Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek hat die elterliche Sorge für ein minderjähriges Kind aufgrund der fehlenden Erziehungsfähigkeit der Mutter aufgrund einer psychischen Erkrankung auf den Vater übertragen. Die Mutter zeigte ein auffälliges Verhalten und brachte schwere Vorwürfe gegen ihre Familie und den Vater des Kindes vor, welche das Gericht als unglaubwürdig und Ausdruck ihrer psychischen Störung bewertete. Das Gericht entschied auf Basis der Erziehungsfähigkeit und des Kindeswohls, welches stets im Vordergrund steht.
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Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Sorgerecht entzogen: Wenn psychische Erkrankung das Kindeswohl gefährdet
- Der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek im Detail
- ✔ FAQ zum Thema: Sorgerechtsentzug aufgrund mangelnder Erziehungsfähigkeit
- Wie wird fehlende Erziehungsfähigkeit rechtlich definiert und bewertet?
- Welche Rolle spielt das Jugendamt bei der Bewertung der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils?
- Welche rechtlichen Schritte folgen, wenn einem Elternteil die Erziehungsfähigkeit abgesprochen wird?
- Wie wird das Kindeswohl bei Entscheidungen zum Sorgerechtsentzug gewährleistet?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hamburg-Wandsbek
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Gericht übertrug die alleinige elterliche Sorge für das Kind auf den Vater, da die Mutter aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht erziehungsfähig ist.
- Die Mutter erhob zunehmend absurde Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen ihre Familie und den Vater, was auf eine schwere psychische Störung hindeutet.
- Die Art der psychischen Erkrankung ist für die Feststellung der Erziehungsunfähigkeit unerheblich – entscheidend sind die irrationalen, kindeswohlgefährdenden Handlungen der Mutter.
- Es gibt Anzeichen dafür, dass jahrelange Therapien die Erkrankung der Mutter verstärkten anstatt zu heilen.
- Die Schilderungen der Mutter zu angeblichen Missbrauchstaten wurden im Laufe der Zeit immer weiter ausgedehnt und unrealistisch gesteigert.
- Die Mutter zeigte keine Krankheitseinsicht und verhielt sich gegenüber ihrer Tochter nicht kindgerecht.
- Regelmäßiger begleiteter Umgang zwischen Mutter und Kind wurde gerichtlich geregelt.
Sorgerecht entzogen: Wenn psychische Erkrankung das Kindeswohl gefährdet
Das Familien- und Sorgerecht ist ein komplexes Thema, das große Auswirkungen auf das Wohl und die Entwicklung von Kindern haben kann. Wenn Eltern aufgrund psychischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder angemessen zu versorgen und zu erziehen, kann das Familiengericht eingreifen und das Sorgerecht ganz oder teilweise entziehen.
Solche Entscheidungen werden nicht leichtfertig getroffen, sondern erfordern eine sorgfältige Prüfung aller Umstände. Neben der Erziehungsfähigkeit der Eltern spielen auch das Kindeswohl und die Lebenssituation des Kindes eine entscheidende Rolle. Das Ziel ist stets, eine Lösung zu finden, die dem Kind die bestmögliche Förderung und Entwicklung bietet.
Im Folgenden wird ein Gerichtsurteil vorgestellt, in dem das Familiengericht aufgrund der festgestellten psychischen Erkrankung einer Mutter das alleinige Sorgerecht dem Vater übertragen hat. Dieses konkrete Urteil gibt Einblick in die komplexen Abwägungen und Entscheidungskriterien in solch sensiblen Fällen.
Der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek im Detail
Sorgerechtsentzug aufgrund fehlender Erziehungsfähigkeit
In dem vorliegenden Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (Az.: 737 F 51/22) stand die Frage nach der elterlichen Sorge für ein minderjähriges Kind im Mittelpunkt. Die Eltern des Kindes, das im Jahr 2013 geboren wurde, waren nicht verheiratet und hatten nur kurze Zeit zusammengelebt. Die elterliche Sorge wurde zunächst gemeinsam ausgeübt, wobei das Kind hauptsächlich bei der Mutter aufwuchs. Regelmäßiger Umgang mit dem Vater fand bis zum Frühjahr 2022 statt, als die Mutter plötzlich mit dem Kind in ein Frauenhaus flüchtete und der Kontakt abbrach.
Der Vater schaltete das Jugendamt und die Polizei ein und beantragte im Wege einer einstweiligen Anordnung die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Das Gericht entsprach diesem Antrag und begründete dies mit der fehlenden Erziehungsfähigkeit der Mutter aufgrund einer psychischen Erkrankung. Die Mutter erhob im Verfahren schwere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen ihre Familie, den Vater des Kindes und weitere Personen, welche das Gericht als unglaubwürdig und Ausdruck ihrer psychischen Störung bewertete.
Die genauere Diagnose der psychischen Erkrankung der Mutter war für das Gericht unerheblich. Entscheidend war die Feststellung, dass die Mutter aufgrund ihrer Erkrankung zu irrationalen und kindeswohlgefährdenden Handlungen neigte, keine ausreichende Krankheitseinsicht zeigte und sich gegenüber ihrer Tochter nicht kindgerecht verhielt.
Gerichtliche Sorgerechtsentscheidung zugunsten des Vaters
Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek entschied, die elterliche Sorge für das Kind allein dem Vater zu übertragen. Diese Entscheidung bestätigte die im Eilverfahren getroffene einstweilige Anordnung.
Die Begründung des Gerichts basierte auf der fehlenden Erziehungsfähigkeit der Mutter aufgrund ihrer psychischen Erkrankung. Die Mutter zeigte ein auffälliges Verhalten, welches sich in der Steigerung von Missbrauchsvorwürfen gegen ihre Familie und den Vater des Kindes ausdrückte. Ihre Angaben waren widersprüchlich und nicht glaubhaft. Begutachtungen durch einen Sachverständigen und frühere ärztliche Befunde bestätigten die psychische Erkrankung der Mutter.
Die Krankheitseinsicht der Mutter war nicht ausreichend und ihr Verhalten gegenüber ihrer Tochter wurde als nicht kindgerecht bewertet.
Abwägung des Kindeswohls und der Erziehungsfähigkeit
Das Gericht betonte die Wichtigkeit des Kindeswohls als oberstes Entscheidungskriterium. Die Erziehungsfähigkeit der Mutter war aufgrund ihrer psychischen Erkrankung stark eingeschränkt. Die Mutter war nicht in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Tochter zu erkennen und angemessen auf sie einzugehen. Die fehlende Krankheitseinsicht erschwerte eine positive Prognose hinsichtlich einer Besserung der Situation.
Dem Vater wurden keine Defizite in seiner Erziehungsfähigkeit attestiert. Die erhobenen Vorwürfe der Mutter gegen den Vater wurden als haltlos bewertet. Es gab keine Hinweise für eine Gefährdung des Kindeswohls durch den Vater.
Begleiteter Umgang und weitere Perspektiven
Trotz der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater wurde ein regelmäßiger begleiteter Umgang zwischen Mutter und Kind angeordnet. Dies sollte dem Kind weiterhin ermöglichen, eine Beziehung zu seiner Mutter aufzubauen und zu pflegen. Die konkrete Ausgestaltung des Umgangs wurde in einem separaten Verfahren beim zuständigen Amtsgericht geregelt.
Das Urteil verdeutlicht die Herausforderungen bei Sorgerechtsentscheidungen, wenn psychische Erkrankungen eines Elternteils im Raum stehen. Das Kindeswohl steht dabei stets im Vordergrund und erfordert eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.
✔ FAQ zum Thema: Sorgerechtsentzug aufgrund mangelnder Erziehungsfähigkeit
Wie wird fehlende Erziehungsfähigkeit rechtlich definiert und bewertet?
Die Erziehungsfähigkeit ist die Fähigkeit der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen und dessen Wohl zu gewährleisten. Das Familiengericht kann bei Gefährdung des Kindeswohls die elterliche Sorge entziehen oder einschränken, wenn die Erziehungsfähigkeit nicht ausreicht. Dies ist dann der Fall, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.
Bei der Beurteilung der Erziehungsfähigkeit werden verschiedene Aspekte betrachtet, wie der körperliche und psychische Zustand der Eltern, die Bindungs- und Beziehungsstrukturen, die Wahrnehmung kindlicher Signale und Bedürfnisse sowie die Fähigkeit, eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung zu gewährleisten. Insbesondere psychische Erkrankungen der Eltern können die Erziehungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Entscheidend ist dabei nicht die Diagnose an sich, sondern inwieweit sich die Erkrankung konkret auf die Versorgung und Erziehung des Kindes auswirkt.
Zur Einschätzung der Erziehungsfähigkeit holt das Familiengericht in der Regel ein psychologisches Sachverständigengutachten ein. Stellt dieses fest, dass die Erziehungsfähigkeit der Eltern nicht in einem für das Kind erforderlichen Maße gegeben ist und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann das Gericht die elterliche Sorge entziehen und auf einen Elternteil oder einen Vormund übertragen. Dabei muss stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern vor dem Staat Rechnung getragen werden. Ein Sorgerechtsentzug setzt voraus, dass ein das Kind gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit feststeht.
Welche Rolle spielt das Jugendamt bei der Bewertung der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils?
Das Jugendamt spielt eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Erziehungsfähigkeit von Eltern in familiengerichtlichen Verfahren zum Kindesschutz:
Das Jugendamt wird vom Familiengericht angehört und oft um eine Stellungnahme gebeten, in der es seine fachliche Einschätzung zur Erziehungsfähigkeit der Eltern darlegt. Dazu holt das Jugendamt in der Regel ein psychologisches Sachverständigengutachten ein. Stellt dieses fest, dass die Erziehungsfähigkeit nicht ausreicht und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann das Gericht die elterliche Sorge entziehen.
Das Jugendamt bringt seine Fachkompetenz ein, indem es die Bindungs- und Beziehungsstrukturen, die Wahrnehmung kindlicher Bedürfnisse sowie die Fähigkeit der Eltern beurteilt, eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung zu gewährleisten. Dabei betrachtet es den körperlichen und psychischen Zustand der Eltern. Insbesondere psychische Erkrankungen können die Erziehungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Entscheidend ist, inwieweit sich die Erkrankung konkret auf die Versorgung und Erziehung des Kindes auswirkt.
Das Jugendamt hat eine beratende Funktion und ist nicht an Anordnungen des Familiengerichts gebunden. Es kann jederzeit Anregungen einbringen und auch Beschwerde gegen Entscheidungen einlegen. Ziel ist stets, dass das Kind und dessen Entwicklungsmöglichkeiten im Verfahrensmittelpunkt stehen. Jugendamt und Familiengericht sind bei Kindeswohlgefährdungen auf enges Zusammenwirken angewiesen, erfüllen aber Aufträge mit unterschiedlicher Akzentsetzung.
Welche rechtlichen Schritte folgen, wenn einem Elternteil die Erziehungsfähigkeit abgesprochen wird?
Wenn einem Elternteil die Erziehungsfähigkeit abgesprochen wird und das Familiengericht eine Kindeswohlgefährdung feststellt, kann es die elterliche Sorge entziehen oder einschränken. Das Gericht trifft dann die zur Sicherung des Kindeswohls nötigen Verfügungen und überträgt die Sorge ganz oder teilweise auf den anderen Elternteil, einen Vormund oder Pfleger.
Bevor es zu einem Sorgerechtsentzug kommt, muss das Gericht jedoch prüfen, ob der Gefährdung des Kindes nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dazu zählen vor allem Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII. Erst wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, um ein verantwortungsgerechtes Verhalten der Eltern wiederherzustellen, ist ein Eingriff in die elterliche Sorge gerechtfertigt.
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts können die Eltern Beschwerde einlegen. Das Beschwerdegericht prüft dann, ob die Voraussetzungen für einen Sorgerechtsentzug tatsächlich vorliegen. Dabei gelten strenge Anforderungen: Das elterliche Fehlverhalten muss so gravierend sein, dass das Kindeswohl nachhaltig gefährdet erscheint und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.
Stützt sich das Familiengericht bei seiner Entscheidung auf ein Sachverständigengutachten, darf es die Feststellungen des Gutachters nicht einfach übernehmen, sondern muss sie einer eigenen kritischen Würdigung unterziehen. Auch muss das Gericht stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und darf in das Elternrecht nur so weit eingreifen, wie es zum Schutz des Kindes unbedingt erforderlich ist.
Wie wird das Kindeswohl bei Entscheidungen zum Sorgerechtsentzug gewährleistet?
Das Kindeswohl hat bei Entscheidungen über einen Sorgerechtsentzug höchste Priorität. Folgende Aspekte gewährleisten, dass das Wohl des Kindes gewahrt wird:
Das Familiengericht muss stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und darf nur so weit in das Elternrecht eingreifen, wie es zum Schutz des Kindes unbedingt erforderlich ist. Ein Sorgerechtsentzug ist die letzte Maßnahme und nur gerechtfertigt, wenn mildere Mittel wie Hilfen zur Erziehung nicht ausreichen, um die Gefährdung des Kindes abzuwenden.
Bevor das Gericht die elterliche Sorge entzieht, muss es prüfen, ob der Gefährdung nicht auf andere Weise begegnet werden kann. Dazu zählen insbesondere öffentliche Hilfen nach dem SGB VIII, um ein verantwortungsgerechtes Verhalten der Eltern wiederherzustellen.
Das Gericht holt in der Regel ein psychologisches Sachverständigengutachten ein, um die Erziehungsfähigkeit zu beurteilen. Es darf die Feststellungen des Gutachters dabei nicht einfach übernehmen, sondern muss sie einer eigenen kritischen Würdigung unterziehen.
Das Jugendamt vertritt als gesetzlicher Vertreter die Interessen des Kindes und sorgt dafür, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Es bringt seine Fachkompetenz ein und wird vom Gericht angehört.
Ein Sorgerechtsentzug setzt voraus, dass ein das Kind gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit feststeht. Die Annahme, ein Elternteil sei „schlechter Umgang“, reicht ohne Beweise für eine Kindeswohlgefährdung nicht aus.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 1626 BGB – Elterliche Sorge: Dieser Paragraf definiert die Rechte und Pflichten der Eltern, das Wohl des Kindes zu fördern und zu schützen. In dem vorliegenden Fall ist die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater zentral, da die Mutter als psychisch erkrankt und nicht erziehungsfähig eingestuft wurde. Die Gerichtsentscheidung basiert auf der Beurteilung, dass das Wohl des Kindes bei der Mutter gefährdet ist.
- § 1666 BGB – Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls: Dieser Paragraf ermöglicht es dem Gericht, Maßnahmen zu ergreifen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist. Das Gericht hat aufgrund der psychischen Erkrankung der Mutter und der damit verbundenen fehlenden Erziehungsfähigkeit entschieden, die alleinige Sorge dem Vater zu übertragen.
- § 1671 BGB – Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge bei Trennung der Eltern: Dieser Paragraf regelt die Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil, wenn die Eltern nicht zusammenleben. In diesem Fall wurde die elterliche Sorge aufgrund der speziellen Umstände (psychische Erkrankung und fehlende Erziehungsfähigkeit der Mutter) allein auf den Vater übertragen.
- § 54 FamFG – Einstweilige Anordnung zur Regelung eines einstweiligen Rechtszustandes: Dieser Paragraph ermöglicht es dem Gericht, vorläufige Maßnahmen im Rahmen des Familienverfahrensgesetzes zu treffen, insbesondere wenn es um die Dringlichkeit der Situation geht, wie im Falle der psychischen Instabilität der Mutter.
- § 1631 BGB – Inhalt und Grenzen der Personensorge: Dieser Paragraf betont, dass die Personensorge das Recht und die Pflicht umfasst, für das minderjährige Kind zu sorgen. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, das Kind vor Gefahren für sein Wohl zu schützen. Im Kontext des Falls spielt dies eine Rolle, da das Verhalten der Mutter als gefährdend für das Wohl des Kindes eingeschätzt wurde.
- Artikel 6 GG – Schutz der Familie; Pflege und Erziehung der Kinder: Dieser Artikel des Grundgesetzes unterstreicht den Schutz der Familie und die Rechte der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die staatliche Gemeinschaft überwacht die Ausübung dieser Rechte. Im beschriebenen Fall greift das Gericht aufgrund einer schwerwiegenden Gefährdung des Kindeswohls ein.
Diese Gesetze und Regelungen bilden die rechtliche Grundlage für die Entscheidung des Gerichts, die elterliche Sorge allein auf den Vater zu übertragen und spiegeln die Notwendigkeit wider, das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen, insbesondere bei Anzeichen von psychischer Instabilität eines Elternteils.
➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hamburg-Wandsbek
AG Hamburg-Wandsbek – Az.: 737 F 51/22 – Beschluss vom 22.11.2023
1. Die elterliche Sorge für das Kind C-D A, geboren am 19.12.2013, wird allein auf den Kindesvater B übertragen.
2. Kosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Wert des Verfahrens wird festgesetzt auf 4.000,- €.
Gründe
I.
Die Eltern von C-D A waren nicht verheiratet und haben nur wenige Monate zusammengelebt. Die elterliche Sorge übten sie gemeinsam aus. Aufgewachsen ist C bei der Antragsgegnerin, der Mutter. Die Eltern der Antragsgegnerin unterstützten diese bei der Betreuung des Kindes. Der Vater (Antragsteller) hatte regelmäßige persönliche Umgangskontakte mit seiner Tochter bis Mitte Februar 2022. C-D (genannt C) war alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag bei ihm. Zusätzlichen Kontakt gab es über Telefon und soziale Medien, bis der Kontakt im Frühjahr 2022 plötzlich abbrach:
Anfang März 2022 erhielt der Vater zuletzt eine Nachricht von seiner Tochter. Seitdem waren die Antragsgegnerin und die gemeinsame Tochter für ihn und für die Familie der Mutter nicht zu erreichen. Die Antragsgegnerin hatte sich mit ihrer Tochter in ein Frauenhaus im Bezirk des Amtsgerichts S begeben; die Tochter kehrte nach den Frühjahrsferien nicht in ihre Schule zurück.
Der Antragsteller meldete seine Tochter als vermisst und schaltete das Jugendamt ein. Am 29.03.2022 beantragte der Antragsteller, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die alleinige elterliche Sorge zu übertragen, hilfsweise den Umgang zu regeln. Mit Beschluss vom 08.04.2022 hat das Gericht die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind C-D A aufgehoben, die elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung allein auf den Kindesvater übertragen, und die Herausgabe des Kindes angeordnet. Dieser Beschluss (Az. 737 F 49/22) wurde am 12.04.2022 vollstreckt. Seitdem lebt das Kind beim Vater. Nach nachgeholter mündlicher Verhandlung und Anhörung von C hat das Gericht mit Beschluss vom 03.05.2022 die einstweilige Anordnung aufrechterhalten. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 02.08.2022 zurückgewiesen (10 UF 41/22).
Auf einen Abänderungsantrag der Antragsgegnerin gem. § 54 Abs. 1 FamFG hat das Gericht am 24.02.2023 nach erneuter Anhörung der Beteiligten und des Kindes die einstweilige Anordnung aufrechterhalten.
Von Amts wegen hatte das Gericht bereits am 08.04.2022 das vorliegende Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge eingeleitet (737 F 51/22) und ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Das Gutachten von Dr. SV liegt seit 27.03.2023 vor. Der Sachverständige sieht die Erziehungsfähigkeit der Mutter als erheblich eingeschränkt an.
Der Antragsteller beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung dieses Antrags.
Die Antragsgegnerin hat ihren plötzlichen Wegzug im Frühjahr 2022 zunächst damit begründet, sich aus den patriarchalischen Strukturen ihrer Herkunftsfamilie lösen zu wollen und im Verlauf des Verfahrens dann erklärt, sie selbst sei das Opfer eines jahrelangen Missbrauchs durch ihren Vater, dessen Familie und Dritte gewesen. Dieser Missbrauch habe zu einer „dissoziativen Identitätsstörung“ bei ihr geführt; ein entsprechender Missbrauch von C sei auch durch den Kindesvater zu befürchten oder bereits geschehen.
Die Entscheidung in der vorliegenden Hauptsache hat sich aus verschiedenen Gründen bis heute verzögert:
Der ursprünglich für den 24.04.2023 anberaumte Termin zur Anhörung der Beteiligten und des Sachverständigen wurde auf Antrag der Antragsgegnerin zunächst auf Juni 2023 verlegt. Die Antragsgegnerin gab an, wegen einer stationären Therapie verhindert zu sein und zudem noch eine Stellungnahme zum Sachverständigengutachten vorzubereiten (Bl. 154 d.A.).
Der dann für den 26.06.2023 anberaumte Anhörungstermin wurde aufgehoben, nachdem die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 09.06.2023 erklärte, sie sei inzwischen überzeugt, dass es C bei dem Antragsteller gut geht. Sie selbst werde sich in den nächsten ein bis zwei Jahren in Baden-Württemberg aufhalten und sei bereit, eine umfassende Sorgerechtsvollmacht auszustellen. Zu einer entsprechenden Einigung zwischen den Beteiligten kam es aber nicht. Eine Einigung scheiterte u.a. daran, dass die Antragsgegnerin die Regelung des Umgangs von C mit den Großeltern mütterlicherseits ausdrücklich nicht von einer Vollmacht umfasst sehen wollte.
Zum Umgang von C mit der Antragsgegnerin und mit deren Eltern sind Verfahren beim Amtsgericht M anhängig. C hat derzeit regelmäßigen begleiteten Umgang mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter (mütterlicherseits) im 14tägigen Wechsel. Zusätzlich finden zweimal wöchentlich Video-Telefonate von C mit ihrer Mutter statt. Die begleiteten Umgänge von C mit ihrer Mutter waren während des Aufenthalts der Kindesmutter in Süddeutschland von Januar bis August ausgesetzt. Mittlerweile hält sich die Kindesmutter wieder in Norddeutschland im Raum S auf. Die Anschrift ist dem Gericht nicht bekannt, zu einer Teilnahme am Anhörungstermin vom 18.09.2023 sah sich die Antragsgegnerin nicht in der Lage.
Das Gericht hat die Betreuungsakten des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek, 705 XIV 137/21 und 706 XIV 50/18, beigezogen, aus denen sich jeweils eine geschlossene Unterbringung der Kindesmutter ergibt. Ferner hat das Gericht hat die Akte des Betreuungsgerichts Hamburg-St, Georg, Az. 998 XVII 254/18, beigezogen, in dem sich ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. V vom 08.01.2019 befindet. Bei der Kindesmutter wurden damals eine psychotische Episode und ein postremissives Erschöpfungssyndrom festgestellt.
Eine erneute Kindesanhörung hat das Gericht am 26.09.2023 durchgeführt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Anhörungsvermerk.
II.
Die elterliche Sorge für C-D A, geb. 2013, ist allein auf den Antragsteller zu übertragen. Die bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung (737 F 49/22) getroffene Entscheidung wird durch die im Hauptsacheverfahren gewonnenen Erkenntnisse bestätigt.
Die ins Absurde gesteigerten Vorwürfe der Antragsgegnerin gegen ihre Herkunftsfamilie und den Antragsteller lassen die Antragsgegnerin als psychisch schwer gestört erscheinen.
Auf welcher Art von psychischer Erkrankung das Verhalten der Kindesmutter beruht, ist für die Frage der Erziehungsfähigkeit unerheblich. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin stellt es sich für das Gericht als ganz unwichtig dar, ob diese – wie sie u.a. in einer eidesstattlichen Versicherung (Bl. 30 d.A.) vehement verneint – an einer Schizophrenie erkrankt ist oder ob sie, wie sie selbst es darstellt (Bl. 111 d.A.), an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung leidet. Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin nicht erziehungsfähig ist, weil sie durch ihre psychischen Beeinträchtigungen zu irrationalen, das Kindeswohl gefährdenden Handlungen getrieben wird, sich gegenüber ihrer Tochter nicht kindgerecht verhält und keine tragfähige Krankheitseinsicht zeigt.
Es spricht viel dafür, dass eine frühe psychische Erkrankung der Kindesmutter in jahrelangen Behandlungen nicht in Richtung einer Heilung therapiert, sondern krankheitsverstärkend behandelt worden ist; möglicherweise unabsichtlich, im schlimmsten Fall aber bewusst zum finanziellen Wohl der behandelnden Therapeuten und zum Bedeutungsgewinn des von der Antragsgegnerin (Bl. 14 R) so benannten „Helfernetzwerks“. Dieser Eindruck ergibt sich aus einer Zusammenschau der in den Verfahren 737 F 49/22 und 51/22 eingereichten Unterlagen, aus dem schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag der Beteiligten sowie den beigezogenen Akten.
1. Die Darstellung der Antragsgegnerin
Nach Darstellung der Antragsgegnerin ist diese seit früher Kindheit Opfer eines planmäßigen sexuellen Missbrauchs durch Zwangsprostitution. Zum Täterplan habe das absichtsvolle Hervorrufen einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung bei der Antragsgegnerin gehört, um deren Glaubwürdigkeit auszuschalten. Der Antragsteller soll Teil des Täterkreises sein.
Diese Angaben sind in ihrer bis ins Groteske gehenden Steigerung nicht glaubhaft.
a)
Aus den eigenen Angaben der Antragsgegnerin und den von ihr eingereichten Unterlagen ergibt sich folgendes Bild:
aa)
Die Antragsgegnerin sei seit dem Kindesalter jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden (Antrag von Dipl.-Psych. X aus dem Jahr 2010, Bl. 260 ff in 737 F 49/22). Als Kind habe sie sich selbst mit einer Rasierklinge an den Armen verletzt, über Jahre hinweg, noch bis vor 10 Jahren, und sich seit dem 12. oder 16. Lebensjahr in ambulanter psychologischer Behandlung befunden (S. 20 des Gutachtens Dr. SV).
In der zu Protokoll gegebenen Schweigepflichtsentbindung vom 25.04.2022 bezeichnet die Kindesmutter Frau X als „seit knapp 20 Jahren behandelnde Therapeutin und Psychologin“ (Bl. 16 d.A.). Der Sachverständigen gegenüber hat die Antragsgegnerin angegeben (S. 20 des Gutachtens), sie habe die Therapeutin, bei der sie anschließend über 20 Jahre in ambulanter Behandlung gewesen sei, nach einem Klinikaufenthalt in einer Frauen-Wohngruppe kennengelernt.
Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich, dass allein in den zwei Jahren von April 2007 bis April 2009 achtzig Sitzungen einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie durchgeführt wurden. In einem Fortführungsantrag vom 12.07.2008 (Bl. 258 in 49/22) berichtet die Therapeutin von einem „erfolgten Missbrauch durch den Vater und eine Gruppe türkischer Männer“. Suizidgedanken gebe es nicht mehr und Selbstschädigungen träten seltener auf.
In einem Antrag auf Bewilligung einer neuen Therapie schreibt Frau X 2010 (Bl. 260), die Kindesmutter sei vor etwa einem halben Jahr „von ihrem [… damaligen] Partner vergewaltigt worden“. Diese Partnerschaft zu einem ehemaligen Mitpatienten bestehe seit 2004 (Bl. 261). Der berufliche Weg der Patientin sei von zahlreichen Abbrüchen geprägt. „Seit dem Kindesalter“ sei sie von ihrem Vater missbraucht worden.
In einem weiteren Fortführungsantrag von 2012 (Bl. 264 in 49/22) heißt es, die Patientin habe sich von ihrem gewalttätigen Freund getrennt und eine eigene Wohnung bezogen. Sie habe aber massive Angst vor Verfolgung durch die frühere Tätergruppierung. „Es kam tatsächlich zu erneuten Kontakten mit der Gruppierung, in denen die Patientin sich erneut für die Gruppe zur Verfügung stellte und sich prostituierte“. Wegen massiver Bedrohung habe sie sich nicht gewehrt und sei zu einer Anzeige nicht bereit, habe aber einen Umschlag mit Informationen bei einer Anwältin hinterlegt. Sie habe einen neuen Freund gefunden. Es ist von „Teilidentitäten“ (dissoziierte Zustände“) die Rede (Bl. 264 in 49/22). Den einzelnen Teilidentitäten werde in der Therapie versichert, dass die Traumatisierungen nicht immer wieder neu stattfinden. Zu diesen Traumatisierungen gehörten „Prostitution, Folter, Drogeneinnahme, u.a.“.
Bei dem neuen Freund, der in dem Antrag von Frau X erwähnt wird, handelt es sich um den Kindesvater. In dem Antrag von 2012 wird geschildert, dass die Patientin (die Kindesmutter) diesem gegenüber erhebliche Verlustängste habe, da sie annehme, für diesen eine zu große Belastung darzustellen.
Mit Schriftsatz vom 1.12.2022 (Bl. 134 d.A.) hat die Kindesmutter indessen vorgetragen, der Kindesvater sei ihr von ihren Eltern „zugeführt“ worden. Nachdem sie den Kindesvater zuvor nur 15 min. auf einer Veranstaltung gesehen habe, habe er mit seinen Sachen vor ihrer Tür gestanden und ihre Eltern hätten ihr erklärt, dass dies ihr neuer Partner sei (Schriftsatz vom 04.01.2023, Bl. 325 in 49/22).
Der Kindesvater erklärt hierzu, (Bl. 285, 287 in 49/22), er habe die Kindesmutter im September 2012 über einen Arbeitskollegen kennengelernt, deren Eltern erst danach. Anfang 2013 sei er bei ihr eingezogen, die Trennung sei im Februar 2014 aufgrund einer Wesensveränderung der Kindesmutter erfolgt.
Frau Dipl.-Psych X hat ergänzend mit Schreiben vom 20.04.2022 (Bl. 257 in 49/22) erklärt, die Kindesmutter sei „vor einigen Jahren (immer wieder mal) bei mir (erst in Beratung, später Therapie)“ gewesen. Sie leide an einer „dissoziativen Identitätsstörung“, sei nicht psychotisch und habe immer „Täterkontakt“ gehabt.
bb)
Aus dem geschilderten Sachverhalt wird deutlich, dass die Antragsgegnerin die Schilderung der an ihr begangenen Verbrechen im zeitlichen Verlauf immer weiter ausgedehnt und verstärkt hat, von einer Vergewaltigung durch ihren Vater zu einer solchen durch eine Gruppe türkischer Männer, durch ihren (früheren) Partner und durch eine „Tätergruppierung“.
Nachdem der Zwillingsbruder K und der ältere Bruder L in einer vom Antragsteller eingereichten Stellungnahme der Darstellung der Antragsgegnerin widersprochen haben, wonach sie in einem streng patriarchalischen Elternhaus ohne liebevolle Zuwendung aufgewachsen sei; vielmehr leide ihre Schwester seit dem Teenageralter an psychischen Problemen und Wahnvorstellungen, die zu zahlreichen Klinikaufenthalten geführt hätten, hat die Antragsgegnerin auch ihren Brüdern mit Schriftsatz vom 28.11.2022 Frauenhandel und Missbrauch vorgeworfen Bl. 111 d.A.).
Weiter heißt es dann, der Antragstellerin sei von klein auf klargemacht worden, dass sie als unerwünschtes Zwillingskind die Kosten für ihre Aufzucht durch Kinderprostitution selbst verdienen müsse. Sie sei entsprechend nicht nur von ihrem Vater missbraucht, sondern „wurde türkischen Männergruppen … und diversen anderen Männern von ihrer eigenen Familie für Sex zur Verfügung gestellt“. Dies sei auch während des Zusammenlebens mit dem Antragsteller regelmäßig und mit dessen Wissen an den meisten Wochenenden erfolgt (Bl. 111 d.A.).
cc)
Auch hinsichtlich der Gründe, mit C unterzutauchen, äußert die Antragsgegnerin sich im Verfahren auffällig. In ihrer eidesstattlichen Erklärung vom 26.04.2022 (Bl. 30 ff.) hat die Antragsgegnerin nichts über Vergewaltigungen oder Missbrauchstaten in der elterlichen Familie berichtet. Dort gibt sie als Grund für ihren Weggang ins Frauenhaus keine derartigen Straftaten an, sondern die erwünschte Befreiung aus den streng patriarchalischen Regeln der Familie, die sie fälschlich als psychisch krank darstelle. Diese Darstellung wiederholt sie sinngemäß im psychodiagnostischen Gespräch mit der Sachverständigen am 01.09.2022 (S. 16 des Gutachtens).
Mit Schriftsatz vom 28.09.2022 trägt die Antragsgegnerin dann vor, deren Eltern hätten sie bereits als Kind zwangsprostituiert. Die Befürchtung, dass nun auch C von ihren Großeltern zwangsprostituiert werden solle, sei das Motiv der Antragsgegnerin zur Flucht gewesen (Bl. 74 d.A.), „nachdem sie Gespräche des [scil: ihres, der Antragsgegnerin] Vaters mitbekommen hatte, aus denen die Absicht hervorging, C ebenfalls an Männer zu verkaufen“ (Bl. 112 d.A.).
dd)
Auf ausdrückliche Nachfrage in der Anhörung vom 25.04.2022 ob es denn auch gegenüber dem Antragsteller, dem Kindesvater, irgendwelche Vorwürfe gebe, hat die Kindesmutter zunächst eher skurril geantwortet, sie habe sich durch das Mitbringen von abgezählten Brötchen oder Kuchenstücken ausgeschlossen gefühlt. Erst im Weiteren hat sie dann angegeben, es habe eine Situation gegeben, in der der Kindesvater die ganze Wohnung zusammengeschrien habe (Bl. 15 d.A.). Auch habe C ihr während des Aufenthalts im Frauenhaus in H. von immer mehr Vorfällen mit ihrem Vater erzählt, über die sie – die Antragsgegnerin – Buch geführt habe. So habe C erzählt, der Vater habe sie einmal gegen eine Tür geschubst.
Am Tag nach dem Anhörungstermin, am 26.04.2022, hat die Antragsgegnerin dann in einer eidesstattlichen Erklärung angegeben, bei dem Kindesvater komme es zu unkontrollierten Wutausbrüchen, die auch in Gewalt ausufern könnten. Der Kindesvater sei ihr gegenüber in Anwesenheit Cs mehrfach gewalttätig gewesen und sei dies auch gegenüber C, indem er Sachen von ihr zerstöre, an denen sie hänge (Bl. 30). Da die Eltern sich bald nach der Geburt von C getrennt haben, stellt sich die Frage, bei welcher Gelegenheit C väterliche Gewalt gegen ihre Mutter miterlebt haben soll. Präzisiert werden diese Vorwürfe nicht.
Durch die dritte Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin wird dann auch gegenüber dem Antragsteller ein Missbrauchsvorwurf erhoben, indem es im Schriftsatz vom 28.09.2022 heißt, dass „hier ein wehrloses Kind weiterhin dem sehr wahrscheinlichen Missbrauch durch den Antragsteller und die Eltern der Antragsgegnerin ausgesetzt“ werde. Dies wird mit Schriftsatz vom 25.10.2022 bekräftigt mit der Formulierung, C werde „voraussichtlich bereits missbraucht“ Bl. 87 d.A.). Mit Schriftsatz vom 28.11.2022 (Bl. 109 d.A.) heißt es dann ohne Einschränkung: „C ist bereits sexuell missbraucht worden“, wobei die Missbrauchshandlungen durch die Eltern der Antragsgegnerin mit Unterstützung durch den Antragsteller ausgeführt worden sein sollen.
Im Schriftsatz vom 01.12.2022 heißt es, der Kindesvater habe die Kindesmutter häufig geschlagen (Bl. 134 d.A.). Es bestehe Anlass, die psychische Gesundheit des Antragstellers zu überprüfen, denn welcher normale Mann lasse sich seiner Frau zuführen und habe keine Probleme damit, dass diese von ihren Eltern gezwungen werde, weiterhin mit anderen Männern zu schlafen (Schriftsatz vom 01.12.2022, Bl. 133 d.A.).
Die Vorwürfe gegen den Antragsteller steigern sich bis zur Beschuldigung der Zuhälterei hinsichtlich seiner Tochter: Nachdem er das alleinige Sorgerecht erlangt habe, stelle der Antragsteller C während des laufenden Verfahrens „der Familie A zur sexuellen Ausbeutung zur Verfügung“, … „wovon er offenbar, dies belegt seine plötzliche gute finanzielle Stellung, selbst sehr profitiert“ (Schriftsatz vom 01.12.2022, Bl. 134 d.A.).
Weitere viereinhalb Monate später teilt die Antragsgegnerin zunächst telefonisch, später auch schriftlich, mit, inzwischen davon überzeugt zu sein, dass es C bei dem Antragsteller gut gehe (Bl. 162, 171 d.A.).
Eine Distanzierung von den noch kurz zuvor erhobenen schweren Vorwürfen erfolgt nicht. Auf ausdrückliche Nachfrage in dem Anhörungstermin vom 18.09.2023 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin erklärt, die Gefahr für C bestehe in der Beziehung des Antragstellers zu den Großeltern, und die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe nicht zurückgenommen. Keinesfalls sei die Antragsgegnerin zu dem Meinungswechsel, wonach es C bei dem Kindesvater gut gehe, gekommen, weil es sich bei den von ihr erhobenen Vorwürfen um „false memories“ handele (ausführlich Bl. 201 R d.A.).
ee)
Die Darstellung der Antragsgegnerin erscheint in ihrer Widersprüchlichkeit, fehlenden Konstanz und Maßlosigkeit nicht glaubhaft. Das ergibt sich nicht nur aus den wechselnden, sich steigernden Aussagen, sondern auch aus dem Verhalten der Antragsgegnerin selbst:
Nachdem sich die Kindeseltern bereits drei Monate nach der Geburt von C getrennt hatten, wuchs C bei ihrer Mutter auf. Einen erheblichen Anteil der Kinderbetreuung und Erziehung übernahmen aber die Großeltern mütterlicherseits. Auch wenn die Antragsgegnerin den Umfang der Betreuung von C durch ihre (der Kindesmutter) Eltern geringer angibt als der Kindesvater (zuletzt Bl. 201 d.A.): Die Kindesmutter befand sich verschiedentlich ambulant und stationär in psychiatrischer Behandlung. Zumindest während der Krankenhausaufenthalte der Kindesmutter befand sich C durchgehend bei den Großeltern und wurde dort nach den eigenen Angaben der Antragsgegnerin „immer adäquat versorgt“ (S. 25 des Gutachtens). Nach C-Ds eigenen Angaben (Kindesanhörung vom 27.04.2022) habe ihre Mutter eigentlich nie gekocht, sondern immer ihre Großeltern, die sich auch sonst um ganz viel gekümmert hätten.
Würden die Berichte der Antragsgegnerin über den durch ihren Vater im Beisein ihrer Mutter an ihr fortlaufend verübten Missbrauch zutreffen, wäre ein solches Inobhutgeben der eigenen Tochter bei dem „Täterehepaar“ nicht erklärlich und hätte das Kindeswohl von C erheblich gefährdet.
Widersprüchlich ist das Verhalten der Antragsgegnerin auch in Bezug auf den Antragsteller. Denn während der Zeit des Kennenlernens befindet sich die Antragsgegnerin bei Frau X, der sie seit Jahren vertraut und der gegenüber sie sich öffnet, in Therapie. Sie stellt ihren „neuen Freund“ (den heutigen Antragsteller) ihrer Therapeutin gegenüber durchweg positiv dar.
Gegenüber der Sachverständigen hat die Antragsgegnerin am 01.09.2022 angegeben, sich nicht erinnern zu können, wie sie den Antragsteller kennengelernt habe (S. 27 des Gutachtens).
Demgegenüber stellt die Antragsgegnerin im November 2022 und bis heute das Kennenlernen des Antragstellers als von ihren Eltern arrangiert dar, wobei der Antragsteller Teil des „Täternetzwerks“ sei. Sie sei dem Antragsteller „zugeführt“ worden; eine Darstellung, die sich nicht mit den zum Zeitpunkt des Kennenlernens gemachten Angaben gegenüber ihrer Therapeutin vereinbaren lässt.
Der Umfang des angeblichen „Täternetzwerks“ soll sehr groß sein. So wird von der Antragsgegnerin auch das Attest des Arztes angezweifelt, der den von der Antragsgegnerin geäußerten Verdacht des sexuellen Missbrauchs von C nicht bestätigt. Zugrunde liegt ein Vorfall aus den begleiteten Umgängen mit der Antragstellerin. C hatte der Umgangsbegleiterin erzählt, dass sie eine Pustel im Intimbereich habe. Nachdem die Umgangsbegleiterin die Eltern informiert hatte, erklärte sich der Antragsteller sogleich bereit, mit seiner Tochter zum Arzt zu gehen. Den Wunsch von C, lieber mit ihrer Mutter zum Arzt zu gehen, lehnte diese nach Aussage der Umgangsbegleiterin ab (referiert auf S. 75 des Gutachtens). Nachdem das ärztliche Attest des Kinderarztes Dr. O (Bl. 288 in 49/22) lediglich einen Pickel, aber keinen Anhalt für Verletzungen oder Auffälligkeiten bescheinigte, äußerte die Antragsgegnerin im Anhörungstermin am 05.01.1023 (in der Sache 737 F 49/22, dort Bl. 329) den Verdacht, dieser Arzt habe Kontakt zur Familie der Antragsgegnerin (habe also dem „Täterkreis“ ein Gefälligkeitsattest erstellt).
ff)
Sämtliche Widersprüche in dem Verhalten und den Aussagen der Antragsgegnerin sind jedoch erklärlich, wenn man der These einer von Täterseite „absichtsvoll erzeugten dissoziativen Persönlichkeitsstörung“ folgt. Denn dann hat sich nicht die Antragsgegnerin widersprüchlich verhalten, sondern es haben jeweils unterschiedliche Persönlichkeiten – darunter auch „täterloyale“ agiert.
Zur Untermauerung ihrer Behauptungen beruft sich die Antragsgegnerin auf ein Konvolut von Stellungnahmen, u.a. von Opferhilfeeinrichtungen wie dem „P Q“ oder „R“, aber auch von medizinisch kundigen Personen. Deren Stellungnahmen sind allerdings – wie es Sachverständigengutachten Dr. SV nüchtern heißt – fachlich nicht verwertbar (S. 89 des Gutachtens), da in dem Befund wesentliche Teile fehlen. Die von der Antragsgegnerin eingereichten Befunde und Stellungnahmen erscheinen vielmehr als gegenseitig erbrachte Gefälligkeitsschreiben, in denen unter jeweils anderem Briefkopf dieselben Mitglieder eines „wissenden“ Inner Circle einander ihre Bedeutung und die sichere Kenntnis vom jahrelangem Missbrauch der Antragsgegnerin versichern.
(1)
Die Antragstellerin beruft sich u.a. auf eine Stellungnahme von Dr. med. E (Bl. 34, 87 d.A.). In der zu Protokoll gegebenen Schweigepflichtsentbindung vom 25.04.2022 bezeichnet die Kindesmutter Frau Dr. E als „behandelnde Fachärztin, online“) (Bl. 16 d.A.). Von ihr stammt eine fachärztliche Stellungnahme vom 22.4.2022 (Bl. 138 in 49/22). Sie ist Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie, Spezielle Psychotraumatheorie (DeGPT) (Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie).
Frau Dr. E berichtet, dass ihr die Antragsgegnerin aus wiederholten Vorstellungen in psychotherapeutischen Sprechstunden bekannt sei. Anschließend referiert sie in indirekter Rede, dass sich C bei „ihrem gewalttätigen Vater, dem kürzlich unrechtmäßig das alleinige Sorgerecht zugesprochen worden sei“ befinde. Frau Dr. E bescheinigt dann, dass gemäß dem aktuellen psychischen Befund der Antragsgegnerin „keine psychische Symptomatik, die ihre Erziehungsfähigkeit verhindern würde“, besteht.
Mit Datum vom 30.06.2022 reicht Frau Dr. E noch einen „Fachärztlichen Befund“ zur Akte (Bl. 186 in 49/22), in dem sie sechs Diagnosen stellt. Außer psychogenem Erbrechen, Panikattacken und einer mittelgradigen Episode einer depressiven Störung werden der Antragsgegnerin bescheinigt.
F 44.0 Dissoziative Amnesie
F 43.1 Posttraumatische Belastungsstörung Typ 2
F 44.81 Absichtsvoll erzeugte multiple/dissoziative Identität
Der ICD-10-Code benennt F 44.81 als multiple Persönlichkeitsstörung ohne den Zusatz „absichtsvoll erzeugt“. Ob eine solche Persönlichkeitsspaltung von Gewalttätern „absichtsvoll erzeugt“ werden kann, ist umstritten (dazu noch unten (4). Die Anhänger dieser These gegen davon aus, dass planvoll agierende Täterkreise ihre Opfer auf diese Weise an sich binden und ihre Opfer bei möglichen belastenden Aussagen unglaubwürdig machen, da diese durch die Persönlichkeitsspaltung nicht zu widerspruchsfreien Erzählungen in der Lage seien.
Im Textteil ihres Befundberichts bescheinigt Frau Dr. E der Antragsgegnerin u.a. Flashbacks und Intrusionen, die durch „äußere Reize, die an Täter, Tatorte und Foltermethoden erinnern, ausgelöst“ werden. Es gebe keine Hinweise für Wahn oder Sinnestäuschungen.
Ob Frau Dr. E die Antragsgegnerin persönlich kennengelernt hat, steht nicht fest. Die Antragsgegnerin selbst berichtet nur von online-Sitzungen und Telefonaten (letzteres in der polizeilichen Vernehmung vom 26.07.2022, Bl 45 in 317 Js 22634/22 jug der StA U).
Angesichts der weiteren von Frau Dr. E gestellten Diagnosen und Beschreibungen, u.a. Verzweiflung, Ratlosigkeit und selbstschädigendes Verhalten erscheint es überraschend und nicht überzeugend, wenn von Frau Dr. E die Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin bescheinigt wird.
(2)
Frau Dr. E stellte den Fall der Antragsgegnerin dem „Team der XY Praxis und Akademie … im Rahmen einer persönlichen Fallsupervision“ vor (Anl. zum Schriftsatz vom 16.11.2022, Bl. 250 ff in 49/22). „XY Praxis und Akademie“ ist „ein Zusammenschluss von Fachleuten aus dem Bereich der Psychotraumatologie“, geleitet von Y, Psychologische Psychotherapeutin. Die Antragsgegnerin beruft sich auf deren sachverständiges Zeugnis (Bl. 74 d.A.). Laut der mit ihrem Briefkopf verfassten Stellungnahme lernte Frau Y die Antragsgegnerin im Rahmen der Supervision auch persönlich kennen (Bl. 250 in 49/22).
Die schriftliche Stellungnahme vom 8.11.2022 unter dem Briefkopf „Y“ (Bl. 249 ff in 49/22) stammt von F. Nach Angabe der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist Frau F „Dipl. Komm. Psych. (= Diplom-Kommunikationspsychologin), persönliche Assistentin und Pressesprecherin von Y. So ergibt es sich auch aus der website „Y“ (https://xxx; abgerufen am 19.11.2023).
Inhaltlich bestätigt Frau Y, vertreten durch Frau F, die hohe Qualifikation von Frau Dr E, bei der es sich um „eine sehr visierte (sic) Ärztin für Psychotherapie“ handele, die eindeutig festgestellt habe, dass die Antragsgegnerin „nicht schizophren ist, sondern unter einer Dissoziativen Identitätsstörung leidet“.
(3)
Die Entwicklung seit Ende 2021 wird in einem von der Kindesmutter eingereichten Schreiben von Frau Z „für den Vorstand der ABC“ geschildert. Bei der ABC handelt es sich um die “A B C“, über die es auf ihrer homepage https://abc, abgerufen 13.12.2022 heißt, die „berühmte Traumatherapeutin“ und „internationale Koryphäe im Bereich der Traumapsychologie“ Y habe (im Jahr 2020) diese deutschlandweite Opferhilfe gegründet, deren Eintragung als Verein beabsichtigt sei (Bl. 253ff in 49/22).
Zum Zeitpunkt der Stellungnahme der ABC im November 2022 hat diese ihren Sitz unter derselben Anschrift wie Frau Dr. E (Bl. 138 bzw. 253 in 49/22).
Über einen von der ABC angebotenen kostenlosen Chat nahm die Antragsgegnerin im Dezember 2021 Kontakt auf (Bl. 254 in 49/22). Sie sei seit frühester Kindheit schwerer psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt gewesen und sexuell ausgebeutet worden. Ihr werde nun gedroht, auch das Kind in die Täterkreise einzuführen.
Die ABC hat daraufhin den P Q eingeschaltet (Bl. 255 in 49/22) und mit Frau T als „Ausstiegsbegleiterin“ die Kindesmutter an das Frauenhaus S vermittelt.
Gemäß Schreiben des Vorstands der ABC, Frau Z, hat die ABC ferner die Praxis Y eingeschaltet, also die Gründerin und 1. Vorsitzende der ABC (Bl. 255).
In Ihren Stellungnahmen kündigen sowohl Frau Y als auch Frau Z die Einschaltung von Presse und Medien an, wenn durch die Fehlentscheidungen von Gericht und Jugendamt ein Schaden für C entstehen sollte.
(4)
Die u.a. von Y vertretenen Thesen, wonach es in Deutschland massenhaften rituellen Kindesmissbrauch mit absichtsvoll hervorgerufenen dissoziativen Persönlichkeitsstörungen gebe, sind umstritten. Die von Frau Y bzw. der ABC betriebenen websites sind teilweise verlinkt u.a. mit den Seiten des BKA und der „Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ des Bundesfamilienministeriums, deren Logos sie auch verwendet. Nach Angaben der Antragsgegnerin arbeitet Frau Y „mit Europol, Interpol und dem LKA zusammen“ (Schriftsatz vom 04.01.2023, Bl. 327 in 49/22).
Die Gegenthese, wonach es einen Kreis von Therapeutinnen und Ehrenamtlichen gibt, der Verschwörungsmythen anhängt und Patientinnen, die mit psychischen Problemen um Rat fragen, Erinnerungen an Missbrauchstaten „einredet“, findet u.a. Gehör im Spiegel 11/2023 (Lakotta/Piltz, “Im Wahn der Therapeuten“), oder in der „Zeit“ 14/2023 (Berbner, „Die Erinnerung täuscht“). Eindrucksvoll auch die Warnung auf der mit öffentlichen Mitteln geförderten Website „Sekteninfo NRW“, Liebrand, veröffentlicht 20.04.2020, https://sekten-info-nrw.de/information/artikel/esoterik/zersplitterung-nach-therapie—bedenkliche-auswirkungen-der-%E2%80%9Erituelle-gewalt-mind-control%E2%80%9C-theorie (abgerufen zuletzt 21.11.2023) mit dem Erfahrungsbericht einer Betroffenen. Entsprechend ist Frau Y nicht nur Trägerin des Bundesverdienstkreuzes (https://xxx-vitae/, abgerufen zuletzt 21.11.2023), sondern auch Kandidatin für den „Goldenen Aluhut“ für https://…. https://xxx/.
2.
a)
Die Antragsgegnerin leidet seit ihrer Kindheit an einer psychischen Erkrankung. Eine therapeutische Anbindung und Behandlung hat bei verschiedenen Ärzten stattgefunden. Mehrfach ist es zu stationären, auch geschlossenen, Krankenhausaufenthalten gekommen. Die dem Gericht bekannten Diagnosen sind – im Gegensatz zu den von der Antragsgegnerin beigebrachten – nicht eindeutig.
Einziges gerichtsbekanntes Sachverständigengutachten ist das von Dr. V vom 08.01.2019, das im Rahmen einer Betreuungsanregung erstellt wurde (Bl. 26 ff. in AG St. Georg, 998 XVII 254/18). Diagnostiziert wurden eine psychotische Episode und ein postremissives Erschöpfungssyndrom. Im Rahmen der Untersuchung gab die Antragsgegnerin an, sich in eine psychiatrische Tagesklinik begeben zu haben, da sie Stimmen gehört und sich verfolgt gefühlt habe. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin „grade ausreichend“ zu einer freien Willensbildung in der Lage sei, so dass gegen ihren erklärten Willen keine Betreuung eingerichtet werden könne.
Zu dem Verfahren gekommen war es durch die Betreuungsanregung einer Ärztin der psychiatrischen Tagesklinik Horn, wonach eine akute schizophreniforme psychotische Störung vorliege (Bl. 3 in 998 XVII 254/18). Während der seit 16.04.2018 andauernden Behandlung in der Tagesklinik kam es am 07.07.2018 zur Anordnung einer geschlossenen Unterbringung nach § 12 PsychKG wegen suizidaler Tendenzen und Selbstverletzung für eine Woche. Es wird von zwei weiteren „Zwangseinweisungen“ im 2. Quartal 2018 berichtet. Eine davon kann identifiziert werden als Verfahren 706 XIV 50/18 des AG Hamburg-Wandsbek. Darin ist die geschlossene Unterbringung der Betroffenen wegen akuter Suizidalität vom 29.05.2018 bis längstens 12.06.2018 angeordnet.
Aus dem Bericht der Betreuungsstelle ergibt sich, dass die Antragsgegnerin nach eigener Schilderung „vor 20 Jahren“ eine psychotische Phase gehabt habe, wobei sie u.a. geglaubt habe, einen Sender im Fuß zu haben, den sie sich herausschneiden wollte. Die behandelnden Ärzte gaben gegenüber dem Mitarbeiter der Betreuungsstelle die Diagnose paranoide Schizophrenie als gesichert an (Bl. 16 in 998 XVII 254/18).
Zu einer weiteren geschlossenen Unterbringung kam es 25.05.2021 (Verfahren 705 XIV 137/21). Darin wurde die geschlossene Unterbringung bis längstens 09.06.2021 angeordnet. Nach ärztlicher Angabe litt die Antragsgegnerin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung mit drängenden Suizidabsichten.
b)
Die Krankheitseinsicht der Antragsgegnerin ist wechselhaft und nicht belastbar. Im Anhörungstermin vom 25.04.2022 hat die Kindesmutter eingeräumt, dass sie stationär behandlungsbedürftig sei. Sie sehe es als oberstes Ziel, diese stationäre Behandlung gemeinsam mit ihrer Tochter zu machen (Bl. 15 d.A.).
Bereits am Folgetag hat die Antragsgegnerin in einer eidesstattlichen Erklärung (Bl. 30 ff. d.A.) angegeben, zwar mit therapeutischer Hilfe „die Erfahrungen in der destruktiven Familie“ aufarbeiten zu wollen; zugleich aber vehement verneint, suizidal oder schizophren zu sein oder jemals gewesen zu sein. Das seien Lügen ihrer Eltern und des Antragstellers. So hätten ihre Eltern eine normale Sportverletzung als bewusste Selbstverletzung dargestellt, was zu einem stationären Aufenthalt geführt habe.
Diese Angaben der Antragsgegnerin harmonieren nicht mit den objektiven Befunden aus den Unterbringungsverfahren der Jahre 2018 und 2021, in denen verschiedene Ärzte eine hohe Suizidgefahr angenommen haben. Sie harmonieren auch nicht mit den Angaben, die die Antragsgegnerin gegenüber dem Mitarbeiter der Betreuungsstelle gemacht hat, bei dem sie z.B. angab, in einer psychotischen Phase versucht zu haben, sich einen Sender aus dem Fuß zu schneiden und sich dabei verletzt zu haben.
Im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. SV, der von dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vorgeschlagen wurde, hat die Antragsgegnerin nur eingeschränkt kooperiert. So hat sie insbesondere moniert, der Sachverständige besitze nicht die notwendige Qualifikation, um die Art einer psychischen Erkrankung der Antragsgegnerin festzustellen, die insbesondere nicht schizophren sei. Vielmehr lägen hoch qualifizierte ärztliche Stellungnahmen von Fachkräften (Frau Dr. E und Frau Y) vor, wonach eine dissoziative Persönlichkeitsstörung vorliege, die keinen Einfluss auf die Erziehungsfähigkeit habe (Bl. 87 d.A.).
Die Antragsgegnerin ist davon überzeugt, an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung zu leiden, so dass sie „mehrere Persönlichkeiten in sich vereint, unter denen sich auch täterloyale Anteile befinden“ (Schriftsatz vom 28.11.2022, Bl. 113 d.A.). Der Sachverständige Dr. SV hat nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Antragsgegnerin bestimmte typische Merkmale einer dissoziativen Identitätsstörung gerade fehlen. Vielmehr liege eine Erkrankung aus dem Formenkreis der Psychosen, gegenwärtig teilremittiert, vor (S. 89 des Gutachtens).
3.
a)
Die fehlende Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. SV, der über eine langjährige Expertise in der Begutachtung der Erziehungsfähigkeit von Eltern verfügt.
Auffällig sind in der Interaktionsbeobachtung die fehlende emotionale Schwingungsfähigkeit der Antragsgegnerin und die zeitweise völlige „geistige Abwesenheit“ und Passivität. Diese Situation war C offenbar vertraut, sie versuchte, die Initiative zu übernehmen, die Defizite der Mutter auszugleichen, und für sie zu sorgen (S. 65/66 des Gutachtens). Auch aus Sicht des Jugendamts zeigen sich Anzeichen einer Parentifizierung bei C (S. 78 des Gutachtens). Diese Tendenz zur Parentifizierung ist nach den Feststellungen des Sachverständigen real (S. 99 des Gutachtens), wie sich gut begründet aus dem geschilderten Verhalten Cs ergibt.
Bedingt durch die Sorge um ihre Mutter hat C bereits eigene Bedürfnisse zurückgestellt und agiert sehr angepasst (S. 100, 103 des Gutachtens).
Die Antragsgegnerin ist auch, wie der Sachverständige einleuchtend darstellt, in ihren Fähigkeiten eingeschränkt, adäquat auf ihre Tochter einzugehen (S. 90 des Gutachtens). Da hierfür – das liegt auf der Hand – ihre psychische Erkrankung ursächlich ist, lässt die fehlende Krankheitseinsicht derzeit auch keine Besserung erwarten (vgl. S. 105 des Gutachtens).
b) Letztlich bestätigt auch die von der Antragsgegnerin eingereichte ärztliche Bescheinigung des MNO-Klinikums vom 06.02.2023 (Bl. 155 d.A.) die fehlende Erziehungsfähigkeit, indem längerfristig behandlungsbedürftige Defizite der alltäglichen Funktionsfähigkeiten und eine noch fehlende Perspektiventwicklung sozialer Teilhabe benannt werden.
Erkenntnisse darüber, dass die Antragsgegnerin sich gegenüber dem Untersuchungszeitraum bei Dr. SV zwischenzeitlich stabilisiert hat, liegen nicht vor. Die Antragsgegnerin hatte zunächst im Sommer 2023 mitgeteilt, „in den nächsten ein bis zwei Jahren“ in Baden-Württemberg zu wohnen; mittlerweile (seit September 2023) befindet sie sich aber wieder „im Raum S“. Zu einer Teilnahme, und sei es per Video, an dem gerichtlichen Anhörungstermin war sie nicht in der Lage; eine Besserung ihres Gesundheitszustands ist nicht ersichtlich.
4.
a)
Die Art und Weise der Einschränkung der mütterlichen Erziehungsfähigkeit lässt es auch nicht zu, die Erteilung einer Vollmacht für den Antragsteller als milderes Mittel gegenüber einer Übertragung des Sorgerechts anzusehen. Es fehlt an der gleichen Eignung.
Denn die Antragsgegnerin hat zwar mit Schriftsatz vom 09.06.2023 (Bl. 171 d.A.) erklärt, zur Erteilung einer umfassenden Sorgerechtsvollmacht bereit zu sein und eine solche nach dem letzten Anhörungstermin mit Schriftsatz vom 22.09.2023 (Bl. 203 d.A.) zur Akte gereicht. Sie hat sich aber von den zuvor erhobenen Vorwürfen gegen den Antragsteller und ihre Herkunftsfamilie nicht distanziert, hält ihren Aufenthaltsort geheim und will dem Antragsteller auf keinen Fall gestatten, unbegleiteten Umgang von C mit den Großeltern zuzulassen. Bei einem Fortbestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge wäre ihr ein erneutes Untertauchen mit C erleichtert. Eine Auskunftsverweigerung über den Verbleib seines Kindes, wie es der Antragsteller im Frühjahr 2022 auch von Seiten der Polizei erleben musste, ist bei einer Übertragung der Alleinsorge auf den Antragsteller nicht möglich.
Auch das Jugendamt S und die Verfahrensbeiständin haben erklärt, eine Vollmachtslösung sei nicht geeignet; vielmehr sei eine Übertragung der elterlichen Sorge auch für C sicherer und vertrauenerweckender. Das Bestehen eines E-Mail-Kontakts zwischen den Eltern zur Regelung von Umgangsfragen ändert daran nichts.
b)
Erforderlich ist die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge in allen Teilbereichen.
Angesichts der schweren Vorwürfe der Antragsgegnerin erscheint es nicht möglich, Teile der elterlichen Sorge weiterhin in der gemeinsamen Verantwortung beider Elternteile zu belassen. Zwar hat der Sachverständige es noch für möglich gehalten, Teile der elterlichen Sorge in gemeinsamer Verantwortung zu lassen (S. 110 des Gutachtens). Bereits die fehlende Bekanntgabe der Anschrift der Antragsgegnerin (dem Sachverständigen war diese Entwicklung nicht bekannt) verhindert aber eine praktikable gemeinsame Ausübung auch nur von Teilen des Sorgerechts. Aber auch inhaltlich erscheint es kaum vorstellbar, beispielsweise die Vermögenssorge in gemeinsamer Verantwortung zu belassen, nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber den Vorwurf der Zuhälterei bezüglich der eigenen Tochter gemacht hat. Der Antragsteller müsste befürchten, Einzahlungen auf ein Konto der Tochter würden als „Dirnenlohn“ angesehen. Das erscheint nur absurd, wenn man den Vortrag der Antragsgegnerin nicht kennt.
c)
C selbst ist nach dem Eindruck des Gerichts in der Lage, sich bereits eine eigene Meinung zu dem Thema „elterliche Sorge“ zu bilden; sie hat in ihrer Anhörung am 26.09.2023 erklärt, es sei in Ordnung, dass ihr Vater allein entscheiden kann und dies könne auch so bleiben.
5.
Gegenüber der Eignung des Antragsstellers zur Ausübung der alleinigen elterlichen Sorge und Erziehungsfähigkeit bestehen keine Bedenken.
Die Vorwürfe gegen den Antragsteller sind ohne Substanz. C geht es bei ihrem Vater gut. Das ergibt sich aus den Berichten des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin sowie aus der wiederholten persönlichen Anhörung des Kindes.
Auch der Sachverständige Dr. SV hat die Erziehungsfähigkeit des Antragstellers bestätigt und ausdrücklich festgehalten, dass es keine Hinweise für von ihm ausgehende Gewalt gegenüber seiner Tochter gibt (S. 93 des Gutachtens).
Angesichts der schweren Erkrankung der Antragsgegnerin ist es für die Frage der Übertragung des Sorgerechts auch ohne Belang, ob die erstmals nach dem letzten Anhörungstermin mit Schriftsatz vom 22.09.2023 erhobenen Vorwürfe zutreffen, der Antragsteller fördere im Gegensatz zu der Antragsgegnerin nicht die „Hochbegabung“ des Kindes (Bl. 201 d.A.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin selbst keinerlei „Schuld“ an der Einleitung des Verfahrens trifft; sie handelt nicht boshaft, sondern krankheitsbedingt, aber in der besten Absicht für ihr Kind.
Die aus Sicht des Gerichts unrühmliche, unprofessionelle Rolle des „Helfernetzwerks“ führt in diesem Fall noch nicht dazu, natürliche und juristische Personen aus diesem Netzwerk gemäß § 81 Abs. 4 FamFG mit Kosten zu belegen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen des AG Schwäbisch-Hall, Az. 2 F 318/19 (Beschluss vom 30.06.2021), in dem Opferschutzorganisationen und Kindesmutter kollusiv zusammengewirkt haben.
Der Verfahrenswert bemisst sich nach § 45 FamGKG.