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Ehevertrag: Sittenwidrigkeit und gerichtliche Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle

AG Flensburg, Az.: 92 F 246/10 GÜ, Beschluss vom 21.11.2011

Der Antrag des Antragsgegners vom 23.12.2010 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Folgesachen Ehegattenunterhalt und güterrechtlichen Ausgleich wird zurückgewiesen.

Gründe

Der begehrten Rechtsverfolgung fehlt die, für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erforderliche, hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit.

I.

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Im Jahr 2007 zog der Antragsgegner aus der ehelichen Wohnung zu seiner Mutter. Hintergrund des Auszuges war die Abhängigkeit des Antragsgegners von Medikamenten und die Forderung der Antragsstellerin, dass der Antragsgegner sich stationär behandeln lassen soll. Nach dem Auszug erfolgten nur noch wenig Begegnungen zwischen den Beteiligten, wobei der Antragsgegner dann äußerte, er ist „clean“ und befand sich in ärztlicher Behandlung.

Die Ehe war insbesondere durch die Einkünfte des Antragsgegners als Arzt geprägt. Die Antragsstellerin ist Lehrerin. Aus der Ehe gingen die Kinder S. (geb. 08.02.1988) und J. (geb. 12.03.1991) hervor.

Die Beteiligten erklärten im Fragebogen zum Versorgungsausgleich folgende Beschäftigungszeiten:

Antragsstellerin:

  • 01. März 1985 bis 28. Februar 1986
  • 15. Januar 1987 bis 14. Januar 1988
  • Februar 2002 bis Juli 2002
  • 01. August 2010 fortlaufend

Antragsgegner:

  • 01. Januar 1989 bis 30. Juni 1990
  • 15. August 1990 bis 30. August 1992
  • 01. Januar 1993 bis 30. Dezember 1993
  • 01. September 1994 bis 30. März 1997
  • 01. Januar 2000 bis 30. März 2001
  • 01. April 2001 bis 30. März 2007
  • Der Antragsgegner bezog ab 06. Juni 2008 – wobei die Bezugsdauer unklar ist – sowie im Zeitraum 07. Juli 2009 bis 08. August 2009 Arbeitslosengeld.

Ende 2009 wandte sich der Antragsgegner wegen der beabsichtigten Vermögensauseinandersetzung an die Antragsstellerin, da er – was streitig ist – in Dänemark in eine Gemeinschaftspraxis einsteigen wollte. Am 07. Januar 2010 unterbreitete die Bevollmächtigte der Antragsstellerin dem Antragsgegner einen Vergleichsvorschlag, woraufhin er am 05. Februar 2010 gegenüber der Bevollmächtigten ankündigte, selbst einen Anwalt zu beauftragen. Am 06. Mai 2010 teilte der Antragssteller der Bevollmächtigten mit, dass er mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden ist und bat um Beauftragung eines Notars. Die Bevollmächtigte der Antragsstellerin wandte sich mit Schreiben vom 20. Mai 2010 an den Notar M. und den Antragsgegner

Ehevertrag: Sittenwidrigkeit und gerichtliche Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle
Symbolfoto: Double Brain/Bigstock

Am 03. Juni 2010 schlossen die Beteiligten vor dem Notar R. M. zur Urkundennummer …/2010 einen Vertrag zur Vermögensauseinandersetzung und Vereinbarung im Rahmen der Ehescheidung.

Auf Seite 6 unter Ziffer 2 verzichteten die Beteiligten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt, und zwar auch für den Fall des Notbedarfs und veränderter Umstände und nahmen den Verzicht wechselseitig an. Die Beteiligten erklärten, dass der wechselseitige Unterhaltsverzicht ihren Interessen für die Regelung nach Beendigung der Ehe entspricht und beide in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus dem jeweiligen Einkommen zu sichern und beide der Überzeugung sind, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Auf Seite 7 des Vertrages schlossen die Beteiligten den Zugewinnausgleich aus, nachdem sie die Vermögensauseinandersetzung auf Seite 2 bis 5 vertraglich vereinbarten, indem der Antragsgegner seinen ideellen Miteigentumsanteil an die Antragsstellerin übertrug gegen Zahlung einer Gegenleistung in Höhe von € 10.000,00, Schuldübernahme von Forderungen in Höhe von € 1.990,28 und Übereignung von Wertgegenständen an ihn. Sie erklärten unter § 3 Absatz 2 des Vertrages, dass der zu zahlende Betrag, die Ablösebeträge und die weiteren Vermögensgegenstände dem Wert des übertragenen ¼ Miteigentumsanteil entsprechen. Unter § 8 des Vertrages gaben die Beteiligten den Wert des Miteigentumsanteils mit € 45.000,00 an.

Der Antragsgegner ist morphinsüchtig und infolge seiner Sucht – wobei die Einzelheiten streitig sind – seit 2007 arbeitslos und ohne eigene Einkünfte.

Er ist der Ansicht, der wechselseitige Unterhaltsverzicht vom 03. Juni 2010 sei im Wege der gerichtlichen Inhaltskontrolle dahin abzuändern, dass jedenfalls seine Grundversorgung im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Antragsstellerin sicherzustellen sei.

Er behauptet, er sei einkommenslos und werde von seiner Mutter versorgt. Dies sei auch bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages so gewesen, was der Antragsgegnerin auch bekannt gewesen sei. Ihm sei aufgrund der Morphinsucht alles gleichgültig gewesen und deshalb habe er nicht bedacht, durch den Unterhaltsverzicht zum Sozialfall zu werden. Zwar habe er einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente gestellt, über den jedoch noch nicht entschieden worden sei. Auch sei der Vertrag vom 03. Juni 2010 evident einseitig, da die gewährte Ausgleichszahlung nicht angemessen sei. Grund für die notarielle Vereinbarung sei ausschließlich die Absicherung der Antragsstellerin gegenüber den ehebedingten Ansprüchen des Antragsgegners auf Zugewinn und Trennungs- bzw. nachehelichen Unterhalt gewesen.

Mit Antragsschrift vom 23.12.2010 kündigt der Antragsgegner einen Folgeantrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt an und begehrt für folgenden Antrag die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe:

Der Antragstellerin wird aufgegeben, abweichend vom Vertrag vom 03.06.2010, Urkundenrollen Nr. … der Urkundenrolle für 2010 des Notars R. M., dort Ziffer 2, die Antragsstellerin zu verpflichten, an den Antragsgegner ab Rechtskraft der Scheidung einen Basisunterhalt in Höhe von € 942,72, Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von € 121,79 und Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von € 180,04, jeweils eingehend monatlich zum dritten Werktag eines Monats zu zahlen.

Mit Antragsschrift vom 23.12.2010 kündigt der Antragsgegner weiterhin einen Folgeantrag auf Regelung des güterrechtlichen Ausgleichs an und begehrt für folgenden Antrag die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe:

1.) Die Antragsstellerin wird verpflichtet, dem Antragsgegner Auskunft über den Bestand ihres Endvermögens zum 12.08.2010 durch Vorlage eines schriftlichen, nach Aktiva und Passiva gegliederten und von ihr persönlich unterzeichneten Bestandsverzeichnis zu erteilen sowie den Wert der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mitzuteilen.

2.) Die Antragsstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner einen Zugewinnausgleich in einer nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Höhe nebst 5 % über dem Basiszinssatz ab Zustellung dieses Antrages zu zahlen.

Die Antragsstellerin beantragt, die Anträge auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen.

Die Antragsstellerin behauptet, der Antragsgegner sei nach seiner Beschäftigung in Dänemark in 2007 und danach als Arzt in Brandenburg beschäftigt gewesen. Von der bestehenden Morphinsucht habe sie erst durch die anwaltliche Korrespondenz im Jahr 2010 erfahren. Sie sei vielmehr von einer seit 2006/2007 bestehenden Medikamentenabhängigkeit ausgegangen.

II.

Die Erfolgsaussichten der begehrten Verfahrenskostenhilfe hängen im Wesentlichen von der Wirksamkeit des notariellen Vertrages vom 03. Juni 2010 ab. Ausgehend von dem Vorbringen der Beteiligten ist der notarielle Vertrag wirksam, insbesondere nicht sittenwidrig und die Berufung auf die Wirksamkeit verstößt nicht gegen Treu und Glauben.

1.

Dem Vortrag ist nicht entnehmen, dass der Antragsgegner die Nichtigkeit seiner Willenserklärungen im Rahmen des notariellen Vertrages behauptet. Zwar war und – wohl – ist er morphiumabhängig, jedoch wird nicht dargelegt, dass er sich zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung am 03. Juni 2010 im Zustand des § 105 Abs. 2 BGB befunden hat. Für die tatsächlichen Voraussetzungen der Nichtigkeit wäre der Antragsgegner aber darlegungs- und beweisbelastet (Ellenberger in: Palandt, 70. Aufl. § 105 BGB Rn. 4). Anfechtungsgründe im Sinne von § 119 BGB werden ebenfalls nicht behauptet.

2.

Eheverträge im Sinne von § 1408 BGB unterliegen einer richterlichen Inhaltskontrolle, die zum einen als Wirksamkeitskontrolle und zum anderen als Ausübungskontrolle auszuüben ist.

2.1.

Die Wirksamkeitskontrolle überprüft, ob Teile der Vereinbarung sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB sind. Prüfungsmaßstab ist hierbei der Gesamtcharakter des Vertrages, also Inhalt, Beweggründe und Zweck. Objektiv ist eine Gesamtwürdigung durchzuführen, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, also insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den beabsichtigten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie sonstige Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigen Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (vgl. BGH, NJW 2004, 930). Die Beurteilung hat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzusetzen (vgl. BGH, NJW 1991, 913). Spätere Umstände können nur die Geschäftsgrundlage berühren oder zu einer unzulässigen Rechtsausübung gereichen.

Voraussetzung für die Annahme von Sittenwidrigkeit ist zunächst eine einseitige Benachteiligung, zum Beispiel eine einseitige Verteilung von Lasten und Vorteilen. Eine Benachteiligung ergibt sich insbesondere aus dem Verzicht auf Positionen, die dem Ehegatten kraft Gesetzes während der Ehe zustehen oder bei Scheidung zustünden (vgl. BVerfG, FamRZ 2001, 343; Brudermüller in: Palandt, 70. Aufl. § 1408 BGB Rn. 9). Der Umfang des Verzichts ist nach der Kernbereichslehre des BGH zunächst nach dem Gewicht der aufgegebenen Position im System des Scheidungsfolgenrechts zu bestimmen (Brudermüller in: Palandt, 70. Aufl. § 1408 BGB Rn. 9).

Da die Benachteiligung als solche grundsätzlich von der Vertragsfreiheit gedeckt ist, kommt eine Sittenwidrigkeit nur bei Hinzutreten weiterer, zusätzlicher Umstände in Betracht. Solche Umstände können auf der Schädigung Dritter beruhen. Bestehende oder vorausgesehene Sozialhilfebedürftigkeit genügt jedoch für sich gesehen nicht; es bedarf des Hinzutretens weiterer Umstände, zum Beispiel des Unterhaltsauschlusses auch bei konkret zu befürchtenden ehelichen Nachteilen (Brudermüller in: Palandt, 70. Aufl. § 1408 BGB Rn. 10 m. w. N.).

Eine Benachteiligung kann auch ohne Drittbeteiligung angenommen werden, wenn die zu überprüfende Vereinbarung das Ergebnis einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition ist. Beruht das Nachgeben eines Ehegatten, selbst im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts weder auf Unerfahrenheit, Unterlegenheit oder einer anderweitig begründeten erheblich schwächeren Verhandlungsposition, ist der Vertrag wirksam (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2009, 1302).

Diese Voraussetzungen vorangestellt ergeben sich aufgrund des Vortrages keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Sittenwidrigkeit der notariellen Vereinbarung vom 03. Juni 2010.

Ausgehend von den individuellen Verhältnissen der Beteiligten bei Vertragsschluss war die Antragsstellerin nach langer Erziehungspause im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages beim Land Schleswig-Holstein in Teilzeit als Lehrerin beschäftig. Der Antragsgegner ist Arzt und war beschäftigungslos. Arbeitslosengeld bezog er letztmalig bis zum 08. August 2009. Die Ehegatten schlossen am 22.07.1985 die Ehe. Sie trennten sich im Februar 2007 infolge der Abhängigkeit und fehlenden Therapiebereitschaft des Antragsgegners. Soweit ersichtlich bestand das Vermögen der Beteiligten in den jeweils ¼ ideellen Eigentumsanteilen und Wertgegenständen (z. B. Grafiken und Münzsammlung). Mit der vertraglichen Vermögensauseinandersetzung wurde letztlich nur die ohnehin schon seit 3 Jahren andauernde Trennung zementiert. Die gemeinsamen Kinder waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 22. und 19. Jahre alt und wohnten bei der Antragsstellerin. Der Antragsgegner leistete keinen Unterhalt an die Antragsstellerin oder die Kinder. Der Antragsgegner trat Ende 2009, mithin während über zweijähriger Trennungszeit an die Antragsstellerin heran, um bat um die vorzeitige Vermögensauseinandersetzung zwischen den Beteiligten, da er finanzielle Mittel benötigte. Seinem Ansinnen entsprach die Antragsstellerin und unterbreitete im Januar 2010 über ihre Bevollmächtigte ein Vergleichsangebot, welches der Antragsgegner letztlich im Mai 2010 akzeptierte und sodann zur Beurkundung am 03. Juni 2010 gereichte.

In dem Vertrag vom 03. Juni 2010 regelten die Beteiligten unter Ziffer I. ihre vorzeitige Vermögensauseinandersetzung und unter Ziffer II. Vereinbarungen in Verbindung mit der Ehescheidung.

Unter Ziffer II. 2. erklärten die Beteiligten den wechselseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt. Nach der Rechtsprechung des BGH gehört zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts in erster Linie der Betreuungsunterhalt (vgl. BGH, FamRZ 2004, 601 ff. – Rn. 40), der durch die Individualvereinbarung der Beteiligten nicht betroffen ist. Ihm folgen Krankheitsunterhalt und Unterhalt wegen Alters. Die Unterhaltspflicht wegen Erwerbslosigkeit oder zur Aufstockung ist nachrangig und wird gefolgt von Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt. Am ehesten verzichtbar erscheinen Ansprüche auf Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt. Die Rangabstufung innerhalb des Kernbereichs bemisst sich danach, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben (BGH, FamRZ 2004, 601 ff. – Rn. 41). Der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt wiegt für den abhängigen Antragsgegner schwerer als für die Antragsstellerin, die sich – anders als der Antragsgegner – in einem Beschäftigungsverhältnis befand und hierdurch ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte und kann.

Allerdings führt die Benachteiligung des Antragsgegners infolge seines Rechtsverzichts nicht zu einer evidenten Lastenverteilung sondern ist als Individualvereinbarung von der Privatautonomie der Beteiligten umfasst. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass der wechselseitige Verzicht auf nachehelichen Unterhalt auf einer Zwangslage des Antragsgegners beruht oder einem nicht hinzunehmenden Ungleichgewicht in den Verhandlungspositionen. Zwar war der Antragsgegner wohl auch zum Zeitpunkt der Verhandlungen und späteren Beurkundung morphinabhängig, jedoch besagt dieser Umstand nichts, ob diese Abhängigkeitserkrankung seine Verhandlungsposition nachhaltig geschwächt hat.

Gegen diese Annahme spricht bereits der Verhandlungsablauf: Es war der Antragsgegner, der eine vorzeitige Vermögensauseinandersetzung erreichen wollte. Das ihm übersandte Vergleichsangebot prüfte er im Zeitraum von Januar bis Mai 2010. Dass auf ihn Druck ausgeübt worden ist oder er im Rahmen der Verhandlungen inhaltliche nicht hinzunehmende Zugeständnisse gemacht hat, ist nicht dargelegt worden. Weiterhin wusste die Antragsstellerin unstreitig von der Medikamentenabhängigkeit des Antragsgegners, ging aber nach ihrem Vortrag, dem der Antragsgegner inhaltlich nicht erheblich entgegengetreten ist, davon aus, dass er sich in Therapie befunden hatte. Dass die Antragsstellerin, die von ihm seit 2007 getrennt legte, genau über seinen gesundheitlichen Zustand informiert war, hat der Antragsgegner nicht dargelegt. Ebenso genügt der Umstand, dass der Antragsgegner durch den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt im Falle der Scheidung ggf. einkommenslos wird isoliert nicht zur Annahme von Sittenwidrigkeit. Zwar kann eine Unterhaltsabrede sittenwidrig sein, wenn die Ehegatten damit auf der Ehe beruhende Familienlasten objektiv zum Nachteil des Sozialleistungsträgers regeln (BGH, FamRZ 2007, 197), jedoch bedarf es weiterer Umstände, um für die Annahme der Sittenwidrigkeit (Brudermüller in: Palandt, 70 Aufl. § 1408 BGB Rn. 10 m. w. N.). Solche Umstände, wie etwa die spätere Bedürftigkeit infolge einer überhöhten Leistungspflicht (hierzu: BGH, FamRZ 2009, 198 ff.) sind indes vom Antragsgegner nicht aufgezeigt worden. Weiterhin ist nicht aufgezeigt worden, dass die Beteiligten insgesamt von der wirtschaftlichen Situation des Antragsgegners positive Kenntnis hatten oder die Antragsstellerin sich dieser Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hat.

Unter Ziffer I. des notariellen Vertrages vom 03. Juni 2010 setzten die Beteiligten ihr Vermögen auseinander und erklärten unter Ziffer II. 5 einen Zugewinnausgleich nach Aufhebung des Güterstandes des Zugewinnausgleichs für erledigt.

Die Vermögensauseinandersetzung ist – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – nicht evident einseitig. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung übertrug der Antragsgegner der Antragsstellerin seinen ideellen Miteigentumsanteil von ¼ und erhielt als Gegenleistung einen Betrag in Höhe von € 10.000,00. Weiterhin übernahm die Antragsstellerin Verbindlichkeiten des Antragsgegners im Wert von € 1.990,28 und übertrug Wertgegenstände, wie Grafiken, Münzen und ähnliches dem Antragsgegner. Unter § 3 des Vertrages erklärten die Beteiligten, dass der zu zahlende Betrag, die Ablösebeträge und die weiteren Vermögensgegenstände dem Wert des übertragenen ¼ Miteigentumsanteils entsprechen. Unter § 8 des Vertrages gaben die Beteiligten den Wert der Miteigentumshälfte mit € 45.000,00 an. Außerprozessual teilte die Antragsstellerin mit Schreiben vom 19.08.2010 mit, dass der Antragsgegner nach der Trennung der Beteiligten in 2007 familiäres Vermögen in erheblichen Umfang, wie z. B. eine Münzsammlung im Wert von ca. € 30.000,00 sowie Goldbarren und Kunstwerke, veräußert hat. Soweit die Beteiligten – wofür die unpräzise Bezeichnung im Vertrag vom 03. Juni 2010 spricht – insgesamt eine Vermögensauseinandersetzung auch für die Vergangenheit vereinbart haben, erklärt dieser Umstand eine etwaige rechnerische Differenz zwischen dem übertragenen Miteigentumsanteil und dem Zahlbetrag.

2.2.

Soweit eine Vereinbarung wirksam ist, kann die Berufung auf diese im Rahmen der Ausübungskontrolle gleichwohl zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben gereichen und zu einer Vertragsanpassung führen. Ob ein Festhalten am vertraglichen Ausschluss von Scheidungsfolgen unzumutbar ist, entscheidet sich unter Berücksichtigung des Ranges der Scheidungsfolge (BGH, NJW 2005, 2391; Brudermüller in: Palandt, 70. Aufl. § 1408 BGB Rn. 11), wobei die Schwere des Eingriffs in Rechtspositionen des Verzichtenden allein noch nicht zur Anwendung des § 242 BGB führt (Brudermüller in: Palandt, 70. Aufl. § 1408 BGB Rn. 12).

Es ist der Antragsstellerin auch im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die Gültigkeit des wechselseitigen Verzichts auf nachehelichen Unterhalt und der Durchführung des vorzeitigen Zugewinnausgleichs zu berufen.

Die Ausübungskontrolle richtet sich in erster Linie nach dem Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe (vgl. BGH, FamRZ 2004, 601 ff.). Maßgebend ist insoweit eine evidente einseitige Lastenverteilung sowie ein Missbrauch der im Vertrag eingeräumten Rechtsmacht, was insbesondere gilt, wenn die tatsächliche Gestaltung der Ehe von der Eheplanung abweicht und/oder wenn Vereinbarungen aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zu Lasten Dritter getroffen werden (Maier in: Handbuch des FA, 8. Aufl. § 6 Rn. 711). Wie bereits ausgeführt erfolgte der Abschluss des Vertrages vom 03. Juni 2010 nach über dreijähriger Trennung der Beteiligten auf Wunsch des Antragsgegners. Von der Äußerung des Wunsches zur vorzeitigen Vermögensauseinandersetzung bis zum notariellen Vertrag vergingen über sechs Monate. Es erscheint vor diesem Hintergrund auch nicht treuwidrig, dass die Antragsstellerin sich auf den vertraglich vereinbarten zulässigen wechselseitigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt beruft. Ebenso erscheint die Durchführung des vorzeitigen Vermögensausgleichs und die spätere Berufung der Antragsstellerin auf den wirksamen Ausschluss des Zugewinnausgleichs nicht treuwidrig, zumal der Vortrag des Antragsgegners keine evidente ungleiche Lastenverteilung aufzeigt.

 

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