OLG Brandenburg, Az.: 13 UF 186/15, Beschluss vom17.12.2015
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwältin … beigeordnet.
Gründe
Bei Gelegenheit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe weist der Senat die Beteiligten darauf hin (§ 28 I FamFG), dass der angefochtene Beschluss im Ergebnis nicht zu beanstanden sein wird. Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen des gegen die Antragsgegner ausgesprochenen Kontaktverbotes sogar zu streng beurteilt. Um den Antragsgegnern den Umgang mit dem Kind zu verbieten und dieses Verbot durch vollstreckbare Unterlassungsanordnungen durchzusetzen, bedarf es nicht der Feststellung einer Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB). Es reicht vielmehr aus, dass die sorgeberechtigten Antragsteller den Umgang aus verständigen Gründen verbieten (§ 1632 II BGB) und über dieses Verbot Streit mit den umgangsbegehrenden Antragsgegnern besteht. Anordnungen des Gerichts gegenüber den Adressaten des Verbots finden dann ihre Rechtsgrundlage im § 1632 III BGB (MK-BGB-Huber, 6. Aufl. 2012, § 1632 Rdnr. 69; BeckOK-BGB-Veit, Stand: Nov. 2011, § 1632 Rdnr. 14, 20).
Den Antragstellern steht als Bestandteil ihrer elterlichen Sorge die Verantwortung und das Recht zu, über den Umgang des Kindes zu bestimmen. Diese Bestimmung ist nicht nur gegenüber dem Kind, sondern auch gegenüber Dritten verbindlich (§ 1632 II BGB).
Die Umgangsbestimmung steht – wie die gesamte Ausübung der elterlichen Sorge – nicht im freien Belieben der Eltern, sondern sie dient den Interessen des Kindes. Bei der Umgangsbestimmung haben die Eltern gegenüber dem Kind dessen mit dem Alter zunehmende Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu berücksichtigen (§ 1626 II BGB). Gegenüber Großeltern, die ein eigenes, treuhänderisch dem Kindeswohl verpflichtetes Umgangsrecht haben (§ 1685 I BGB), dürfen die Eltern den Umgang nur dann nicht verbieten, wenn positiv festgestellt werden kann, dass er dem Kindeswohl dient (MK-BGB-Hennemann, § 1685 Rdnr. 1; Staudinger-Rauscher, BGB, Neubearb. 2014, § 1685 Rdnr. 16 ff.).
Das Gericht, bei dem die Eltern die zwangsweise Durchsetzung ihrer Umgangsbestimmung beantragen können (§ 1632 III BGB), prüft diese Bestimmung nicht in allen Einzelheiten nach. Unterstützung durch staatlichen Zwang steht den Eltern nicht erst dann zu, wenn das Gericht die getroffene Umgangsbestimmung für die im Interesse des Kindes bestmögliche hält oder wenn es eine inhaltsgleiche Bestimmung aus eigener Überzeugung auch selbst festsetzen würde. Das Elternrecht und die damit verbundene Elternverantwortung (Art. 6 II 1 GG) beschränken die Kontrollintensität: Halten die Eltern die gesetzlichen Grenzen ihrer Entscheidungsbefugnis gegenüber Kind (§§ 1618 a, 1626 II BGB) und Dritten (§ 1685 BGB) ein und treffen sie eine Entscheidung innerhalb eines nachvollziehbar und verständig ausgeübten Ermessensspielraums, so unterstützt sie das Gericht im Streit mit Dritten durch die Anordnung hoheitlichen Zwangs (Staudinger-Salgo, BGB, Neubearb. 2007, § 1632 Rdnr. 23).
Verständige und deshalb anzuerkennende Gründe für ein Umgangsverbot auch gegenüber Großeltern können darin gefunden werden, dass zwischen Eltern und Großeltern schwere Zerwürfnisse bestehen und dass das Kind wegen seiner eigenen allen Beteiligten gegenüber bestehenden Zuneigung wegen dieser Zerwürfnisse in Loyalitätskonflikte gerät, die es schwer belasten können. In einer solchen Lage dürfen die Eltern ihrem eigenen Verhältnis zu dem Kind den Vorrang vor dem Schutz des Verhältnisses der Großeltern zu dem Kind einräumen. Das gilt jedenfalls, solange sich die Eltern nicht gegen einen entgegenstehenden Willen des Kindes zum Umgang mit den Großeltern hinwegsetzen (MK-BGB-Hennemann, § 1685 Rdnr. 14; Staudinger-Rauscher, § 1685 Rdnr. 19 a, 21; BeckOK-BGB-Veit, § 1685 Rdnr. 9, 9.2).
Die Antragsgegner müssen zu dem Zugeständnis bereit sein, dass es für das Wohl des Kindes völlig bedeutungslos ist, wie es zu den Konflikten zwischen den Beteiligten gekommen ist, ob und wer Streit und unangemessenes Verhalten verschuldet hat und ob einzelne Beteiligte eventuell ohne eigenes Zutun in Zwist und Ungerechtigkeiten verstrickt worden sein könnten. Entscheidend ist allein, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Erwachsenen das Kind inzwischen so sehr belasten, dass es sich auf eine verbitterte Ablehnung des Umgangs mit den Antragsgegnern festgelegt hat. Diese Haltung des Kindes ist weder durch das Festlegen noch durch das Absehen von gerichtlichen Geboten zu korrigieren. Es ist auch nicht von Bedeutung, ob dieser Wille autonom gebildet ist oder als augenblickliches Ergebnis der Unentschlossenheit und Zerrissenheit des Kindes beurteilt werden muss. Für das Wohlbefinden des Kindes ist allein entscheidend, dass es das Verhältnis zu den Antragsgegnern offenbar als ein unentrinnbares Geflecht gegenseitiger Vorhaltungen, Schuldzuweisungen und Forderungen erlebt. In den Stellungnahmen der Antragsgegner werden Wut und Enttäuschung deutlich, die sie dem Kind entgegenhalten (Anlagen zum Schriftsatz vom 21. Mai 2015 und zur Beschwerdeschrift, Bl. 193 ff., 253 ff.). Selbst wenn die Antragsgegner berechtigten Grund hätten, sich über Undankbarkeit, mangelndes Verständnis und unbegründete Zurückweisungen zu beklagen, so müssen sie doch zur Kenntnis nehmen, dass ihr Verhältnis zu dem Kind und die Sicht des Kindes selbst auf dieses Verhältnis inzwischen von diesen bitteren Vorwürfen geprägt sind. In dieser Lage – gleichviel, wie sie entstanden ist und wer dafür die Verantwortung trägt – ist es eine hinzunehmende, der Korrektur nicht zugängliche Entscheidung der Eltern, den Umgang mit den Großeltern auszuschließen, um das Kind so weit wie möglich von Streit, Zwist und Vorwürfen fernzuhalten. Die Großeltern müssen diese Entscheidung aus dem Vorrang des Elternrechts hinnehmen.
Den Antragsgegnern ist dringend zu raten, ihre aussichtslose Beschwerde zurückzunehmen. Dazu haben sie Gelegenheit binnen eines Monats. Sollten sie sich dazu nicht entschließen können, könnte der Senat nach Ablauf der Frist ohne weiteres entscheiden (§ 68 III 2 FamFG), da die Beteiligten ihre Standpunkte nicht nur in Schriftsätzen umfangreich dargelegt haben, sondern auch in erster Instanz mündlich angehört worden sind. Insbesondere über die Befindlichkeiten des Kindes vermitteln das Anhörungsprotokoll sowie die Berichte des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes ein widerspruchsfreies, stimmiges Bild, das der Senat nicht durch eine weitere Anhörung ergänzen muss.
Den Antragstellern wird aufgegeben, umgehend die Adresse des Kindes mitzuteilen. Das Kind ist selbst verfahrensfähig (§ 9 I Nr. 3 FamFG). Ihm ist deshalb direkt, ohne die Vermittlung durch Dritte, rechtliches Gehör zu gewähren.