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Kindesunterhalt: BGH-Urteil kürzt Selbstbehalt bei neuer Partnerschaft durch Haushaltsersparnis

Könnte ein einfaches Zusammenziehen mit der neuen Liebe die finanzielle Welt eines Vaters komplett auf den Kopf stellen? Eine wegweisende BGH-Entscheidung beleuchtet nun, wie eng die Haushaltskasse einer Patchwork-Familie mit dem Kindesunterhalt verknüpft ist. Sie zeigt: Wenn zwei Haushalte zu einem werden, kann das für Unterhaltspflichtige weitreichende – und teure – Folgen haben.

Übersicht

Ein Paar prüft die Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts beim Kindesunterhalt
Neue Partnerschaft: Das BGH-Urteil präzisiert die Kürzung des Selbstbehalts beim Kindesunterhalt durch Haushaltsersparnis. | Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der BGH hat entschieden, dass der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen bei Zusammenleben mit einem neuen Partner gekürzt werden kann.
  • Grund dafür sind typischerweise entstehende Haushaltsersparnisse, pauschal 10% des Selbstbehalts.
  • Voraussetzung ist, dass der neue Partner sein eigenes Existenzminimum als Nichterwerbstätiger durch Einkommen decken kann.
  • Der höhere „Erwerbstätigenbonus“ des neuen Partners ist bei dieser Prüfung nicht zu berücksichtigen.
  • Die Beweislast dafür, dass keine Ersparnisse entstehen, liegt beim Unterhaltspflichtigen.
  • Dies führt oft zu einer höheren Unterhaltsbelastung für den Pflichtigen.

BGH-Urteil: Weniger Selbstbehalt für Väter durch neue Partnerschaft?

Für Herrn K. war es ein Kampf an vielen Fronten. Der 1974 geborene Vater litt unter psychischen Problemen, ein Grad der Behinderung von 50% war festgestellt worden. Nach längerer Krankheit und Arbeitslosigkeit fand er immer wieder befristete Jobs, zuletzt als Maschinenbediener mit einem Nettoeinkommen von rund 1.321 € monatlich. Doch auch diese Anstellung endete, und Herr K. war erneut auf Arbeitslosengeld angewiesen. Seit 2014 lebte seine Tochter J., geboren im Mai 2012, nach der Trennung der Eltern bei der Mutter. Für ihren Unterhalt kam zunächst die Unterhaltsvorschusskasse des Landes auf.

Seit 2023 hatte Herr K. ein neues privates Glück gefunden: Er zog mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen, einer Altenpflegerin, die in Teilzeit etwa 1.195 € netto verdiente. Doch genau dieses Zusammenleben rückte nun in den Fokus der Juristen. Das Land, das für den Unterhalt von J. in Vorleistung getreten war, forderte das Geld von Herrn K. zurück. Die zentrale Frage, die bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) getragen wurde: Muss Herr K. mehr Unterhalt zahlen, weil er durch das Zusammenleben mit seiner neuen Partnerin Geld spart? Und wenn ja, wie wird das berechnet, insbesondere wenn die Partnerin selbst kein üppiges Einkommen hat?

Der steinige Weg durch die Instanzen: Wieviel kann Herr K. zahlen?

Der Streit um den Kindesunterhalt für die kleine J. beschäftigte zunächst das Amtsgericht Bückeburg. Dieses verurteilte Herrn K. zur Zahlung von Unterhaltsrückständen in Höhe von 13.142 € für den Zeitraum von Januar 2018 bis März 2024 und zu laufendem Unterhalt von monatlich 62 € ab April 2024. Das Gericht ging davon aus, dass Herr K. im Jahr 2023 gar nicht und 2024 nur sehr eingeschränkt leistungsfähig war. Für Sie als Leser ist es wichtig zu verstehen: Leistungsfähigkeit bedeutet im Unterhaltsrecht, ob jemand überhaupt in der Lage ist, Unterhalt zu zahlen, ohne seinen eigenen notwendigen Lebensbedarf zu gefährden. Dieser notwendige Lebensbedarf wird als Selbstbehalt bezeichnet – eine Art finanzielles Schutzschild.

Dem Land als Antragsteller war das zu wenig. Es legte Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Celle ein, allerdings nur für den Unterhalt ab Juni 2023. Doch auch das OLG wies die Beschwerde zurück. Es warf einen genauen Blick auf die finanzielle Situation von Herrn K.

Die Einkommensfrage: Realistische Chancen oder unterstellte Möglichkeiten?

Das OLG rechnete Herrn K. für 2023 ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.321 € zu. Für 2024, als er arbeitslos war, unterstellte es ihm ein sogenanntes fiktives Einkommen von etwa 1.592 € monatlich. Ein fiktives Einkommen wird angesetzt, wenn jemand nicht arbeitet oder weniger verdient, als er könnte und müsste. Man kann das vergleichen mit einem ungenutzten Talent: Wenn jemand fähig wäre, mehr zu leisten, wird er rechtlich so behandelt, als würde er es tun – zumindest im Rahmen seiner gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern. Diese gesteigerte Unterhaltspflicht, verankert in § 1603 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), verlangt von Eltern, alles Zumutbare zu tun, um den Mindestunterhalt ihrer Kinder sicherzustellen.

Das OLG sah aber keine Möglichkeit, Herrn K. ein höheres fiktives Einkommen zuzurechnen. Sein Grad der Behinderung von 50%, die psychologische Begutachtung durch die Arbeitsagentur und die Tatsache, dass er seit 13 Jahren nicht mehr in seinem erlernten Beruf als Koch gearbeitet hatte, sprächen dagegen. Er sei quasi einem ungelernten Arbeiter gleichzusetzen. Für Herrn K. und andere Betroffene in ähnlicher Lage bedeutet diese Einschätzung, dass gesundheitliche Einschränkungen und eine lückenhafte Erwerbsbiografie bei der Festsetzung fiktiver Einkünfte durchaus berücksichtigt werden müssen.

OLG sagt Nein zur Kürzung des Selbstbehalts: Die Partnerin im Fokus

Der entscheidende Punkt war jedoch die Frage, ob der Selbstbehalt von Herrn K. gekürzt werden müsse, weil er mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammenlebte. Im Jahr 2023 betrug sein Selbstbehalt als Erwerbstätiger 1.370 €, im Jahr 2024 1.450 €. Das OLG lehnte eine Kürzung ab. Die Begründung: Die Lebensgefährtin könne mit ihrem Einkommen von 1.195 € netto ihren eigenen Bedarf nicht decken. Dabei bezog sich das OLG auf die unterhaltsrechtlichen Selbstbehaltssätze und meinte, es sei systemwidrig, hier auf die niedrigeren Regelsätze des Sozialrechts abzustellen.

Selbst ein um 10% gekürzter Selbstbehalt des Herrn K. (also 1.233 € bzw. 1.305 €) sei nicht gerechtfertigt, wenn die Partnerin nicht einmal diesen Betrag für sich selbst erwirtschafte. Für Herrn K. war diese Entscheidung des OLG zunächst positiv, da sein Selbstbehalt unangetastet blieb. Für seine Tochter J. und die Unterhaltsvorschusskasse bedeutete es jedoch, dass weiterhin weniger Geld für den Unterhalt zur Verfügung stand.

BGH kippt OLG-Entscheidung: Neue Spielregeln für den Selbstbehalt in Patchwork-Konstellationen

Das Land gab sich nicht geschlagen und zog vor den Bundesgerichtshof. Und die obersten deutschen Zivilrichter sahen die Sache in einem entscheidenden Punkt anders. Sie hoben die Entscheidung des OLG Celle teilweise auf und trafen eine neue Regelung. Die Frage der Höhe von Herrn K.s eigenem (fiktivem) Einkommen bestätigte der BGH zwar im Ergebnis, doch bei der Kürzung des Selbstbehalts aufgrund des Zusammenlebens mit der neuen Partnerin sah er gravierende Rechtsfehler.

Das Prinzip der Haushaltsersparnis: Warum Zusammenleben Geld spart

Der BGH bekräftigte zunächst einen bekannten Grundsatz: Lebt der Unterhaltspflichtige nicht allein, sondern mit einer in Lebensgemeinschaft verbundenen Person in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammen, kann eine Absenkung des Selbstbehalts in Betracht kommen. Das ist wie beim „WG-Effekt“: Wer sich Miete, Strom und Lebensmittel teilt, lebt pro Kopf günstiger. Diese Haushaltsersparnisse und Synergieeffekte (also positive wirtschaftliche Auswirkungen des Zusammenwirkens) sind nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten. Sie beschränken sich nicht nur auf Wohnkosten, sondern umfassen auch allgemeine Lebenshaltungskosten wie Energie, Hausrat oder Telekommunikation.

Der BGH verwies hier auf sozialrechtliche Regelungen (wie § 20 Abs. 4 Sozialgesetzbuch II), wo Partner in einer Bedarfsgemeinschaft ebenfalls nur jeweils 90% des Regelbedarfs eines Alleinstehenden erhalten. Aus Gründen der Praktikabilität hält der Senat es für angemessen, den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen pauschal um 10% zu kürzen. Diese Ersparnis, so der BGH, wird beiden Partnern hälftig zugerechnet. Für Sie bedeutet das: Wenn Sie Unterhalt zahlen und mit jemandem zusammenziehen, geht das Gericht erst einmal davon aus, dass Sie dadurch Kosten sparen.

Der Knackpunkt: Welches Einkommen braucht der neue Partner wirklich?

Die entscheidende Weiche stellte der BGH jedoch bei der Frage, wie viel der neue Partner verdienen muss, damit beim Unterhaltspflichtigen eine solche Haushaltsersparnis angerechnet werden kann. Voraussetzung für den Eintritt dieser Haushaltsersparnisse bei dem Unterhaltspflichtigen ist aber in jedem Fall, dass sich der mit ihm zusammenlebende Partner durch sein eigenes Einkommen – gegebenenfalls auch durch Sozialeinkünfte – an den Kosten der gemeinsamen Lebensführung beteiligen kann.

Der BGH stellte fest, dass es in der Praxis der Oberlandesgerichte unterschiedliche Auffassungen dazu gibt, ab welcher Einkommenshöhe des Partners eine Kürzung möglich ist. Einige OLG-Leitlinien nennen konkrete Beträge (z.B. OLG Koblenz: ab 650 € Partnereinkommen), andere fordern allgemein, der Partner müsse „leistungsfähig“ sein oder über „ausreichendes Einkommen“ verfügen.

Sozialhilfe-Niveau oder Unterhaltsrecht: Ein Vergleich der Maßstäbe

Der BGH erklärte, dass es im Fall von Herrn K.s Partnerin gar nicht entscheidend darauf ankam, ob man das sozialhilferechtliche Existenzminimum oder das (höhere) unterhaltsrechtliche Existenzminimum als Maßstab nimmt. Ihr Nettoeinkommen von 1.195 € (bzw. 1.135 € nach Abzug einer 5%-Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 60 €) reiche in beiden Fällen aus. Das sozialhilferechtliche Existenzminimum für einen Erwachsenen lag laut dem 14. Existenzminimumbericht 2023 bei monatlich 909 € und 2024 bei 956 €. Diese Beträge überschritt das Einkommen der Partnerin deutlich.

BGH-Klarstellung: Es zählt der Selbstbehalt für Nichterwerbstätige – nicht für Erwerbstätige!

Hier kam der entscheidende Punkt, bei dem der BGH das OLG korrigierte. Das unterhaltsrechtliche Existenzminimum entspricht dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen. Dieser ist zwar vom Sozialhilfeniveau abgeleitet, aber etwas höher, da er z.B. pauschal erhöhte Beträge für bestimmte Bedarfe (wie Rundfunkgebühren) und einen Puffer enthält.

Wenn man diesen Maßstab anlegt, so der BGH, kommt eine Kürzung des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen (hier Herr K.) um 10% dann in Betracht, wenn das Einkommen seines Lebenspartners mindestens den Betrag des notwendigen Selbstbehalts für Nichterwerbstätige abzüglich 10% (für den Eigenanteil der Ersparnis des Partners) erreicht. Und hier lag der Fehler des OLG: Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ist für das Mindesteinkommen des Lebenspartners nicht auf den höheren notwendigen Selbstbehalt für Erwerbstätige abzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn der Lebenspartner – wie hier – sein Einkommen tatsächlich durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit erzielt.

Der sogenannte Erwerbstätigenbonus, der den Unterschied zwischen dem Selbstbehalt eines Erwerbstätigen und eines Nichterwerbstätigen ausmacht, ist laut BGH ein reiner Anreiz zum Arbeiten – wie eine Extra-Tankfüllung für den Weg zur Arbeit – und dient nicht der Deckung lebensnotwendiger Bedarfe. Für die hier interessierende Frage, ob sich die durch das Zusammenleben typischerweise entstehenden Haushaltsersparnisse und Synergieeffekte (auch) zugunsten des Unterhaltsschuldners auswirken oder ob sie bereits ganz oder teilweise zur Behebung einer Notlage des Lebenspartners benötigt werden, hat der Erwerbstätigenbonus daher außer Betracht zu bleiben.

Der notwendige Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen betrug nach den Leitlinien des OLG Celle im Jahr 2023 1.120 € und im Jahr 2024 1.200 €. Zieht man davon die 10% Haushaltsersparnis ab, die auf die Partnerin entfallen, verbleiben 1.008 € (2023) bzw. 1.080 € (2024). Das Nettoeinkommen der Lebensgefährtin des Antragsgegners, welches sich auch nach Abzug von pauschalen berufsbedingten Aufwendungen noch auf 1.135 € beläuft, deckt demnach das um 10 % gekürzte unterhaltsrechtliche Existenzminimum [eines Nichterwerbstätigen] … im verfahrensgegenständlichen Unterhaltszeitraum vollständig ab. Für Herrn K. und alle in einer ähnlichen Lage bedeutet diese Klarstellung des BGH: Es kommt nicht darauf an, ob der neue Partner viel verdient oder selbst einen Erwerbstätigenbonus hat. Entscheidend ist, ob das Grundeinkommen des Partners dessen eigenes (niedrigeres) Existenzminimum als Nichterwerbstätiger (abzüglich seines Sparanteils) deckt.

Die Beweislast liegt beim Unterhaltspflichtigen

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beweislast. Der Antragsgegner, der als Unterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass ihm durch das Zusammenleben mit seinem Partner keine Ersparnisse erwachsen (vgl. Senatsurteil vom 17. März 2010 – XII ZR 204/08 – FamRZ 2010, 802 Rn. 28), hat keine höheren Aufwendungen oder Verbindlichkeiten behauptet, die auf Seiten seiner Lebensgefährtin einkommensmindernd zu berücksichtigen wären. Wer also behauptet, trotz gemeinsamen Haushalts keine Kosten zu sparen, muss das dem Gericht detailliert erklären und beweisen. Das ist vergleichbar mit der Behauptung eines Lottogewinns ohne den passenden Schein – ohne Beweise wird es schwierig.

Wichtig für Sie: Das Gericht geht bei zusammenlebenden Paaren grundsätzlich von Haushaltsersparnissen aus. Wenn Sie als Unterhaltspflichtiger meinen, dass dies bei Ihnen nicht zutrifft, müssen Sie das konkret begründen und belegen können.

Konkrete Zahlen: Was die BGH-Entscheidung für Herrn K. und seine Tochter bedeutet

Die rechtlichen Feinheiten, die der BGH hier geklärt hat, haben ganz konkrete finanzielle Auswirkungen für Herrn K. und seine Tochter J. Der BGH rechnete die Zahlen neu durch.

Höherer Unterhalt trotz knapper Kasse: Die neue Berechnung im Detail

Da die Lebensgefährtin von Herrn K. nach den BGH-Kriterien als ausreichend leistungsfähig galt, um ihren Teil zu den Haushaltsersparnissen beizutragen, wurde der Selbstbehalt von Herrn K. gekürzt:

  • Für 2023 von 1.370 € um 10% auf 1.233 €.
  • Für 2024 von 1.450 € um 10% auf 1.305 €.

Daraus ergab sich eine höhere Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt:

  • Im Jahr 2023 konnte Herr K. monatlich 22 € zahlen (Einkommen 1.321 € abzgl. 5% berufsbedingte Aufwendungen (66 €) abzgl. gekürzter Selbstbehalt 1.233 €).
  • Im Jahr 2024 konnte er monatlich 207 € zahlen (fiktives Einkommen 1.592 € abzgl. 5% berufsbedingte Aufwendungen (80 €) abzgl. gekürzter Selbstbehalt 1.305 €).

Der BGH errechnete den gesamten rückständigen Kindesunterhalt für J. für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 3. Mai 2024 (bis zu diesem Datum wurde Unterhaltsvorschuss gezahlt) auf 13.958 €. Für den laufenden Unterhalt ab dem 4. Mai 2024 in Höhe von 62 € monatlich, den das Amtsgericht ursprünglich festgesetzt hatte, stellte der BGH fest, dass diese Frage nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor ihm war, da die Unterhaltsvorschussleistungen eingestellt wurden und das Land seine Anträge entsprechend beschränkt hatte.

Dieser Teil der Entscheidung des Amtsgerichts ist somit nicht durch den BGH geändert worden, aber durch die Einstellung der UVG-Leistungen faktisch wohl gegenstandslos für die Zukunft. Die Neuberechnung durch den BGH bedeutet für Herrn K. eine höhere finanzielle Belastung, für seine Tochter J. aber potenziell mehr Geld für ihren Lebensunterhalt.

Die Rolle der Unterhaltsvorschusskasse: Wenn der Staat in Vorleistung tritt

In diesem Fall war das Land als Träger der Unterhaltsvorschusskasse der Antragsteller. Das Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) springt ein, wenn ein unterhaltspflichtiger Elternteil keinen oder nur unregelmäßig Unterhalt zahlt. Die Unterhaltsvorschusskasse ist dann wie eine finanzielle Feuerwehr: Sie sichert den Unterhalt des Kindes und versucht anschließend, das Geld vom eigentlich Pflichtigen zurückzuholen. Man spricht hier vom übergegangenen Recht: Der Unterhaltsanspruch des Kindes geht quasi auf das Land über, das dann aktivlegitimiert ist, diesen Anspruch gerichtlich geltend zu machen (geregelt in § 7 UVG). Für viele alleinerziehende Elternteile ist der Unterhaltsvorschuss eine wichtige finanzielle Stütze.

Was diese Entscheidung für getrenntlebende Eltern bedeutet

Der Beschluss des BGH ist mehr als nur eine Entscheidung in einem Einzelfall. Er hat Signalwirkung für viele Unterhaltsverfahren und verdeutlicht, wie Gerichte die wirtschaftlichen Realitäten neuer Partnerschaften bewerten.

Die Fortführung einer Linie: Was wirklich neu ist am BGH-Beschluss

Der BGH betont, dass dieser Beschluss eine Fortführung seines Urteils vom 9. Januar 2008 (Az. XII ZR 170/05) ist. Das bedeutet, die grundsätzliche Linie, dass Haushaltsersparnisse bei neuer Partnerschaft zu einer Kürzung des Selbstbehalts führen können, bleibt bestehen. Die wirkliche Neuerung oder zumindest Präzisierung in diesem Urteil liegt in der detaillierten Klarstellung, welcher Maßstab für das Einkommen des neuen Partners anzulegen ist: Es ist der notwendige Selbstbehalt für Nichterwerbstätige (abzüglich des Sparanteils), nicht der für Erwerbstätige. Diese Unterscheidung kann in der Praxis erhebliche finanzielle Unterschiede ausmachen. Für Sie als unterhaltspflichtige Person bedeutet das, dass die Messlatte für die „Leistungsfähigkeit“ des neuen Partners im Hinblick auf die gemeinsame Haushaltsführung niedriger angesetzt wird, als manche vielleicht dachten.

Das unterhaltsrechtliche Existenzminimum des Partners: Eine wichtige Abgrenzung

Der BGH hat sehr klar differenziert zwischen dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum und dem unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt. Das unterhaltsrechtliche Existenzminimum des neuen Partners dient als Bezugspunkt, um zu beurteilen, ob er überhaupt etwas zu den gemeinsamen Kosten beitragen kann, ohne selbst bedürftig zu werden. Es ist wie das Fundament eines Hauses: Es muss erst einmal stabil stehen. Das Gericht hat hier betont, dass der Erwerbstätigenbonus des neuen Partners bei dieser Prüfung außen vor bleibt. Dies ist eine wichtige Leitlinie für die Berechnung in ähnlichen Fällen.

Zwischen Kinderwohl und neuer Lebensplanung: Ein Balanceakt für die Gerichte

Unterhaltsentscheidungen sind oft ein Balanceakt. Auf der einen Seite steht das Wohl des Kindes und sein Anspruch auf angemessenen Unterhalt (§ 1601 BGB, § 1612a BGB). Auf der anderen Seite steht das Recht des unterhaltspflichtigen Elternteils auf eine eigene Existenzsicherung und die Möglichkeit, neue Beziehungen einzugehen, ohne dass der neue Partner quasi für Altschulden mithaftet. Die Gerichte müssen hier sorgfältig abwägen. Diese BGH-Entscheidung zeigt, dass die wirtschaftlichen Vorteile einer neuen Partnerschaft durchaus dem Kindesunterhalt zugutekommen sollen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die Quintessenz dieses Arguments für Ihren Alltag ist also: Eine neue Partnerschaft kann Ihre Unterhaltspflichten beeinflussen, auch wenn Ihr neuer Partner nicht direkt für Ihre Kinder aufkommen muss.

Ihr Recht im Alltag: Praktische Auswirkungen und was Sie beachten sollten

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat konkrete Folgen für Menschen in ähnlichen Situationen wie Herr K. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Rechte und Pflichten kennen.

Wann Ihr Selbstbehalt gekürzt werden kann: Die Voraussetzungen

Ihr Selbstbehalt als Unterhaltspflichtiger kann um bis zu 10% (manchmal auch mehr, je nach Einzelfall und OLG-Bezirk) gekürzt werden, wenn Sie mit einem neuen Partner in einem gemeinsamen Haushalt leben und wirtschaften. Entscheidend ist, dass Ihr neuer Partner über eigenes Einkommen verfügt, das zumindest sein eigenes Existenzminimum (auf Basis des Selbstbehalts für Nichterwerbstätige, gekürzt um dessen Sparanteil) deckt. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie verheiratet sind oder nicht; das faktische Zusammenleben ist ausschlaggebend.

Transparenz ist gefragt: Offenlegung der Lebensverhältnisse

Wenn Sie Unterhalt zahlen, sind Sie verpflichtet, über Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Das kann auch die wirtschaftliche Situation Ihres neuen Haushalts umfassen, soweit sie für die Berechnung von Haushaltsersparnissen relevant ist. Versuchen Sie nicht, eine neue Lebensgemeinschaft zu verschleiern, um Unterhaltszahlungen zu umgehen. Das kann zu unangenehmen Nachfragen und im Zweifel zu einer Schätzung durch das Gericht führen, die nicht unbedingt zu Ihren Gunsten ausfällt. Eine typische Alltagssituation ist, dass das Jugendamt oder der andere Elternteil von der neuen Partnerschaft erfährt und eine Neuberechnung des Unterhalts verlangt.

Finanzielle Weichenstellungen bei neuer Partnerschaft

Wenn Sie unterhaltspflichtig sind und überlegen, mit einem neuen Partner zusammenzuziehen, sollten Sie sich bewusst sein, dass dies Auswirkungen auf Ihre Unterhaltszahlungen haben kann. Dies ist eine typische Situation, in der eine frühzeitige Information und gegebenenfalls Beratung sinnvoll ist, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Umgekehrt sollten Sie als unterhaltsberechtigter Elternteil hellhörig werden, wenn der andere Elternteil eine neue Partnerschaft eingeht und möglicherweise leistungsfähiger wird. Informieren Sie in einem solchen Fall das zuständige Jugendamt oder suchen Sie anwaltlichen Rat, um prüfen zu lassen, ob eine Anpassung des Unterhalts möglich ist. Seien Sie sich bewusst, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Haushaltsersparnisse anfallen, beim Unterhaltspflichtigen liegt.

Dokumentieren Sie daher Ihre finanzielle Situation und die Ihres Partners genau, falls Sie argumentieren möchten, dass die Voraussetzungen für eine Kürzung nicht vorliegen, beispielsweise weil Ihr Partner erhebliche eigene Schulden hat, die sein Einkommen schmälern. Denken Sie auch daran, dass vom Einkommen des neuen Partners dessen berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden, bevor geprüft wird, ob sein Existenzminimum gedeckt ist. Eine pauschale Annahme, dass jedes Einkommen des Partners sofort zu einer Kürzung führt, ist also falsch; es bedarf einer genauen Prüfung. Da Unterhaltsberechnungen sehr komplex sind und von vielen individuellen Faktoren abhängen, ist es stets ratsam, sich bei Fragen oder Änderungen der Lebensumstände rechtzeitig juristischen Rat einzuholen. Dies hilft Ihnen, Ihre Rechte optimal wahrzunehmen und Pflichten korrekt zu erfüllen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Häufig gestellte Fragen zum Thema Kindesunterhalt und neue Partnerschaft

Nachfolgend beantworten wir die häufigsten Fragen zu unserem Artikel über das BGH-Urteil zur Kürzung des Selbstbehalts bei neuer Partnerschaft und dessen Auswirkungen für Sie.

Was bedeutet dieses Urteil konkret für mich, wenn ich Unterhalt zahle und mit einem neuen Partner zusammenziehe?

Wenn Sie Unterhalt für Ihr Kind zahlen und mit einem neuen Partner zusammenleben, geht der Bundesgerichtshof (BGH) grundsätzlich davon aus, dass Sie durch das gemeinsame Wirtschaften Kosten sparen – sogenannte Haushaltsersparnisse. Das Urteil stellt klar, unter welchen Bedingungen diese Ersparnisse zu einer Kürzung Ihres Selbstbehalts führen können. Konkret bedeutet das: Wenn Ihr neuer Partner über ein Einkommen verfügt, das sein eigenes Existenzminimum (gemessen am notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen, abzüglich seines Anteils an der Ersparnis) deckt, kann Ihr Selbstbehalt um typischerweise 10% gekürzt werden. Dadurch steht Ihnen weniger Geld für den eigenen Bedarf zur Verfügung, was wiederum Ihre Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt erhöhen kann.


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Mein neuer Partner verdient nur sehr wenig. Muss mein Selbstbehalt trotzdem gekürzt werden und warum?

Ja, auch wenn Ihr neuer Partner nur über ein geringes Einkommen verfügt, kann Ihr Selbstbehalt gekürzt werden. Entscheidend ist laut BGH nicht, ob Ihr Partner sehr viel verdient oder ob sein Einkommen seinen eigenen Selbstbehalt als Erwerbstätiger deckt. Wichtig ist vielmehr, ob das Einkommen des Partners ausreicht, um dessen notwendigen Selbstbehalt als Nichterwerbstätiger (abzüglich seines eigenen Sparanteils von 10%) zu decken. Dieser Selbstbehalt für Nichterwerbstätige ist niedriger als der für Erwerbstätige. Liegt das Einkommen Ihres Partners über dieser niedrigeren Schwelle – wie im Fall von Herrn K.s Partnerin, deren Nettoeinkommen von rund 1.135 € nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen diesen Wert überstieg –, geht das Gericht davon aus, dass Haushaltsersparnisse entstehen, die auch Ihnen zugutekommen und somit eine Kürzung Ihres Selbstbehalts rechtfertigen.


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Muss mein neuer Partner jetzt direkt für den Unterhalt meiner Kinder aufkommen?

Nein, Ihr neuer Partner ist rechtlich nicht dazu verpflichtet, direkt Unterhalt für Ihre Kinder aus einer früheren Beziehung zu zahlen. Die Unterhaltspflicht für Ihre Kinder liegt weiterhin allein bei Ihnen und dem anderen leiblichen Elternteil. Das BGH-Urteil und die darin thematisierte Kürzung Ihres Selbstbehalts bedeuten nicht, dass das Einkommen Ihres neuen Partners für den Kindesunterhalt herangezogen wird. Es geht vielmehr darum, dass Sie durch das Zusammenleben und die gemeinsame Haushaltsführung mit Ihrem Partner voraussichtlich weniger Geld für Ihre eigene Lebenshaltung benötigen (z.B. für Miete, Lebensmittel, Strom). Diese Ersparnis erhöht Ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit, wodurch Sie möglicherweise mehr Kindesunterhalt zahlen können.


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Der Artikel erwähnt eine Kürzung des Selbstbehalts um 10%. Ist dieser Wert fix oder kann er auch anders ausfallen?

Der Artikel und auch der BGH nennen die 10% als eine pauschale Größe, die aus Gründen der Praktikabilität oft angesetzt wird, um die Haushaltsersparnisse abzubilden. Diese 10% sind jedoch nicht in jedem Fall und in jedem OLG-Bezirk starr festgelegt. Der Referenzartikel deutet an, dass es je nach Einzelfall und OLG-Bezirk auch höhere Kürzungen geben kann („um bis zu 10% (manchmal auch mehr…)“). Die tatsächliche Höhe der Ersparnis und damit der Kürzungsbetrag kann von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängen. Die 10% dienen als eine Art Richtwert, der die typischerweise zu erwartenden Synergieeffekte durch das Zusammenleben widerspiegeln soll.


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Was ist der Unterschied zwischen dem Selbstbehalt für Erwerbstätige und dem für Nichterwerbstätige, und warum war das für die Partnerin von Herrn K. entscheidend?

Der Selbstbehalt für Erwerbstätige ist höher als der Selbstbehalt für Nichterwerbstätige. Der höhere Betrag für Erwerbstätige beinhaltet einen sogenannten Erwerbstätigenbonus. Dieser Bonus ist, wie der BGH klarstellt, ein Anreiz zum Arbeiten und dient nicht der Deckung des grundlegenden Lebensbedarfs. Der Selbstbehalt für Nichterwerbstätige hingegen spiegelt das unterhaltsrechtliche Existenzminimum wider, also den Betrag, der zur Deckung der grundlegenden Bedürfnisse notwendig ist. Für die Partnerin von Herrn K. war diese Unterscheidung entscheidend, weil das OLG Celle fälschlicherweise den höheren Selbstbehalt für Erwerbstätige als Maßstab nahm, um zu beurteilen, ob sie zur Haushaltsersparnis beitragen kann. Der BGH korrigierte dies: Es kommt nur darauf an, ob das Einkommen der Partnerin (nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen und ihres eigenen Sparanteils von 10%) ihren notwendigen Selbstbehalt als Nichterwerbstätige deckt. Da ihr Einkommen diese niedrigere Schwelle überschritt, ging der BGH davon aus, dass sie zu den Haushaltsersparnissen beitragen kann, was wiederum die Kürzung von Herrn K.s Selbstbehalt rechtfertigte.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Partner-Einkommen im Fokus: BGH justiert Selbstbehalt für Unterhaltspflichtige

Die BGH-Entscheidung schärft die Konturen: Bereits ein Partnereinkommen, das dessen eigenes Existenzminimum als Nichterwerbstätiger sichert, kann den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen mindern. Der Erwerbstätigenbonus des neuen Partners spielt hierfür keine Rolle, was die Schwelle für eine Kürzung effektiv senkt und die Position des unterhaltsberechtigten Kindes stärkt.

Für Betroffene bedeutet dies: Die finanziellen Vorteile des Zusammenlebens fließen schneller in die Unterhaltsberechnung ein. Unterhaltspflichtige sollten daher die Auswirkungen einer neuen Lebensgemeinschaft auf ihre Zahlungsverpflichtungen realistisch einschätzen, da die wirtschaftliche Realität der Haushaltsersparnis nun klarer justiziabel ist.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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