung eindeutig geklärt werden. In der Anhörung vom 30.03.2022 hatte die Antragsgegnerin es so dargestellt, dass sie den Antragsteller über die Kinder in einem mündlichen Online-Chat (über Skype) informiert habe, das sei nach der E-Mail vom 17.06.2017 erfolgt (I 271). In der Anhörung durch den Senat hat sie diesen zeitlichen Ablauf zunächst bestätigt (II 127 oben). Auf nähere Nachfrage erklärte die Antragsgegnerin dann aber, dass sie dem Antragsteller diese Information schriftlich gegeben habe, als sie noch über die (schriftliche) Chat-Funktion der Dating-App kommuniziert hätten. Erst nach Wiederaufnahme der Kommunikation durch den Antragsteller seien sie auf E-Mail und schließlich auf Video-Calls gewechselt (II 128 unten). Sie blieb auch auf nochmalige Nachfrage bei diesem zeitlichen Ablauf und erklärte, die Fragen des Familienrichters in der Anhörung vom 30.03.2022 möglicherweise falsch verstanden zu haben. Allerdings habe sie dem Antragsteller später auch per Skype noch einmal ausdrücklich von den Kindern erzählt.

Die E-Mail vom 17.06.2017 scheint deutlich besser zu der ersten Version der zeitlichen Abläufe zu passen (“beim ersten Mal erzählt man nicht alles“). Wenn denn die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der E-Mail bereits von ihren Kindern berichtet hatte, hätte eigentlich nahe gelegen, sie bei der Antwort zu den persönlichen Lebensumständen erneut zu erwähnen. Dies wäre allerdings dann nicht zwingend, wenn zugrunde gelegt wird, dass nach beiden Versionen der Antragsgegnerin der Antragsteller zu erkennen gegeben hatte, er wolle nicht über die Kinder reden, ihn würde das eher ärgerlich machen.

Allerdings bleibt im Rahmen der Beweiswürdigung der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Laufe des vorliegenden Verfahrens zwei unterschiedliche inhaltliche und zeitliche Abläufe präsentiert hat, die sich allein mit Erinnerungslücken und sprachlichen Missverständnissen nur schwer erklären lassen.

(2) Der Antragsteller hat dazu mehrfach erklärt, er habe die Antragsgegnerin explizit nach Kindern gefragt, sie habe mit „nein“ geantwortet. Er hat dies in der Anhörung vom 30.03.2022 (I 271) so begründet: „Wenn man sich mit Asiatischen mit Kindern einlässt, hat man die ganze Familie. Er ist 72, er braucht keine zweite Familie.“ Er habe dies erst im November 2021 erfahren, weshalb er auch sofort das vorliegende Verfahren eingeleitet habe. Bei der Anhörung durch den Senat hat der Antragsteller dies bestätigt (II 129).

Unklarheiten gab es allerdings auch bei seiner Version. Bei beiden persönlichen Anhörungen gab der Antragsteller an, er habe „explizit“ (I 271) bzw. „ausdrücklich“ (II 130) nach Kindern gefragt. Auf Nachfrage verwies er allerdings lediglich auf seine E-Mail vom 16.06.2017. In dieser E-Mail wird zwar – wie oben dargelegt – im Prinzip auch nach Kindern gefragt (“alles über Dich wissen“), aber gerade nicht explizit oder ausdrücklich. Auch die Antwort ist – wie oben dargelegt – kein klares „nein“, sondern dieses lässt sich allenfalls indirekt ableiten.

Auch bei seiner Version der Kontaktanbahnung blieben die zeitlichen Abläufe letztlich unklar und konnten auch durch Nachfragen nicht aufgeklärt werden. Der Antragsteller hat die Darlegung der Antragsgegnerin bestätigt, der Kontakt sei am 09.05.2017 hergestellt worden. Nach seiner Darstellung sei man bereits nach ein bis drei Tagen auf E-Mail-Kontakte umgestiegen. Dies habe „gefühlt auch nur höchstens eine Woche lang“ gedauert, was er nachvollziehbar damit begründete, dass er die E-Mails nur Abends handschriftlich verfasst habe und dann zu den Bürozeiten von seiner Sekretärin habe abtippen lassen. Anschließend, somit also seit Mitte/Ende Mai 2017, seien dann ausschließlich Video-Calls erfolgt, da er diese mit seinem Tablet allein habe führen können, E-Mails seien nicht mehr gewechselt worden. Zu diesem in sich stimmigen Ablauf passen aber weder das Datum der E-Mails vom 16./17.06.2017 noch deren Inhalt, der eher nach einer ersten Kontaktaufnahme klingt.

Auch die inhaltliche Plausibilität der Behauptung des Antragstellers, ihm sei das Vorhandensein von Kindern der Antragsgegnerin wichtig gewesen, so dass er danach gefragt (und sich das Ergebnis der Nachfrage auch bis heute gemerkt habe), begegnet Zweifeln. So spielte das Thema „Ehevertrag“ von Anfang an, also bereits vor Eheschließung, eine erhebliche Rolle. Es gab darüber Gespräche mit seinem Rechtsanwalt und offenbar auch schon schriftliche Entwürfe. Dennoch wurde der Abschluss eines Ehevertrages weder bei Eheschließung noch in den Jahren bis zum Zerwürfnis der Ehegatten vom Antragsteller ernsthaft und nachhaltig betrieben. Dabei hat diese Frage – insbesondere hinsichtlich des Erbrechts der Antragsgegnerin neben den leiblichen Kindern des Antragstellers – eine ungleich höhere wirtschaftliche Bedeutung als die Frage des Vorhandenseins von Kindern der Antragsgegnerin.

(3) Die sonstigen von den Beteiligten vorgetragenen Indiztatsachen spielen keine entscheidende Rolle.

Dies gilt zunächst für das Videotelefonat der Antragsgegnerin anlässlich ihres 40. Geburtstag (also im Januar 2021) mit ihrer Familie. Unstreitig bekam dies die Tochter des Antragstellers mit. Soweit der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe ihre Tochter als ihre Nichte vorgestellt, was die Antragsgegnerin bestreitet, kann dies als wahr unterstellt werden. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin gegenüber der Tochter des Antragstellers falsche Angaben gemacht haben sollte, heißt dies nicht zwingend, dass die Antragsgegnerin nicht dem Antragsteller gegenüber von ihren Kindern erzählt hat. Vielmehr macht die Antragsgegnerin gerade geltend, der Antragsteller habe ihr gesagt, er wolle mit den Kindern nichts zu tun haben, diese solle die Antragsgegnerin in Deutschland lieber verschweigen. Gleiches gilt für die Behauptung des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin gegenüber seiner Tochter geäußert habe, dass sie keine eigenen Kinder habe und deshalb froh sei, sie als Stieftochter gewonnen zu haben.

Aus gleichem Grund können die Angaben der Antragsgegnerin gegenüber der Lohnbuchhaltung des Antragstellers und ihre steuerrechtlichen Angaben keine Rolle spielen.

(4) Insgesamt kann der Senat unter Abwägung der verschiedenen Aspekte keine von letzten vernünftigen Zweifeln frei bleibende Überzeugung bilden, wie sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall zugetragen hat.

Zwar wird die Glaubwürdigkeit der Antragsgegnerin dadurch in Frage gestellt, dass sie im Laufe des Verfahrens die relevanten Tatsachen unterschiedlich darstellte. Es fällt schwer zu glauben, dass es sich bei dem Ergebnis des Anhörungsvermerks vom 30.03.2022 um sprachliche Missverständnisse handelt, weil sowohl die Frage des zeitlichen Ablaufs wie auch die Frage der Art der Mitteilung ausdrücklich und mehrfach erörtert wurden. Die Antragsgegnerin hat diesem Protokoll auch nicht widersprochen, vielmehr in der Beschwerdeerwiderung ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13.09.2022 beides noch einmal ausführlich bestätigt.

Diese Art von Zweifeln betrifft aber auch die Darlegungen des Antragstellers. Dies gilt nicht nur für die oben dargestellten Zweifel am äußeren Ablauf des Kennenlernens der Eheleute. Auch in einer anderen Hinsicht waren die Angaben des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren in sich widersprüchlich. Der Antragsteller hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat erklärt, es habe nach dem Zerwürfnis im November 2021 keine Gespräche über den Abschluss eines Ehe- und Erbvertrags gegeben (II 132). Demgegenüber hatten seine Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 08.02.2022 ausgeführt, er habe nach dem Zerwürfnis zunächst einen Ehe- und Erbvertrag schließen wollen (I 77 unten). Auch dieser Widerspruch konnte durch Nachfragen letztlich nicht geklärt werden.

Im Ergebnis sprechen zwar möglicherweise überwiegende Gründe dafür, dass die Version des Antragstellers zutreffen könnte. Es verbleiben aber letzte vernünftige Zweifel, ob sich der Sachverhalt nicht doch so wie von der Antragsgegnerin zuletzt vorgetragen oder auch noch einmal ganz anders zugetragen hat.

(5) Auf den nicht nachgelassenen weiteren Tatsachenvortrag des Antragstellers nach Schluss der mündlichen Verhandlung kommt es nicht an. Es gibt daher keinen Anlass, deshalb die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Die in den E-Mails vom 10.06.2017 bzw. 14.06.2017 von der Antragsgegnerin verwendeten Formulierungen „I am single“ bzw. „I live alone“ liegen auf gleicher Ebene wie die oben dargestellte E-Mail-Antwort von 17.06.2017. Sie verhalten sich nicht ausdrücklich zu Kindern, sondern betreffen offensichtlich die Paar-Ebene. Die E-Mails des Antragstellers, auf die hier jeweils geantwortet wird, sind – anders als bei der Mail vom 17.06.2017 – nicht mit abgedruckt. Im Übrigen widerspricht die Abfolge der E-Mails auch den Behauptungen des Antragstellers, das Kennenlernen sei sehr schnell abgelaufen. Tatsächlich zeigen die über einen Zeitraum von einer Woche liegenden drei E-Mails, die jeweils erste oberflächliche Informationen geben, eher ein immer wieder neu ansetzendes Herantasten als ein zunehmend engeres Kennenlernen.

b) Darüber hinaus lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die Kenntnis von den beiden Kindern den Antragsteller von der Eingehung der Ehe mit der Antragsgegnerin tatsächlich abgehalten hätte. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Täuschung und der Eheschließung ist sowohl objektiv vom Standpunkt einer verständigen Würdigung der Ehe als auch subjektiv vom Standpunkt des getäuschten Ehegatten bei fiktiver Kenntnis der Sachlage zu beurteilen. Beide Erfordernisse müssen erfüllt sein, wenn das Aufhebungsbegehren Erfolg haben soll. Sowohl unter objektivem wie unter subjektivem Maßstab muss anzunehmen sein, dass der Ehegatte die Ehe nicht geschlossen hätte (vgl. OLG Koblenz vom 06.12.2021 – 13 UF 172/21, FamRZ 2023, 105, juris Rn. 17 m.w.N.).

aa) Entgegen der Ansicht im angefochtenen Beschluss stellt das Vorhandensein von Kindern in objektiver Hinsicht einen gewichtigen Umstand im Rahmen einer Eheschließung dar, jedenfalls wenn diese – wie hier – noch minderjährig sind (vgl. Grüneberg/Siede, a.a.O., § 1314 Rn. 11). Dabei handelt es sich um einen Umstand, der für die eheliche Gemeinschaft und das Familienleben von grundlegender Bedeutung ist. Dies folgt aus dem Bestehen von Unterhaltspflichten für das Kind sowie möglichen Umgangsregelungen (OLG Karlsruhe vom 17.05.2010 – 18 UF 8/10, juris Rn. 8 m.w.N.). Hier war bei Eheschließung am 29.08.2018 die Tochter der Antragsgegnerin zwar bereits 19 Jahre alt, der am 05.06.2003 geborene Sohn jedoch erst 15 Jahre alt und damit minderjährig. Dieser Umstand war auch ohne Nachfrage offenbarungspflichtig, da er für die ehelichen Pflichten eine erhebliche Rolle spielt. Für beide Kinder bestand und besteht eine Unterhaltspflicht der Antragsgegnerin als Mutter, der diese während der gesamten Zeit auch durch regelmäßige Geldüberweisungen nachgekommen ist (ca. 500 € monatlich für beide Kinder). Diese Unterhaltsverpflichtungen sind voraussichtlich bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs der Antragsgegnerin im Trennungs- und Nachehelichenunterhalt zu berücksichtigen.

bb) Allerdings kann in diesem ganz konkreten Fall nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass eine eventuelle Täuschung auch in subjektiver Hinsicht kausal geworden wäre.

Wie oben dargestellt ist zwar unstreitig, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin nach ihren persönlichen Verhältnissen und damit indirekt auch dem Vorhandensein von Kindern gefragt hat. Eine konkrete Frage nach Kindern hat er – entgegen eigenem späteren Vorbringen – aber gerade nicht gestellt. Der Antragsteller hat sich außerdem mit einer ausweichenden allgemeinen Antwort zufrieden gegeben und nicht konkret nachgefragt.

Der Antragsteller hat darüber hinaus hinsichtlich einer vergleichbaren Konstellation die Ehe geschlossen und geführt, ohne sich konsequent um die eigentlich in Aussicht genommene Regelung zu bemühen. Wie oben dargelegt hat der Antragsteller bei der für die Gestaltung der aus der Ehe herrührenden Vermögens- und Erbrechtsverhältnisse den weitaus gewichtigeren Abschluss eines Ehevertrages trotz anwaltlichen Rats und eines bereits vorliegenden konkreten Entwurfes nicht ernsthaft betrieben. Er hat damit gerade nicht dafür gesorgt, dass die Stellung der neu hinzukommenden Ehefrau gegenüber seinen Kindern wie geplant geregelt wird. Dies hätte im Fall des Antragstellers angesichts seines nicht geringen Vermögens und insbesondere im Hinblick auf den mit seinen Kindern geführten großen Familienbetrieb besonders nahegelegen. Damit kann nicht ohne letzte verbleibende vernünftige Zweifel festgestellt werden, dass dem Antragsteller die Frage der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Ehe – und damit auch das Vorhandensein von Kindern – so bedeutsam gewesen wäre, dass er die Eheschließung davon abhängig gemacht hätte.

4. Allerdings liegen die Voraussetzungen für den hilfsweise gestellten Antrag des Antragstellers auf Scheidung der Ehe nunmehr unzweifelhaft vor.

Nach § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann die Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist.

a) Nach § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

Dieser Grundtatbestand kommt stets dann zur Anwendung, sofern nicht bereits eine unwiderlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe nach § 1566 BGB eingreift (vgl. Staudinger/Rauscher, BGB, Neubearbeitung 2018, § 1565 Rn. 2). Eine Vermutungswirkung nach § 1566 Abs. 1 BGB greift nicht ein, da die Erklärung der Antragsgegnerin, dem Scheidungsantrag des Antragstellers nicht mehr entgegen zu treten, keine Zustimmung zu diesem Antrag darstellt. Die genannte Legaldefinition des Begriffs des Scheiterns der Ehe enthält zwei ausfüllungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe als Voraussetzung, nämlich die Diagnose einer Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und die Prognose einer nicht anzunehmenden Wiederherstellung der Gemeinschaft.

Maßgebend ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts, da dieses auch neue Tatsachen zu berücksichtigen hat (Musielak/Borth/Frank/Frank, Familiengerichtliches Verfahren, 7. Auflage 2022, § 68 FamFG Rn. 3 m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen für die Ehescheidung liegen nunmehr vor. Unstreitig leben die Eheleute aufgrund des Auszugs der Antragsgegnerin aus der Ehewohnung getrennt. Der Auszug erfolgte spätestens im Januar 2022, das Trennungsjahr ist somit abgelaufen. Mit einer Wiederherstellung der Gemeinschaft ist prognostisch nicht zu rechnen. Die Antragsgegnerin tritt dem Scheidungsantrag nunmehr nicht mehr entgegen. Beide Beteiligte sind sich einig, dass die Ehe endgültig gescheitert und die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr zu erwarten ist.

5. Gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die Sache an das Amtsgericht zur Entscheidung im Verbund nach § 137 FamFG zurückzuverweisen.

Nach der erstgenannten Vorschrift soll die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen werden, wenn dort eine Folgesache – vorliegend der von Amts wegen zu regelnde Versorgungsausgleich und der beantragte Zugewinnausgleich – zur Entscheidung ansteht.

Da hier Folgesachen noch nicht entscheidungsreif sind, liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise von der Zurückverweisung abzusehen wäre (Musielak/Borth/Frank/Borth, a.a.O., § 146 FamFG Rn. 3 m.w.N.).

Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss ein Zustellungsfehler vorliegt. Die Vorschrift des § 178 Abs. 2 ZPO (mit § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) wird für die hier erfolgte Zustellung nach § 180 ZPO durch Niederlegung in den Briefkasten analog angewendet, so dass die Zustellung unwirksam ist, wenn der Briefkasten vom Zustellungsempfänger und vom Verfahrensgegner gemeinsam benutzt wird (vgl. Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, 19. Auflage 2022, § 180 Rn. 2 m.w.N.). Eine spätere Zustellung ist erst durch die Antragstellung im Termin vom 27.04.2022 erfolgt. Allerdings ist eine Heilung der ersten Zustellung nach § 189 ZPO eingetreten, indem der verschlossene Umschlag der Antragsgegnerin am 10.12.2021 tatsächlich vom Antragsteller übergeben wurde, wie diese im Termin vom 28.04.2022 erklärte (I 335).

III.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat in der vorliegenden Konstellation das Familiengericht zu entscheiden.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 43, 44 FamGKG.

Die Festsetzung auf 112.700 € beruht auf folgender Berechnung:

Einkommen 5.000 € (Antragsteller) + 1.400 € (Antragsgegnerin) * 3 = 9.200 €

Vermögen 1.900.000 € abzüglich 30.000 € Freibetrag * 5 % = 93.500 €.

Dabei sind die von den Beteiligten ursprünglich abgegebenen Erklärungen zugrunde gelegt. Soweit der Antragsteller später geltend machte, er lebe von seiner Rente in Höhe von 283,28 € und monatlichen Entnahmen aus seinem Betrieb in Höhe von bis 1.000 €, spielt dies keine Rolle. Allein der Verweis auf seine Einkommenssteuerbescheide, die bereits vor der Pandemie Einkünfte im Minusbereich ausweisen (I 201), reicht dafür nicht aus. Wie sich die Entnahmen aus dem Betrieb darstellen, hat er nicht substantiiert dargelegt. Daher ist er an seiner ursprünglichen Erklärung festzuhalten. Soweit das Familiengericht im angefochtenen Beschluss hinsichtlich des Vermögens 7,5 % angesetzt hat, widerspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Senats, auf die verwiesen wird (vgl. Senat vom 16.09.2013 – 5 WF 66/13, NJW-RR 2014, 68, juris Rn. 17), die im Übrigen auch die herrschende Ansicht in der Rechtsprechung allgemein darstellt (vgl. dazu Musielak/Borth/Frank/Frank, a.a.O., § 43 FamGKG Rn. 3 m.w.N.).

Für den hilfsweisen Antrag auf Ehescheidung, über den insoweit eine Entscheidung ergeht (§ 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG), als das Vorliegen der Voraussetzungen der Ehescheidung festgestellt wird, ist kein zusätzlicher Wert festzusetzen. Die beiden Anträge betreffen gem. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG denselben Gegenstand, so dass nur einer der beiden Werte anzusetzen ist. Bei diesem Begriff des Gegenstands handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist. Wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass – die vom Antragsteller gesetzte Bedingung fortgedacht – allen stattgegeben werden könnte, sondern dass die Stattgabe gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (vgl. BGH vom 12.09.2013 – I ZR 61/11, juris Rn. 6 m.w.N., zu der gleichlautenden Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Hier ergibt sich bereits aus § 126 Abs. 3 FamFG, dass Eheaufhebung und Ehescheidung nicht nebeneinander bestehen können. Im Übrigen wird dieselbe Ehe ex nunc beendet (vgl. § 1313 S. 2 BGB und § 1564 S. 2 BGB) und auch die Rechtsfolgen sind zumindest teilweise identisch (vgl. § 1318 BGB). Auf die Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und auch die Rechtsfolgen sich unterscheiden, kommt es nicht an (vgl. KG vom 05.02.2010 – 19 WF 66/09, juris Rn. 3; anders OLG Hamburg vom 04.01.2022 – 2 WF 96/21, juris Rn. 13; OLG Zweibrücken vom 27.06.2001 – 5 WF 40/01, juris Rn. 9).

Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG besteht nicht. Es handelt sich um eine Beweiswürdigung und Abwägung im Einzelfall.

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