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Übernachtungsbesuche neue Lebensgefährtin des Ehemannes als unbillige Härte

OLG Hamm: Übernachtungsbesuche neuer Partnerin können unbillige Härte darstellen

In familienrechtlichen Auseinandersetzungen stellt sich häufig die Frage nach der Nutzung der gemeinsamen Ehewohnung nach einer Trennung. Besonders brisant wird diese Thematik, wenn ein Ehepartner einen neuen Lebensgefährten in die gemeinsame Wohnung einlädt. In solchen Fällen muss geklärt werden, ob diese Handlungen eine unbillige Härte für den anderen Ehegatten darstellen und somit eine exklusive Zuweisung der Ehewohnung rechtfertigen können. Das Oberlandesgericht Hamm befasst sich in einem aktuellen Urteil mit dieser Problematik.

Es geht dabei um die Frage, unter welchen Umständen die Anwesenheit eines neuen Lebensgefährten in der ehemals gemeinsamen Wohnung als unbillige Härte angesehen werden kann und welche Rechte dem anderen Ehepartner in Bezug auf die Nutzung der Wohnung zustehen. Dabei spielen Aspekte wie der Schutz der räumlichen Integrität, das Eigentumsrecht und die seelische Belastung der Beteiligten eine wesentliche Rolle. Dieses Urteil ist ein Beispiel für die komplexen und sensiblen Herausforderungen, mit denen sich das Familienrecht bei der Auflösung ehelicher Gemeinschaften auseinandersetzen muss.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: II-2 UF 186/15  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass wiederholte Übernachtungsbesuche der neuen Lebensgefährtin des Antragsgegners in der gemeinsamen Ehewohnung eine unbillige Härte für die Antragstellerin darstellen, was zur alleinigen Nutzungszuweisung der Wohnung an die Antragstellerin für die verbleibende Trennungszeit führt.

Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Anwendbarkeit von § 1361b BGB: Das Gericht stellte fest, dass die Norm anwendbar ist, da die Beteiligten noch verheiratet, aber getrennt leben, und es sich bei der Immobilie um die Ehewohnung handelt.
  2. Unbillige Härte durch Übernachtungsbesuche: Die wiederholten Besuche der neuen Lebensgefährtin des Antragsgegners wurden als unbillige Härte für die Antragstellerin eingestuft, da sie eine erhebliche psychische Belastung und eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität darstellen.
  3. Erforderlichkeit der Zuweisung: Die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin wurde als notwendig erachtet, um die unbillige Härte zu vermeiden.
  4. Abwägung der Interessen: Trotz des Alleineigentums des Antragsgegners an der Wohnung wurden die Interessen der Antragstellerin als schwerwiegender angesehen.
  5. Befristung der Zuweisung: Die Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin wurde bis zum Ende des Trennungsjahres befristet.
  6. Keine ausreichenden Härtegründe durch den Antragsgegner: Der Antragsgegner konnte keine überzeugenden Gründe für eine unbillige Härte durch das Verhalten der Antragstellerin vorlegen.
  7. Nutzungsentschädigung: Der Antragstellerin wurde auferlegt, dem Antragsgegner eine monatliche Nutzungsentschädigung von 250,- € zu zahlen.
  8. Keine weiteren Maßnahmen notwendig: Das Gericht sah keine Notwendigkeit für weitere Maßnahmen wie ein Näherungsverbot.

Spannungen in der Ehewohnung: Übernachtungsbesuche als Streitpunkt

Die Auseinandersetzung zwischen den getrennt lebenden Ehegatten, die im vorliegenden Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm) behandelt wurde, dreht sich um die Nutzung der gemeinsamen Ehewohnung. Die Ehe, die im Mai 1996 geschlossen wurde, blieb kinderlos, und die Trennung der Ehepartner erfolgte im Juli 2015. Der Antragsgegner, ein selbstständiger Tischler, und die Antragstellerin, eine Rentnerin mit geringem Einkommen, befinden sich in einem Streit um die alleinige Nutzung der gemeinsamen Wohnung. Ein entscheidender Wendepunkt in diesem Konflikt waren die regelmäßigen Übernachtungsbesuche der neuen Lebensgefährtin des Antragsgegners in der Ehewohnung.

Unbillige Härte: Die Sicht der Antragstellerin

Die Antragstellerin argumentierte, dass die Übernachtungsbesuche der neuen Lebensgefährtin des Ehemannes eine unbillige Härte darstellen würden. Sie fühlte sich in der eigenen Wohnung nicht mehr wohl und frei, da die Besuche der Lebensgefährtin nicht nur regelmäßig, sondern auch unvorhersehbar stattfanden. Diese Besuche führten zu einer erheblichen psychischen Belastung, da die Antragstellerin ständig mit dem Erscheinen der Lebensgefährtin rechnete und sich in der gemeinsam genutzten Wohnung nicht mehr frei bewegen konnte.

Der Standpunkt des Antragsgegners und Eigentümer

Auf der anderen Seite stand der Antragsgegner, der Alleineigentümer des Hauses war. Er behauptete, dass die Antragstellerin ihm das Leben schwer mache, indem sie ihn nachts durch Lärmbelästigungen störe. Außerdem führte er an, dass er die Ehewohnung aufgrund seines Alleineigentums behalten sollte. Er argumentierte, dass es für die Antragstellerin möglich sei, angemessenen Wohnraum zu finden und ihre Wohnkosten gegebenenfalls durch Sozialleistungen zu decken.

Entscheidung des OLG Hamm: Abwägung der Interessen

Das OLG Hamm kam zu dem Schluss, dass die Beschwerde der Antragstellerin hinsichtlich des Hauptantrags teilweise begründet ist. Ihr wurde das Recht zugesprochen, die Ehewohnung bis zum Ende des Trennungsjahres im Juni 2016 alleine zu nutzen. Diese Entscheidung basierte auf der Bewertung, dass die Übernachtungsbesuche der Lebensgefährtin des Antragsgegners eine unbillige Härte für die Antragstellerin darstellen. Dabei wurden sowohl das Alter und die finanzielle Situation der Antragstellerin als auch das Alleineigentum des Antragsgegners berücksichtigt. Es wurde festgestellt, dass die Antragstellerin als Rentnerin nur eingeschränkte Möglichkeiten hat, neuen Wohnraum zu finden, während der Antragsgegner finanziell besser gestellt ist.

Nutzungsentschädigung und Fristen: Ausgleich der Interessen

Der Antragsgegner wurde aufgefordert, die Wohnung bis Mitte Januar 2016 zu räumen und alle Wohnungsschlüssel an die Antragstellerin zu übergeben. Gleichzeitig wurde der Antragstellerin aufgegeben, für den Zeitraum der Zuweisung eine monatliche Nutzungsentschädigung von 250 Euro an den Antragsgegner zu zahlen. Diese Entscheidung berücksichtigte die finanziellen Verhältnisse beider Parteien und stellte einen Ausgleich der Interessen dar. Nach Ablauf des Trennungsjahres sollte das Eigentumsrecht des Antragsgegners stärker gewichtet werden.

In diesem komplexen Fall hat das OLG Hamm eine sorgfältige Abwägung der Interessen beider Parteien vorgenommen. Die Entscheidung reflektiert die Notwendigkeit, einen gerechten Ausgleich zwischen den emotionalen und finanziellen Ansprüchen beider Ehepartner zu finden, insbesondere in einer Situation, in der die Ehe offensichtlich zerrüttet ist.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter „unbillige Härte“ im Kontext des Familienrechts und wie wird sie rechtlich bewertet?

Der Begriff „unbillige Härte“ bezeichnet eine unzumutbare und unverhältnismäßige Belastung oder Benachteiligung einer Person oder Partei in einem rechtlichen Zusammenhang. Dieser Begriff wird typischerweise im Rahmen von Gerichtsentscheidungen verwendet, in denen eine abwägende Bewertung der individuellen Umstände notwendig ist. Gerichte können unbillige Härte als Grund dafür ansehen, von bestimmten gesetzlichen Regelungen oder Vertragsbedingungen abzuweichen.

Im Kontext des Familienrechts kann die unbillige Härte im Zusammenhang mit der Bemessung von Unterhaltsansprüchen oder bei der Teilung des ehelichen Vermögens eine Rolle spielen. Hierbei muss das Gericht die Interessen beider Ehegatten berücksichtigen und eine gerechte Entscheidung treffen. Eine unbillige Härte kann beispielsweise vorliegen, wenn einem Ehegatten die Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft unter Berücksichtigung der gesamten Umstände unzumutbar ist. Insbesondere kann das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern eine Rolle spielen. Gewalttätigkeiten des anderen Ehegatten oder eine Gefährdung des Kindeswohls können als Einzelfälle einer solchen unbilligen Härte angesehen werden.

Die rechtliche Bewertung der unbilligen Härte erfolgt auf der Grundlage einer Abwägung der individuellen Umstände des Einzelfalls. Dabei spielt die Verhältnismäßigkeit eine entscheidende Rolle. Es handelt sich um einen Ausnahmefall, der nur unter engen Voraussetzungen anerkannt wird. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: II-2 UF 186/15 – Beschluss vom 28.12.2015

I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der am 21.09.2015 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Brakel teilweise abgeändert.

Die Ehewohnung, gelegen B-Weg, X, wird für den Zeitraum bis zum 30.06.2016 der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die genannte Wohnung bis zum Ablauf des 15.01.2016 zu räumen, an die Antragstellerin herauszugeben und für die Dauer der Zuweisung nicht mehr zu betreten. Bei der Vollstreckung sind die § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO nicht anzuwenden.

Ihm wird aufgegeben, der Antragstellerin für die Dauer der Zuweisung sämtliche Wohnungsschlüssel auszuhändigen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, für den Zeitraum der Zuweisung ab dem 16.01.2016 bis zum 30.06.2016 an den Antragsgegner eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 250,- € zu zahlen.

Die weiter gehenden Beschwerden der Beteiligten werden – unter Zurückweisung der beiderseitigen Anträge im übrigen – zurückgewiesen.

II. Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Beteiligten jeweils zu 1/2, die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten. Ihre Ehe, die kinderlos blieb, wurde am 15.05.1996 geschlossen, die Trennung erfolgte am 19.07.2015. Der Antragsgegner ist 52, die Antragstellerin 64 Jahre alt.

Die Beteiligten leben in der Ehewohnung, einem freistehenden Einfamilienhaus, welches gebaut wurde, als die Beteiligten schon liiert, aber noch nicht verheiratet waren. Das Haus, welches im Erdgeschoss über einen offenen Wohn-/Ess-/Küchenbereich nebst Gästetoilette und im Obergeschoss über zwei ungefähr gleich große, durch das einzige Badezimmer getrennte Zimmer verfügt, steht im Alleineigentum des Antragsgegners, der das Baugrundstück von seinem Vater zugewendet bekam. Seit der Trennung schlafen die Beteiligten in den getrennten Zimmern im Obergeschoss.

Der Antragsgegner ist selbstständiger Tischler mit einem Einkommen von ca. 1.700,- € netto.

Die Antragstellerin verfügt über ein monatliches Einkommen von 558,61 € aus zwei Renten. Außerdem zahlt der Antragsgegner seit August 2015 Trennungsunterhalt in Höhe von 275,- €, der jedoch im August 2015 mit einer Telefonrechnung verrechnet wurde. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner gerichtlich auf Zahlung eines höheren Unterhalts in Anspruch.

Der Antragsgegner ließ die Antragstellerin durch Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20.08.2015 auffordern, aus der bisherigen Ehewohnung bis zum 30.09.2015 auszuziehen.

In der Folgezeit besuchte die neue Lebensgefährtin des Antragsgegners diesen in der Wohnung und blieb zum Teil auch für die Nacht.

Ein erster Übernachtungsbesuch fand am 09.09.2015 bis kurz nach 05.00h am Folgetag statt. Auch am 10.09.2015 übernachtete die Lebensgefährtin dort von ca. 20.00h bis 05.00h.

Durch Fax ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10.09.2015 ließ die Antragstellerin den Antragsgegner sodann auffordern, derartige Störungen der Ehe zu unterlassen.

Gleichwohl fanden bis einschließlich November 2015 folgende weiteren Besuche der Lebensgefährtin des Antragsgegners in der Ehewohnung statt: am 11.09.2015 von 06.00h bis 11.00h; am 12.09.2015 jedenfalls von 07.30h bis 11.00h (mit gemeinsamen Frühstück im Essbereich); am 13.09.2015 von 21.45h bis 05.40h; am 14.09.2015 von 21.40h bis 05:13h, am 15.09.2015 von 20.12h bis 05.13h, am 16.09.2015 von 10.31h bis 05.10h, am 17.09. um 20.59h bis 22.41h sowie von 23.05h bis 05.23h, am 20.09.2015 von 20.56h bis 22.56h sowie von 23.16h bis 05.15h; am 22.09.2015 von 20.15h bis 05.17h; am 27.09.2015 bis 22.44h; am 28.09.2015 von 21.15h bis 22.29h; am 30.09.2015 von 22.00h bis 05.00h; am 01.10.2015 von 21.15h bis 22.00h; am 04.10.2015 von 21.47h bis 05.35h; am 07.10.2015 von 20.00h bis 22.00h; am 08.10.2015 von 20.35h bis 22.11h; am 10.10.2015 von 19.20h bis 05.30h; am 13.10.2015 von 21.20h bis 22.40h; am 15.10.2015 von 20.30h bis 23.00h; am 16.10.2015 von 20.15h bis 07.00h; am 18.10.2015 von 10.00h bis 11.30h sowie von 20.30h bis 23.10h; am 20.10.2015 von 22.00h bis 23.10h; am 23.10.2015 von einem unbekannten Zeitpunkt bis 23.15h; am 24.10.2015 von 21.00h bis 05.40h; am 25.10.2015 um 21.00h; am 28.10.2015 von 19.53h bis 23.20h; am 30.10.2015 von 20.15h bis 22.45h; am 01.11.2015 von 01.10h bis 07.00h; am 01.11.2015 ab 11.00h; am 02.11.2015 ab 21.00h; am 05.11.2015 ab 22.50h; am 07.11.2015 von 03.00h bis 11.30h; am 08.11.2015 von 18.15h bis 22.15h; am 13.11.2015 von 21.00h bis 06.35h; am 15.11.2015 bis 05.40h; am 21.11.2015 von 21.00h bis 22.15h sowie von 22.50h bis 05.10h; am 22.11.2015 bis 23.35h; am 27.11.2015 von 20.30h bis 00.20h; am 28.11.2015 von 23.30h bis 07.30h sowie am 29.11.2015 von 21.45h bis 05.40h.

Die Antragstellerin hat behauptet, dass der Antragsgegner seine Lebensgefährtin gebeten habe, bei ihm die Nächte zu verbringen, um damit für sie, die Antragstellerin, eine unzumutbare Situation zu schaffen. Die Lebensgefährtin habe anlässlich der ersten Übernachtung am 09.09.2015 auf die Aufforderung, das Haus zu verlassen, geäußert, sie komme jetzt jeden Abend, bis sie, die Antragstellerin, das Haus verlasse.

Die Antragstellerin hat gemeint, unter diesen Umständen sei eine Trennung innerhalb der Ehewohnung unzumutbar. Das Verhalten des Antragsgegners sei eine unbillige Härte.

Sie hat in erster Instanz im Wesentlichen beantragt, ihr die Wohnung im Wege der einstweiligen Anordnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat ebenfalls Zuweisung der Wohnung an sich beantragt.

Er hat behauptet, die Antragstellerin mache ihm das Leben zur Hölle. Schon als er ihr im Mai 2015 von der Aufnahme der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin berichtet habe, habe ihm die Antragstellerin einen Aschenbecher und eine Vase hinterher geworfen. Seitdem sei es täglich zu Streit gekommen. Er müsse sich Vorhaltungen, Beschimpfungen und Beleidigungen diversester Art anhören. Die Auseinandersetzungen beeinträchtigten mittlerweile seine Gesundheit. Die Antragstellerin habe nachts Türen geknallt und Toilettendeckel fallen gelassen, sodass er nicht habe schlafen können. Außerdem lade die Antragstellerin allabendlich Freundinnen ein, die dann das Erdgeschoss besetzten.

Der Antragsgegner hat behauptet, es sei für die Antragstellerin kein Problem, am Wohnort der Beteiligten zeitnah Wohnraum zu finden. Die Wohnkosten müsse sie notfalls aus Leistungen nach dem SGB II finanzieren.

Er hat gemeint, aufgrund seines Alleineigentums sei ihm die Wohnung zuzuweisen.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss nach mündlicher Erörterung beide Anträge zurückgewiesen, da eine unbillige Härte nicht vorliege. Spannungen, die über das in einer typischen Trennungssituation zu erwartende Maß hinaus gingen, habe keiner der Beteiligten vorgetragen, sodass ihnen ein Zusammenleben nach wie vor zumutbar sei. Insbesondere sei die neue Lebensgefährtin des Antragsgegners dort nicht dauerhaft eingezogen.

Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden der Beteiligten, mit denen sie im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgen.

Die Antragstellerin meint, das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass im Jahr 2001 der Begriff der „schweren Härte“ durch den der „unbilligen Härte“ ersetzt worden sei, sodass es einen zu strengen Maßstab angelegt habe. Eine unbillige Härte ergebe sich – unabhängig von einem dauerhaften Einzug der neuen Lebensgefährtin – schon daraus, dass angesichts der beengten räumlichen Verhältnisse ein Aufeinandertreffen unausweichlich sei. Die räumliche Integrität der Ehe sei zu schützen.

Am 03.10.2015 sei zudem der Antragsgegner im Schlafzimmer der Antragstellerin erschienen und habe diese angeschrien, dass sie hoffentlich bald raus sei, er müsse im Kinderzimmer schlafen, während sie in seinem Bett liege. Am 05.10.2015 gegen 16.10h sei sie zudem von der Lebensgefährtin des Antragsgegners beschimpft worden.

Eine Nutzungsentschädigung sei überdies nicht festzusetzen. Dies entspreche nicht der Billigkeit, vielmehr sei vordringlich der Unterhalt zu regeln.

Die Antragstellerin beantragt, in Abänderung des Beschlusses wie folgt zu erkennen:

1.

Das in X, B-Weg, gelegene eheliche Haus, bestehend aus 1 Ess-/Wohn-/Küchenbereich sowie 1 Gästetoilette im Untergeschoss, weiter bestehend aus 1 Schlafzimmer, 1 Gästezimmer und 1 Badezimmer im Obergeschoss sowie 1 Heizungsraum, Waschküche und Kellerraum im Keller sowie 1 Vorratsschuppen, wird der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

2.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die vorgenannte Wohnung zu räumen. Bei der Vollstreckung ist § 885 II – IV ZPO nicht anzuwenden.

3.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Wohnungsschlüssel herauszugeben.

4.

Dem Antragsgegner wird es für die Dauer der Trennung untersagt, nochmals das eheliche Haus zu betreten. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

Hilfsweise beantragt sie: Es wird angeordnet, dass der Antragsgegner es zu unterlassen hat, seiner Lebensgefährtin Zutritt zum ehelichen Haus, gelegen X, B-Weg, zu gewähren und für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 25.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde mit Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen, sowie hilfsweise dem Antrag der Antragstellerin nur stattzugeben gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung im Sinne von § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB in Höhe von 450,- € pro Monat an ihn.

Weiter beantragt er im Rahmen seiner eigenen Beschwerde, den angefochtenen Beschluss wie folgt abzuändern:

1.

Die im Haus B-Weg in X gelegene Ehewohnung, bestehend aus sämtlichen Räumlichkeiten im Keller, im Erdgeschoss, im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss wird dem Antragsgegner zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

2.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, die in Ziff. 1 bezeichnete Ehewohnung unter Mitnahme ihrer persönlichen Sachen, insbesondere ihrer Kleidung und ihrer Schuhe und gegen Übergabe sämtlicher Haus- und Wohnungsschlüssel an den Antragsgegner zu räumen und an den Antragsgegner herauszugeben. § 858 Abs. 2 – 4 ZPO sind bei der Vollstreckung nicht anzuwenden.

3.

Der Antragstellerin wird es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes verboten, die Ehewohnung ohne Zustimmung des Antragsgegners zu betreten. Es wird ihr weiter aufgegeben, jegliche Bedrohung oder Misshandlung oder Belästigung des Antragsgegners zu unterlassen.

4.

Der Antragsgegner ist berechtigt, das Schloss für die Wohnungsabschlusstür auszuwechseln.

Die Antragstellerin hat diesbezüglich beantragt, den Haupt- und den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hält ebenfalls den vom Amtsgericht angelegten Maßstab angesichts der beengten räumlichen Verhältnisse für zu eng. Die momentane Situation sei für seinen Bluthochdruck problematisch. Insbesondere habe das Amtsgericht aber seine dingliche Rechtsposition nicht hinreichend berücksichtigt.

Sein Ziel sei es nicht, die Antragstellerin aus dem Haus zu ekeln.

Er behauptet, die Antragstellerin habe ihm gegenüber geäußert, dass sie trotz akuter Darmbeschwerden nicht ins Krankenhaus gehe, um ihm nicht die Gelegenheit zu geben, die Schlösser auszutauschen.

Der Senat hat die Beteiligten angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll des Senatstermins vom 15.12.2015 sowie auf den diesbezüglichen Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden sind teilweise begründet.

1.

Beide Beschwerden sind zulässig. Insbesondere sind sie auch gegen die im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangene angefochtene Entscheidung statthaft, weil der Beschluss die Zuweisung der Ehewohnung betrifft und nach mündlicher Erörterung ergangen ist (§ 57 S. 2 Nr. 5 FamFG). Form und Frist (§§ 63f. FamFG) sind ebenfalls gewahrt.

2.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist hinsichtlich des Hauptantrags teilweise begründet, die Beschwerde des Antragsgegners hat mit dem Hilfsantrag einen Teilerfolg. Im Übrigen sind beide Beschwerden unbegründet.

a)

Die Beschwerde der Antragstellerin ist hinsichtlich ihres Hauptantrags teilweise begründet.

Ihr steht ein Anspruch auf eine befristete Zuweisung der gesamten Ehewohnung für das restliche Trennungsjahr aus § 1361b Abs. 1 BGB zu. Nach dieser Vorschrift kann während der Trennungszeit jeder Ehegatte die Zuweisung der Ehewohnung an sich verlangen, wenn dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.

aa)

§ 1361b BGB ist anwendbar. Die verheirateten Beteiligten bewohnen die verfahrensgegenständliche Immobilie während der noch bestehenden Ehe, sodass es sich bei dieser um die Ehewohnung handelt. Sie leben ferner getrennt, da beide Ehegatten die häusliche Gemeinschaft ablehnen.

bb)

Die Zuweisung der Wohnung ist auch erforderlich, um eine unbillige Härte für die Antragstellerin zu vermeiden.

(1)

Das weitere Zusammenwohnen stellt für die Antragstellerin eine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift dar.

Zutreffend haben beide Beteiligte darauf hingewiesen, dass mit der Einführung des Kriteriums der „unbilligen Härte“ im Jahr 2001 eine niedrigere Eingriffsschwelle gegenüber der zuvor geforderten „schweren Härte“ beabsichtigt war (Voppel, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2012, zu § 1361b BGB, Rn. 16). Eine unbillige Härte in diesem Sinne erfordert allgemein, dass auf Grund besonderer Umstände ausnahmsweise die Zuweisung unter Berücksichtigung sämtlicher Belange der Beteiligten dringend erforderlich ist, um eine ganz erhebliche Belastung des die Zuweisung Begehrenden abzuwenden, die ihre Ursache im Zusammenleben haben muss (Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 19 m.w.N.). Bloße Belästigungen und Unannehmlichkeiten genügen auch nach der Neufassung der Norm nicht.

Allerdings ist anerkannt, dass eine unbillige Härte dann vorliegen kann, wenn ein Ehegatte seinen neuen Lebensgefährten in die Wohnung aufnimmt. Dafür genügte schon nach altem Recht, dass bei einem Verbleib des Lebensgefährten des einen Ehegatten in der Ehewohnung trotz Räumungsbegehrens des anderen Ehegatten ein einigermaßen erträgliches Zusammenleben in der Ehewohnung nicht mehr zu erwarten und unter Beachtung der seelischen Integrität des anderen Ehegatten ein Zusammenleben diesem auch nicht mehr zuzumuten ist (OLG Hamm, Beschl.v. 24.03.1993 – 8 UF 77/93 – FamRZ 1993, 1442).

Unter Berücksichtigung der abgesenkten Eingriffsschwelle des neuen Rechts begründet die Gestattung wiederholter Übernachtungsbesuche seiner Lebensgefährtin durch den Antragsgegner gegen den erklärten Willen der Antragstellerin im Grundsatz das Vorliegen einer unbilligen Härte, wobei unentschieden bleiben kann, ob der Antragsgegner seine Lebensgefährtin bereits im o.g. Sinne in die Ehewohnung aufgenommen hat.

Der Senat geht davon aus, dass die Besuche der Lebensgefährtin des Antragsgegners in der Ehewohnung die Antragstellerin bereits in einer ganz erheblichen Weise psychisch belasten.

Diese Feststellung beruht zunächst auf dem tatsächlichen Umfang der Besuche. Bis Mitte September fanden fast täglich Übernachtungsbesuche statt, in der Zeit seit dem erstmaligen Betreten der Ehewohnung durch die Lebensgefährtin des Antragsgegners bis zum 30.11.2015 war diese an nahezu jedem zweiten Tag in der Wohnung anwesend, an fast jedem dritten Tag hat sie dort übernachtet.

Angesichts der beengten Wohnverhältnisse sowie des Umstandes, dass nur ein Wohn-/Ess-/Küchenbereich und nur ein Badezimmer im Haus vorhanden sind, gibt es zudem keine Möglichkeit, sich während der Besuche aus dem Weg zu gehen, sodass diese für die Antragstellerin eine erhebliche Herabsetzung ihrer Lebensqualität zur Folge haben.

Da die Besuche zudem unregelmäßig und für die Antragstellerin unvorhersehbar stattfinden, wirken sie sich auch an Tagen auf die seelische Integrität der Antragstellerin aus, an denen die Lebensgefährtin des Antragsgegners die Ehewohnung nicht betritt. Die Antragstellerin hat im Senatstermin glaubhaft angegeben, dass sie das Gefühl hat, sich im Haus nicht mehr frei bewegen zu können, weil sie ständig damit rechnet, dass die Lebensgefährtin dort auftaucht. Da mit Ausnahme der beiden Zimmer im Obergeschoss das gesamte Haus offen gestaltet ist, kommt es notwendigerweise schon beim Betreten des Hauses zu einem Kontakt.

Ergänzend ist festzustellen, dass die Beteiligten in ihrer subjektiven Einschätzung, dass ein weiteres Zusammenleben unter den gegenwärtigen Umständen angesichts des Konfliktniveaus unzumutbar ist, übereinstimmen. Auch die geschilderten Schwierigkeiten bei der zeitlichen Aufteilung der Benutzung des Wohnzimmers und die gegenseitig gemachten Vorwürfe belegen plausibel das Bild einer tief zerrütteten Lebensgemeinschaft.

(2)

Zur Vermeidung der damit für die Antragstellerin in einem weiteren Zusammenleben liegenden unbilligen Härte ist die Zuweisung der Ehewohnung auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragsgegners als des anderen Ehegatten erforderlich.

In Rahmen der diesbezüglich gebotenen umfassenden Interessenabwägung hat ein bestehendes Alleineigentum eines Ehegatten als Abwägungsposition zur Folge, dass die Voraussetzungen für eine Zuweisung an den anderen Gatten heraufgesetzt werden. Für eine Verweisung des Eigentümers aus der Wohnung sind insoweit sehr schwer wiegende Gründe  zu fordern (Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 46 m.w.N.).

Ein weiteres wesentliches Abwägungskriterium ist die Frage, welcher Ehegatte die eingetretene Härte verursacht hat (vgl. OLG Köln, Beschl.v. 01.08.2008 – 4 UF 74/08 – FamRZ 2009, 973; OLG Stuttgart, Beschl.v. 27.11.2003 – 18 WF 190/03 – FamRZ 2004, 876; Voppel, in: Staudinger a.a.O, zu § 1361b BGB Rn. 42).

Schließlich sind Alter, Gesundheitszustand und die durch ihre finanziellen Verhältnisse bedingte Möglichkeit der Beteiligten, sich Ersatzwohnraum zu beschaffen, zu beachten (Faber, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, zu § 1361b BGB Rn. 35 m.w.N.; vgl. auch KG, Beschl.v. 28.08.1987 – 17 UF 1644/87 – FamRZ 1988, 182)

(a)

Aufgrund des bestehenden Eigentums des Antragsgegners ist zwar die Eingriffsschwelle für eine Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin anzuheben. Es liegen jedoch auch die damit erforderlichen sehr schwer wiegenden Gründe für eine Zuweisung an sie vor.

So spricht für eine Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin bereits, dass sie aufgrund ihres Alters und ihrer beschränkten finanziellen Verhältnisse als Rentnerin nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage ist, neuen angemessenen Wohnraum zu finden. Der Antragsgegner ist dagegen jünger und wirtschaftlich leistungsfähiger.

Insbesondere ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner durch die Gestattung der Übernachtungsbesuche seiner Lebensgefährtin in der Ehewohnung gegen den erklärten Willen der Antragstellerin die Zuspitzung der Verhältnisse zwischen den getrennten Ehegatten maßgeblich herbeigeführt hat.

Zu einem sehr schwer wiegenden Grund im oben genannten Sinn wird die vom Antragsgegner hierdurch veranlasste Störung, da sie die Nutzung der Ehewohnung innerhalb des Trennungsjahres beeinträchtigt.

Die Ehewohnung als räumlich-gegenständliches Substrat der Ehe und Basis des Zusammenlebens steht unter einem besonderen (grund-)gesetzlichen Schutz (vgl. schon BGH, Urt.v. 26.06.1952 – IV ZR 228/51 – BGHZ 6, 360). Dieser Schutz hat insbesondere im ersten Trennungsjahr noch ein besonderes Gewicht. Solange eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft noch nicht endgültig ausgeschlossen ist, was gem. § 1565 Abs. 2 BGB insbesondere im Trennungsjahr zu vermuten ist, soll die Ehewohnung als Basis des Zusammenlebens beiden Ehegatten nach Möglichkeit noch zur Verfügung stehen, um eine Versöhnung nicht zu erschweren (vgl. BGH, Urt.v. 19.03.2003 – XII ZR 123/00 – BGHZ 154, 247). Diese Funktion wird aber massiv beeinträchtigt, wenn die Ehewohnung in der Trennungsphase bereits dem neuen Partner für regelmäßige Besuche zur Verfügung gestellt wird.

(b)

Die auf Seiten der Antragstellerin vorliegenden schwerwiegenden Gründe werden nicht dadurch relativiert, dass für den Antragsgegner seinerseits Gründe stritten, die eine Zuweisung der Wohnung an ihn rechtfertigten.

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sein Alleineigentum an der Wohnung zu einer Absenkung der Eingriffsschwelle führt (vgl. Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 46), hat er keine ausreichenden Gründe für eine unbillige Härte vorgetragen.

Eine solche wird insbesondere nicht durch seinen Vortrag begründet, er würde von der Antragstellerin nachts durch Lärmbelästigung wie das Knallen von Türen und das Klappern mit dem Toilettendeckel wachgehalten, was bereits Auswirkungen auf seine Gesundheit habe.

Zwar können im Rahmen einer Entscheidung nach § 1361b BGB auch Verhaltensweisen wie Psychoterror oder wiederholtes nächtliches Randalieren, welche noch nicht die im Gesetz besonders hervorgehobene Schwelle zur Anwendung oder Androhung körperlicher Gewalt erreichen, von Bedeutung sein, ebenso wie erhebliche und auf Dauer angelegte Belästigungen in rücksichtsloser Weise (Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu §1361b BGB Rn. 23 m.w.N.). Allerdings müssen auch im Amtsermittlungsverfahren nach § 26 FamFG die behaupteten Übergriffe so substantiiert vorgetragen werden, dass das Gericht die einzelnen Vorwürfe überprüfen kann (Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 25). Sie müssen folglich nach Ort, Zeit und Umständen im Einzelnen dargelegt werden (OLG Rostock, Beschl.v. 22.03.1993 – 3 WF 29/93 – FamRZ 1995, 558; OLG Schleswig, Beschl.v. 04.01.1990 – 8 WF 189/99 – FamRZ 1990, 546).

Bereits hieran fehlt es. Der Vortrag des Antragsgegners erschöpft sich in der pauschalen Behauptung regelmäßiger Störungen der Nachtruhe, die ihm das Leben zur Hölle machten. Unabhängig davon, dass diese damit nach Zeit und Umständen nicht in substantiierter Weise vorgetragen worden sind, ist dem Vortrag auch nicht zu entnehmen, dass die Störungen nach Frequenz und Intensität bereits die Schwelle zu den erforderlichen erheblichen, auf Dauer angelegten rücksichtslosen Beeinträchtigungen überschreiten oder ob noch eine hinzunehmende bloße Belästigung vorliegt.

Die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind ebenfalls nicht näher ausgeführt und damit zu pauschal vorgetragen.

(3)

Der Antragstellerin war die gesamte Ehewohnung zuzuweisen, allerdings befristet bis zum Ende des Trennungsjahres im Juni 2016.

Nach §1361b Abs. 1 BGB hat die Zuweisung zu erfolgen, soweit dies zur Abwendung der unbilligen Härte erforderlich ist. Insoweit sind auch auf Rechtsfolgenseite im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die oben angeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Kroll-Ludwigs, in: Erman, Kommentar zum BGB, 14.Aufl. 2014, zu § 1361b BGB Rn. 8 m.w.N.; Faber, in: jurisPK-BGB, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 34f.). Eine vollständige Zuweisung für die gesamte Trennungszeit kommt daher nur in Betracht, wenn die unbillige Härte nicht auf eine Weise vermieden werden kann, die weniger massiv in die Rechte des anderen Ehepartners eingreift.

(a)

Eine räumliche Aufteilung der Ehewohnung würde vorliegend die unbillige Härte für die Antragstellerin nicht vermeiden. Da es nur einen einheitlichen Wohn-, Ess- und Küchenbereich im Untergeschoss gibt, der nicht aufgeteilt werden kann, wäre ein Ehegatte auf ein einzelnes Zimmer verwiesen und müsste zum Betreten und Verlassen zudem durch den offenen Bereich im Untergeschoss. Eine solche Regelung ist ersichtlich ungeeignet.

(b)

Allerdings ist die Zuweisung zu befristen.

Aufgrund der Bedeutung der dinglichen Rechtsposition ist selbst bei einer auf die gesetzlich hervorgehobenen Härtegründe der Gewaltanwendung (vgl. OLG Stuttgart, Beschl.v. 27.11.2003 – 18 WF 190/03 – FamRZ 2004, 876) und des überwiegenden Kindeswohls (vgl. OLG Köln, Beschl.v. 01.08.2008 – 4 UF 74/08 – FamRZ 2009, 973) gestützten Entscheidung in der Regel eine Befristung der Zuweisung an den Nichteigentümer gerechtfertigt. Dies muss erst recht gelten, wenn eine unbillige Härte aus einem anderen Grund angenommen wird.

Vorliegend hat der Senat die Zuweisung bis zum Ablauf des Trennungsjahres befristet. Gründe für eine längere Frist sind nicht ersichtlich, da mit Ablauf des Trennungsjahres das Eigentum des Antragsgegners als Abwägungsposition die für die Zuweisung streitenden Gesichtspunkte überwiegen wird.

Innerhalb des bis zum Ablauf der Frist am 30.06.2016 verbleibenden halben Jahres hat zunächst die Antragstellerin auch angesichts ihres Alters und ihrer eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten ausreichend Zeit zur Beschaffung von Ersatzwohnraum (vgl. zu diesem Aspekt bei der Fristbemessung auch OLG Stuttgart, Beschl.v. 27.11.2003 – 18 WF 190/03 – FamRZ 2004, 876).

Zudem wird nach Ablauf des Trennungsjahres angesichts der bereits durch den Antragsgegner begründeten neuen Lebenspartnerschaft von einem endgültigen Scheitern der Ehe auszugehen sein, wenn sich die Beteiligten bis dahin nicht wieder versöhnt haben. Damit tritt einerseits der für die Zuweisung maßgebliche Schutz der Ehewohnung als räumlich-gegenständlicher Bereich der Lebensgemeinschaft in den Hintergrund. Anderseits gewinnt mit zunehmender Trennungszeit das dingliche Recht als Abwägungsposition an Bedeutung (vgl. OLG Köln, Beschl.v. 01.08.2008 – 4 UF 74/08 – FamRZ 2009, 973).

b)

Da der Hauptantrag der Antragstellerin damit in der Sache, wenn auch zeitlich begrenzt, Erfolg hat, erübrigt sich eine Entscheidung über den Hilfsantrag.

c)

Der auf Zuweisung gerichtete Hauptantrag des Antragsgegners bleibt dagegen ohne Erfolg.

Das bestehende Alleineigentum stellt gem. § 1361b Abs. 1 S. 3 BGB nur ein zusätzliches Abwägungskriterium dar und ist kein eigenständiger Härtegrund. Insoweit ist auch im Hinblick auf den Alleineigentümer der Ehewohnung zunächst zu prüfen, ob bei Unterlassung der Zuweisung eine unbillige Härte eintreten würde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl.v. 25.04.2000 – 2 UF 195/99 – FamRZ 2001, 760; Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB, Rn. 16, 46).

Derartige Härtegründe hat der Antragsgegner indes, wie dargelegt, nicht in beachtlicher Weise vorgetragen.

d)

Auf den Hilfsantrag des Antragsgegners hin ist der Antragstellerin für die Zeit der Zuweisung die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 250,- € aufzuerlegen, da dies der Billigkeit entspricht § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.

Die Festsetzung einer Nutzungsentschädigung ist nicht ausgeschlossen, weil vorrangig der Unterhalt zu klären wäre. Sie verbietet sich insoweit nur, wenn die Beteiligten den Unterhalt bereits unter Berücksichtigung des Wohnwerts berechnet haben und die Nutzungsentschädigung durch einen höheren Unterhalt wieder auszugleichen wäre (BGH, Urt.v. 11.12.1985 – IVb ZB 83/84 – NJW 1986, 1339; OLG Bamberg, Beschl.v. 21.11.1991 – 2 WF 147/91 – FamRZ 1992, 560; Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 71). Die Berechnung des Unterhalts ist zwischen den Beteiligten indes noch im Streit; inwieweit sich eine Nutzungsentschädigung auf diesen auswirkt, ist unklar.

Die festgesetzte Nutzungsentschädigung entspricht, unter erneuter Abwägung der Interessen der Beteiligten, der Billigkeit.

Auch insoweit ist bestehendes Alleineigentum zu berücksichtigen, ohne für sich stets und zwingend zur Billigkeit eines Entschädigungsanspruchs zu führen (BGH, Urt.v. 15.02.2006 – XII ZR 202/03 – FamRZ 2006, 930; Voppel, in: Staudinger, a.a.O., zu § 1361b BGB Rn. 76 m.w.N.). Im Übrigen richtet sich die Abwägung nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten (OLG Brandenburg, Urt.v. 24.06.2001 – 9 U 17/00 – FPR 2002, 145). Auch eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbleibenden Ehegatten schließt die Festsetzung einer Nutzungsvergütung jedenfalls dann nicht aus, wenn dieser schon seit längerer Zeit in der Ehewohnung lebt und daher in der Lage war, den auf längere Sicht unter Berücksichtigung des Alleineigentums des anderen Ehegatten absehbaren Umzug vorzubereiten und sich um eine angemessene Wohnung zu kümmern (OLG Bremen, Beschl.v. 31.03.2010 – 4 WF 32/10 – FamRZ 2010, 1980).

Die Höhe der Nutzungsentschädigung ist nicht ausschließlich am objektiven Mietwert der Ehewohnung zu orientieren (OLG Brandenburg, Urt.v. 24.06.2001 – 9 U 17/00 – FPR 2002, 145). Insbesondere während des Trennungsjahres kommt, zumal bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen, eine Kürzung der vollen Nutzungsvergütung in Betracht (OLG Brandenburg, Beschl.v. 21.07.2002 – 9 W 7/02 – FamRZ 2003, 378; Brudermüller, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 74.Aufl. 2015, zu § 1361b BGB Rn. 22).

Unter Berücksichtigung der Provokation der Zuweisung durch den Antragsgegner, der eingeschränkten finanziellen Verhältnisse der Antragstellerin und des noch laufenden Trennungsjahres einerseits sowie des Alleineigentums des Antragsgegners und der bereits seit einem halben Jahr andauernden Trennung andererseits erscheint die Festsetzung eines mäßigen Betrags von 250,- € angemessen. Als Schätzgrundlage hat der Senat die Kosten für eine angemessene Wohnung in einer Größe von ca. 60qm unter Berücksichtigung der im Internet verfügbaren Informationen zur in X zu erwartenden Miete (vgl. etwa www.immowelt.de; www.miet-check.de; www.meinestadt.de; www.immobilienscout24.de; www.wohnungsboerse.net) herangezogen.

e)

Der Senat hat außerdem eine kurze Räumungsfrist sowie ein Betretungsverbot und die Pflicht zur Herausgabe der Schlüssel angeordnet. Angesichts der nur befristeten Zuweisung sind die § 885 Abs. 2 – 4 ZPO antragsgemäß nicht anzuwenden.

Diese für die Umsetzung der Zuweisung erforderlichen weiteren Anordnungen gem. § 209 Abs. 1 FamFG sind sachlich auf der Grundlage von § 1361b Abs. 3 S. 1 BGB als Konkretisierung der Wohlverhaltenspflicht im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt (vgl. OLG Stuttgart, Beschl.v. 27.11.2003 – 18 WF 190/03 – FamRZ 2004, 876). Die Entscheidung ergeht insoweit von Amts wegen, die Anträge der Beteiligten binden das Gericht nicht (vgl. Giers, in: Keidel, Kommentar zum FamFG, 18.Aufl. 2014, zu § 209 FamFG Rn. 3).

Weitere Maßnahmen, insbesondere ein Näherungsverbot, erschienen dagegen nicht erforderlich (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl.v. 27.11.2003 – 18 WF 190/03 – FamRZ 2004, 876).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf den §§ 40, 41, 48 Abs. 1, 1.Alt. FamGKG.

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