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Vaterschaftsfeststellung bei vertraulicher Geburt

AG Kempten – Az.: 2 F 635/15 – Beschluss vom 30.09.2016

1. Die Anträge des Antragstellers werden abgewiesen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird auf 2000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragt die Feststellung der Vaterschaft bzw. Auskunftserteilung über den Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort eines ihm unbekannten Kindes.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind pakistanische Staatsangehörige und als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Die Antragsgegnerin hat vom Antragsteller ein Kind empfangen, welches sie im Jahr 2014 im Wege der vertraulichen Geburt nach den Vorschriften des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zur Welt gebracht hat.

Nach der Sachverhaltsschilderung des Antragstellers ist das Kind aus einer Liebesbeziehung zwischen den Beteiligten hervorgegangen. Obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben gewesen seien, habe die Antragsgegnerin eine vertrauliche Geburt durchgeführt. Eine solche käme nur dann in Betracht, wenn die Frau, die ein Kind erwartet, die Mutterschaft geheim halten wolle. Vorliegend hätte das Umfeld der Antragsgegnerin, jedoch von deren Schwangerschaft gewusst. Die Antragsgegnerin, welche zum Zeitpunkt der Geburt noch minderjährig war, sei von ihrer Familie unter Druck gesetzt worden, weswegen die Entbindung im Wege der vertraulichen Geburt gewählt worden sei.

Der Antragsgegner sei bereit, seine Vaterschaft anzuerkennen und das Kind alleine zu erziehen. Hierauf habe er auch einen Anspruch. Dies sei jedoch nicht möglich, da er weder Auskunft über den Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort seines Kindes mitgeteilt bekommen habe. Da er ansonsten keine Auskunftsmöglichkeiten haben, müsse die Antragsgegnerin diese erteilen.

In rechtlicher Hinsicht vertritt der Antragsteller die Ansicht, die Vorschriften des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über die vertrauliche Geburt seien nicht verfassungskonform, da der Vater keine Möglichkeit habe, seine Rechte geltend zu machen.

Die Antragsgegnerin beantragt Antragsabweisung.

Das Kind sei nicht aus einer Liebesbeziehung hervorgegangen, vielmehr habe der Antragsteller die Antragsgegnerin zum Geschlechtsverkehr gedrängt. Durch diesen Übergriff und die Ausübung von massivem Druck durch den Antragsteller sei die Antragsgegnerin erheblich traumatisiert gewesen, weswegen eine vertrauliche Geburt durchgeführt worden sei. Die Antragsgegnerin habe sich in einer echten psychischen Notlage befunden, sie habe weder ausreichend gegessen noch getrunken, so dass eine ausreichende Versorgung des Kindes nicht mehr gewährleistet war. Zwischenzeitlich hätte sogar Suizidgefahr bestanden. Auf Grund der zunehmenden Verschlechterung ihres Gesundheitszustands sei sie Ende Oktober 2014 von einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle ins Krankenhaus gebracht worden, wobei sie nicht mehr sagen könne, um welches Krankenhaus es sich gehandelt habe. Nach einem 2-3wöchigem Aufenthalt im Krankenhaus sei dann das Kind geboren worden. Es sei der Antragsgegnerin auch unmöglich, die vom Antragsteller gewünschten Informationen mitzuteilen. Ihr seien nach der vertraulichen Geburt weder der Name, der Aufenthaltsort oder sonstige Umstände des Kindes nicht bekannt. Die Geburt erfolge anonym, wobei alle Beteiligten zur Geheimhaltung verpflichtet seien. Würde die Antragsgegnerin zur Auskunft verpflichtet werden, würde der Gesetzeszweck des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und die darin enthaltene Schutzfunktion zu Gunsten der Mutter unterlaufen werden.

II.

Die Anträge des Antragstellers sind unbegründet.

Vaterschaftsfeststellung bei vertraulicher Geburt
(Symbolfoto: KieferPix/Shutterstock.com)

1. Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft kann keinen Erfolg haben, da das Kind, dessen Vaterschaft festzustellen ist, unbekannt ist und auch die Identität des Kindes im Wege der Amtsermittlung nicht geklärt werden kann. Eine Ermittlungsmöglichkeit besteht nur in der der Erteilung von Auskünften durch die Kindesmutter, die jedoch zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet ist (s.u. Ziffer 2).

2. Auch der Auskunftsantrag des Antragstellers ist unbegründet. Es existiert keine Anspruchsgrundlage, aufgrund derer die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller zur Auskunft verpflichtet werden kann Informationen preiszugeben, die eine Identifizierung des Kindes ermöglichen.

a) Die Vorschrift des § 1686 a BGB ist nicht anwendbar. Diese erfordert nach ihrem Wortlaut den Umstand, dass die „Vaterschaft eines anderen Mannes besteht“. Diese Voraussetzungen ist vorliegend gerade nicht gegeben.

b) .Das Schwangerschaftskonfliktgesetz sieht keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für eine Auskunftsverpflichtung der Kindesmutter die gegenüber dem leiblichen Vater des Kindes vor. Die Einsichtsrechte in die Herkunftsunterlagen des Kindes sind in § 31 SchKG abschließend geregelt. Lediglich das Kind hat ein Einsichtsrecht mit der Vollendung des 16. Lebensjahres. Ein eigenständiges Auskunftsrecht bzw. Einsichtsrecht des Vaters ist gesetzlich nicht vorgesehen.

c) Eine Auskunftsverpflichtung könnte daher allenfalls aus der Vorschrift des § 242 BGB abgeleitet werden, was rechtlich jedoch nicht möglich ist.

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2015 (1 BvR 472/14) zur bis dahin von der Rechtsprechung angenommenen Auskunftsverpflichtung der Mutter gegenüber dem Scheinvater festgestellt, dass die Begründung eines Auskunftsanspruchs auf § 242 BGB mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung dann überschreitet, wenn verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen in erheblichem Maße beeinträchtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass die Gerichte die wechselseitigen Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen haben. Das Bundesverfassungsgericht führt aus: „Je schwerer die Belastung verfassungsrechtlich wiegt und je schwächer der verfassungsrechtliche Gehalt der damit durchzusetzenden Gegenposition ist, umso strikter muss sich die zivilrechtliche Rechtsfindung innerhalb der Grenzen des gesetzten Rechts halten.“

bb) Mit der Einführung der Regelungen zur vertraulichen der Geburt wollte der Gesetzgeber Schwangeren in Konfliktlagen helfen, die Angst davor haben, im Rahmen der Entbindung ihren Namen offenzulegen und auch nach der Geburt anonym bleiben möchten, d.h. ihrem sozialen Umfeld die Mutterschaft nicht preisgeben wollen. Sie sollen die Möglichkeit haben, das Kind medizinisch betreut zu entbinden, um insbesondere die Gefahren einer medizinisch unbegleiteten Entbindung für Mutter und Kind auszuschließen.

Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass eine Schwangere die vertrauliche Geburt nur dann in Anspruch nimmt, wenn und solange sie davon ausgeht, dass ihre Schwangerschaft anderen Personen nicht bekannt ist (S. 16 des Entwurfs eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt vom 19.3.2013, Bundestagsdrucksache 17/12814). Diese Sachverhaltskonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben, da die Schwangerschaft ja bekannt war. Die im vorliegenden Fall zu Grunde liegende Sachverhaltskonstellation war aber auch Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens. Im Gesetzentwurf ist ausgeführt, dass bei einer vertraulichen Geburt die elterliche Sorge der Mutter ruht, § 1674 a BGB. Die elterliche Sorge des Vaters soll unberührt bleiben. Nach der Vorstellung im Gesetzentwurf soll der Vater, wenn er von der Schwangerschaft oder der Geburt des Kindes weiß, sich an das Standesamt wenden und die Identität der Eltern melden und so seine Rechte geltend machen können. Allerdings ist dem Vater wohl regelmäßig – wie hier – das zuständige Standesamt für die Registrierung der Geburt des Kindes nicht bekannt, denn die Schwangere kann nach § 26 Abs. 4 SchKG den Ort der Geburt frei wählen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum o.g. Gesetzentwurf vom 03.05.2015 auf die Problematik hingewiesen, die nun exakt im vorliegenden Fall gegeben ist (BR-Drucksache 214/13). Der Bundesrat weist darauf hin (Seite 5 der Stellungnahme), dass beim Gesetzentwurf des Bundestags die Gefahr bestehe, dass die betroffenen Väter durch die vertrauliche Geburt ihrer Kinder mit ihren Sorge- und Umgangsrechten auch dann der faktisch ausgeschlossen werden, wenn sie mit der von der Mutter gewünschten der vertraulichen Geburt nicht einverstanden sind. Er weist ferner darauf hin, dass der Ansatz, die Mutter müsse von den Beratungsstellen darauf hingewiesen werden, dass sie durch ihren Wunsch nach Geheimhaltung das Recht des Vaters auf Ausübung seiner Sorge verletze (Einzelbegründung zu § 25 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Schwangerschaftskonfliktgesetz) kein ausreichendes Instrument zum Schutz der Väterrechte sei.

Diesen Bedenken wurde jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht Rechnung getragen. Die Bundesregierung führt in ihrer darauf erfolgten Stellungnahme (Bundestagsdrucksache 17/13391) aus, dass es der Vater in der Hand habe, die Absicht der Schwangeren, in die Schwangerschaft bzw. die Mutterschaft von ihrem sozialen Umfeld geheim zu halten, entgegenzutreten, indem er dies bekannt macht. Außerdem könne er seine Vaterschaft anerkennen oder gerichtlich feststellen lassen. Sei der Vater mit der Mutter verheiratet oder sei dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt, würden diese Daten aufgrund von § 27 Abs. 1 des Personenstandsgesetzes registriert und es würde zwangsläufig auch die Identität der Mutter des Kindes bekannt. Im Übrigen verweist die Bundesregierung hierzu auf eine spätere Evaluation des Gesetzes. Diese Begründung ist aus Sicht des Gerichts nicht zutreffend. Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, bedarf eine Anerkennung der Vaterschaft der Zustimmung der Mutter. Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft vor der Geburt ist nicht möglich (OLG Düsseldorf, FamRZ 2015, S. 1979).

cc) Im Rahmen der gebotenen Abwägung (s.o.) ist festzustellen, dass vorliegend gleichwertige verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Beteiligten kollidieren. Auf der einen Seite steht das Anonymitätsinteresse der Mutter in psychosozialen Notsituationen unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz. Auf der anderen Seite besteht das gleichwertige Recht des Vaters aus Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz. Aus Sicht des Gerichts ist es aber nicht möglich, durch richterliche Rechtsfortbildung den im vorliegenden Fall bestehenden Interessengegensatz aufzulösen und aus dem Gebot von Treu und Glauben einen Anspruch auf Auskunftserteilung abzuleiten. Wie sich aus dem geschilderten Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ergibt, hat der Bundesgesetzgeber dem Schutz der Schwangeren in Konfliktsituationen hier eine größere Bedeutung beigemessen. Aus der dargestellten Einzelbegründung zu § 25 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SchKG ergibt sich, dass die Rechte des Vaters weniger schwer wiegen sollen. Diese gesetzgeberische Wertung kann aus Sicht des Gerichts nicht außer Betracht gelassen werden, da ansonsten möglicherweise der Schutzzweck des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ausgehebelt würde. Ein Auskunftsrecht und dessen Ausgestaltung der Eltern untereinander bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

dd) Das Gericht teilt zwar die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen die Auskunfts- und Einsichtsrechte des § 31 SchKG, da der Vater keine Möglichkeit hat vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Informationen über sein Kind zu erlangen. Gleichwohl sind die Voraussetzungen für eine Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG nicht gegeben. Diese Norm ist jedoch für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn § 31 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes verfassungswidrig wäre, resultiert hieraus keine andere Entscheidung. Es geht vorliegend nicht um Auskunftsansprüche gegenüber dem Bundesamt, sondern des Vaters gegenüber der Mutter, für die das Gericht unabhängig von § 31 SchKG keine Anspruchsgrundlage sieht (s.o.)

Eine Verfassungswidrigkeit des Schwangerschaftskonfliktgesetzes insgesamt sieht das Gericht entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Entscheidung über den Verfahrenswert auf § 47 Abs. 1 FamGKG.

 

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