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Berechnung Nutzungsentschädigung für Haus nach Trennung

Ein Scheidungskrieg um Vermögen, Nutzungsentschädigung und Besitzverhältnisse

In einer Welt, in der Liebe oft einer juristischen Realität weicht, können Scheidungsprozesse zu komplexen und bitteren Schlachten um Vermögen, Eigentumsrechte und Unterhaltsforderungen werden. Im Mittelpunkt dieses Falles standen ein getrennt lebendes Ehepaar, das Mitinhaber einer wertvollen Immobilie und gleichberechtigte Geschäftsführer zweier Unternehmen waren. Es gab Streitigkeiten über Nutzungsentschädigungen, Besitzansprüche und Unterhaltszahlungen, die sich zu einem verworrenen Knoten aus Rechtsfragen und finanziellen Komplikationen entwickelten. Die Ehefrau forderte Nutzungsentschädigungen für die Zeit, in der sie nicht in der gemeinsamen Immobilie lebte, während der Ehemann darauf bestand, dass er diese nicht zahlen muss. Außerdem machte sie geltend, dass der Ehemann seine Zahlungen für das gemeinsame Darlehen einstellte, was dazu führte, dass eine Zwangsvollstreckung drohte.

Direkt zum Urteil Az: 53 F 391/20 RI springen.

Komplizierte Besitzverhältnisse und Unterhaltsforderungen

Das Ehepaar, das getrennt lebte, hatte zwei Söhne und besaß gemeinsam eine Immobilie. Die Mutter zog mit den beiden Kindern in die gemeinsame Immobilie ein, nachdem der Vater ausgezogen war. Die Mutter, die nur einen begrenzten Zugang zu den Geschäftskonten hatte, behauptete, sie könne vom Vater eine Nutzungsentschädigung für den Zeitraum fordern, in dem sie nicht in der gemeinsamen Immobilie lebte. Der Vater lehnte dies ab und bestand darauf, dass er keine Nutzungsentschädigung zahlen müsse, da sie nicht dazu aufgefordert worden sei.

Die Einleitung einer Teilungsversteigerung und Zwangsvollstreckung

Darüber hinaus behauptete die Mutter, dass die Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Vater unbillig sei. Sie warf ihm vor, nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Immobilie sämtliche Zahlungen eingestellt zu haben, was zur Kündigung des Immobiliendarlehens durch die Bank und schließlich zur Drohung einer Zwangsvollstreckung führte. Darüber hinaus wurde eine Teilungsversteigerung der gemeinsamen Immobilie eingeleitet, nachdem der Vater einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht Darmstadt gestellt hatte.

Zwist um gemeinsames Geschäftsvermögen

Ein weiterer Streitpunkt war der Zugang zu den Geschäftskonten der beiden Unternehmen, an denen das Ehepaar beteiligt war. Die Mutter behauptete, sie habe kaum Zugang zu den Einkünften aus diesen Unternehmen, da der Vater dies verhindere. Sie argumentierte, dass die Tilgung der Immobiliendarlehen durch den Vater nicht aus seinen eigenen Mitteln, sondern aus den Einkünften oder dem Vermögen beider Parteien erfolgte.

Trotz aller Konflikte und Meinungsverschiedenheiten wurde der Antrag der Mutter und die Wideranträge abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens wurden zwischen den Parteien aufgeteilt, wobei der Vater den Großteil zu tragen hatte.


Das vorliegende Urteil

AG Darmstadt – Az.: 53 F 391/20 RI – Beschluss vom 11.03.2021

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Wideranträge werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin 20 %, der Antragsgegner 80 % zu tragen.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind Eheleute, die voneinander getrennt leben. Die Zustellung des Scheidungsantrags im Verfahren vor dem erkennenden Gericht mit dem Aktenzeichen 53 F 2177/20 erfolgte am 12.1.2021. Aus der Ehe der Beteiligten gingen die zwei Söhne C und D hervor. Die Beteiligten sind Miteigentümer zu jeweils 50 % an der Immobilie X. Der objektive Mietwert der Immobilie beträgt monatlich 2000 €. Die Antragstellerin zog im September 2019 in Trennungsabsicht aus der gemeinsamen Immobilie aus und mietete ein Zimmer in einem Appartementhotel in Frankfurt, wofür sie monatlich 1500 € Miete zahlen musste. Unmittelbar nach ihrem Auszug machte die Antragstellerin Anfang Oktober 2019 ein Wohnungszuweisungsverfahren vor dem erkennenden Gericht anhängig, welches damit endete, dass ihr die eheliche Immobilie zu alleinigen Nutzung zugewiesen wurde (Az. 53 F 1704/19 WH). Seit Mitte März 2020 wohnt die Antragstellerin mit den beiden Söhnen nach dann erfolgtem Auszug des Antragsgegners in der ehelichen Immobilie. Der Antragsgegner lebt nunmehr mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen und zahlt an den Bauverein eine monatliche Miete i.H.v. 739 €. Für C zahlt der Antragsgegner einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 293 €. Für D zahlt er keinen Unterhalt. Die Beteiligten sind gleichberechtigte Geschäftsführer und Gesellschafter der Y GmbH und der Z GmbH. Zugriff auf die Konten der beiden genannten Firmen hat überwiegend nur der Antragsgegner, die Antragstellerin nur in einem sehr begrenzten Umfang. Im Zeitraum Januar bis Mai 2020 konnte die Antragsgegnerin 5750 € und im Oktober 2020 weitere 1600 € von den Firmenkonten abheben. Weitere Einkünfte hat die Antragstellerin nicht. Bis Februar/März 2020 bediente der Antragsgegner die auf der gemeinsamen Immobilie lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von monatlich 1775 €. In der Folgezeit kündigte die Bank mit Schreiben vom 10.9.2020 das Immobiliendarlehen, nachdem der Kredit dort nicht mehr bedient wurde. Auf Antrag des Antragsgegners vom 15.7.2020 beantragte dieser beim Amtsgericht Darmstadt die Teilungsversteigerung, welchem mit Beschluss vom 20.7.2020 stattgegeben wurde (Az. 61 K 71/20).

Nutzungsentschädigungsberechnung für Haus nach Trennung
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Die Antragstellerin meint, sie könne vom Antragsgegner für den Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2020 monatlich 1000 €, insgesamt also 5000 € Nutzungsentschädigung verlangen.

Der Antragsgegner könne seinerseits keine Nutzungsentschädigung verlangen, da sie zur Zahlung einer solchen nicht aufgefordert worden sei. Darüber hinaus sei die Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Antragsgegner unbillig. So habe der Antragsgegner unmittelbar nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Immobilie sämtliche Zahlungen auch bezüglich der Darlehen eingestellt, so dass jetzt die Zwangsvollstreckung drohe, weil der Antragsgegner alles getan habe, sie in ihrem Nutzungsrecht zu beeinträchtigen. Nennenswerten Zugang zu Firmeneinkünften habe sie ebenfalls nicht, da der Antragsgegner dies verhindere. Soweit der Antragsgegner bis zu seinem Auszug die Immobiliendarlehen getilgt habe, sei dies nicht aus seiner eigenen Tasche erfolgt, sondern die Zahlungen seien den Einkünften bzw. dem Vermögen beider Beteiligten gleichermaßen entnommen worden. Auch zahle der Antragsgegner für den noch minderjährigen Sohn C monatlich nur 293 € Kindesunterhalt, was den Berechnungen der Unterhaltsvorschusskasse entspreche, aber weniger als der Mindestunterhalt sei. Für den älteren Sohn zahle überhaupt kein Unterhalt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Antragsgegner unbillig.

Die Antragstellerin beantragt: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 5000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab 16.4.2020 zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen und beantragt zuletzt widerantragstellend:

1. Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner 2000 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz zu zahlen.

2. Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner eine monatliche Nutzungsvergütung von 1500 € ab dem 15.5.2020 zu zahlen.

Die Antragstellerin beantragt, die Wideranträge zurückzuweisen.

Der Antragsgegner meint, Nutzungsentschädigungsansprüche der Antragstellerin würden bereits daran scheitern, weil er bis zum (Wieder-) Einzug der Antragstellerin am 15.3.2020 sämtliche Kosten der im gemeinsamen Eigentum der Beteiligten stehenden Immobilie in Weiterstadt alleine getragen habe. Allein die von ihm gezahlten Darlehensverbindlichkeiten wegen der auf der Immobilie lastenden Hypothek habe monatlich 1775 € betragen, wovon im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs auf die Antragstellerin 50 % entfielen, also 887,50 €/Monat. Seit ihrem Einzug in die Immobilie schulde vielmehr die Antragstellerin ihm für die Monate März und April 2020 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von insgesamt 2000 € und ab Mai 2020 sodann monatlich laufend 1000 €.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag und die Wideranträge sind zulässig, jedoch unbegründet.

1.

Antrag der Antragstellerin

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner keinen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2020 in Höhe von insgesamt 5000 €.

Nach § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB kann vom nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung des im gemeinsamen Eigentum stehenden Hauses verlangt werden, soweit dies der Billigkeit entspricht, wobei in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass diese Nutzungsvergütung erst ab dem Zeitpunkt verlangt werden kann, ab dem der nutzungsberechtigte Ehegatte, für den geltend gemachten Zeitraum hier der Antragsgegner, zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung aufgefordert wurde (OLG Frankfurt vom 9.5.2012, Az. 4 UF 14/12, hefam; OLG München FamRZ 99, 1270; OLG Köln FamRZ 99, 1272 zu § 745 Abs. 2 BGB).

Für Oktober 2019 kommt hiernach die Zahlung einer Nutzungsentschädigung durch den Antragsgegner von vornherein nicht in Betracht. Denn unstreitig wurde der Antragsgegner erst mit Schreiben vom 8.10.2019 zur Zahlung einer Nutzungsvergütung in Höhe von monatlich 1000 € aufgefordert, so dass erst ab November 2019 entsprechende Vergütungsansprüche im Raum stehen. Für Oktober 2019 fehlt es demgegenüber an der erforderlichen Inverzugsetzung.

Aber auch für den Zeitraum November 2019 bis Februar 2020 ist der Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung einer Nutzungsvergütung unbegründet.

Für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung der weichenden Antragstellerin kommt es gemäß § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB zunächst nicht darauf an, ob diese im September 2019 freiwillig oder gezwungenermaßen aus dem ehelichen Anwesen ausgezogen ist.

Allerdings ist die Nutzungsentschädigung nicht schematisch und allein nach dem Mietwert der Wohnung zu bemessen. Vielmehr ist zunächst zu differenzieren zwischen der Zeit der Trennung und ab dem endgültigen Scheitern der Ehe, wobei Letzteres angenommen wird, wenn einer der Beteiligten einen Scheidungsantrag stellt. Zu Beginn der Trennung steht noch nicht fest, ob die eheliche Lebensgemeinschaft nicht doch wieder hergestellt wird. Daher kann dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten (Antragsgegner) nicht zugemutet werden, die für ihn regelmäßig zu große Ehewohnung zu verwerten oder zu vermieten. Aus diesem Grund kann bis zum endgültigen Scheitern der Ehe nur der angemessene, subjektive Wohnwert, angesetzt werden. Hierbei wird regelmäßig auf den Mietzins abgestellt, den der betreffende Ehepartner für eine angemessene, dem ehelichen Lebensstandard entsprechende, kleinere Wohnung auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zu zahlen hätte. Trägt dann noch der in der Wohnung verbleibende Ehegatte die Zins- und Tilgungsleistungen für die Immobilie, sind diese von dem ermittelten Marktwert für eine angemessene Wohnung in Abzug zu bringen, was auch dazu führen kann, dass ein negativer Wohnwert entsteht.

Der Antragsgegner, der mittlerweile mit seiner neuen Lebensgefährtin in einer Wohnung zusammenlebt, hat Überweisungsbelege vorgelegt (Bl. 165 ff der Akte) aus denen sich ergibt, dass er nunmehr eine monatliche Miete i.H.v. 739 € an den Bauverein zahlt. Das Gericht geht davon aus, dass auch für den hier in Rede stehenden Zeitraum von November 2019 bis Februar 2019 diese Mietaufwendungen des Antragsgegners seinem subjektiven Wohnwert entsprechen, also mit dem zu vergleichen sind, was er in dieser Zeit entsprechend seinem ehelichen Lebensstandard für eine angemessene und kleinere Wohnung auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hätte zahlen müssen.

Dennoch kann die Antragstellerin vom Antragsgegner auch keine Nutzungsentschädigung i.H.v. 739 € monatlich beanspruchen, da dies der Billigkeit im Sinne des § 1361a Abs. 3, S.2 BGB widersprechen würde.

Der Ehemann zahlte für das im gemeinsamen Eigentum stehende Haus der Beteiligten alleine die Hypothekenzinsen, die sich auf monatlich 1775 € beliefen.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass in den Fällen, in denen der allein nutzende Ehegatte die Hauskredite (und die verbrauchsunabhängigen Nebenkosten) bedient, diese Zahlungen auf die zu entrichtende Nutzungsentschädigung anzurechnen sind (OLG Düsseldorf, FamRZ 99, 1271, OLG Köln, FamRZ 94, 962, OLG Braunschweig FamRZ 96,548). Auch das OLG Köln (FamRZ 99,1272) hat in einem von ihm entschiedenen Fall dargelegt, dass die Ehefrau keine Nutzungsentschädigung verlangen kann, weil sie von ihren eigenen Verbindlichkeiten gegenüber den Kreditinstituten befreit wird, wenn der Ehemann die Hypothekenschuld alleine tilgt, weil hierin eine andere Form des angemessenen Ausgleichs für die alleinige Nutzung angesehen werden kann.

So ist die Situation auch hier. Durch die Zahlungen des Ehemannes in Höhe von monatlich 1775 € im streitgegenständlichen Zeitraum hat der Ehemann auch Verbindlichkeiten der Ehefrau getilgt, die diese selbst in Höhe von 1/2, also in Höhe von 887,50 €/Monat als Gesamtschuldnerin gegenüber der Bank hätte tilgen müssen. Soweit die Ehefrau in diesem Zusammenhang einwendet, die Hypothekenzahlungen seien nicht aus der eigenen Tasche des Ehemannes gezahlt worden, sondern entstammen dem gemeinsamen Einkommen und Vermögen, mag dies so sein, da einzige Einkommensquelle die von den beiden Beteiligten betriebenen Firmen ist und es darüber hinaus keine weiteren Einkünfte gibt. Damit steht aber zugleich fest, dass sämtlich generierte Einkünfte aus den Firmen mindestens auch zu 50 % dem Ehemann zuzurechnen sind. Wenn dieser also monatlich 1775 € Hypothekenzinsen zahlt, tilgt er hiermit nicht nur den Anteil der Antragstellerin, die als Gesamtschuldnerin gegenüber der Bank ebenfalls haftet, sondern auch den auf ihn entfallenden Anteil und dies ganz offensichtlich auch aus eigener Tasche, da auch ihm 50 % der Einkünfte zustehen.

Den Ehemann unter diesen Umständen zu einer Nutzungsentschädigung für die alleinige Nutzung des Hausanwesens in der Vergangenheit zu verurteilen, widerspricht der Billigkeit im Sinne des § 1361 b BGB.

2.

Wideranträge des Antragsgegners

Der Antragsgegner hat keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung ab Mitte März 2020 in Höhe von monatlich 1000 €, so dass sowohl der Widerantrag zu Ziff. 1 wie auch der Widerantrag zu Ziff. 2 zurückzuweisen ist.

Nachdem der Antragstellerin im Verfahren 53 F 1704/19 WH die im gemeinsamen Eigentum der Beteiligten stehende eheliche Wohnung zur alleinigen Nutzung rechtskräftig zugewiesen wurde, kann der Antragsgegner von der Antragstellerin grundsätzlich nach § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB Nutzungsentschädigung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.

Verzug der Ehefrau ist eingetreten mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes vom 30.1.2020 im Wohnungszuweisungsverfahren (Az. 53 F 1704/19), wo der Antragsgegner erstmals die Antragstellerin zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung von monatlich 1000 € aufgefordert hat.

Bis zur Zustellung des Scheidungsantrages am 12.1.2021 (Scheidungsverfahren vor dem erkennenden Gericht, Az. 53 F 2177/20) kommt für den Zeitraum von Mitte März 2020 bis Januar 2021 nur ein subjektiver Wohnwert, ab Februar 2021 dann nach Zustellung des Scheidungsantrages ein objektiver Wohnwert in Betracht.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann nicht von einem subjektiven Wohnwert auf Seiten der Antragstellerin für den Zeitraum Mitte März bis Januar 2021 in Höhe von monatlich 1500 € ausgegangen werden. Zwar musste die Antragstellerin Mietkosten in dieser Höhe für die kurzfristige Anmietung eines Zimmers in einem Appartementhotel in Frankfurt aufbringen, weil ein Zusammenleben mit dem Ehemann im gemeinsamen Anwesen nicht mehr möglich war und die Ehefrau zum damaligen Zeitpunkt ihr Bettenlager im Treppenhaus der Immobilie aufschlagen musste, wie aus dem Wohnungszuweisungsverfahren 53 F 1704/19 bekannt ist. Die Antragstellerin befand sich zum damaligen Zeitpunkt in einer Notlage und es war offensichtlich, dass die Anmietung des teuren Hotelzimmers nur eine schnell getroffene Notlösung sein konnte, bis über den von der Ehefrau kurz nach ihrem Auszug im September 2019 dann im Oktober 2019 anhängig gemachten Wohnungszuweisungsantrag gerichtlich entschieden worden ist.

Gestützt wird diese Einschätzung des Gerichts auch dadurch, dass der Ehemann seit der Trennung der Beteiligten systematisch versucht, seine Ehefrau aus allen Firmen heraus zu drängen und sie weitestgehend von allen Einkünften hieraus abzuschneiden. Dies obwohl sowohl der Ehemann wie auch die Ehefrau gleichermaßen an den von ihnen betriebenen Firmen als Geschäftsführer/in und Gesellschafter/in paritätisch beteiligt sind. Soweit der Antragsgegner hierzu ein anderes Bild vermitteln will, indem er vorträgt, die Ehefrau hätte Zugriff auf die Firmenkonten, stimmt dies nur bedingt, nachdem unstreitig ist, dass die Antragstellerin im Zeitraum Januar bis Mai 2020 insgesamt nur 5750 € und dann im Oktober 2020 noch mal 1600 € von den Firmenkonten abheben konnte. Die finanziellen Verhältnisse der Ehefrau sind daher als beengt zu bezeichnen, was Auswirkungen auf die Höhe des subjektiven Wohnwerts hat.

Im Hinblick auf die angespannte finanzielle Situation der Antragstellerin hält das Gericht den Wohnanteil im notwendigen Selbstbehalt als subjektiven Wohnvorteil für angemessen, der sich für 2020 und 2021 auf monatlich 490 € beläuft.

Der objektive Wohnvorteil der Antragstellerin beträgt demgegenüber ab Februar 2021 monatlich 1000 €, nachdem der Scheidungsantrag im Januar 2021 zugestellt wurde und damit von einem endgültigen Scheitern der Ehe auszugehen ist. Bezüglich der Höhe des objektiven Wohnvorteils besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, nachdem sie einvernehmlich erklärten, dass für das im gemeinsamen Eigentum der Beteiligten stehenden Anwesen ein objektiver Wohnwert i.H.v. 2000 €/Monat besteht, so dass auf jeden Beteiligten hiervon 1000 €/Mon. entfallen.

Nach Billigkeitserwägungen im Sinne des § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB kann der Antragsgegner von der Antragstellerin weder eine Nutzungsentschädigung in Höhe des subjektiven Wohnvorteils noch in Höhe des objektiven Wohnvorteils nach Zustellung des Scheidungsantrags verlangen.

Eine Nutzungsentschädigung ist nicht schematisch zuzusprechen, sondern es sind immer die Umstände des Einzelfalles im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.

Hierbei fällt zunächst ins Gewicht, dass der Antragsgegner seinen Anteil der Immobilie der Antragstellerin keineswegs zur alleinigen Nutzung überlässt. Vielmehr leben in der Immobilie zusammen mit der Antragstellerin auch noch der minderjährige Sohn C und – insoweit ist das Vorbringen der Beteiligten nicht ganz eindeutig – wohl auch noch der Sohn D. Insoweit sind die Nutzungsmöglichkeiten der Antragstellerin im Hinblick auf den von dem Antragsgegner überlassenen Miteigentumsanteil an der Immobilie deutlich eingeschränkt, da dieser nicht von einer Person, sondern von drei Personen genutzt wird.

Bei dem Sohn C kommt hinzu, dass der Antragsgegner für diesen monatlich nur 293 € Kindesunterhalt zahlt, was deutlich zu wenig ist, nachdem der Mindestunterhalt für C sich im Jahr 2020 auf 395 €/Monat und ab 1.1.2021 auf 418,50 €/Monat beläuft. Soweit der Antragsgegner darüber hinaus gegenüber C finanzielle Bedürfnisse anderweitig befriedigen will, handelt es sich hierbei um freiwillige Leistungen, die diesem Zusammenhang unerheblich sind. Unerheblich ist ebenfalls, dass der vom Antragsgegner monatlich gezahlte Betrag von 293 € einer von der Unterhaltsvorschusskasse berechneten Unterhaltspflicht entsprechen soll, da hierbei offenbar nicht berücksichtigt ist, dass der Antragsgegner gegenüber dem minderjährigen C eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit hat die ihn verpflichtet, entweder neben seiner beruflichen Tätigkeit eine weitere Tätigkeit aufzunehmen oder aber seine selbständige Tätigkeit aufzugeben und sich eine abhängige Beschäftigung zu suchen, die es ihm ermöglicht, wenigstens den Mindestunterhalt zu zahlen.

Die Billigkeit der vom Antragsgegner verlangten Nutzungsvergütung hängt auch von der Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten sowie den Belastungen durch die gemeinschaftlichen Kinder ab (OLG Bremen, FamRZ 2010, 1980; OLG Naumburg, FamRZ 2010, 391). Es bleibt damit wegen der unzureichenden Unterhaltszahlung des Antragsgegners gegenüber C an der Antragstellerin hängen, diese finanziellen Defizite auszugleichen. Wegen den unzureichenden Unterhaltszahlungen für seinen minderjährigen Sohn muss die Antragstellerin anstelle des Antragsgegners für den sonstigen Lebensbedarf von C sorgen. Dies ist aber auf Seiten der Antragstellerin besonders schwierig, weil sie von sämtlichen Einkünften aus den von beiden Beteiligten betriebenen Firmen vom Antragsgegner systematisch abgeschnitten wird, wie das Gericht bereits oben dargelegt hat. Der Antragsgegner gestattet der Antragstellerin keinen nennenswerten Zugriff auf die Firmenkonten, der Antragsgegner schneidet sie von allen Firmeneinkünften ab, soweit es geht. Parallel hierzu versucht er die Antragstellerin aus den von ihnen gemeinsam betriebenen Firmen als Gesellschafterin und Geschäftsführerin heraus zu drängen, hierzu gibt oder gab es auch schon vom Antragsgegner angestrengte Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Darmstadt. Infolgedessen ist die Antragstellerin durch das Verhalten des Antragsgegners nicht leistungsfähig. Für den Fall, dass der Antragsgegner in diesem Zusammenhang einwenden sollte, dass die Firmen keine nennenswerten Gewinne abwerfen, muss es der Antragstellerin dennoch gestattet sein, als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der von ihr zusammen mit ihrem Ehemann betriebenen Firmen ihre Arbeitskraft dort rein zu stecken, um auf diese Weise ihrer selbständigen Tätigkeit Vorschub zu leisten, um somit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dies wird seit Monaten vom Antragsgegner mit dem Ziel vereitelt, die Antragstellerin finanziell ausbluten zu lassen.

Schließlich kann im Rahmen der Billigkeitserwägungen auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsgegner die auf der Immobilie lastenden monatlichen Verbindlichkeiten i.H.v. 1775 € seit Februar 2020 nicht mehr gegenüber der Bank bedient. Infolgedessen hat die Bank mittlerweile das Immobiliendarlehen gekündigt und der Antragsgegner hat am 15.7.2020 Antrag auf Teilungsversteigerung gestellt, dem das Amtsgericht Darmstadt mit Beschluss vom 20.7.2020 stattgegeben hat (Az. 61 K 71/20, Bl. 194 der Akte).

Das systematische Vorgehen des Antragsgegners gegen seine Ehefrau, mit der er noch verheiratet ist, hat mit einer ehelichen Solidarität nichts mehr zu tun. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1361 b BGB ist aber neben den ehelichen Verhältnissen auch die über die Trennung der Eheleute hinausgehende Pflicht zur ehelichen Solidarität zu berücksichtigen.

All diese Erwägungen führen im Ergebnis dazu, dass der Antragsgegner von seiner finanziell leistungsunfähigen Ehefrau, die darüber hinaus den minderjährigen Sohn C finanziell mit unterstützen muss und die aufgrund der bevorstehenden Teilungsversteigerung ohnehin das Haus verlieren wird, nachdem der Antragsgegner die Tilgung der Immobiliendarlehen eingestellt hat, keine Nutzungsentschädigung verlangen kann, weder in Höhe des subjektiven Wohnwerts noch in Höhe eines objektiven Wohnwerts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 FamFG iVm. §§ 92, 263 ZPO.

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