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Getrenntleben – Streit um die alleinige Nutzung eines Kraftfahrzeugs

Ein geteiltes Auto ist der Zankapfel einer getrennten Ehe

Eine getrennt lebende Ehepaar in Hamburg, mit zwei Söhnen im Alter von 10 und 6 Jahren, ist in einen Streit über die Nutzung eines Fahrzeugs geraten. Der Vater, der ein Taxiunternehmen betreibt und mehrere Fahrzeuge besitzt, lebt mit einer neuen Partnerin zusammen. Ein besonderes Fahrzeug, ein VW Tiguan, wurde früher von der Familie für familiäre Zwecke genutzt. Die Mutter, die weiterhin die Kinder betreut, benötigt dieses Fahrzeug weiterhin. Sie beantragte daher, das Fahrzeug zur alleinigen Nutzung zu erhalten. Der Vater wandte ein, dass es sich um ein Firmenfahrzeug handle, das geleast sei, und legte Unterlagen der finanzierenden VW-Bank vor. Der Fall landete vor Gericht.

Direkt zum Urteil Az: 12 UF 178/21 springen.

Das Amtsgericht hat entschieden

Die erste Instanz, das Amtsgericht Hamburg – St. Georg, gab dem Antrag der Mutter statt. Es begründete seine Entscheidung mit § 1361a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der auch für geleasten Haushaltsgegenstände gilt. Demnach benötigt die Mutter das Fahrzeug für familiäre Zwecke.

Der Vater legt Beschwerde ein

Der Vater war mit der Entscheidung des Amtsgerichts unzufrieden und legte Beschwerde ein. Er behauptete, dass das Fahrzeug zurückgegeben werden müsse, da die Kreditraten nicht mehr gezahlt würden. Die Fahrzeuge würden wie Leasingfahrzeuge behandelt und müssten aufgrund der Nichtzahlung zurückgegeben werden.

Das Oberlandesgericht hat das letzte Wort

Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Beschwerde des Vaters zurück und entschied, dass die Mutter einen Anspruch auf die Nutzung des Fahrzeugs hat. Nach § 1361a Abs. 1 S. 2 BGB ist jeder Ehegatte verpflichtet, dem anderen Ehegatten Haushaltsgegenstände zum Gebrauch zu überlassen, soweit dieser sie zur Führung eines abgesonderten Haushalts benötigt und die Überlassung der Billigkeit entspricht. Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass der PKW einen Haushaltsgegenstand darstellt, da er in den Lebens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten für die gemeinsame Wohnung, die Hauswirtschaft und das familiäre Leben genutzt wurde.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 12 UF 178/21 – Beschluss vom 16.11.2021

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg vom 28. September 2021 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Nutzung eines Kraftfahrzeugs.

Getrenntleben - Streit um die alleinige Nutzung eines Kraftfahrzeugs
(Symbolfoto: Motortion Films/Shutterstock.com)

Die Beteiligten sind verheiratet. Sie leben getrennt. Aus der Ehe sind zwei 10 und 6-jährige Söhne hervorgegangen. Beide Söhne wachsen bei der Antragstellerin auf und werden von ihr betreut. Der Antragsgegner ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und lebt mit einer neuen Partnerin zusammen. Der Antragsgegner betreibt ein Taxiunternehmen. Er ist unter anderem Besitzer eines VW Tiguan, den die Familie für familiäre Zwecke nutzte. Er verfügt über insgesamt fünf Fahrzeuge. Zwei Taxen und drei weitere Fahrzeuge. Ein Fahrzeug steht der Lebensgefährtin des Antragsgegners zur Verfügung. Die Antragstellerin benötigt das Fahrzeug für die Betreuung der Kinder.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin den PKW VW Tiguan mit der Fahrzeugidentifikationsnummer […] zur alleinigen Nutzung zu überlassen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass er nicht zur Überlassung verpflichtet sei. Er hat behauptet, dass es sich um ein Firmenfahrzeug handele, das geleast sei. Er hat zum Beleg Unterlagen der finanzierenden VW-Bank eingereicht.

Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 28. September 2021 stattgegeben. Es bestehe ein Anspruch aus § 1361a BGB. Auch Gegenstände die nur geleast seien, könnten als Haushaltsgegenstände gemäß § 1361a BGB überlassen werden. Die Antragstellerin benötige das Fahrzeug für familiäre Zwecke.

Gegen die Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Das Fahrzeug müsse zurückgegeben werden, da die Kreditraten nicht mehr gezahlt würden. Zwar handele es sich bei den eingereichten Verträgen um vermeintliche Kreditverträge. Allerdings würden die Fahrzeuge wie Leasingfahrzeuge behandelt werden und müssten aufgrund der Nichtzahlung zurückgegeben werden.

II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Überlassung des Fahrzeugs aus § 1361a Abs. 1 S. 2 BGB. Gemäß § 1361a Abs. 1 S. 1 kann jeder Ehegatte die ihm gehörenden Haushaltsgegenstände von dem anderen herausverlangen. Gemäß § 1361a Abs. 1 S. 2 BGB ist er jedoch verpflichtet, sie dem anderen Ehegatten zum Gebrauch zu überlassen, soweit dieser sie zur Führung eines abgesonderten Haushalts benötigt und die Überlassung nach den Umständen des Falls der Billigkeit entspricht.

In der Regelung des § 1361a Abs. 1 S. 2 BGB liegt entgegen der Formulierung nicht nur eine Einwendung, sondern es handelt sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage (vgl. Weber-Monecke in: MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 1361a Rn. 10; Erbarth in: BeckOGK, Stand 1. September 2021, § 1361a Rn. 83).

Der PKW stellt einen Haushaltsgegenstand dar. Haushaltsgegenstände sind alle beweglichen Gegenstände, die nach den Lebens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten für die gemeinsame Wohnung, die Hauswirtschaft und das Zusammenleben der Familie sowie deren Freizeitgestaltung bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1983 – IX ZR 41/83, juris Rn. 24, FamRZ 1984, 144; Weber-Monecke in: MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 1361a Rn. 4). Daher scheiden Gegenstände als Haushaltsgegenstände aus, die allein als Kapitalanlage oder ausschließlich dem Beruf oder sonstigen Erwerb eines Ehegatten dienen, wie etwa Werkzeuge, Fachbücher. Weiter werden Gegenstände ausgenommen, die zum persönlichen Gebrauch oder für persönliche Interessen eines Ehegatten und der Kinder bestimmt sind. Es kommt dabei nicht darauf an, welcher Ehegatte den Gegenstand gekauft hat oder aus welchen Mitteln er bezahlt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Juni 2019 – 12 UF 37/19, FamRZ 2020, 242, juris Rn. 11; Erbarth in: BeckOGK, Stand 1. September 2021, § 1361a Rn. 48f). Bei der Einordnung eines PKW als Haushaltsgegenstand ist insbesondere umstritten, in welchem Umfang das Fahrzeug für private Zwecke genutzt worden sein musste (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 2 UF 152/19, juris Rn. 27; KG, Beschluss vom 17. Januar 2003 – 13 UF 439/02, juris Rn. 2, FamRZ 2003, 1927; Erbarth in: BeckOGK, Stand 1. September 2021, § 1361a Rn. 52). Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an. Zwar lief das Fahrzeug möglicherweise aus steuerlichen Gründen „über“ die Firma des Antragsgegners. Unstreitig diente es jedoch tatsächlich ausschließlich familiären Zwecken.

Das Fahrzeug gehört auch dem Antragsgegner im Sinne der Vorschrift des § 1361a Abs. 1 BGB. Das Tatbestandsmerkmal des „gehörens“ erfasst nicht nur das Eigentum eines Ehegatten. Zu den Haushaltsgegenständen zählen vielmehr auch Gegenstände, an denen ein Anwartschaftsrecht besteht sowie gemietete, geleaste oder geliehene Gegenstände (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 2 UF 152/19, juris Rn. 28, FamRZ 2020, 1630; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.1.1995 – 18 UF 416/94, juris Rn. 2, FamRZ 1995, 1275; Staudinger/Voppel (2018), BGB, § 1361a Rn. 15; Weber-Monecke in: MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 1361a Rn. 8; Erbarth in: BeckOGK, Stand 1. September 2021, § 1361a Rn. 49). Insoweit kann offen bleiben, wie genau das Vertragsverhältnis zwischen dem Antragsgegner und der VW-Bank bezüglich des Eigentums an dem Fahrzeug gestaltet ist. Um einen Leasingvertrag handelt es sich – entgegen dem Vortrag des Antragsgegners in erster Instanz – bei dem Vertrag nach dem bisher eingereichten Kreditzahlungsplan offenbar nicht. Auf die exakte Vertragsgestaltung wird es erst für den Fall der vom Antragsgegner angekündigten Verpflichtung zur Rückgabe des Fahrzeugs ankommen. Denn mit der Beendigung eines Miet- oder Leasingvertrags besteht die Verpflichtung, den Haushaltsgegenstand an den anderen Ehegatten herauszugeben, damit dieser seiner Rückgabeverpflichtung nachkommen kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.1.1995 – 18 UF 416/94, juris Rn. 4; Staudinger/Voppel (2018) BGB, § 1361a Rn. 38).

Zu den gemäß § 1361a Abs. 1 BGB benötigten Gegenständen gehören nicht nur die schlechthin unentbehrlichen (dringlichst erforderlichen), sondern alle, auf deren Weiterbenutzung der Nichteigentümer zur alleinigen Führung eines nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Haushalts angewiesen ist. Auf die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards eines Ehegatten zielt § 1361a BGB allerdings nicht. Der bisherige Lebensstandard lässt sich für beide Ehegatten regelmäßig nicht aufrechterhalten, wenn die zum Gebrauch zu überlassenden Gegenstände nur einmal zur Verfügung stehen. Neben den persönlichen Bedürfnissen sind die der mitzuversorgenden Kinder ausschlaggebend (Weber-Monecke in: MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 1361a Rn. 11). Die Gebrauchsüberlassungspflicht besteht darüber hinaus nur, soweit sie den Umständen nach der Billigkeit entspricht. Dies hängt primär davon ab, ob die Überlassung der Gegenstände dem Eigentümer zugemutet werden kann, das heißt ob er die beanspruchten Stücke entbehren oder sich ggf. neue anschaffen kann, während sie für den anderen erforderlich sind (Weber-Monecke in: MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 1361a Rn. 12). Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Fahrzeug wurde unstreitig ausschließlich für familiäre Zwecke benutzt. Es diente zu Einkäufen, Arztbesuchen und zur Betreuung der beiden jüngeren Söhne, insbesondere um diese zu Freizeitaktivitäten zu bringen und von diesen abzuholen. Der Antragsgegner verfügt darüber hinaus über ein weiteres Fahrzeug, welches er seiner neuen Partnerin zur Verfügung stellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Die Festsetzung des Werts des Verfahrens auf § 48 Abs. 2 S. 1 1. Alt FamGKG.

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