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Schadensersatzanspruch bei Nichteinhaltung einer Ferienumgangsregelung durch Elternteil

Oberlandesgericht Bremen – Az.: 4 UF 61/17 – Beschluss vom 24.11.2017

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bremerhaven vom 4.4.2017 dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin an den Antragsteller 711,38 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 4.11.2016 zu zahlen hat. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller 26 % und die Antragsgegnerin 74 %.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Es geht um einen Schadensersatzanspruch, den der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin wegen der Missachtung der am 5.4.2016 vor dem Amtsgericht Bremerhaven geschlossenen Umgangsvereinbarung geltend macht.

Die Beteiligten sind die noch miteinander verheirateten Kindeseltern der mittlerweile zwölfjährigen X und der neunjährigen Y. Vor dem Amtsgericht Bremerhaven sind mehrere die Familie betreffende familienrechtliche Streitigkeiten anhängig. In einem Sorgerechtsverfahren zu der Geschäftsnummer des Amtsgerichts Bremerhaven 152 F 1208/15 SO haben die Kindeseltern am 5.4.2016 in der mündlichen Anhörung hinsichtlich der Sommerferien 2016 den Umgang mit den beiden Töchtern wie folgt geregelt:

„Wir sind uns heute schon einig darüber, dass die Sommerferien 2016 der Kinder so gestaltet werden sollen, dass die Kindesmutter in der 1. Hälfte der Ferien mit den Kindern in die Türkei reisen wird. Der Kindesvater wird die Kinder dort abholen und seinerseits 3 Wochen mit den Kindern in der Türkei verbringen und dann mit den Kindern pünktlich zum Schulbeginn wieder zurückkehren.“

Schadensersatzanspruch bei Nichteinhaltung
(Symbolfoto: ErsinTekkol/Shutterstock.com)

Bereits am 1.3.2016 hatte die Kindesmutter sowohl für sich als auch für die beiden Mädchen für den Zeitraum vom 3.7.2016 bis zum 26.7.2016 für insgesamt 875 € eine Flugreise in die Türkei gebucht und Ende März 2016 auch komplett bezahlt. Am 3.7.2016 ist die Kindesmutter mit den beiden Töchtern in die Türkei geflogen und in das Heimatdorf gefahren, aus dem sowohl der Kindesvater als auch die Kindesmutter stammen. Am 14. oder 15.7.2016 hat der Kindesvater seinen Onkel A zu dem Haus der Kindesmutter in dem Dorf geschickt, um die Kinder von ihr abzuholen. Beide Mädchen sind an den Onkel übergeben worden, der sie wiederum ihrem Vater übergeben hat. Die Reisepässe beider Mädchen sind nicht an den Onkel herausgegeben worden. Der Grund dafür, aus dem die Reisepässe nicht bereits Mitte Juli 2016 an den Kindesvater herausgegeben worden sind, ist streitig. Unstreitig hat der Kindesvater am 22.7.2016 bei dem Amtsgericht Bremerhaven ein Eilverfahren eingeleitet, wonach die Kindesmutter verpflichtet werden sollte, die Pässe der Kinder an den Kindesvater, hilfsweise an einen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben. Dieses unter der amtsgerichtlichen Geschäftsnummer 152 F 1019/16 EASO bei dem Amtsgericht Bremerhaven geführte Verfahren ist nach Passherausgabe übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Das Amtsgericht hat sodann einen Kostenbeschluss gemäß § 91a ZPO gemacht, in dem es der Kindesmutter die Verfahrenskosten auferlegt hat. Die Übergabe der Reisepässe der Kinder durch die Kindesmutter erfolgte am 26.7.2016. Die Töchter hielten sich zusammen mit dem Kindesvater noch bis zum 1.8.2016 im Urlaub in der Türkei aufhielten und sind dann vom Kindesvater mit seinem Auto wieder nach B zum Schulbeginn zurückgebracht worden.

Hinsichtlich der zunächst nicht übergebenen Reisepässe der Kinder behauptet der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe die Passherausgabe verweigert bzw. von der Zahlung von 400 € abhängig gemacht. Hierbei sollte es sich um die Beteiligung des Antragstellers an den Kosten für die schon gebuchten Rückflüge der Kinder handeln. Aufgrund der Verweigerungshaltung der Kindesmutter habe er sich u.a. gezwungen gesehen, in der Türkei einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um die Passherausgabe kurzfristig gegenüber der Kindesmutter durchzusetzen. Der von ihm beauftragte Rechtsanwalt habe 2.700 Türk. Lira (TRY) erhalten. Er habe außerdem Notariatskosten i.H.v. 263,12 TRY und Übersetzungskosten von 112,15 € gezahlt. Zudem habe er bei der Gerichtskasse in A 165 TRY einzahlen müssen. Die Pässe seien von seinem türkischen Anwalt erst am 26.7.2016 aus dem Heimatdorf abgeholt worden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.10.2016 sei die Antragsgegnerin unter Fristsetzung zum 3.11.2016 zur Zahlung von 965,81 € aufgefordert worden. Da sie ihrer Zahlungspflicht nicht nachgekommen sei, stünden ihm Verzugszinsen ab dem 4.11.2016 zu.

Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn 965,81 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab 4.11.2016 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Nach mündlicher Verhandlung vom 14.3.2017 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bremerhaven am 4.4.2017 den Beschluss verkündet, dass der Antrag vom 3.1.2017 zurückgewiesen werde. Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigten am 11.4.2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 8.5.2017 beim Amtsgericht Bremerhaven Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet.

Der Antragsteller beantragt, unter Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts Bremerhaven vom 4.4.2017 die Antragsgegnerin zu verpflichten, 965,81 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab 11.4.2017 an den Antragsteller zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde des Antragstellers vom 5.5.2017 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und hat mit Schriftsatz vom 7.8.2017 eine „Reisebestätigung zu einem Vermittlungsauftrag“ hinsichtlich ihrer Flugreise […] des Reisebüros […] vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung des Beschwerdegerichts am 10.11.2017 wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen V. und W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

II.

Die statthafte (§ 58 FamFG), form- und fristgerecht eingelegte und fristgerecht begründete Beschwerde (§ 117 FamFG) des Antragstellers gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 4.4.2017 ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

1.

Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der vergleichsweise am 5.4.2016 getroffenen Umgangsregelung zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Verletzung einer familienrechtlichen Schutzpflicht gemäß §§ 1684, 280 Abs. 1 BGB analog.

a) Der BGH hat bereits in seiner Entscheidung vom 19.6.2002 ausgesprochen, dass der umgangsberechtigte Elternteil von dem anderen Elternteil Schadensersatz verlangen könne, wenn letzterer ihm den Umgang nicht in der vom Familiengericht vorgesehenen Art und Weise gewähre und ihm daraus Mehraufwendungen entstünden (BGHZ 151, 155). Das jedem Elternteil gemäß § 1684 Abs. 1 BGB eröffnete Recht zum Umgang mit dem Kind begründe zwischen dem Umgangsberechtigten und dem zur Gewährung des Umgangs Verpflichteten ein gesetzliches Rechtsverhältnis familienrechtlicher Art, das durch § 1684 Abs. 2 BGB näher ausgestaltet werde und an dem das Kind als Begünstigter teilhabe. Da der Umgangsberechtigte grundsätzlich die mit der Umgangsausübung verbundenen Kosten zu tragen habe, umfasse das gesetzliche Rechtsverhältnis auch die Pflicht, bei der Gewährung des Umgangs auf die Vermögensbelange des Umgangsberechtigten Rücksicht zu nehmen und diesem die Wahrnehmung seines Umgangsrechtes nicht durch die Auferlegung unnötiger Vermögensopfer zu erschweren bzw. für die Zukunft zu verleiden. Eine Verletzung dieser Pflicht könne unter Heranziehung der zur positiven Forderungsverletzung entwickelten Grundsätze Schadensersatzpflichten des Verletzers gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil auslösen (BGH, a.a.O.). Dieser Auffassung folgt auch das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 21.7.2015 (FamRZ 2016, 387), wobei es einen Ersatzanspruch auch für den Fall bejaht hat, in dem die verletzte Umgangsregelung sich nicht aus einem gerichtlichen Umgangsbeschluss, sondern aus einer vergleichsweisen Umgangsvereinbarung der Kindeseltern ergibt; dem vom BGH entschiedenen Fall lag die Verletzung einer durch gerichtliche Entscheidung getroffenen Umgangsregelung zugrunde. Angesichts der nach der BGH-Entscheidung vom 19.6.2002 erfolgten Gesetzesänderung durch Einführung des § 280 BGB hat das OLG Frankfurt auf diese Regelung anstatt auf die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung zurückgegriffen. Es hat zudem herausgestellt, dass ein Verschulden des zur Gewährung des Umgangs verpflichteten Elternteils zunächst vermutet werde, so dass dieser Elternteil die volle Darlegungs- und Beweislast für ein fehlendes Verschulden trage (Rn. 30; so auch Staudinger/Peschel-Gutzeit/Rauscher, BGB, 2014, § 1684 Rn. 26). Auch § 823 Abs. 1 BGB kann als Anspruchsgrundlage herangezogen werden, da mittlerweile allgemein anerkannt ist, dass es sich bei dem Umgangsrecht um ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB handelt, das auch gegenüber dem Mitinhaber der elterlichen Sorge wirkt (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit/Rauscher, a.a.O., § 1684 Rn. 25; AG Bremen, FamRZ 2008, 1369).

b) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sieht das Beschwerdegericht die Behauptung des Antragstellers als bewiesen an, die Antragsgegnerin habe im Sommer 2016 in der Türkei die Herausgabe der Reisepässe der Kinder verweigert, um ihn zur Bezahlung von 400 € zu bewegen.

Unstreitig ist, dass die Antragsgegnerin im Sommer 2016 nur die Kinder an den vom Antragsteller entsandten Onkel herausgegeben hat. Um den Ferienumgang mit den Kindern inklusive der Rückreise nach B. durchführen zu können, wie im Umgangsvergleich vom 5.4.2016 geregelt, bedurfte der Antragsteller zusätzlich der Kinderreisepässe. Eine Weigerung, die Pässe an den Antragsteller herauszugeben, beinhaltete somit eine Beeinträchtigung des vereinbarten Umgangs des Antragstellers mit den Kindern.

aa) Hinsichtlich der Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe die Passherausgabe verweigert und von einer Geldzahlung abhängig gemacht, hat der Zeuge V, bei dem es sich um den Onkel des Antragstellers handelt, der die beiden Mädchen Mitte Juli 2016 bei der Kindesmutter in dem gemeinsamen Heimatdorf in der Türkei abgeholt hat, glaubhaft bestätigt, dass ihm von der Kindesmutter zwar die Kinder, nicht aber die Pässe herausgegeben worden seien. Aus welchem Grund die Passherausgabe verweigert worden sei, konnte der Zeuge nicht sagen. Er war der Meinung, dass ihm kein Grund hierfür genannt worden sei.

Der ebenfalls als Zeuge vernommene Vater des Antragstellers, der Zeuge W, konnte sich an die damalige Situation in der Türkei noch genauer erinnern. Er hat glaubhaft geschildert, er habe zur Vermeidung von Streitigkeiten zwischen den Familien seinen Bruder V gebeten, seine Enkelinnen bei der Kindesmutter abzuholen. Sein Bruder, also der Zeuge V, habe nach seiner Rückkehr mit den Kindern erklärt, die Pässe der Mädchen würden nicht an den Antragsteller herausgegeben, bevor er nicht an die Antragsgegnerin Geld gezahlt hätte. Er hat weiter geschildert, dass er nicht nur seinen Bruder V, sondern auch noch andere Nachbarn und Bekannte aus dem Dorf gebeten habe, bei der Antragsgegnerin vorbeizugehen und diese zu bitten, die Pässe der Kinder an den Antragsteller herauszugeben. Mehrere dieser von ihm erfolglos beauftragten Personen hätten ihm ebenfalls gesagt, die Familie der Kindesmutter würde die Herausgabe der Reisepässe der Kinder von einer Geldzahlung abhängig machen. Er habe von den zum Haus der Familie der Kindesmutter geschickten Personen mitgeteilt bekommen, dass die Kindesmutter 400 € verlange.

Durch diese Zeugenangaben ist nachgewiesen, dass die Kindesmutter die Herausgabe der Kinderpässe verweigert und von einer Geldzahlung abhängig gemacht hat.

bb) Aufgrund dieses die Umgangsvereinbarung vom 5.4.2016 verletzenden Verhaltens der Kindesmutter hat sich der Antragsteller zu Recht veranlasst gesehen, einen Rechtsanwalt in der Türkei mit seiner Interessenvertretung zu beauftragen. Dies wäre ohne die Verweigerung der Passherausgabe nicht geschehen, so dass das Verhalten der Kindesmutter für die Rechtsanwaltsbeauftragung äquivalent, aber auch adäquat kausal war. Dass mildere und kostengünstigere Maßnahmen vom Antragsteller zuvor ausgeschöpft worden sind, ergibt sich u.a. auch aus der Aussage des Zeugen W. Dieser hat glaubhaft geschildert, dass er nicht nur seinen Bruder, sondern auch Nachbarn und Bekannte zum Haus der Kindesmutter mit der Bitte um Passherausgabe gesandt habe, was allerdings ergebnislos blieb. Er habe sodann zusammen mit seinem Sohn das deutsche Konsulat aufgesucht, wo man ihnen erklärt habe, dass für die Ausstellung von Ersatzpapieren für die Kinder eine Antragstellung durch die Kindeseltern gemeinsam erforderlich sei. Aufgrund dieser Auskunft hätten sie, also sein Sohn und er, keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Der Zeuge hat den gemeinsamen Besuch in der Kanzlei des Rechtsanwalts bestätigt. Er erinnere sich auch noch genau daran, wie er diesem 1.000 € auf den Tisch gezählt habe, wobei es sich um das Geld seines Sohnes gehandelt habe. Es seien noch weitere kleinere Beträge gezahlt worden, in welcher Höhe und wofür genau, konnte der Zeuge nicht mehr erinnern. Durch diese Angaben ist die vom Antragsteller behauptete und mit der in Kopie vorgelegten handschriftlichen Quittung des Rechtsanwalts […] belegte Honorarzahlung an den Rechtsanwalt und damit die Schadensentstehung in Höhe von 2.700 TRY nachgewiesen.

Der Zeuge W hat über den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt hinaus berichtet, dass die Familie der Kindesmutter seinen Sohn gegenüber der Gendarmerie zudem einer Kindesentführung bezichtigt habe, so dass dieser von der Gendarmerie vorgeladen worden sei. Auch der Zeuge V konnte sich daran erinnern, dass er selbst von der Gendarmerie vorgeladen worden sei und gegenüber dem Antragsteller der Vorwurf erhoben worden war, die Kinder entführt zu haben. Der Zeuge W hat weiter geschildert, es sei wegen dieses Entführungsvorwurfs notwendig gewesen, die gerichtliche Umgangsregelung vom 5.4.2016, die der Antragsteller dabeigehabt habe, ins Türkische übersetzen zu lassen, um sie dann den Gendarmen als Nachweis dafür vorzulegen, dass der Antragsteller berechtigterweise mit seinen Töchtern in der Türkei Urlaub machte. Der Vorwurf sei dann fallengelassen worden.

Sollte dieser, erstmals in der Beweisaufnahme durch die Zeugenangaben eingeführte und von der Antragsgegnerin nicht ausdrücklich bestrittene Sachverhalt zutreffen, hätte sich der Antragsteller erst recht dazu genötigt sehen dürfen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um mit seinen beiden Töchtern und deren Reisepässen die Türkei wieder verlassen zu können.

An der Glaubhaftigkeit der lebhaften Schilderungen des Zeugen W, der im Wesentlichen die Behauptungen des Antragstellers bestätigt hat, bestehen keine Zweifel. Auch wenn es sich bei den beiden vernommenen Zeugen um nahe Verwandte des Antragstellers handelt, hat das Beschwerdegericht keine Anhaltspunkte dafür, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

cc) Ein Verschulden der Antragsgegnerin hinsichtlich der festgestellten Pflichtverletzung wird vermutet, wie bereits im Senatsbeschluss vom 27.6.2017 ausgeführt worden ist. Es hätte daher ihr oblegen darzulegen und zu beweisen, dass die Pflichtverletzung unverschuldet war.

Dass dem Antragsteller die vereinbarte Rückführung der Kinder nach B ohne deren Reisepässe nicht möglich gewesen wäre, war für die Antragsgegnerin ohne weiteres vorhersehbar. Ihr wird ebenso klar gewesen sein, dass der Antragsteller die Passherausgabe ihr gegenüber durchsetzen musste, um seinerseits die Umgangsvereinbarung, nämlich die pünktliche Rückkehr der Kinder nach Bremerhaven, erfüllen zu können.

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, der Antragsteller habe dadurch, dass er nicht am 13.7.2016, sondern erst am 14.7.2016 die Kinder bei ihr habe abholen lassen, sein Umgangsrecht „verwirkt“, kann sie mit diesem Vortrag ihr Verhalten hinsichtlich der Verweigerung der Passherausgabe nicht als unverschuldet darstellen. Selbst wenn die Übergabe der Kinder bereits am 13.7.2016 nach der Umgangsvereinbarung vom 5.4.2016 hätte durchgeführt werden müssen, bestand für die Antragsgegnerin keine Berechtigung, am 14.7.2016 zwar die Kinder an den Onkel zu übergeben, die Passherausgabe aber zu verweigern. Durch die Übergabe der Kinder an den Onkel am 14.7.2016 hat sie zumindest konkludent erklärt, die Umgangsvereinbarung vom 5.4.2016 durchführen zu wollen. Dass die Kinder ab Ferienbeginn am 23.6.2016 bis zu dem Abflug am 3.7.2016 mit der Antragsgegnerin in die Türkei im Haushalt des Antragstellers verbracht haben, wie die Antragsgegnerin weiter vorträgt, ist für den verfahrensgegenständlichen Schadensersatzanspruch des Antragstellers irrelevant, zumal sie auch dieses Abweichen von der Umgangsvereinbarung vom 5.4.2016 zumindest konkludent gebilligt hat. Dieses Einverständnis kann sie nicht im Nachhinein wieder „zurücknehmen“, indem sie angesichts der Schadensersatzforderung des Antragstellers vorträgt, die Umgangsvereinbarung vom 5.4.2016 sei aufgrund der vorerwähnten Handhabung durch die Kindeseltern Mitte Juli 2016 ohnehin nicht mehr bindend bzw. durchführbar gewesen.

Sie konnte sich im Juli 2016 auch nicht hinsichtlich der Passherausgabe auf ein ihr zustehendes Zurückbehaltungsrecht wegen der Aufwendungen für den Rückflug beider Mädchen nach Deutschland berufen. Diesbezüglich fehlt es bereits an einer Forderung der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller, mit der sie hätte aufrechnen können.

Nach der am 5.4.2016 getroffenen Umgangsvereinbarung hatte der Antragsteller die gemeinsamen Töchter nach dem dreiwöchigen Türkeiurlaub in der zweiten Sommerferienhälfte wieder zurück nach Bremerhaven zu bringen. Ob er den Rücktransport der in der Türkei übernommenen Mädchen mit dem Flugzeug oder dem Auto durchführen wollte, blieb ihm überlassen. Er hatte nach der Umgangsvereinbarung nur dafür zu sorgen, dass beide Mädchen wieder pünktlich zum Schulbeginn in Bremerhaven eintreffen. Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich, aber auch noch in dem Schriftsatz vom 7.8.2017, mit dem sie die Buchungsbestätigung für Hin- und Rückflüge vorgelegt hat, behauptet, der Antragsteller habe unnötige Kosten verursacht, weil er im Juni 2016 erklärt habe, nicht in die Türkei kommen zu können, weshalb sie „aufgrund dessen“ die Rückflüge für die Kinder gebucht habe. Dieser Vortrag ist unzutreffend, worauf bereits in der Terminsladung vom 13.9.2017 hingewiesen worden ist. Nach der am 28.7.2017 ausgedruckten Buchungsbestätigung des Reisebüros G. Reisen GbR ist die Flugbuchung am 1.3.2016 von der Antragsgegnerin vorgenommen worden. Die Zahlung des Flugpreises von insgesamt 875 € war am 24.3.2016 und somit bereits vor der am 5.4.2016 getroffenen Umgangsvereinbarung abgeschlossen. Es bedarf daher keiner weiteren Aufklärung, ob der Antragsteller nach dem 5.4.2016 gegenüber der Antragsgegnerin einmal geäußert hat, im Sommer 2016 nicht in die Türkei zu kommen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, hätte er hiermit nicht die bereits im März 2016 erfolgte Flugbuchung durch die Antragsgegnerin veranlassen können. Hätte sie eine Beteiligung des Antragstellers an den bereits am 5.4.2016 komplett gezahlten Flugkosten erreichen wollen, hätte sie eine entsprechende Regelung in die Umgangsvereinbarung aufnehmen lassen müssen. Nach dem Sitzungsprotokoll vom 5.4.2016 stellt es sich hingegen so dar, dass die Antragsgegnerin die damals bereits gebuchten Hin- und Rückflüge der Kinder unerwähnt ließ. Da sie laut Buchungsbestätigung des Reisebüros die Buchung selbst vorgenommen hatte, war ihr auch bekannt, dass ein Verhalten des Antragstellers für ihre Reisekosten nicht ursächlich war. Dementsprechend konnte sie auch aus Laiensphäre keinen „Gegenanspruch“ auf anteilige Flugkosten und ein hierauf gestütztes Zurückbehaltungsrecht an den Pässen der Kinder annehmen.

2.

Der Schaden ist vom Antragsteller in Höhe der Kosten für den Rechtsanwalt von 2.700 TRY nachgewiesen. Die Übergabe von 2.700 TRY an einen Rechtsanwalt in A. ist mit einer handschriftlichen Quittung belegt worden. Zudem hat der Zeuge W eine Zahlung – wenn auch in Euro – an den türkischen Rechtsanwalt bestätigt. Auch die Antragsgegnerin hat bei ihrer mündlichen Anhörung im Termin vor dem Amtsgericht Bremerhaven am 14.3.2017 unstreitig gestellt, dass der Antragsteller einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, an dessen Angestellte die Pässe herausgegeben worden seien. Der in ausländischer Währung angegebene Betrag ist in Euro mit dem im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gültigen Wechselkurs umzurechnen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., vor § 249 Rn. 127). Die Umrechnung von 2.700 TRY in Euro unter Berücksichtigung des am 10.11.2017 geltenden Wechselkurses ergibt laut der Internetseite http://www.finanzen.net/waehrungsrechner/neue-tuerkische-lira_euro einen Betrag von 598,88 €.

Die vom Antragsteller aufgebrachten Übersetzungskosten von 112,15 € sind unstreitig.

Hinsichtlich der zudem geltend gemachten Notariatskosten und weiteren Gerichtskosten, die insgesamt einen Betrag von 428,12 TRY ausmachen, gilt weiterhin der bereits mit Beschluss vom 27.6.2016 vom Senat erteilte Hinweis, dass die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 6.3.2017 substantiiert diese Kosten bestritten hat und daher weiterer substantiierter Vortrag des Antragstellers nebst Beweisangeboten erforderlich ist. Dieser Vortrag ist nicht erfolgt.

Dem Antragsteller steht somit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 711,38 € zu.

3.

Dieser Anspruch ist auch nicht durch die von der Antragsgegnerin erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung über 400 € erloschen. Hierbei soll es sich um den Anteil der Flugkosten der Kinder für den von der Antragsgegnerin am 1.3.2016 gebuchten Hin- und Rückflug von Deutschland in die Türkei handeln. Wie bereits unter Ziff. II.1b)cc) erläutert, steht der Antragsgegnerin kein Ersatzanspruch wegen der Flugkosten gegen Antragsteller zu. Ein im Hinweisbeschluss des Senats vom 27.6.2017 geprüfter und abgelehnter Zahlungsanspruch aus den §§ 677, 683 BGB kommt angesichts der erst durch Schriftsatz vom 7.8.2017 bekannt gewordenen Flugbuchung bereits am 1.3.2016 durch die Antragsgegnerin weiterhin nicht in Betracht. Bei Buchung der Hin- und Rückflüge handelte die Antragsgegnerin nur in eigenem Interesse; es fehlte also bereits an einem Fremdgeschäftsführungsbewusstsein bei der Antragsgegnerin.

4.

Der Anspruch auf Verzugszinsen auf die Hauptforderung ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 92 Abs. 1 ZPO, die Verfahrenswertfestsetzung auf den §§ 40, 42 Abs. 1 FamGKG.

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