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Verschweigen noch bestehende Ehe durch Verlobten – Schadensersatz

OLG Oldenburg – Az.: 13 UF 35/16 – Beschluss vom 28.07.2016

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Papenburg vom 22. Januar 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin 3.423,09 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 2.340 € seit dem 30.05.2014 sowie aus weiteren 83,09 € seit dem 28.11.2014 und aus weiteren 1.000 € seit dem 27.03.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Verfahrenswert: 8.123 €.

Gründe

I.

Die im Jahr 1936 geborene Antragstellerin nimmt den 1924 geborenen Antragsgegner auf Ersatz materieller und – hilfsweise – immaterieller Schäden nach Rücktritt aus einem Verlöbnis in Anspruch.

Die Beteiligten lernten sich im Juni/Juli 2013 über eine Partnerbörse im Internet kennen. Der Antragsgegner gab an, verwitwet zu sein. Tatsächlich war er seit Oktober 2012 wieder verheiratet, was er der Antragstellerin verschwieg. Als sich die Beteiligten kennen lernten, lebte der Antragsgegner von seiner Ehefrau, einer jüngeren Frau aus Lettland, getrennt. Die Antragstellerin besuchte den Antragsgegner im Sommer 2013 in seinem Haus in S. Nach diesem Besuch löste die Antragstellerin ihre Wohnung in Oberbayern auf und zog zum Antragsgegner. Die Antragstellerin behauptet, die Beteiligten hätten sich bereits vor ihrem Umzug verlobt. Der Antragsgegner klärte die Antragstellerin über das Bestehen der Ehe mit seiner lettischen Frau auch nach ihrem Einzug in sein Haus nicht auf. Die Antragstellerin drängte den Antragsgegner mehrfach, die Heirat vorzunehmen. Nachdem sie von Dritten von der lettischen Ehefrau des Antragsgegners erfahren hatte, verließ sie den Antragsgegner und zog in ihre Heimat zurück. Ohne das Eheversprechen hätte sie ihre Wohnung in Oberbayern nicht aufgelöst und wäre nicht zu dem Antragsgegner nach S. gezogen. Sie begehrt Ersatz der damit verbundenen Kosten, wobei wegen der einzelnen Schadensposten auf den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Papenburg vom 22. Januar 2016 Bezug genommen wird.

Der Antragsgegner behauptet, die Verlobung mit der Antragstellerin habe erst nach ihrem Einzug stattgefunden. Er sei auch nach ihrem Auszug noch bereit gewesen, die Antragstellerin zu ehelichen, sobald das von ihm eingeleitete Scheidungsverfahren beendet und er von seiner lettischen Frau geschieden wäre. Er habe der Antragstellerin das Bestehen der Ehe nicht mitgeteilt, weil er befürchtet habe, dass sie ihn dann sofort wieder verlasse.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten persönlich angehört und im Wege der Rechtshilfe Frau M. M. als Zeugin zum Zeitpunkt der Verlobung vernommen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat es den Antrag abgewiesen. Die Antragstellerin habe nicht beweisen können, dass ihr der Antragsgegner bereits die Ehe versprochen hatte, als sie ihren Haushalt in Oberbayern auflöste und nach S. umzog. Die Zeugin M. habe zum Zeitpunkt der Verlobung keine verwertbaren Angaben gemacht. Auch ein immaterieller Schadenersatzanspruch sei nicht gegeben. Ein Ansehens- oder Ehrverlust der Antragstellerin aufgrund eines Zusammenlebens mit einem verheirateten, aber getrennt lebenden Mann sei nach heutigen Maßstäben nicht erkennbar.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat weiter Beweis erhoben und die Tochter der Antragstellerin sowie deren Ehemann im Wege der Rechtshilfe zum Zeitpunkt der Verlobung vernehmen lassen. Entsprechend der durch Beschluss vom 24. Juni 2016 mitgeteilten Absicht entscheidet der Senat nach Ablauf der den Beteiligten bis zum 22. Juli 2016 eingeräumten Frist zur Stellungnahme im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet.

Verschweigen noch bestehende Ehe durch Verlobten – Schadensersatz
(Symbolfoto: Pixel-Shot/Shutterstock.com)

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin Ersatz der Schäden zu leisten, die daraus entstanden sind, dass sie in Erwartung einer Eheschließung mit ihm Aufwendungen getätigt und Vermögensdispositionen vorgenommen hat. Ob der Anspruch aus §§ 1298 f BGB folgt, kann dahin gestellt bleiben. Nach derzeit noch herrschender Meinung werden Verlöbnisse mit einem noch Verheirateten als sittenwidrig und nichtig angesehen (Staudinger/Löhning, BGB, Bearb. 2015, Rn. 25 mwN). Die Frage bedarf aber keiner Vertiefung, weil der Partner, der – wie unstreitig die Antragstellerin – den Mangel nicht kannte, nach allgemeiner Meinung Schadenersatz beanspruchen kann, wobei der Anspruch teils aus analoger Anwendung der §§ 1298 ff. BGB, teils aus Deliktsrecht oder §§ 311a II BGB hergeleitet wird (Staudinger/Löhning aaO; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 8 Rn. 24).

Nach Durchführung der weiteren Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Verlobung im Sommer 2013 vor dem Umzug der Antragstellerin nach S. stattgefunden hat, so dass die mit dem Umzug der Antragstellerin verbundenen Maßnahmen auf der Erwartung einer alsbaldigen Eheschließung beruhten, zu der der Antragsgegner, wie er wusste, aufgrund des Umstands, dass er verheiratet war, nicht in der Lage war.

Die Angaben der Antragstellerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht über die Umstände der Verlobung sind detailliert und glaubhaft. Dies trifft auch auf die Aussage der als Zeugin vernommenen Tochter der Antragstellerin, Frau G. S., zu. Diese konnte sogar das von der Antragstellerin angegebene Datum der Verlobung (15.08.) glaubhaft mit einem konkreten Ereignis (einer bekannten Feier in J.) zeitlich in Verbindung bringen, das die Zeugin an diesem Tage mit ihrem Mann besucht hatte. Anlässlich eines Telefonats 16.08.2013, bei dem die Zeugin ihrer Mutter von dem Fest erzählte, äußerte diese, sie habe auch gefeiert, nämlich ihre Verlobung mit dem Antragsgegner. Zwar handelte es sich dabei nur um eine Angabe der Antragstellerin selbst. Diese hatte jedoch keinen Anlass, ihrer Tochter die Unwahrheit über eine Verlobung mit dem Antragsgegner zu sagen. Zum anderen hat der Antragsgegner die Verlobung zwei Tage später bei einem weiteren Gespräch zwischen Zeugin und Antragstellerin über „Skype“, bei dem er ins Bild kam, gegenüber der Zeugin bestätigt. Auch der Zeuge W. S. hat ebenfalls glaubhaft bekundet, dass seine Schwiegermutter am Tag nach dem Fraufest in J. ihre Verlobung mit dem Antragsgegner mitgeteilt habe. Man sei von der Entwicklung regelrecht geschockt gewesen und habe daher zwei Tage später das erneute Gespräch über „Skype“ geführt, in dem der Antragsgegner die Verlobung ebenso wie bei einem späteren Gespräch bestätigt habe. Man solle sich keine Sorgen machen, er, der Antragsgegner, werde sich um die Antragstellerin kümmern und man würde ja ohnehin bald heiraten. Erst danach, d.h. nach der Verlobung, habe der Zeuge seiner Schwiegermutter geholfen, ihre Wohnung aufzulösen und nach S. zu ziehen.

Dass der Antragsgegner der Antragstellerin verschwiegen hat, noch verheiratet zu sein, hat der Antragsgegner ebenso in seiner persönlichen Anhörung eingeräumt wie den Umstand, dass ihn die Antragstellerin immer wieder gedrängt hat, die Heirat mit ihr vorzunehmen. Die Täuschung der Antragstellerin stellte einen wichtigen, zum Rücktritt von einer Verlobung berechtigenden Grund dar (§ 1299 BGB bzw. § 1299 BGB analog).

Die Antragstellerin kann aus diesem Grunde Ersatz der ihr entstandenen Schäden verlangen, nämlich der Kosten der Entsorgung von Mobiliar ihrer alten Wohnung (100 €), Reisekosten von P. nach S. (259,18 €), Transportkosten restlicher Möbel nach S. durch Familienangehörige (772,41 €) und Rücktransport durch einen Dritten (1.253,14 €) sowie Kosten für ein Inserat sowie den Nachsendeauftrag nach der Rückkehr nach P. (38,36 €).

Nicht begründet ist der geltend gemachte Ersatzanspruch von 4.700 € für das vor dem Umzug veräußerte Mobiliar der Wohnung der Antragstellerin in P. Das Vorbringen der Antragstellerin ist widersprüchlich. Während die Antragstellerin zunächst vorgetragen hatte, die wertvollen Möbel teilweise unter Wert verkauft, teilweise verschenkt zu haben, ohne den erzielten Erlös anzugeben, hat sie auf entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts auf die Unschlüssigkeit des Vorbringens behauptet, keinerlei Erlös erhalten zu haben. Die Möbel hätten aufgrund ihres Alters keinen aktuellen Marktwert mehr gehabt, jedoch für sie einen (persönlichen) Erinnerungswert. Dieser stellt jedoch keinen ersatzfähigen Schaden dar. Ein Vermögensschaden ist der Antragstellerin auch nicht dadurch entstanden, dass sie neue Möbel anschaffen musste. Durch das neue Mobiliar hat die Antragstellerin einen entsprechenden Gegenwert erhalten.

Soweit die Antragstellerin ihren Anspruch im Schriftsatz vom 09.03.2015 hilfsweise auf eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gestützt hat, ist der Antrag begründet. Nach Durchführung der weiteren Beweisaufnahme steht fest, dass die Antragstellerin nach der Rückkehr in ihre Heimat unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelitten hat. Nach den Angaben beider Zeugen S. war die Antragstellerin nach ihrer Rückkehr aus S. stark depressiv und zog sich, ihn ihrem Wertesystem zutiefst verletzt, vollständig aus der Öffentlichkeit und ihrem Bekanntenkreis zurück. Darüber hinaus ist sie empfindlich gekränkt und in ihrer inneren Ehre verletzt worden. Ohne die Täuschung des Antragsgegners hätte die Antragstellerin ihr bisheriges Lebensumfeld nicht aufgegeben und wäre nicht zum Antragsgegner gezogen. Dabei war für die Antragstellerin aufgrund ihrer Werte- und Moralvorstellungen das Versprechen der Eheschließung ausschlaggebend, wie dem Antragsgegner bekannt war. Nach seinen Angaben klärte er die Antragstellerin auch nach ihrem Einzug nicht über seine bestehende Ehe auf, weil sie ihn dann sofort wieder verlassen hätte. Dass nach den heute gewandelten Vorstellungen das Zusammenleben mit einem Partner ohne Trauschein nicht mehr zu einem Ansehens- und Ehrverlust in der Öffentlichkeit führt, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ändert nichts daran, dass die Antragstellerin in ihrem persönlichen Wertesystem empfindlich verletzt worden ist. Das Fehlen einer Beeinträchtigung in der Öffentlichkeit ist ein bei der Bemessung einer Entschädigung zu berücksichtigender Umstand. Auf Seiten des Antragsgegners war zu berücksichtigen, dass das Motiv seines Handelns in seiner altersbedingten Einsamkeit zu finden ist, wie nicht zuletzt das von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 19.07.2016 geschilderte Bemühen des Antragsgegners zeigt, einen Flüchtling bei sich aufzunehmen. Der Senat hält unter Berücksichtigung auch der beschränkten finanziellen Verhältnisse des Antragsgegners eine Entschädigung wegen des immateriellen Schadens in Höhe von 1.000 € für angemessen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 113 Abs. 1 FamFG, §§ 91, 92 ZPO. Bei der Festsetzung des Verfahrenswerts ist der bezifferte Antrag in Höhe von 7.123,09 € und der Hilfsantrag in Höhe von 1.000 € eingeflossen.

 

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